Willkür?
Ändert aber nichts an meiner Einstellung zur Theorie, dass man durch Projektion eines willkürlich gewählten römischen Lagergrundrisses über ein modernes Straßennetz kein römisches Lager sicher benennen kann.
Ausgangspunkt meiner Überlegungen war die Frage ob sich aus den ergrabenen augusteischen Lagern Konstruktionsregeln ableiten lassen, ähnlich denen, die von Polybios und Pseudo-Hygin für den römischen
Legions-Lagerbau überliefert wurden. Zu meinem Erstaunen hat dies bis heute offenbar niemand versucht. Diesen Weg zur Klassifizierung der römischen Lager halte ich für wesentlich
restriktiver, als aus dem alleinigen Vorhandensein von römischen Militaria auf ein
Legionslager zu schliessen.
Das Regelwerk, daß sich daraus ergab und mit dem Du, wie Du geschrieben hast, kein Problem hast, passt auf die Lager in Oberaden und Nijmegen. Es erklärt darüberhinaus auch weniger gut ergrabene Lager (z.B. Engelhardtstetten). Daraus ergibt sich
zwangsläufig für ein hypothetisches Nachfolgelager der Truppen in Oberaden oder Nijmegen, daß es mit einiger Wahrscheinlichkeit nach den selben Regeln konstruiert worden ist. Das Vorbild für das gesuchte Lager ist also
nicht willkürlich gewählt, sondern ergab sich aus dem Nachweis des Regelwerkes.
Meines Wissens bin ich sogar der Einzige, der sich bezüglich Form und Konstruktion dieser hypothetischen Lager Fesseln in dieser Art und Weise angelegt hat. Den meisten genügt ein Spitzgraben oder ein Stück Wall um ein hypothetisches Lager zu postulieren.
Das nenne ich "
willkürlich".
Für Groningen käme als einzige ernstzunehmende Alternativerklärung für das regelmässige Stadtbild eine mittelalterliche Stadtplanung in Frage. Nur wie sah diese aus ? Ist dazu ein Regelwerk überliefert worden ? Gibt es dazu Vergleichsfunde ? Nein, denn alle ungefähr zeitgleichen mittelalterlichen Städte der Niederlanden weisen zwar hier und da rechte Winkel oder einigermassen gerade Strassenzüge auf, aber in Summe können sie sich mit der Orthogonalität des Stadtbildes in Groningen nicht messen. Die Annahme einer mittelalterlichen Stadtplanung ist daher eher
willkürlich und kann nicht an einem ähnlich restriktiven Regelwerk überprüft werden.
Dagegen führt die unabhängige Konstruktion zweier Römerlager nach meiner These und dem Regelwerk zwangsläufig zu einer in grossen Teilen dem Stadtbild von Groningen ähnlichen Konstruktion.
Laut bisheriger Annahme ist Groningen aus zunächst zwei kleineren Dörfern hervorgegangen. Diese lokalisiert man in den eher unstrukturierten Bereichen. Seltsam nur, daß man dort keine der Kirchen findet. Entgegen zeitgleichen niederländischen Städten folgen die Kirchen, anscheinend auch die Vorgängerbauten, in Groningen dem orthogonalen Stadtbild (!). Also müsste man dort wahrscheinlich eine vorchristliche Stadtplanung in Betracht ziehen, oder nicht ?
Ebenfalls müsste man annehmen, daß die geplanten Bereiche um die beiden Dörfer herum ausgemessen wurden, denn die orthogonalen Stadtteile umschliessen die Unstrukturierten. Das wäre dann auch wohl ohne Vergleichsfund, denn die meisten geplanten mittelalterlichen Stadterweiterungen wurden an
einer Seite der bestehenden Stadt angehängt. Man stelle sich den Aufwand vor, eine regelmässige Struktur um zwei Dörfer herum auszumessen, im Vergleich zu einem Neuanfang auf grüner Wiese. Kann man dieses Knowhow für das Mittelalter annehmen und warum sollte jemand so vorgegangen sein ?
Sicherlich wird man auch für diese Punkte Erklärungen konstruieren können, aber sie werden in keinem Fall einfacher, restriktiver und nachvollziehbarer sein, als die Annahme von zwei römischen Lagern nach dem Regelwerk, am Ausgang des Drususkanals.
Es ist nur so, daß diese These momentanen fundamentalen Ansichten der Archäologie und Historik widerspricht.
Mehr nicht

feif:
Gruss
jchatt