WK-1: "Deutschland trug zweifellos große Schuld am Kriegsausbruch"

...Die Behauptung Frankreich und Rußland hätten sich für den Krieg entschieden ist durch nichts bewiesen, weder in Theorie, noch in Praxis - keiner der genannten hat schließlich etwas zum Ausbruch des 1.WK beigetragen, geschweige denn ihn verursacht.

Hier wird einfach Ursache und Wirkung vertauscht, es waren das Deutsche Reich und Österreich-Ungarn, welche sich darüber im klaren waren was ein Angriff auf Serbien für Russland bedeutet. Den Verteidigern eine Mitschuld am Krieg zu geben, weil sie auch zu den Waffen griffen ist armselig. Ja, als Reaktion auf das österreichisch-ungarische Ultimatum an Serbien wurde am 24. Juli 1914 russisches Kapital abgezogen, und es wurde eine Teilmobilmachung für den 28. Juli beschlossen. Russland ersuchte allerdings Ö-U um eine friedliche Lösung, wie auch GB und F um Vermittlung bemüht waren. Die einzigen, die Krieg wollten, waren in Berlin und Wien zu finden.
...

Das deckt sich wohl kaum mit der Quellenlage, Beispiel Telegramm Nr. 17 aus dem russischen Orange Book, des russischen Außenministers Sasonow vom 25. Juli 1914 an die russische Botschaft in London:
In the event of any change for the worse in the situation which might lead to joint action by the great Powers, we count upon it that England will at once side definitely with Russia and France, in order to maintain the European balance of power, for which she has constantly intervened in the past, and which would certainly be compromised in the event of the triumph of Austria.

Die Karten waren bereits verteilt, während man sich für die Öffentlichkeit noch in diplomatischen "Spielchen" erging.
 
Das ist ein schönes Beispiel aus dem Orange-Book, an dem man Quellenkritik plakatieren kann, Dank dafür.

Die russische Seite wäre ja nun ziemlich dämlich, mit einem für die weiße Weste bestimmten orangenen Buch sich selber mit der Kriegsintrige zu belasten. Belastet sie sich überhaupt ("we count upon")?

Ziehen wir mal die Fachliteratur für dieses Rätsel heran, die die Telegrammhektik, Hintergrund und Inhalt natürlich untersucht hat. Ein paar kleine Beispiele:


1. Ganz simpel könnte man Soroka zur Hand nehmen, die mit dem Antworttelegramm aus London argumentiert, der russische Botschafter habe Sazonov explizit nicht des britischen "Beistand" versichern können ("i cannot offer you a formal guarantee"), aber Petersburg dadurch fahrlässigerweise bestärkt hat, er habe auch keine Anzeichen entdeckt ("i have noticed no sign"), dass GB neutral bleiben würde. Dieses Telegramm wird im Orange Book natürlich unterschlagen, schließlich zielt man auf die weiße Weste.


2. Schaut man weiter, und zitieren wir ausgleichsweise den hier sonst auch schon mal arg gebeutelten und kritisierten McMeekin:

Benkendorff, der russische Botschafter in London, brauchte überhaupt nichts in London zu entdecken, denn die Bedenken sind Sazonov bereits am Vortag von Buchanan in Petersburg ausdrücklich aufs Brot geschmiert worden:

„Sazonov, too, returned to his own base—at Chorister’s Bridge—as soon as the review concluded at Krasnoe Selo. His first item of business was to inform the French and British ambassadors about what had been resolved at Tsarskoe Selo. To enhance the impression that the Entente Powers should work together as a team, he called them both in together. With Britain still on the diplomatic sidelines, Sazonov had to be very careful with Buchanan. So he discussed only the first resolution of the morning: the decision “in principle” to mobilize the four military districts against Austria (and even here, the Russian neglected to mention that the Baltic and Black Sea fleets would be mobilized as well). Sazonov, Buchanan reported to Foreign Secretary Grey, insisted that the imperial ukase “ordering mobilization of 1.1 million men” would “only be published when Minister for Foreign Affairs [Sazonov] considers moment come for giving effect to it.” When the Briton “expressed [his] earnest hope that Russia would not precipitate war by mobilizing before you [i.e., Grey] had had time to use your influence in favor of peace,” Sazonov assured him “that Russia had no aggressive intentions, and she would take no action until[…] „hesitation.” When Sazonov asked Buchanan whether Britain, too, would make a statement backing Russia, the answer was no. At best, the Briton was able to promise to “play the role of mediator at Berlin and Vienna.” Hearing this, Sazonov grew frustrated. Germany’s attitude toward war, he tried to convince Buchanan, depended on her view of what London would do. “If we [Britain] took our stand with France and Russia,” Buchanan said Sazonov argued, “there would be no war.” If, by contrast, “we failed them now, rivers of blood would flow and we would in the end be dragged into war.”
To this veiled warning Buchanan replied with a warning of his own. Unable to give Russia the unequivocal endorsement she wanted, the Briton “said all he could to impress prudence on [Sazonov].” If, however, “Russia mobilized,” Buchanan warned Russia’s foreign minister, “Germany would not be content with mere mobilization or give Russia time to carry out hers, but would probably wish to precipitate a conflict.” Since neither Austria nor Russia looked like blinking, war now looked increasingly likely. The position, Buchanan concluded in his report to Grey, was “perilous.” Because Russia was now “secure of support of „France, she will face all the risks of war.” Before long, Britain “shall have to choose between giving Russia our active support or renouncing our friendship.”“

Auszug aus: McMeekin, Sean. „July 1914: Countdown to War.“

Was also ist der Kontext dieses Telegramms (Nr. 17 im Orange Book)? Petersburg hatte am Vortag heftig diskutiert, ob FRA/GB mit der Teilmobilisierung vorbehaltlos Russland in der Krise diplomatisch unterstützen würden. Außerdem war strittig, ob eine anzustrebende diplomatische Unterstützung (im Fall GBs eine "Mediation-Rolle") besser sei oder eine anzustrebende handfeste diplomatische Drohung, man werde in den Krieg eintreten.

Sazonov unternahm seine Telegramm-Aktivitäten daraufhin, um a) über die dortigen Botschaften Informationen einzustreuen (siehe oben), und b) die Positionierung überhaupt erstmal zu klären. Wie oben ersichtlich, biss er dabei bei Buchanan auf Granit, der aber wiederum seinen Chef Grey alarmierte (was Sazonov natürlich klar und einkalkuliert war).

Auf der gesetzten Basis könnte man nun an die vorsichtige Wertung gehen, oder sich Interpretationen aus der Literatur holen. In jedem Fall bleibt es spannend.
 
Zuletzt bearbeitet:
1. Ganz simpel könnte man Soroka zur Hand nehmen, die mit dem Antworttelegramm aus London argumentiert, der russische Botschafter habe Sazonov explizit nicht des britischen "Beistand" versichern können ("i cannot offer you a formal guarantee"), aber Petersburg dadurch fahrlässigerweise bestärkt hat, er habe auch keine Anzeichen entdeckt ("i have noticed no sign"), dass GB neutral bleiben würde. Dieses Telegramm wird im Orange Book natürlich unterschlagen, schließlich zielt man auf die weiße Weste.

Noch im Nachgang:

Den von Soroka zitierten Inhalt findet man zwar nicht in der russischen Publikation, immerhin aber eine "Umschreibung" der Antwort an Sazonov (Nr. 20), bei der man Benckendorffs Fahrlässigkeit kaschiert:

"The Ambassador at the same time asked if Great Britain could see her way to bring conciliatory pressure to bear at St. Petersburg. Grey replied that this was quite impossible. He added that, as long as complications existed between Austria and Servia alone, British interests were only indirectly affected; but he had to look ahead to the fact that Austrian mobilization would lead to Russian mobilization [Anm: letztere ist ihm doch gerade mitgeteilt worden :pfeif: ], and that from that moment a situation would exist in which the interests of all the Powers would be involved. In that event Great Britain reserved to herself full liberty of action. "

Tja, die "Quellen".:devil:

Und um dann mal wieder den armen McMeekin abschließend zu beuteln: von Soroka und anderen Standardwerken zu "Britain/Russia" Fehlanzeige (wenn ich richtig durchgeblättert habe). Da hat er vielleicht noch keine Zeit zum Lesen gehabt, ist offenbar nur 2 Jahre vor ihm publizert worden.
 
Zuletzt bearbeitet:
Es wird hier im Strang ja immer wieder deutlich, wie sehr alle beteiligten Länder an verschiedenen Punkten eskalierend agiert haben. Allerdings war der Weltkrieg nicht gewollt, alle Kriegsvorbereitungen zielten auf lokale (z.B. Österreich -> Serbien) oder maximal einzelne große (z.B. Frankreich <-> Deutschland oder Russland -> Österreich) Kriege. Man dachte nicht daran, dass die politischen und wirtschaftlichen Verpflichtungen sehr schnell einen umfassenden Konflikt herbei führen würden.

Auch wurde im Vorfeld des ersten Weltkriegs nur unzureichend erkannt, dass nicht nur die Armeen aufeinander prallen würden sondern die ganzen Volkswirtschaften massiv eingespannt werden mussten.

Aus dem Strang werden leider nur die unzureichende Kenntnislage der tatsächlichen Abläufe und Missinterpretationen deutlich. Wie man angesichts von Szenarien wie bei Sasanow, der eindeutig von einer Konfrontation Russland - Frankreich - England auf der einen und Dtschl. - Österreich-Ungarn auf der anderen Seite ausgeht, zu einer Einschätzung wie
Man dachte nicht daran, dass die politischen und wirtschaftlichen Verpflichtungen sehr schnell einen umfassenden Konflikt herbei führen würden.
kommt, ist nicht nachvollziehbar.
 
Aus dem Strang werden leider nur die unzureichende Kenntnislage der tatsächlichen Abläufe und Missinterpretationen deutlich.

Das deckt sich wohl kaum mit der Quellenlage, Beispiel Telegramm Nr. 17 aus dem russischen Orange Book, des russischen Außenministers Sasonow vom 25. Juli 1914 an die russische Botschaft in London:
Die Karten waren bereits verteilt, während man sich für die Öffentlichkeit noch in diplomatischen "Spielchen" erging.

Und wenn man obige Kritik formuliert und dann selber ein Telegramm zitiert, das völlig aus dem Zusammenhang gerissen ist, dann wirkt diese Kritik nicht sehr hilfreich.

Wie wäre es denn mit einer Darstellung der Genese, die das Telegramm in den kompletten Kontext der damaligen internationalen Diplomatie stellt. Dann bekommt dieses Telegramm nämlich eine ganz andere Lesart. Mal zur Abwechslung auch mit den entsprechenden Hinweisen auf die verwendete Literatur.

Es ist wohll nicht zuviel verlangt, Dich an Deinen eigenen "kritischen" Maßstäben zu messen, oder doch?
 
Und wenn man obige Kritik formuliert und dann selber ein Telegramm zitiert, das völlig aus dem Zusammenhang gerissen ist, dann wirkt diese Kritik nicht sehr hilfreich.

Wie wäre es denn mit einer Darstellung der Genese, die das Telegramm in den kompletten Kontext der damaligen internationalen Diplomatie stellt. Dann bekommt dieses Telegramm nämlich eine ganz andere Lesart. Mal zur Abwechslung auch mit den entsprechenden Hinweisen auf die verwendete Literatur.

Wird sich schwierig gestalten, das findet man eben nicht beim bloßen Googeln in irgendwelchen Fragmenten.

Die Verwendung des Telegramms ist ein Beispiel, wie ohne jeden Kontext und ohne Kenntnis der geschichtswissenschaften Literatur (durch die Kontroverse zwischen der Chaos-Theorie in Bezug auf die russische Seite seit Albertini und der Plan-Theorie, wie sie McMeekin erneut belebt hat, wird glatt durchgeschossen) Weltformeln gebastelt werden.

Ein gutes Beispiel, wie man aus dem Nachhinein nach dem Aschenputtelprinzip Geschichte "schreibt". Eugen Richters Erwiderung bleibt mal eben unberücksichtigt. s. a. http://www.geschichtsforum.de/707161-post41.html.

Sorry, für die Kritik bin ich die falsche Adresse.:winke:

Beschwerden über methodische Fehler müssen an die Adresse der diversen zitierten Historiker gerichtet werden. Ich kann mal eine Liste zusammenstellen, da kommen sicher 2 Dutzend Aschenputtel zusammen.
 
Damit durch das Dampfplaudern die Substanz nicht ganz aus dem Auge gerät, hier noch einmal der Kontext des Telegramms:

Das ist ein schönes Beispiel aus dem Orange-Book, an dem man Quellenkritik plakatieren kann, Dank dafür.

Die russische Seite wäre ja nun ziemlich dämlich, mit einem für die weiße Weste bestimmten orangenen Buch sich selber mit der Kriegsintrige zu belasten. Belastet sie sich überhaupt ("we count upon")?

Ziehen wir mal die Fachliteratur für dieses Rätsel heran, die die Telegrammhektik, Hintergrund und Inhalt natürlich untersucht hat. Ein paar kleine Beispiele:


1. Ganz simpel könnte man Soroka zur Hand nehmen, die mit dem Antworttelegramm aus London argumentiert, der russische Botschafter habe Sazonov explizit nicht des britischen "Beistand" versichern können ("i cannot offer you a formal guarantee"), aber Petersburg dadurch fahrlässigerweise bestärkt hat, er habe auch keine Anzeichen entdeckt ("i have noticed no sign"), dass GB neutral bleiben würde. Dieses Telegramm wird im Orange Book natürlich unterschlagen, schließlich zielt man auf die weiße Weste.


2. Schaut man weiter, und zitieren wir ausgleichsweise den hier sonst auch schon mal arg gebeutelten und kritisierten McMeekin:

Benkendorff, der russische Botschafter in London, brauchte überhaupt nichts in London zu entdecken, denn die Bedenken sind Sazonov bereits am Vortag von Buchanan in Petersburg ausdrücklich aufs Brot geschmiert worden:

„Sazonov, too, returned to his own base—at Chorister’s Bridge—as soon as the review concluded at Krasnoe Selo. His first item of business was to inform the French and British ambassadors about what had been resolved at Tsarskoe Selo. To enhance the impression that the Entente Powers should work together as a team, he called them both in together. With Britain still on the diplomatic sidelines, Sazonov had to be very careful with Buchanan. So he discussed only the first resolution of the morning: the decision “in principle” to mobilize the four military districts against Austria (and even here, the Russian neglected to mention that the Baltic and Black Sea fleets would be mobilized as well). Sazonov, Buchanan reported to Foreign Secretary Grey, insisted that the imperial ukase “ordering mobilization of 1.1 million men” would “only be published when Minister for Foreign Affairs [Sazonov] considers moment come for giving effect to it.” When the Briton “expressed [his] earnest hope that Russia would not precipitate war by mobilizing before you [i.e., Grey] had had time to use your influence in favor of peace,” Sazonov assured him “that Russia had no aggressive intentions, and she would take no action until[…] „hesitation.” When Sazonov asked Buchanan whether Britain, too, would make a statement backing Russia, the answer was no. At best, the Briton was able to promise to “play the role of mediator at Berlin and Vienna.” Hearing this, Sazonov grew frustrated. Germany’s attitude toward war, he tried to convince Buchanan, depended on her view of what London would do. “If we [Britain] took our stand with France and Russia,” Buchanan said Sazonov argued, “there would be no war.” If, by contrast, “we failed them now, rivers of blood would flow and we would in the end be dragged into war.”
To this veiled warning Buchanan replied with a warning of his own. Unable to give Russia the unequivocal endorsement she wanted, the Briton “said all he could to impress prudence on [Sazonov].” If, however, “Russia mobilized,” Buchanan warned Russia’s foreign minister, “Germany would not be content with mere mobilization or give Russia time to carry out hers, but would probably wish to precipitate a conflict.” Since neither Austria nor Russia looked like blinking, war now looked increasingly likely. The position, Buchanan concluded in his report to Grey, was “perilous.” Because Russia was now “secure of support of „France, she will face all the risks of war.” Before long, Britain “shall have to choose between giving Russia our active support or renouncing our friendship.”“

Auszug aus: McMeekin, Sean. „July 1914: Countdown to War.“

Was also ist der Kontext dieses Telegramms (Nr. 17 im Orange Book)? Petersburg hatte am Vortag heftig diskutiert, ob FRA/GB mit der Teilmobilisierung vorbehaltlos Russland in der Krise diplomatisch unterstützen würden. Außerdem war strittig, ob eine anzustrebende diplomatische Unterstützung (im Fall GBs eine "Mediation-Rolle") besser sei oder eine anzustrebende handfeste diplomatische Drohung, man werde in den Krieg eintreten.

Sazonov unternahm seine Telegramm-Aktivitäten daraufhin, um a) über die dortigen Botschaften Informationen einzustreuen (siehe oben), und b) die Positionierung überhaupt erstmal zu klären. Wie oben ersichtlich, biss er dabei bei Buchanan auf Granit, der aber wiederum seinen Chef Grey alarmierte (was Sazonov natürlich klar und einkalkuliert war).

Auf der gesetzten Basis könnte man nun an die vorsichtige Wertung gehen, oder sich Interpretationen aus der Literatur holen. In jedem Fall bleibt es spannend.

Ergänzend:

Noch im Nachgang:

Den von Soroka zitierten Inhalt findet man zwar nicht in der russischen Publikation, immerhin aber eine "Umschreibung" der Antwort an Sazonov (Nr. 20), bei der man Benckendorffs Fahrlässigkeit kaschiert:

"The Ambassador at the same time asked if Great Britain could see her way to bring conciliatory pressure to bear at St. Petersburg. Grey replied that this was quite impossible. He added that, as long as complications existed between Austria and Servia alone, British interests were only indirectly affected; but he had to look ahead to the fact that Austrian mobilization would lead to Russian mobilization [Anm: letztere ist ihm doch gerade mitgeteilt worden :pfeif: ], and that from that moment a situation would exist in which the interests of all the Powers would be involved. In that event Great Britain reserved to herself full liberty of action. "

Vielleicht kommt noch etwas zur Sache, da das natürlich keinen Anspruch auf Vollständigkeit besitzt. Aus der Literatur war das der erste Griff.
 
Zuletzt bearbeitet:
@Silesia: Wurden solche Stimmen wie von Moltke überhaupt richtig wahrgenommen? Denn die Vorstellung, man könne schneller als die beschriebenen Auswirkungen siegen, macht ja nur Sinn, wenn die Alternative in ihren Konsequenzen durch worden wäre.

Oder hat einfach der Zeitraum von 1890 bis 1914 dazu geführt, dass die notwendige Geschwindigkeit (wie von Schlieffen ja vorausgesetzt) nicht mehr durch die nötige "Volksmobilisierung" sondern rein militärisch durch den Zweifrontenkrieg begründet war. 1890 war ein Krieg gegen Russland ja nicht akut.

Dabei hat Moltke im Prinzip mehr oder weniger nur das wiederholt, was Colmar von der Goltz in seinem Besteller "Eine Welt in Waffen" bereits hellsichtig ausgeführt hatte. Man sollte also meinen, dass das beim nteressierten Publikum nicht unbekannt sein sollte.
 
Admiral Germinet

Interessant sind in diesem Zusammenhang auch die Interviews des französischen Admirals Germinet.

1908 führte seine damalige Kritik an der Bewaffnung französischer "Dreadnoughts" [1] zu seiner vorübergehenden Entlassung als Befehlshaber der französischen Mittelmeerflotte.

Am 13. September 1912 veröffentlichte die Zeitung Echo de Paris ein Interview, in dem er sich lt. "The American Journal of International Law, Vol. 6, No. 4, Oct., 1912 S. 935" [2] ziemlich unverblümt über die maritime Aufgabenverteilung innerhalb der Triple Entente ausließ:

Demzufolge war es die Aufgabe Frankreichs, das Mittelmeer zu kontrollieren, während Großbritannien und Russland ihre Seestreitkräfte in der Nordsee konzentrieren sollten, um sowohl Großbritannien als auch Frankreich vor Angriffen zu schützen. Als vermutliche Gegner wird der Dreibund, also Dtschl., Österreich-Ungarn und Italien, benannt, denen der Zugang zum Kanal verwehrt werden sollte.

Für Aufsehen, Matthias Erzberger soll sogar eine diesbzgl. Anfrage angekündigt haben, sorgte Germinet's Aussage, dass Frankreich und Großbritannien im Kriegsfall die Straße von Dover als Territorialgewässer betrachten und die neutrale Schiffahrt ausschließen würden.

Ein glatter Völkerrechtsbruch!

Das Interview und die Einlassung Erzbergers fanden sogar in der australischen zeitgenössische Presse Erwähnung:
[3] The Daily News, 16.09.1912
[4] The Register, 21.09.1912

Leider habe ich keine deutschsprachigen Nachweise gefunden.
 
Für die Julikrise fehlte im Gegensatz zu dem Balkankrieg 1912/13 wohl irgendwie über eine lange Strecke, der entschlossene Wille von Berlin und London, von Wien, Paris und Petersburg ganz zu schweigen, zu Deeskalation. Das Deutsche Reich hat den fatalen Blankoscheck ausgestellt und Wien bis zur serbischen Antwortnote freie hand gelassen. Die Russen warteten die Antwortnote erst gar nicht ab, sondern begannen frühzeitig mit einer versteckten Mobilmachung und wurden hierbei von Poincare bestärkt und gedeckt. Die diffuse britische Außenpolitik war eine einzige Katastrophe, unter anderm weil sie auch vor dem Hintergrund der innenpolitischen Zwänge gesehen werden muss. Die Mehrheit des Kabinetts und auch der Bevölkerung wollte keinen Krieg. Grey, Churchill und der Premier wollten aber ihre Verpflichtung gegenüber Frankreich einhalten und dafür musste eine Außenpolitik gefahren werden, die der gewaltigen Krise wohl nicht wirklich angemessen war.
 
Zuletzt bearbeitet:
Interessant sind in diesem Zusammenhang auch die Interviews des französischen Admirals Germinet.

1908 führte seine damalige Kritik an der Bewaffnung französischer "Dreadnoughts" [1] zu seiner vorübergehenden Entlassung als Befehlshaber der französischen Mittelmeerflotte.

Am 13. September 1912 veröffentlichte die Zeitung Echo de Paris ein Interview, in dem er sich lt. "The American Journal of International Law, Vol. 6, No. 4, Oct., 1912 S. 935" [2] ziemlich unverblümt über die maritime Aufgabenverteilung innerhalb der Triple Entente ausließ:

Demzufolge war es die Aufgabe Frankreichs, das Mittelmeer zu kontrollieren, während Großbritannien und Russland ihre Seestreitkräfte in der Nordsee konzentrieren sollten, um sowohl Großbritannien als auch Frankreich vor Angriffen zu schützen. Als vermutliche Gegner wird der Dreibund, also Dtschl., Österreich-Ungarn und Italien, benannt, denen der Zugang zum Kanal verwehrt werden sollte.
...
Leider habe ich keine deutschsprachigen Nachweise gefunden.

Über die Quelleninterpretation und den Kontext des Sazonow-Telegramms wird leider hinweggegangen, also haken wir das ab, und zum nächsten Aspekt: Mittelmeer und Presserummel um die allseits vermutete britisch-französische Verteilungsabsprache Nordsee/Mittelmeer als Reaktion auf den maritimen Rüstungswettlauf und die gescheiterten "Naval Holidays".

Vorab: Die frühere französische Kaliberdiskussion ist hier unbedeutend, kann also unbeachtet bleiben.

Bereits Haldane hatte Bethmann Hollweg ausdrücklich in Kenntnis gesetzt, dass die deutschen Flottenbauten und ein weiteres Geschwader als Antwort 5-6 Geschwader der britischen Flotte bedeuten würden (da nicht hergezaubert werden konnten, und auf die Neubauten gesondert verwiesen wurde, lag hierin ein Wink mit der Dachlatte: Verschiebungen der Royal Navy aus dem Mittelmeer und Aufgabenteilung mit der frz. Marine).

Nach dem Scheitern der Haldane-Mission wurde die "Umorganisation". die nur aufgrund einer bevorstehenden englisch-französischen Absprache erfoglen konnte, erneut im März 1912 an die deutsche Seite adressiert (paralleler Anlaß: die italienischen und österreichischen Dreadnought-Programme), und ein weiteres Mal im Oktober 1912 (unmittelbar vor dem Notenwechsel), ein viertes Mal im März 1913, jeweils mit Niederschlag in der Presse. Da verwundert es nicht, wenn die Reichsleitung sich 1914 wenig erstaunt über Schiemanns Artikel zeigte, in dem direkt "an die britischen Liberalen" gerichtet die Frage nach der frz.-brit. Marinekonvention (neben den Mutmaßungen übe brit.-russ. Verbindungen) gerichtet wurde.
Überraschung auf deutscher Seite über die Aufgabenteilung? Logischerweise Fehlanzeige, da ohnehin aus den bekannten "Verlegungen" und britischen Darstellungen zum One-Power-Standard im Mittelmeer ("ohne Frankreich") ersichtlich.

Zur gemutmaßten britisch-russischen Zusammenarbeit "Nordsee" oder auch Ostsee: deutsche diplomatische Nachfragen gab es bereits im Herbst 1912, 1912 ohne größere Aufregung auf deutscher Seite (Schröder).

Literatur zur 1912er Marineabsprache bzw. zum diesbezüglichen Inhalt des Grey-Cambon-Briefwechsels vom Nov.1912 gibt es reichlich. Aktueller Konsens: keine Beistandsabsprache, keine Verpflichtung seitens GB, im Übrigen interessanterweise Bindung an die aufrecht erhaltene derzeitige "Flottenverteilung" - die danach auch wieder geändert werden konnte.
 
[...]
Bereits Haldane hatte Bethmann Hollweg ausdrücklich in Kenntnis gesetzt, dass die deutschen Flottenbauten und ein weiteres Geschwader als Antwort 5-6 Geschwader der britischen Flotte bedeuten würden (da nicht hergezaubert werden konnten, und auf die Neubauten gesondert verwiesen wurde, lag hierin ein Wink mit der Dachlatte: Verschiebungen der Royal Navy aus dem Mittelmeer und Aufgabenteilung mit der frz. Marine).
[...]

Interessante Sicht der Ereignisse, aber was wollten die Engländer 1912 noch aus dem Mittelmeer in die Home Fleet verlegen?
War nicht hier schon zugunsten eine starken französischen Flotte mit Großkampfschiffen das Mittelmeer verstärkt worden, während alle Großkampfschiffe der RN schon um England versammelt wurden? (Mal abgesehen, von den schnellen Geschwadern der Schlachtkreuzer, die sich zwar als Zahl in die Großkampfschiffe einreihten, aber letztlich ein Fehlentscheidung war.)

Im Gegenteil, die Umstrukturierung der RN und der Zuordnung neuer Geschwader in 1914 hätte, bei besser Nutzung und Wissen der deutschen Admiralität die einmalige Chance gegeben, im Sommer/Herbst 1914 durch eine schnelle Entscheidungsschlacht eine gewisse Initiative zu erlangen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Interessante Sicht der Ereignisse, aber was wollten die Engländer 1912 noch aus dem Mittelmeer in die Home Fleet verlegen?

Es geht nicht um die Verlegungen, sondern um die Grundsatzentscheidung (und den vorhergehenden Streit zwischen Royal Navy - die das befürwortete, und Foreign Office - die das vehement ablehnten aus politischen Gründen: also ein Streit Grey/Churchill), ob Großbritannien zukünftig Schlachtschiffgeschwader im Mittelmeer unterhalten sollte.

Im Frühjahr 1912 wurde faktisch der weitgehende britische Rückzug aus dem Mittelmeer beschlossen (im Gegenzug wurden die frz. Brest-Geschwader ins Mittelmeer verlegt) und eine Umstrukturierung der Navy beschlossen. Das erfolgte schrittweise: die battle squadron aus dem östlichen Mittelmeer "wandert" nach Gibraltar, dort in kurzer Reichweite zu Heimatgewässern, die vorherige Gibraltar battle-squadron wanderte in die Heimatgewässer, sprich Einsatzgebiet Nordsee. Bis Juli 1914 "wanderte" die Gibraltar-Squadron ebenfalls zur Heimatflotte.

Beide Squadrons sind als "Planstellen" zu begreifen, Umrüstung auf Dreadnoughts stand bevor - es geht also nicht um konkret verlegtes Material, sondern grundsätzlich um Stationierungsorte der battle squadrons (egal mit welcher Ausrüstung von Schiffen).

Die grundsätzliche Umstrukturierung ist im Standardwerk von Halpern zur Mediterranean Naval Situation 1908/14 nachzulesen, oder zB auch bei Vegas "Austro-Hungarian Naval Policy 1904/14) wie folgt:

"Churchill, in a 15 June memorandum on the naval situation in the Mediterranean, stated that Great Britain could not afford to keep six battleships there in full commission. In his view it was a waste of the country’s limited resources to use full complements to man inferior ships. Churchill argued that it would be unwise to maintain a battle squadron at Malta because Great Britain was not in a position to face a combined Austro-Italian fleet...
Churchill strongly opposed a policy aimed at maintaining British naval supremacy in home waters as well as the Mediterranean. To achieve superiority in the Mediterranean, Great Britain had to be ready to build an additional squadron of dreadnoughts. This meant in effect that Great Britain, while maintaining 60 per cent greater strength than the German fleet, would in addition have to adopt a two-power standard against the Austro-Hungarian and Italian fleets in the Mediterranean. Churchill warned that there was neither time nor money to build a special dreadnought squadron for the Mediterranean...
As a solution to this problem, Churchill proposed that the British position could be improved only with the help of France. The French fleet, supported by an adequate British naval force and enjoying the protection of well-fortified bases, would be superior to any Austro-Italian combination. Moreover, a combined Anglo-French fleet would not only protect the interests of both countries in the Mediterranean but allow continued British superiority over the German fleet in the North Sea. Finally Churchill urged that a definite naval agreement be made with France without delay."

Da Frankreich planerisch Ende 1914/Anfang 1915 durch die zusammengerechneten italienisch/österreichischen Dreadnoughts überflügelt werden würde, kündigte Churchill intern an, für den Fall 3 britische Schlachtkreuzer im Mittelmeer zu belassen (faktisch ein "one-power-standard" im Mittelmeer).

dort, S. 100/101.

Faktisch war damit, in Konsequenz des Rüstungswettlaufes und nach Scheitern der britischen Versuche
- mit Italien zu einem Agreement zu kommen
- ÖU eine Garantie gegen ein Einstellen der österreichischen dreadnought-Bauten bieten (als Versuchsballon über eine ungarische Zeitung lanciert)
- in der Haldane-Mission zu einer Rüstungsbegrenzung zu kommen

das deutsch-britische Gegensatz quasi in der Nordsee zementiert, Ergebnis der Tirpitz-These zur Hochseeflotte vom "Messer an der Kehle" (gemeint ist die Themse). Großbritannien konzentrierte sich nur noch auf die Formel im Rüstungswettlauf: deutsche dreadnoughts plus 60%.

Interessanterweise brachte das sogar auf britischer Seite eine gewisse "Beruhigung", da damit zugleich der Rüstungswettlauf aufgrund der Bauprogramme entschieden war.

Zu den weiteren Folgen und daraus resultierenden Krisen werde ich noch etwas unter dem von thanepower zu Russland 1914 eröffneten Thema ausführen.
 
Der Hinweis mit dem russischen Geld für Poincares Wahl zum Präsidenten entstammt aus Iswolskis Aufzeichungen.

Das jetzt auch McMeekin als fragwürdig dargestellt wird, war ja zu erwarten.
McMeekin ist ein Verschwörungstheoretiker, allerdings leugnet er nur den Genozid an den Armeniern, würde er weiter gehen, wären seine Schriften auf dem Index... davon abgesehen habe ich ja beschrieben wo genau er falsch lag, und es nicht nur dabei belassen ihn nicht als Quelle zu kritisieren.
Nichts darf die deutsche Hauptschuld in Frage stellen, an der ja schon Clark mächtig gerüttelt hat.
Clark hat an gar nichts gerüttelt, er hat lediglich ganz entscheidende Punkte weggelassen, um das Deutsche Reich (und Österreich-Ungarn) in einem besseren Licht erscheinen zu lassen. Warum er so bejubelt wird sowie der generelle Trend die Kriegsschuld bzw. -ursachen auf alle zu verteilen, hat tagespolitische Ursachen.
Germany intervenes in WW1 commemoration debate - Telegraph
MAX HASTINGS: Sucking up to the Germans is no way to remember our Great War heroes, Mr Cameron | Mail Online

Der Anlass war doch wohl dier Ermordung von Franz Ferdinand oder bekomme ich da jetzt etwas durcheinander.
Die Ermordung war der Vorwand und ein günstiger Zeitpunkt um eine deutsche Hegemonie über Europa zu erkämpfen. Gleichzeitig wollte Österreich-Ungarn seine Macht über den Balkan ausdehnen.

Aus Graf Bertholds Tagebuch, 5.Mai 1913:
"Alle letzten Kriege seien gewonnen worden von jenen, die sich Jahre darauf vorbereitet [...]. Wir [gemeint ist also Österreich-Ungarn] sollten uns auf einen Krieg vorbereiten, der uns Serbien und Monenegro und Nordalbanien, Italien Valona, Deutschland des Sieg über den Panslawismus zu bringen hätte"

(Zit nach: Hantsch, Hugo, Leopold Graf Berchtold, Wien 1963, S. 420.)

Die Ursachen reichen wesentlich weiter zurück und da sind alle Großmächte ganz gewiss keine Unschuldlämmer.
Die Ursachen sind die Bestrebungen deutschlands eien Hegemonie über Europa zu errichten, sowie das Bestreben Österreich-Ungarns, eine Hegemonie über den Balkanraum zu errichten.
Die anderen Großmächte waren an einem Status Quo interessiert.

"Der Krieg zwischen Ost und West sei auf die Dauer unvermeidlich und wenn dann Österreich-Ungarn in seiner Flanke der Invasion einer respektablen Militärmacht ausgesetzt sein, so könne dies für den Ausgang des Völkerringens verhängnisvoll werden. [...] Und wenn sie [also die Österreicher] glauben, daß ihr Heil von Belgrad zu erwarten sei, dann müsse ihnen dieser Glaube genommen werden. Mit Serbien könne es für Österreich-Ungarn kein anderes Verhältnis geben, als jenes der Abhängigkeit des Kleineren vom Größeren. [...] [Der Kaiser - Wilhelm II - könne sich keinerlei andere Ordnung vorstellen], als die Vormachtstellung der Monarchie gegenüber allen dortigen Staatswesen".

(Bittner, Ludwig, Übersberger, Hans (Hg), Österreich-Ungarns Außenpolitik von der bosnischen Krise 1908 bis zum Kriegsausbruch 1914. Diplomatische Aktenstücke des Österreich-Ungarischen Ministeriums des Äußeren, Bd. 7, Leipzig 1930, Dok. 8934: Bericht Berchtolds nach Wien, 28.10.1913.).

Und die serbissche Regierung wußte von den Plänen der Mörder und hat aktiv nichts dagegen unternommen.
Das ist 1.) nicht bewiesen, und 2.) egal, da der Krieg ohnehin bereits geplant war.

Die Mobilmachung der Österreicher richtete sich weder gegen Russland noch gegen Frankreich, sondern gegen Serbien.
Russland hat aber klar gemacht, es werde keine Demütigung Serbiens akzeptieren. Daß ein Krieg gegen Serbien Krieg mit Russland bedeutet, war allen Beteiligten klar. Der britische Außenminister Grey fragte ja nicht umsonst am 29. Juli 1914 in Berlin an: "suggest any method by which the influence of the four Powers could be used together to prevent a war between Austria and Russia." Dieses wie alle anderen Vermittlungsangebote wurden deutscher- österreichischerseits abgelehnt. Weil man Krieg wollte.

Die versteckte russische Mobilmachung, die sehr frühzeitig begonnen hatte, richtete sich hingegen gegen österreich-Ungarn und damit griff formal der Vertrag von 1879.
Wie gesagt, Russland war nicht bereit Serbien zu opfern und reagierte auf die Bedrohung die von Österreich-Ungarn ausging.

Ohne Frage, die deutsche Schuld in Form des Blankoschecks und Berchtholds Forcierung der Krise ist gewiss nicht unerheblich. Aber die Russen wollten genau wie die Österreicher diesen Krieg un die Franzosen haben sie munter dabei unterstützt, genau wie die Deutschen die Österreicher.
Letzteres ist typisch linke Propaganda (welche ironischerweise von den nationalen Erzfeinden übernommen wurde) die jedem liberal-kapitalistischem Staat die gleiche Kriegslust zuschreibt...

"In Deutschland bestand die Befürchtung, daß wir nicht mitgehen würden, wenn uns der Anlaß des Krieges ferner liegen würde. In Algeciras waren wir noch Sekundanten, später nicht mehr, sondern in der Marakkokriese nicht standhaft zu Deutschland. Krieg mußte aber, wie die Dinge sich durch die Schuld der deutschen und österreichisch-ungarischen Diplomatie entwickelt hatten, kommen. Daher ergriff Deutschland nach dem Mord in Sarajewo die Gelegenheit beim Schopfe und benutzte den Anlaß, der sich auf österreichischen Seite ergeben hatte. Das ist die Geschichte des Krieges"
(ÖStA, HHS, Nachlaß Baernreither, K6: Tagebücher, Eintrag vom 2.12.1914.).

"Der Kampf zwischen Slawen und Germanen ist nicht mehr zu umgehen, er kommt sicher. Wann? Das findet sich"
(Lepsius, Johannes, u.a. (Hg), Die Große Politik der Europäischen Kabinette, 1871-1914. Sammlung der Diplomatischen Akten des Auswärtigen Amtes, Berlin 1922(ff), Bd. 34 II, S. 811: Schlussbemerkung Wilhelms II. zum Schreiben Pourtalès an Bethmann-Hollweg, 6.5.1913.).

"Unsere [also Deutschlands] Haltung denke ich mir, le cas échéant, so; Wir erklären in Petersburg, daß österreichisch-montenegrinische und österreichisch-serbische Konflikte Auseinandersetzungen lokaler Natur seien, in die die anderen Mächte keinen Grund einzugreifen hätten und deshalb ruhig bleiben müßten. Dieselbe Erklärung müßten wir auch in Paris und London abgeben mit Andeutung der unausbleibenden Folgen, die eintreten müßten, wenn Rußland Österreich angreift. Es ist für uns sehr wichtig, die Rolle des Provozierten zu haben [...]"
(BAB, AA, GW (Gesandtschaft Wien), Geh. III, Ganz geh. Sachen 1891-1921: Jagow an Tschirschky, 28.4.1913.)

„England könne es nicht dulden, daß Deutschland die Vormacht des Kontinents werde und d[ies]er unter seiner Führung sich vereinige!! Skrupellos, roh und englisch! […] Es ist eine moralische Kriegserklärung an uns. Meine Instanzen sind alle informiert und militärisch gilt für die Vorbereitungen [zum großen Krieg] England jetzt als unser Feind. […] Damit ist Marschalls Arbeit und Lichnowskys Mission à limine bereits erledigt. Denn beider Auftrag war, die Neutralität Englands uns jedenfalls für den Konfliktfall mit Rußland-Frankreich zu sichern […]. [Als Gegenmaßnahmen verordnete der Kaiser zudem] mehr Schiffe und Soldaten […], denn es geht um unsere Existenz […]: Hier geht England kaltblütig im Kampfe der Germanen gegen die Slavische [sic!] Überflutung gegen ihre eigene Rasse! Militärisch ziehen wir bereits die Kosequenzen und machen uns auf alles gefaßt“
(PA³, Nachlass Eisendecher, Nr 1/1-7: Wilhelm II. an Eisendecher, 12.12.1912.)

"Das [sic!] wir den Krieg auf die klipp und klare Äußerung sowohl Kaiser Wilhelms wie des deutschen Reichskanzlers beschlossen haben, daß sie den Moment für geeignet halten und es mit Freude begrüßen, wenn wir ernst machen."
(ÖStA, PA, Kr500, XXXXVII: Tisza an Berchtold, 11.9.1914.)


Lesenwert:
http://personal.lse.ac.uk/ritschl/pdf_files/pityofpeace.pdf
http://www.univ-orleans.fr/leo/images/espace_commun/seminaires/semmar2014/WP_218.pdf
Let?s not be beastly to the Germans Spectator Blogs
 
Clark hat an gar nichts gerüttelt, er hat lediglich ganz entscheidende Punkte weggelassen, um das Deutsche Reich (und Österreich-Ungarn) in einem besseren Licht erscheinen zu lassen. Warum er so bejubelt wird sowie der generelle Trend die Kriegsschuld bzw. -ursachen auf alle zu verteilen, hat tagespolitische Ursachen.

Möglicherweise haben wir zwei verschiedene Bücher gelesen. Cark berichtet beispielsweise, das der serbische Ministerpräsident Pasic von dem Attentat im Vorfeld Kenntnis hatte und eine nebulöse Warnung nach Wien schickte, die dort missverstanden wurde. Aktiv unternahm Pasic nichts gegen das geplante Attentat.

Clark beleuchtet die französische Außenpolitik und insbesondere den französischen Präsidenten Poincare in der Julikrise. Poincare vertrat die Ansicht, dass nur eine „feste Politik der Stärke“ die Deutschen zur Räson bringen würde und signalisierte den Russen unbedingte Bündnistreue. Das war auch eine Art von Blankoscheck.

Sir Edward Grey kommt bei Clark auch nicht besonders gut weg. Er informiert den Leser über Greys Prioritäten, nämlich den Erhalt des Empires, der praktisch über alles stand, und hierzu wurden in der Vergangenheit entsprechende Abmachungen mit Frankreich und Russland getroffen. Dass das natürlich Folgen haben könnte, war klar und wurde in Kauf genommen. Und es bleibt auch nicht die Rolle der starken antideutschen Fraktion im Foreign Office unerwähnt.

Bei den Russen werden insbesondere die frühzeitige Mobilmachung und der damit verbundene Wille zum Krieg heftig kritisiert.

Den Deutschen bescheinigt er eben nicht in der Julikrise Komödie gespielt zu haben und so zu tun als ob nicht sei und die Reichsleitung in den Urlaub fährt.

Im Prinzip werden von Clark durchaus „liebgewordene Positionen“ doch infrage gestellt.

Im Zuge der Marokkokrisen 1905/11 wurde beispielsweise endlich einmal deutlich gemacht, Clark sei Dank, das es die Franzosen in beiden Fällen gewesen waren, die bestehende Verträge gebrochen und damit die Krise erst ausgelöst haben. Das wird häufig entweder gar nicht oder nur am Rande erwähnt. Dafür wird aber üblicherweise sehr ausführlich das unbestrittene deutsche aggressive Vorgehen sehr heftig kritisiert, aber Kritik an den anderen Mächten bleibt in der Regel bis heute, ja sogar in unseren Schulbüchern, mehr oder weniger ausgespart. Im Fadenkreuz der Kritik steht das Deutsche Reich. Und in diesen beiden Krisen haben auch Frankreich und Großbritannien „einiges auf dem Kerbholz“.

 
Aus Graf Bertholds Tagebuch, 5.Mai 1913:
"Alle letzten Kriege seien gewonnen worden von jenen, die sich Jahre darauf vorbereitet [...]. Wir [gemeint ist also Österreich-Ungarn] sollten uns auf einen Krieg vorbereiten, der uns Serbien und Monenegro und Nordalbanien, Italien Valona, Deutschland des Sieg über den Panslawismus zu bringen hätte"

Du meinst sicher den Außenminister der Monarchie Berchthold. berchthold war übrigens nicht die einzige Stimme im ministerat der Monarchie. der Thronfolger beispielsweise und der ungarische Ministerprädient Tisza lehnten den Krieg ab.

Die Ermordung war der Vorwand und ein günstiger Zeitpunkt um eine deutsche Hegemonie über Europa zu erkämpfen. Gleichzeitig wollte Österreich-Ungarn seine Macht über den Balkan ausdehnen.

Dieser Vorwand war der Anlass! Was tat denn Russland eigentlich auf dem Balkan? Däumchen drehen? Der Balkan war schon seit vielen Jahren Zankapfel zwischen Petersburg und Wien. Beide Mächte wollten dort ihre Interessen gewahrt sehen. Für österreich-Ungarn war es bloß im Unterschied zu Russland die einzige geographische Interessensphäre als europäische Großmacht. Auch das war den Russen bekannt.

Wer hat denn die Balkanentente eigentlich geschmiedet, die zum Krieg führte? Durch die Ergebnisse des letzten Balkankrieges war Österreich-Ungarn auf dem Balkan weitesgehend isoliert und in Wien war man ganz außerodentlich besorgt und auch verunsichert.
 
Die Ursachen sind die Bestrebungen deutschlands eien Hegemonie über Europa zu errichten, sowie das Bestreben Österreich-Ungarns, eine Hegemonie über den Balkanraum zu errichten.
Die anderen Großmächte waren an einem Status Quo interessiert.

So,so. das ist ja höchst interessant. Im Klartext: Das Deutsche Reich und Österreich-Ungarn sind also alleine schuld am Großen Krieg und die anderen Großmächte haben nur reagiert. Die Vorgeschichte des Weltkrieges, ich würde mit dem Jahre 1897 beginnen, erzählt aber irgendwie eine andere Geschichte. Du willst mir doch nicht ernsthaft weismachen wollen, das Briten, Franzosen und Russen nur an erhaltung ihres Bestandes interessiert waren. Auch diese Mächte waren durch und durch imperialisitisch. Ansonsten kannst du mir ja mal die ganzen Interventionen, auch die militärischen, wenn die Mächte der Triple Entente nur am Status Quo gelegen waren.

Diese Mächte haben durch ihre Außenpolitik Schritt für Schritt sowohl das Deutsche Reich als auch Österreich-Ungarn in die Enge getrieben und isoliert. Und das sehenden Auges. Natürlich war die Außenpolitik des Deutschen Reiches, kannste in meinen zahlreichen Beiträgen daszu hier im Forum nachlesen, auch nicht gerade ein Quell der Weisheit. Nee, nee, die Dinge müssen etwaqs differenzierter betrachtet werden. Mit, die einen aggressisv und die anderen unschuldig und lieb ist es nicht getan.
 
Im Klartext: Das Deutsche Reich und Österreich-Ungarn sind also alleine schuld am Großen Krieg und die anderen Großmächte haben nur reagiert.
wenn das stimmt (ich weiß, dass das nicht deine Ansicht ist!), dann muss der russ. Zar aufgrund prophetischer Gaben die Narew-Linie*) prophylaktisch vehement fortifiziert haben... :winke: ...zu schweigen von den noch begabteren französischen Propheten und deren Festungskette...
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*) und die ist ja gaaar nicht in westliche Richtung aufgebaut...
 
Zuletzt bearbeitet:
Das ist 1.) nicht bewiesen, und 2.) egal, da der Krieg ohnehin bereits geplant war.

zu 1. Kannst bei Clark nachlesen. Darüber hinaus bei Friedrich Würthle, Die Spur führt nach Belgrad und auch bei Manfried Rauchensteiner.

zu 2. Krass!! Es ist also egal,ob die serbische Regierung Mörder indirekt unterstützt. Ich bin sprachlos vor Erstaunen.
 
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