Kelten und Germanen

Halten zu Gnaden,aber diese Brücke sehe ich im Bezug auf die Kelten/Germanenabgrenzung nicht wirklich.

Tout à fait d'accord. Auf einen Bezug zu den "Germanen" hatte ich zunächst überhaupt verzichtet, weil ich mir über die Bedeutung von ebenfalls auf den Grabsteinen eingeschriebenem "ex collegio Germanorum" noch nicht Klarheit verschafft habe; in Abgrenzung zu den Kelten - zugegeben: off-topic (aber mich hat es nicht so gestört, weil ich den Ansatz trotzdem interessant genug finde und der Text nun einmal hier angefragt worden war und ich ihn auch gleich herunterladen konnte.)

Zum einen besteht natürlich ein erheblicher Unterschied in der Wahrnehmung zwischen einer Stammesidentität/Kleingruppe und der Identität mit eines ethno-kulturellen Großverbandes.Jemand ,der sich als Suebe oder Treverer sieht muß sich noch lange nicht als Germane oder Kelte sehen.
Zum anderen sind die antiken Inschriften,auf die hier Bezug genommen wird ebenso wie ihre Auftraggeber , natürlich von der römisch-imperialen Einteilung geprägt und die war eher politischer als ethnologischer Natur.

Naja, aber da muß man dann auch schon wieder aufpassen, welche Stammesnamen beispielhaft anführt.

Ich habe oben nahe gelegt, daß sich - vorausgesetzt, qua Methode ließe sich für eine batavische Identität plausibel argumentieren - diese Methode vielleicht primär auch nur auf die Batver anwenden läßt - schlicht aufgrund mangelnder Fundee oder vielleicht auch nur, weil das entsprechende Fundmaterial noch nicht aufgearbeitet sein könnte.
Bezüglich der Treverer mag dann dein Einwand vielleicht noch hinhauen, aber beim Suben-Namen schon tritt das Problem auf, daß meiner Ansicht (und Lektüre-Erfahrung) nach völlig unklar ist, ob die Sueben aus Caesars Zeit überhaupt mit Sueben anderer Überlieferungen zu identifzieren sind, ob der Suebenname nicht gelegentlich auch synonymartig für "Germanen" benutzt wurde; nach Caesar war es nicht einmal ein kleiner Stamm; vielleicht sogar eher ein Stammesverband im Sinne Wenskus oder gar eine Art Königtum, wobei dann nicht mal sicher wäre, ob germanisch oder keltisch ...; und ich bin noch nicht einmal sicher darüber, wie unvollständig meine Problemaufzählung diesbezüglich noch ist!
 
war die römische Sicht (welcher die meisten Sprachzeugnisse zu verdanken sind für den fraglichen Zeitraum und die fragliche Region) nicht insgesamt eher "politisch-geografisch" und eben leider nicht sprachwissenschaftlich? Auffallend ist doch z.B. später, dass all die herandrängenden Goten zunächst nicht mit den germanisch spechenden Franken, Alemannen etc. gleichgesetzt wurden: allerlei Goten, Gepiden etc. wurden der Scythia zugeordnet, allerlei "Germanen" der Germania - und diese Großregionen hatten in der Vorstellung eine gewissermaßen bürokratische Einteilung.

Bei dieser Frage spielt eher hinein, aus welchem Reichsteil die jeweiligen Autoren stammten/ in welchem Reichsteil sie schrieben und z. T. auf welche historiographischen Traditionen sie sich stützten.

Nach welchen Kriterien die einzelnen Autoren dann ihre Einteilungen vorgenommen haben: Das ist eigentlich eine gute Frage; auf das sprachliche gibt es wohl eher wenig Hinweise, da hast du recht; was du aber mit "politisch-geographisch" - "bürokratischer Einteilung" meinst, läßt mich grübeln. Meinst du, daß die Römer aufgrund ihrer Verwaltung eben eine Eintellung konstruierten? Ist ein interessanter Gedanke, aber die Einteilungen entstanden ja - wie ich mutmaße - eher vor Ort, also dezentral, so daß ich solche tendenzielle Willkür, die ich dabei unterstellen würde, für nicht so maßgeblich annehmen möchte.
Du sprichst aber auch von "politisch-geographisch; das verstehe ich irgendwie gar nicht; man könnte in geographischer Hinsicht freilich mutmaßen, daß natürliche Grenzen wie Flüsse auch für die grobe Lokaliserung dienten, die man allerdings wohl nicht allzu wörtlich nehmen darf. --- Und was meintest du jetzt eigentlich mit den beiden Begriffen?

Ein Kriterium, das aber nicht genannt wurde, war die Orientierung an Herkunfts-/ Abstammungmythen, welche Schwierigkeiten die verschiedenen Überlieferungen dabei auch wieder aufwerfen.

À Propos, hatte jemand hier im Thread eigentlich schon einmal auf diesen Hintergrund die Abgrenzungsfrage Kelten vs Germanen angesprochen? Da habe ich ja jetzt was zum Nachdenken! Über die Germanen dazu Material zusammenzufassen, dürfte vielleicht nicht einmal so schwer sein (z. B. http://www.geschichtsforum.de/f35/mannus-st-mme-kontinuit-t-und-wandel-26272/), aber wie ist das eigentlich für die Kelten überliefert.

Spontan erinnere ich mich nur an den spatantiken Historiker Ammianus Marcellinus, einem oströmischen Historiker:in seiner "Römischen Geschichte" (XV 9,3) schrieb: "Die Ureinwohner, die in diesen Gegenden [Gallien], wie manche behaupten, erschienen, hießen Kelten nach dem Namen eines beliebten Königs und dem seiner Mutter Galater - auch heute heißen die Gallier so in griechischer Sprache." (http://www.geschichtsforum.de/320192-post47.html)

War für den Galliern nicht ein paar Jahrhunderten zuvor die Rede von "Merkur" - vielleicht weiß es jemand genauer und kann mich ggf. korrigieren. Oder gibt es noch mehr? ... Zumindest würde ein Vergleich eher einer Unterscheidung der beiden "Völker" - so man diese jeweils pauschal klassifizieren wolle - das Wort reden, behaupte ich jetzt mal.
 
Nicht ganz: Caesar setzte zwar den obersten Gott der Gallier mit Merkur gleich, behauptete aber, sie würden Dis (=Pluto) als ihren Stammvater betrachten. (Welcher gallische Gott damit gemeint war, ist unklar.)
 
Ist ein interessanter Gedanke, aber die Einteilungen entstanden ja - wie ich mutmaße - eher vor Ort, also dezentral, so daß ich solche tendenzielle Willkür, die ich dabei unterstellen würde, für nicht so maßgeblich annehmen möchte.
falls solche römischen "ethnografischen" Schemata nicht quasi am ästhetischen Teetisch von Großstadtliteraten entstanden waren (Tacitus war wohl nie am Rhein, soweit ich weiß)


Du sprichst aber auch von "politisch-geographisch; das verstehe ich irgendwie gar nicht; man könnte in geographischer Hinsicht freilich mutmaßen, daß natürliche Grenzen wie Flüsse auch für die grobe Lokaliserung dienten, die man allerdings wohl nicht allzu wörtlich nehmen darf. --- Und was meintest du jetzt eigentlich mit den beiden Begriffen?
ich habe mich gewiss etwas unklar ausgedrückt, deshalb ein neuer Versuch zu später (früher) Stunde: schematische Einteilungen wie alles was aus der Scythia kommt, sind scythische Gentes und alles, was aus der Germania libera kommt, sind germanische Gentes meinte ich damit. Ein "Gothicus" - Gotensieger - hat also eine große Leistung vollbracht, weil er einen der gefährlichen "scythischen" Stämme besiegt hat.

Ich habe das bzw. ähnliches (ich gebe es nur sehr verkürzt wieder) bei Geary und Wolfram gelesen; es hat die römische Sichtweise gar nicht interessiert, welche Sprachen die andrängenden Barbaren sprachen - so fiel auch keinem auf, dass die marodierenden Goten des 4.Jh. und die marodierenden Alemannen eine (damals noch) sehr ähnliche Sprache verwendeten: kurzum, die schematische geografische Einteilung als Zuordnungskriterium überwog. Das wundert (wenigstens mich) insofern, als es vermutlich doch verschiedene Dolmetscher gegeben haben muss - zumindest nehme ich an, dass ein alemannischer oder alanischer oder gotischer Verband nicht erst mühsam Latein lernte, um marodieren zu gehen :)

linksrheinisch Kelten, rechtsrheinisch Germanen scheint eine ebensolche schematische Einordnung zu sein, welche schon damals nicht unbedingt richtig gewesen sein muss
 
falls solche römischen "ethnografischen" Schemata nicht quasi am ästhetischen Teetisch von Großstadtliteraten entstanden waren
Der erste, der ausführlicher über die Stämme in Gallien schrieb, war Caesar, und der war bekanntlich kein Großstadtliterat, sondern acht Jahre lang vor Ort. Acht Jahre, in denen er ständig mit Vertretern der verschiedenen Stämme zu tun hatte und genau in Erfahrung bringen musste, welcher Stamm mit welchem verbündet oder verfeindet war. Damit will ich nicht sagen, dass seine Zuordnungen immer richtig gewesen sein müssen, zumal er kein Ethnologe war, aber zumindest muss er sich mit der Geographie ausgekannt haben. Außerdem, wenn man sich anschaut, welche belgischen Stämme er den Germanen zugeordnet hat, dann sieht man, dass die von ihm als germanisch eingestuften Stämme nicht einmal ein geschlossenes Gebiet bewohnten, sondern mit nichtgermanischen Stämmen vermischt waren. Er hat seine Zuordnungen also nicht am Reissbrett entworfen, sondern muss sich schon etwas mehr Gedanken gemacht haben. Er führte auch gegen verschiedene belgische Stämme, germanische und nichtgermanische, Krieg, sodass man auch nicht sagen kann, er habe einfach die feindlichsten oder gefährlichsten als Germanen bezeichnet.

Tacitus war wohl nie am Rhein, soweit ich weiß
Das weiß man nicht. Es ist in Wahrheit nur sehr wenig über sein Leben bekannt, auch wenn mitunter viel spekuliert (und dann von anderen als "Fakten" abgeschrieben) wird. Z. B. wird er als Militärtribun gedient und nach seiner Praetur eine Statthalterschaft bekleidet haben, aber in beiden Fällen wissen wir nicht, wo. Man kann also weder sagen, dass er am Rhein war, noch, dass er es nicht war.

linksrheinisch Kelten, rechtsrheinisch Germanen scheint eine ebensolche schematische Einordnung zu sein, welche schon damals nicht unbedingt richtig gewesen sein muss
Wie ich schon früher ausgeführt habe, machte man es sich eben nicht so einfach, sondern kannte auch linksrheinische Germanen und rechtsrheinische Gallier.
 
linksrheinisch Kelten, rechtsrheinisch Germanen scheint eine ebensolche schematische Einordnung zu sein, welche schon damals nicht unbedingt richtig gewesen sein muss

Auf jeden Fall gilt diese Einordnung für die Epoche vor der Zeitenwende und während der Latène-Zeit. Die Hunsrück-Eifel-Kultur, die auch die Sitze der erst später belegten Treverer umfasste, war eindeutig keltisch geprägt, die Frühgermanen saßen zu dieser Zeit in Südskandinavien und Norddeutschland bzw. den Oberläufen der großen Ströme Weser, Elbe, Oder und Weichsel.

Mit dieser keltischen Hunsrück-Eifel-Kultur, die etwa 200 v. Chr. endete, werden auch die Treverer in Verbindung gebracht, denn von linksrheinischen Germanen kann in dieser Zeit nicht die Rede sein.

Die Hunsrück-Eifel-Kultur gilt als relativ einheitliche Kultur, die sich ohne wesentliche Brüche über mehrere Jahrhunderte entwickelte. Die Mehrheit der Archäologen, die sich mit ihr befassten, vermutet deshalb, dass es weder zu wesentlichen Ein- noch Abwanderung von Bevölkerung kam. Die Träger der Hunsrück-Eifel-Kultur werden auch mit dem deutlich später schriftlich belegten keltischen Stamm der Treverer in Verbindung gebracht.
http://de.wikipedia.org/wiki/Hunsrück-Eifel-Kultu
 
@ravenik:
Nicht ganz: Caesar setzte zwar den obersten Gott der Gallier mit Merkur gleich, behauptete aber, sie würden Dis (=Pluto) als ihren Stammvater betrachten. (Welcher gallische Gott damit gemeint war, ist unklar.)
Ich denke, dass es sich hier um den Nachhall eines Transferproblems handelt: Die Interpretation Romana eines animistisch/schamanistischen Weltbildes in ein Polytheistisches ist problematisch. Die nötigen Zuweisungen können ungenau sein.
Will sagen: Man konnte nicht einfach die keltischen Naturgötter mit den römischen Staatsgöttern gleich stellen.
Das zeigt sich doch z.B. in den einheimischen Beinamen römischer Gottheiten, das war ja nicht im gesamten römischen Imperium so.

Und: Auch die griechische Religion hatte ihre anachronistischen, archaischen Züge in Titanenmythen und Uranos/Chronos-Kulten, etc. Bei den weiblichen Gottheiten Gaia-Rituale und der gesamte Demeterkult, etc.

Mit aller Vorsicht würde ich in den dreiköpfigen Statuen und Bildern der keltischen Zeit einen Niederschlage dieses "Urgott"-Glaubens sehen, auch Cernunnos erinnert in seiner Darstellung stark an viel ältere Götterbilder.

@ravenik:
Das weiß man nicht. Es ist in Wahrheit nur sehr wenig über sein Leben bekannt, auch wenn mitunter viel spekuliert (und dann von anderen als "Fakten" abgeschrieben) wird. Z. B. wird er als Militärtribun gedient und nach seiner Praetur eine Statthalterschaft bekleidet haben, aber in beiden Fällen wissen wir nicht, wo. Man kann also weder sagen, dass er am Rhein war, noch, dass er es nicht war.
Er stammte aus der Gallia Narbonensis und war 112-113 Prokonsul von Asien.
Er arbeitete als Schrifsteller, Politiker und Rhetor (Gerichtsredner, unseren heutigen Anwälten überlegen).
Ein Aufenthalt oder Kontakte nach Germanien sind schriftlich nicht belegt.
Minimalistisch, aber würdest du mir bis hier zustimmen?

Das Problem verdeutlicht sein Zitat:
(...) dass die Stämme Germaniens, in keiner Weise durch "eheliche Verbindungen" mit anderen Völkern verfälscht, ein eigentümliches und unvermischtes Volk von unvergleichlicher Eigenart" sei.
 
Zuletzt bearbeitet:
@muspilli:

Die römische Vorstellung von der Vor-Geschichte der unterworfenen oder benachbarten Stämme dürfte noch weniger entwickelt gewesen sein, als die über die wir gerade debattieren. Dieses Zitat wirkt auf mich wie einen ziemlich einfache Erklärung der Tatsache, dass das gleiche "Volk" in den Hauptsprachen ganz anders hiess.

Eine Änderung der Verhältnisse im nordalpinen Europa kann ich mir aber durchaus auch vorstellen - zwischen den engen Kontakten der Griechen (600-400v.Chr.) und dem erwachenden Interesse Roms (Allia-250/100 v.Chr.) hat sich nachweislich vieles auch leicht verschoben (Siedlungen HA D/LT A/B).

Wichtiger ist der Punkt von dekumatland und anderen: In Rom gab es ein geläufiges Weltbild, streng definiert gehörten hier die Regionen der Welt gewissen Völkern. Also: Eine andere Vorstellung als die, die wir heute haben. Das ist für die Diskussion im Folgenden wichtig.
Um Germanen und Kelten mal raus zu nehmen: Stammte man aus dem heutigen Moldawien, dann war man Skythe, genau wie ein Bergbewohner im heutigen Georgien. Auch in der östlichen Mongolei, Chinese konnte man nämlich nicht sein. Man war "per definitionem" irgenwas, egal, welche Sprache man sprach und wie man sich selbst nannte.
Etwa vergleichbar mit der Namensänderung bei komplizierten Nachnahmen, die man z.B. auf Ellis Island oder auf deutschen Ausländerbehörden vollzieht.

WENN man dieses Weltbild irgendwann konkretisiert und verfeinert hat für die dauerhaft besetzten Gebiete (also nicht rechtsrheinisch!), dann hat man damit noch nicht den Grundgedanken modifiziert.
 
Ich denke, dass es sich hier um den Nachhall eines Transferproblems handelt: Die Interpretation Romana eines animistisch/schamanistischen Weltbildes in ein Polytheistisches ist problematisch.
Das mit dem "animistisch-schamanistisch" ist aber doch übertrieben. Auch die Kelten glaubten an eine größere Zahl (zumindest weitgehend) anthropomorph gedachter Götter, auch schon in vorrömischer Zeit.

Er stammte aus der Gallia Narbonensis und war 112-113 Prokonsul von Asien.
Er arbeitete als Schrifsteller, Politiker und Rhetor (Gerichtsredner, unseren heutigen Anwälten überlegen).
Ein Aufenthalt oder Kontakte nach Germanien sind schriftlich nicht belegt.
Minimalistisch, aber würdest du mir bis hier zustimmen?
Dass er aus der Gallia Narbonnensis stammte, ist auch nur eine Vermutung. Ansonsten ja.

Wichtiger ist der Punkt von dekumatland und anderen: In Rom gab es ein geläufiges Weltbild, streng definiert gehörten hier die Regionen der Welt gewissen Völkern. Also: Eine andere Vorstellung als die, die wir heute haben. Das ist für die Diskussion im Folgenden wichtig.
Um Germanen und Kelten mal raus zu nehmen: Stammte man aus dem heutigen Moldawien, dann war man Skythe, genau wie ein Bergbewohner im heutigen Georgien.
Für diese angebliche Simplifizierung hat man sich aber mitunter ziemlich viele Gedanken über die Zuordnung einzelner Völkchen gemacht. Ich nehme z. B. die Bastarner: Tacitus schwankte, ob er sie den Germanen oder den Sarmaten zurechnen sollte; von der Sprache und Lebensweise her würden sie den Germanen gleichen. Livius hingegen betonte ihre Ähnlichkeit mit den Skordiskern. Strabon vermutete, dass sie Germanen seien. So oder so, jedenfalls wohnten die Bastarner deutlich abseits des zur Zeitenwende von Germanen besiedelten Gebietes.

Stammte man aus dem heutigen Moldawien, dann war man Skythe, genau wie ein Bergbewohner im heutigen Georgien. Auch in der östlichen Mongolei, Chinese konnte man nämlich nicht sein.
Doch, die Römer nannten die Chinesen "Serer" und unterschieden sie - ebenso wie die Inder - von den Skythen.
 
Woher nimmst du denn die Weisheit mit den anhropomorphen Göttern? Welchen Einfluss auf diese Einschätzung haben schriftliche römische Quellen und welchen die tatsächlichen Bodenfunde und Kunstwerke der keltischen Kultur?

Eine Zustimmung zu dieser Theorie könnte ich nur dann treffen, wenn ich sicher sein könnte, dass besonders die STatuen aus keltischer Zeit wirklich Götter im klassischen Sinne darstellen würden. Gerade bei den prominentesten Beispielen (z.B. Glauberg-Fürst, Gournay-sur-Aronde, etc) wird das eben nicht angenommen.

Sonst wirkt die keltische Kunst in vielem "animistisch".
"Schamanistisch" soll nur verdeutlichen, dass menschliche Vermittler mit besonders guten Kontakten in die Geisterwelt benötigt wurden.

Sagen wir mal: Ohne die Frage geklärt zu haben, stehen deine und meine Einschätzung etwa gleichwertig nebeneinander.
(Das soll natürlich nur geschickt davon ablenken, dass ich meine Hypothese ohne schriftliche Quellen ebenso wenig beweisen kann, wie du deine mit.)

Mit deiner Erwähnung der "Serer" hast du mich einmal mehr etwas schlauer gemacht, kannst du mir dazu mal ein paar Zitate bei bringen? Es würde mich interessieren.
Wenn du erlaubst, ersetze ich vor diesem Hintergrund "Mongolei" in meiner Aufzählung durch "hinter dem Ural". Oder wo - genau - lief noch mal die Serer-Grenze?

Deine zweite Anmerkung, die uns wieder auf das Ursprungsthema zurück führt, ist sehr interessant: Offensichtlich konnten Bastarner von den Römern nicht mit allen Völkern verwechselt werden. Sarmaten und Skordisker entstammen beide den hirtennomadischen Kulturen der russischen Steppe.

Eine Verwechslung mit den Galliern wollten die Römer ausschliessen, weder britische noch Alpenstämme oder solche aus Kleinasien finden ihren Weg in die Aufzählung.

Wo genau mögen die Bestandteile gelegen haben, die für den römischen Autor den Ausschlag zur ethnischen Zuweisung gaben?
Ganz sicher spielten weder Dinge wie "genetische Abstammung" noch "Eigendefinition" eine Rolle nach allem, was wir bislang diskutierten.

Also war vielleicht doch gerade das struppige Pony der Germanen der ausschlaggebende Grund der Zuweisung, um es etwas zu überspitzen?
 
Zuletzt bearbeitet:
Nachtrag:
Spannender Weise siedelten gerade die Völker, bei denen die Römer Probleme mit der ethnischen Zuweisung hatten, in den von den Römern definierten "Grenzgebieten".

Mit der Festlegung der Rheingrenze (mE immer noch: Durch Caesar) galt das auch für die Germanen.

Dort siedelnde Stämme waren besonders für kriegsführende Parteien wichtig: Welcher größeren Partei fühlten sie sich zugehörig?
Vor diesem Hintergrund nahmen die Germanen und die Bastarner für Rom eine ähnliche Rolle ein, wie z.B. die Kurden im Nord-Irak in den 80er und 90er Jahren.

Erklärt vielleicht genau das den Eifer, mit dem römische Autoren sich der Herkunft dieser Stämme widmeten?
 
Selbstanspruch, Prestige und antike Völkernamen?

Moment mal ... Falls ich nicht etwas übersehen habe (wenn ja, korrigiert mich bitte!), dann behauptet Caesar doch gar nicht, dass die Treverer Germanen gewesen seien oder sich als Germanen bezeichnet hätten. Im (allerdings von Aulus Hirtius verfassten) 8. Buch steht dann sogar ausdrücklich, dass sich die Treverer wegen ihrer Nähe zu den Germanen nicht viel von den Germanen unterschieden, was im Umkehrschluss bedeutet, dass zumindest Hirtius sie nicht als Germanen angesehen hat.
Dass die Treverer für sich germanische Herkunft in Anspruch nahmen, steht bei Tacitus.
Gallier, also Kelten gab es bekanntlich nicht nur in Gallien, sondern auch in der erst von Augustus endgültig unterworfenen Alpenregion, auf dem Balkan (Skordisker...?), die „böhmischen“ Boier (erst später durch die Markomannen überschichtet) und nicht zuletzt die bekannten Galater in Anatolien, Britannier (etc.). Wenn Caesar also eine „ethnische Grenze“ auch als Grenze seines Eroberungszuges angibt, so meinte er damit nicht alle „Kelten der Welt“, sondern jene, die sich in seinem Aktionsfeld befanden. Letztlich war seine Einteilung also erstmal politischer Natur (Gallier links des Rheins / Germanen rechts des Rheins)….

Der Germanenbegriff war doch ähnlich wie der Suebenbegriff einige Zeit von hohem Prestige für die Selbstdarstellung einiger Völker um die Zeitenwende gewesen. Wie Ravenik so schön betont hat beanspruchten doch Treverer und weitere Stämme westlich des Rheins von sich selbst, von den Germanen abzustammen. Deren kriegerische Tüchtigkeit gab ein gewisses Prestige, das eben auch in Anspruch genommen werden konnte.
Auch bei den Römern scheinen die Germanen wohl bereits einen gewissen Ruf gehabt zu haben, wie sich bei Caesar im Vorfeld der Schlacht gegen Ariovist (Gerade unter Caesars adeligen Begleitern) abzeichnete. So sehr, dass Caesar sogar eine Ansprache hielt um die Sorgen im Heer vor der bevorstehenden Konfrontation zu zerstreuen (Gallischer Krieg 1,39). Auch Caesar bringt den Zug der Kimbern & Teutonen in Zusammenhang mit den Germanen (Gallischer Krieg 1,33)


[url=http://www.gottwein.de/Lat/caes/bg1030.php#Caes.Gall.1 schrieb:
]Caesar - De bello Gallico 1,30-1,54: Der Krieg gegen Ariovist[/url]
Während er einige Tage bei Vesontio verweilte, um für Getreide und Lebensmittel zu sorgen, befiel plötzlich eine solche Furcht das ganze Heer, dass sie alle in hohem Maße außer Fassung brachte. Dies kam von den Erkundigungen der Römer selbst und von dem Gerede der Gallier und der Handelsleute, die von den Germanen rühmten, sie besäßen eine gewaltige Körpergröße und eine unglaubliche Tapferkeit und Übung in den Waffen; oft seien sie mit ihnen zusammengetroffen, doch hätten sie nicht einmal ihren Blick und das Feuer ihrer Augen ertragen können. Diese Furcht ging zuerst von den Kriegstribunen, von sonstigen Offizieren und von anderen aus, die aus Verehrung für Cäsar mit ihm ins Feld gezogen waren und nun als unerfahrene Neulinge im Kriegswesen laut über die große Gefahr jammerten. Von diesen trug jeder einen anderen Grund vor, warum er abreisen müsse, und bat, mit Cäsars Einverständnis sich entfernen zu dürfen. Manche blieben nur aus Schamgefühl zurück, um den Verdacht der Feigheit zu vermeiden. Diese konnten aber weder ihr Gesicht verstellen noch bisweilen ihre Tränen unterdrücken. Sie versteckten sich in ihren Zelten und beklagten entweder ihr eigenes trauriges Geschick oder jammerten vereint mit ihren Kameraden über die gemeinsame Gefahr. Allenthalben schrieb man im gesamten Lager sein Testament. Durch deren Gejammer und Furcht wurden allmählich auch die kriegserfahrenen Soldaten, die Hauptleute und Reiteranführer aus der Fassung gebracht.
Es ist nahezu sicher, dass der damalige Vorfall im römischen Heer auch von den Galliern aufmerksam registriert worden und vielleicht sogar propagandistisch verwendet worden ist? Immerhin waren sie es gewesen, welche den Römern jene Auskünfte gegeben hatten, aufgrund derer das Heer laut Caesar von solcher Furcht befallen worden war! Die Niederlage des Ariovist scheint dem "guten Ruf" von Germanen und Sueben jedenfalls keineswegs geschadet zu haben!

Ähnliches findet sich näher an der Zeitenwende bei den Sueben, die schon bei Caesar einen breiten Raum einnehmen. Der Suebenbegriff ist durchaus kontrovers diskutiert worden, jedenfalls besaßen sie bis zum Versuch der Provinzialisierung der Germania Magna unter Augustus unzweifelhaft das größte Prestige in jener Gegend, wo sie neben den Sugambrern lange Zeit eine Hauptkraft des antirömischen, militärischen Widerstands bildeten. Auch Ariovist und seine Scharen wurden als Sueben bezeichnet. Die römischen Feldzüge erzwangen dann eine Abwanderung von Sueben nach Böhmen hin (Reich des Marbod) und danach wurde der Suebenbegriff anscheinend nicht mehr so weitläufig gefasst wie noch bei Caesar. Der Begriff verschwindet fast… Aber das liegt außerhalb der Diskussion um Kelten und Germanen...
 
Grenzen von Betrachtungsweisen und Blickwinkeln

Für diese angebliche Simplifizierung hat man sich aber mitunter ziemlich viele Gedanken über die Zuordnung einzelner Völkchen gemacht. Ich nehme z. B. die Bastarner: Tacitus schwankte, ob er sie den Germanen oder den Sarmaten zurechnen sollte; von der Sprache und Lebensweise her würden sie den Germanen gleichen. Livius hingegen betonte ihre Ähnlichkeit mit den Skordiskern. Strabon vermutete, dass sie Germanen seien. So oder so, jedenfalls wohnten die Bastarner deutlich abseits des zur Zeitenwende von Germanen besiedelten Gebietes.

Du hast natürlich Recht, aber mit einer gewissen Einschränkung:
Im Sinne von dekumatland und anderen sahen die Römer in den Barbaren des Nordens lange Zeit einfach "Kelten". Östlich von diesen lebten die "Skythen" - in diese beiden groben Schubladen steckte man einige Zeit die erste Einordnung eines neu auftauchenden Stammes oder Volkes. Caesar führt endgültig den Germanenbegriff in der römischen Geschichtsschreibung ein. Damit gab es "endlich" wieder einen "Ordnungsbegriff" für die so andersartigen Völker zwischen "Skythen" und "Kelten". Diese Einteilung war recht langlebig. Die Goten werden in antiker, römischer Geschichtsschreibung oft unter die "Skythen" subsummiert - obwohl sie völlig anders waren als diese (sprachlich, kulturell...) und die "wahren" Skythen zu dieser Zeit schon ein Anachronismus waren! Zu dieser Art der "groben" Wahrnehmung passt auch, dass die Slawen so völlig unbemerkt plötzlich im Gesichtskreis des Mittelmeerraumes - und damit der Geschichtsschreibung - auftauchten, obwohl ihre Herkunft in Gebieten angenommen wird, die durchaus von Römern hätten wahrgenommen werden können...(?)

Aber neben dieser groben "Schubladeneinteilung" war man sich doch sehr vieler Unterschiede bewusst, spätestens dann, wenn es politisch darauf ankam!

Das ist ganz ähnlich wie in heutigen Medien gerne von "den Somaliern" oder "den Afghanen" die Rede ist, obwohl sich hinter dieser politisch/geographischen Zuordnung durchaus verschiedene Stämme und Völker verbergen können. Durch den Krieg in Afghanistan weiß man inzwischen schon, dass Paschtunen - aber auch andere Gruppen dort durchaus unterschiedliche Rollen spielen. Aber für den "Hausgebrauch" reicht diese Einteilung.
Die "staatliche Durchdringung" in Afghanistan oder Somalia ist derzeit recht schwach, so dass die dortigen, vertikalen Gruppenstrukturen eigentlich eine größere Rolle spielen als die grobe Einteilung in Afghanen und Somalier. Oft wurde die Etikettierung eines Stammes in "Kelten", "Germanen" oder "Skythen" vielleicht ganz ähnlich verwendet, wie man heute von Europäern oder Asiaten spricht - eben als mehr geographischen Begriff...

Das schließt differenziertere Betrachtungen keinesfalls aus. Sowohl Caesar, als auch Tacitus beweisen dies in ihrer jeweiligen, sehr speziellen Sichtweise auf die Objekte ihrer Betrachtungen.
Das bedeutet aber auch, dass antike Zuweisungen dieser Art keineswegs mit Bausch & Bogen als "Quelle" ausfallen. Dass sich Archäologen mit solchen Zuordnungen besoners schwer tun müssen, liegt an deren Betrachtungswinkel. Für sie ist es hilfreicher von "Kulturen" zu sprechen, als von Völkern. Da die Sachkultur auch innerhalb einer Ethnie schwanken kann, ist das auch präziser und je nach Blickwinkel unerlässlich.

Losgelöst, rein Achäologisch betrachtet könnte man bei Betrachtung katholischer oder evangelischer Kirchen des 17. Jht. ansonsten auch eine völlig unterschiedliche Kultur postulieren, weil die liturgische Ausstattung (wenn sie erhalten wäre) in Dingen wie Heiligenstatuen, Beichtstühlen etc. "stark" voneinander abweichen würden. Ich weis, das dieses Bild Fehler hat, es soll nur einige Unterschiede aufzeigen, die bei einer auf materiellen Objekten fixierten Betrachtung nun einmal wichtig sind und beim Umsetzen in einen anderen Blickwinkel (etwa "Ethnische Sichtweise") unnötig sind, in religiöser Hinsicht dagegen von wichtiger Bedeutung sind. Man muss die richtigen Fragen stellen und sich der Grenzen verschiedener Disziplinen bewusst machen....
 
Zuletzt bearbeitet:
Mit deiner Erwähnung der "Serer" hast du mich einmal mehr etwas schlauer gemacht, kannst du mir dazu mal ein paar Zitate bei bringen? Es würde mich interessieren.
Unsere Hauptquelle zum römischen "Wissen" über die Serer ist Plinius der Ältere mit dem 6. Buch seiner "Naturgeschichte". Dass die Serer von den Skythen unterschieden wurden, geht aber vor allem aus Pomponius Mela hervor. In seinem Werk "De situ orbis" schreibt er u. a. im 1. Buch: "Im äußersten Osten Asiens leben Inder, Serer und Skythen." Von Plinius zitiere ich: "Von dem Kaspischen und Skythischen Meere wendet sich der Weg in das Eoische, dessen Küsten nach Osten zu liegen. Der erste Teil desselben vom Skythischen Vorgebirge an ist wegen des Schnees unbewohnbar, der nächste wegen der Rohheit der Völker unbebaut. Hier hausen skythische Anthropophagen, die Menschenfleisch essen. [...] Dann folgen wieder Skythen und wieder Einöden mit wilden Tieren bis zu dem sich ans Meer lehnenden, Tabis genannten Gebirgsrücken. Diese Gegend ist nicht vor der Mitte der nach Nordost liegenden Küste bewohnt. Das erste Volk hier, welches man einigermaßen kennt, sind die Serer, berühmt durch die Wolle ihrer Wälder, deren graues Blätterhaar sie mit Wasser befeuchten und abkämmen."

Deine zweite Anmerkung, die uns wieder auf das Ursprungsthema zurück führt, ist sehr interessant: Offensichtlich konnten Bastarner von den Römern nicht mit allen Völkern verwechselt werden. Sarmaten und Skordisker entstammen beide den hirtennomadischen Kulturen der russischen Steppe.
Die Sarmaten ja, aber die Skordisker? Ihre Herkunft und Zugehörigkeit ist unklar. Vielleicht waren sie einfach ein Gemisch aus Kelten, Thrakern und Illyrern. Erstmals tauchen sie im 3. Jhdt. v. Chr. auf.

Wo genau mögen die Bestandteile gelegen haben, die für den römischen Autor den Ausschlag zur ethnischen Zuweisung gaben?
Ganz sicher spielten weder Dinge wie "genetische Abstammung" noch "Eigendefinition" eine Rolle nach allem, was wir bislang diskutierten.

Also war vielleicht doch gerade das struppige Pony der Germanen der ausschlaggebende Grund der Zuweisung, um es etwas zu überspitzen?
Für die antiken Autoren scheinen vor allem die "Kultur", die Lebensweise und die Sprache ausschlaggebend gewesen zu sein. Bei der Sprache stellt sich freilich die Frage, wie zuverlässig sie bei den außerhalb ihres Herrschaftsbereiches lebenden Völkern über die Sprache Bescheid wussten. Die Kultur war für Händler und Diplomaten wohl eher ersichtlich.
Z. B. argumentiert Tacitus bei den Bastarnern, dass sie Sprache, Kultur und Häuser wie die Germanen hätten.

Spannender Weise siedelten gerade die Völker, bei denen die Römer Probleme mit der ethnischen Zuweisung hatten, in den von den Römern definierten "Grenzgebieten".
Erstaunlich finde ich das nicht gerade, denn schließlich lernten sie benachbarte Völker genauer kennen als Völker, die irgendwo an der Weichsel lebten. Bei Letzteren mussten sie sich daher im Zweifel eher mit Pauschalierungen behelfen.
 
@tejason,
zu deinen dankenswerterweise ausführlichen Ausführungen vorerst nur so viel:
Ich habe nie verlangt, irgendwelche Quellen nicht zu Rate zu ziehen. Aus meinem eingeschränkten Erkenntnisrahmen rate ich nur zu noch mehr Vorsicht bei römischen Quellen, ganz besonders wenn es um andere Völker geht.

Und: Der Grenzen unserer Wissenschaften bin ich mir sehr bewusst. Aber: Was, wenn eine davon zu der Einsicht gelangt, dass die Methodik einer anderen falsch ist??
Hat das dann Auswirkungen, sollte es welche haben und - wenn ja - hatte es ausreichend davon?

@ravenik:
Die Sarmaten ja, aber die Skordisker? Ihre Herkunft und Zugehörigkeit ist unklar. Vielleicht waren sie einfach ein Gemisch aus Kelten, Thrakern und Illyrern. Erstmals tauchen sie im 3. Jhdt. v. Chr. auf.

Danke für deinen unprätentiösen Aufruf zur Genauigkeit, du hast Recht. Die Herkunft und das Auftauchen der Skordisker sind heftig umstritten. Mein Einstieg in dieses Thema waren Forschungen zum Kessel von Gundestrup, daher war meine Zuweisung der Kunst zu einem "hirtennomadischen" Volk nicht völlig aus der Luft gegriffen. Aber: Du hast Recht.

Erstaunlich finde ich das nicht gerade, denn schließlich lernten sie benachbarte Völker genauer kennen als Völker, die irgendwo an der Weichsel lebten. Bei Letzteren mussten sie sich daher im Zweifel eher mit Pauschalierungen behelfen.

"Erstaunlich" hatte ich auch nicht geschrieben. Aber ich glaube, da liegt ein kleines Mißverständnis vor: Ich hatte nicht gemeint "Grenzen ihres Reiches" sondern "Grenzgebiete in ihrem (groben) Weltbild". Dient das dem Verständnis?

Also: Bewerten wir die Zuweisung der Germanen und ihre Trennung von den Galliern doch mal an Häusern, Kultur und Sprache. Als Archäologe würde ich genau diese Reihenfolge bevorzugen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich habe nie verlangt, irgendwelche Quellen nicht zu Rate zu ziehen. Aus meinem eingeschränkten Erkenntnisrahmen rate ich nur zu noch mehr Vorsicht bei römischen Quellen, ganz besonders wenn es um andere Völker geht.

Und: Der Grenzen unserer Wissenschaften bin ich mir sehr bewusst. Aber: Was, wenn eine davon zu der Einsicht gelangt, dass die Methodik einer anderen falsch ist??
Hat das dann Auswirkungen, sollte es welche haben und - wenn ja - hatte es ausreichend davon?
[...]
Also: Bewerten wir die Zuweisung der Germanen und ihre Trennung von den Galliern doch mal an Häusern, Kultur und Sprache. Als Archäologe würde ich genau diese Reihenfolge bevorzugen.
Da stellt sich dann natürlich die Frage, was für die Zuordnung eines Stammes eigentlich ausschlaggebend sein soll. Seine Häuser und Kultur (die archäologisch erfassbar sind) oder seine Sprache (die viel schwieriger festzustellen ist)? Sprache und Kultur müssen schließlich nicht zwangsläufig übereinstimmen. Schon Caesar ordnet die Ubier zwar den Germanen zu, beschreibt sie aber als zivilisierter und in den Sitten den Galliern ähnlich. Die Goten wiederum passten sich später in ihrem Leben in der Steppe in einzelnen Zügen den Sarmaten an, ohne dass sie deswegen eine iranische Sprache zu sprechen begonnen hätten.
 
Ravenik, du hast ja schon wieder recht.

Darüber schreib ich mir doch seit Monaten die Finger fusselig.

Also: Dein Vorschlag? Was ist definierend für eine Kultur, welchen Aussagewert haben die einzelnen kulturellen Niederschläge?
Und: Memologie ist ein tolles Werkzeug bei dieser Frage. Ganz ehrlich.
 
Ich persönlich halte vor allem die Sprache für relevant. Denn dass ein Volk seine Sprache aufgibt und stattdessen eine andere übernimmt, kommt zwar vor, ist aber in der Regel ein sehr langwieriger Prozess, der Generationen dauert. Änderungen in der materiellen Kultur erfolgen viel schneller. Daher halte ich es auch für plausibel, dass ein Stamm, der von einem römischen Autor als germanisch bezeichnet wurde, germanisch sprach und deswegen vom Autor den Germanen zugeordnet wurde, auch wenn die für die Archäologie verwertbaren materiellen Hinterlassenschaften dieses Stammes eher keltisch sein mögen.
 
@ravenik:
1.)
Ich messe persönlich der Sprache nicht die gleiche Bedeutung für die Kultur bei.
Das kann aber auch fachlich bedingt sein, Archäologen finden in Mitteleuropa nur wenige Sprachdokumente und die Einteilungen der Sprachwissenschaften decken sich in den seltensten Fällen mit den Ergebnissen der archäologischen Forschung.

2.)
Du SCHLÄFST zu wenig!
 
Ich persönlich halte vor allem die Sprache für relevant. Denn dass ein Volk seine Sprache aufgibt und stattdessen eine andere übernimmt, kommt zwar vor, ist aber in der Regel ein sehr langwieriger Prozess, der Generationen dauert.

Der langwierige Prozess mag vorliegen, wenn man die Sprachreste in den Familien betrachtet. Eine "Geschäftssprache" kann aber sehr schnell wechseln, wenn man sich an einen anderen Kulturkreis anpassen muss. Womit sich wieder die Frage der Homogenität stellt. Um ein neueres Beispiel zu bemühen - französisch verbreitete sich in Nordarfika sehr schnell, auch wenn in den Familien weiterhin arabisch oder berberisch Gesprochen wurde.

Welche Zuordnung hätte also ein römischer Diplomat oder Händler vorgenommen, der nach Marokko kam - Franzosen, Araber oder Berber?

Ist das nicht häufig auch eine eher zufällige Einteilung, die von Art und Intensität des Kontaktes abhängt?
Bei inhomogenen Gruppen wird es noch schwieriger - zunächst müsste in Erfahrung gebracht werden, welche Untergruppen es gibt, wie das Abhängigkeitsverhältnis aussieht, welche individuellen Merkmale eine solche Untergruppe aufweist - diese Informationen konnte ein Händler, Späher oder ähnliches selten liefern.
Also wird nach grober Abschätzung dann doch pauschal eingeteilt. Wozu dann noch die permanenten Veränderungen in den Gefolgschaftsverhältnissen gekommen sein dürften, die manche Information in kurzer Zeit wieder obsolet machte.
 
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