Mit der Belagerung des Kastells an der Lippe meine ich das Jahr 16. n.Chr.
Germanicus ist mit 6 Legionen ausgerückt um diese Belagerung zu sprengen. Seit jeher frage ich mich, warum man dieses belagerte Kastell an der Lippe unbedingt mit Aliso gleichsetzen muß. Welche Gründe sprechen dafür, daß dieses Kastell Aliso war? Dies ist eigentlich meine Hauptfrage.
Hallo Salvus!
Es gibt keinen "direkten" Beleg, dass im Jahr 16 Aliso belagert wurde, nur die von @El Quijote schon zitierten Textstelle, die den Schluss nahelegt (Aliso wird in den uns bekannten Quellen insgesamt nur selten erwähnt). Wenn man die Quellen in der Gesamtschau betrachtet, wird dieser Schluss aber immer wahrscheinlicher.
Da ist zunächst der Umstand, dass laut Tacitus infolge der Varusniederlage alle rechtsrheinischen Lager der Römer verlorengegangen sind (vermutlich eher aufgegeben als erobert wurden), nur eines nicht. Dann schreibt Velleius Paterculus, dass nach der verlorenen Schlacht ein Lager an der Lippe belagert und von seinem Kommandanten Caedicius tapfer und schlau verteidigt wurde. Paterculus nennt dieses Lager Aliso. Ohne dass Aliso namentlich genannt wird, taucht die Belagerung auch in einer Quelle von Frontinus auf, in der Kriegslisten eines Lagerkommandanten namens Caedicius während einer Belagerung geschildert und gepriesen werden, auch im Zusammenhang mit den Germanenkriegen.
Man kann also davon ausgehen, dass es sich bei dem einzigen nicht verlorengegangenen Lager in Germanien, das bei Tacitus erwähnt ist, um Aliso handelte. Aus der Tatsache, dass nur Aliso nicht aufgegeben wurde, kann man schließen, dass dieses Lager eine besondere Bedeutung hatte. Meiner Ansicht nach wurden die römischen Kastelle in Germanien nicht erobert, sondern von den Römern aufgegeben, um einer möglichen Einschließung vorzubeugen. Mit Belagerungen hatten "Barbaren" ja nie besonderen Erfolg. Selbst im pannonischen Krieg ist keine einzige der römischen Städte mit Gewalt eingenommen worden. Dass in Germanien ausgerechnet Aliso nicht geräumt wurde, liegt meiner Ansicht nach daran, dass es sich nicht um einen reinen Militärstützpunkt handelte. Soldaten kann man aus einer Kaserne ziemlich schnell abziehen. Eine zivile Siedlung zu evakuieren, dauert dagegen sehr viel länger. Das kann man auch aus den Quellen herauslesen, die andeuten, dass das Lager während der Belagerung im Jahr 9 nur mit wenigen Soldaten, aber mit vielen Zivilisten belegt war.
Daraus wieder ziehe ich den Schluss, dass Aliso an einem Ort gelegen haben muss, der für die Römer im Zusammenhang mit ihren Okkupationsversuchen vor dem Jahr 9 von großer strategischer Bedeutung war. Und das wiederum legt nahe, dass Germanicus sieben Jahre später beim Versuch der Rückeroberung auch diesen strategisch bedeutsamen Platz wieder in Besitz genommen hat. Warum hätte er sonst die Verbindungswege zwischen dem Rhein und Aliso wieder instandsetzen sollen? Die Versorgungswege nach Aliso musste er nur offenhalten, wenn er das Lager weiterhin nutzen wollte. Also kann sich auch die zweite Belagerung im Jahr 16 (also in der Frühphase der geplanten Rückeroberung) eigentlich nur bei Aliso abgespielt haben. Übrigens sind bislang nur bei Haltern Spuren gefunden worden, die mit einer Belagerung einer römischen Befestigungsanlage erklärt werden könnten. Aber darüber, dass Haltern mutmaßlich Aliso war, sind wir uns ja einig.
In der Tat irritierend ist es, dass Aliso ursprünglich mal mit dem von Drusus angelegten Lager am Zufluss der Elison in die Lippe gleichgesetzt wurde. Dabei kann es sich in der Tat nur um das Lager bei Oberaden gehandelt haben. Aber wir können uns nicht sicher sein, dass sich der Name Aliso vom Flüsschen Elison ableitet. Und wenn es doch so sein sollte, muss das auch noch nichts heißen. Möglicherweise haben die Römer mit dem Namen Aliso ja nicht das Lager selbst bezeichnet, sondern den Ort an dem es war. Dann kann es durchaus sein, dass sie auch nach der Auflassung von Oberaden und der Verlagerung zum nicht so weit entfernten Haltern immer noch von "Alsio" gesprochen haben, um den festen Stützpunkt drei Tagesmärsche rechts des Rheins zu bezeichnen.
MfG