Kalkriese als Ort der Varusschlacht zweifelhaft

"Nach einem Ausblick auf die kommenden Veranstaltungen übernahm Wilm Brepohl das Mikrofon und berichtete über den neusten Stand der Forschung zur Varusschlacht im Jahr 9. Der ehemalige Mitarbeiter des Landschaftsverbands berichtete, dass auf dem Schlachtfeld in Kalkriese ein Schwert mit der Aufschrift „Zweite Legion“ gefunden worden sei, die aber laut Tacitus gar nicht an der Varusschlacht beteiligt war. „Damit“, so verkündete der Referent, „ist die Suche nach dem Standort der Varusschlacht wieder offen.“

Westfälische Nachrichten vom 09.02.15

Was hilft es, genau aus dem Artikel zu zitieren, der der Anlass der Nachfrage von Jkt ist? :confused:
 
Nur so ein Gedanke: wann ist es wahrscheinlicher, dass ein Schwert dem Kreislauf entzogen und zum Sediment wird – nach einer verlorenen Schlacht mit Zehntausenden von Germanen auf Beutesuche, oder eher nach der friedlichen Schlachtfeldbegehung des Germanicus?
 
Nur so ein Gedanke: wann ist es wahrscheinlicher, dass ein Schwert dem Kreislauf entzogen und zum Sediment wird – nach einer verlorenen Schlacht mit Zehntausenden von Germanen auf Beutesuche, oder eher nach der friedlichen Schlachtfeldbegehung des Germanicus?

Hab ich schon geschrieben:

Ein Schwert verliert man nicht so schnell. Wenn es tatsächlich existiert und wir hier nicht einem Stille-Post-Effekt aufsitzen, dann ist das Schwert ein Problem. Wobei wir freilich Besitzwechsel von Militaria über Legionen hinaus dank Punzungen und Ritzungen nachgewiesen haben. Wenn man aber ein Schwert der legio II vorliegen hat, muss man ohne Gegenanzeiger dem Sparsamkeitsprinzip folgend annehmen, dass der Träger auch dieser Legion angehörte und weiterhin, dass dann diese Legion vor Ort war. Die Möglichkeit, dass es sich um eine der an der clades Variana beteiligten Vexillationen handelt, bleibt natürlich bestehen.
 
Die nächste Frage wäre aber, ob die II Legion erst nach der Kalkriese-Schlacht nach Germanien kam. Die spanische Wikipedia (Legio II Augusta - Wikipedia, la enciclopedia libre) sagt zu dieser Legion, dass sie nach den Kantabrischen Kriegen (19 v. Chr.) und 12 oder 13 v. Chr. an die Donau verlegt worden ist. Woher die spanische Wiki diese Information hat, steht leider nicht dabei.

Verwiesen wird auf einen Artikel von Ritterling in Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft zu dieser Legion. Online habe ich diesen Artikel leider nicht ausfindig machen können. Belegt ist ihre Anwesenheit für 14 n. Chr. nach Tacitus (1,37 s. Tacitus: Annales, Germanicus und die Unruhen am Rhein (Tac.ann.1,31-49) (lateinisch, deutsch)). Ob diese Legion schon vor 9 n. Chr. in Germanien war und ob einzelne Einheiten zu Varus gehörten, konnte ich nicht feststellen. Die deutsche Wikipedia schreibt, dass sie erst nach der Varusschlacht nach Germanien verlegt wurde, aber es geht aus dem Artikel nicht hervor, woher man das weiß.

Aber offen gestanden, halte ich es für müßig, über ein Schwert zu diskutieren, von dem wir nicht einmal genau wissen, ob es wirklich existiert.
 
Hab ich schon geschrieben:

Die legio II war zwei Jahre [Edit: Sorry, gemeint waren sechs Jahre] nach der Schlacht mit Germanicus vor Ort, oder habe ich das falsch verstanden?

Daher sehe ich nicht das Problem. Nach der Begräbnisaktion haben nicht Myriaden von Plünderern die Gegend abgesucht und somit blieb das Schwert von Legionär Immemorius der Nachwelt erhalten.
 
Zuletzt bearbeitet:
Die legio II war zwei Jahre nach der Schlacht mit Germanicus vor Ort, oder habe ich das falsch verstanden?

Meinst du jetzt sechs Jahre nach der clades Variana oder tatsächlich zwei Jahre nach der Bestattungsaktion?
Ich gehe mal von einer freudschen Fehlleistung aus, dass du sechs Jahre nach der clades Variana meinst und wegen der Legionsnummer aus Versehen zwei geschrieben hast.
Ja, die zweite Legion war bei der Bestattungsaktion und bei der Schlacht an der avia dabei, gehörte dann aber zu den Legionen, die mit Germanicus über die Ems in die Nordsee shipperten. Sie gehörte dann (mit der 14.) zu den Legionen, die wegen Niedrigwassers im Watt ausgeladen wurden und unter dem Befehl des Publius Vitellius marschierten, bis sie von einer Sturmflut bei der Tag-und-Nacht-Gleiche erwischt wurde, was zu hohen Verlusten führte.

Daher sehe ich nicht das Problem. Nach der Begräbnisaktion haben nicht Myriaden von Plünderern die Gegend abgesucht und somit blieb das Schwert von Legionär Immemorius der Nachwelt erhalten.
Wie gesagt, ein Schwert verliert man nicht so leicht. Die Frage ist natürlich ob wir hier über ein reales Schwert oder ein Phantomschwert sprechen.
 
Dando-Collins "Legions of Rome" verortet die II Augusta für 9 n.Chr. bereits am Rhein, wohin sie 17 n.Chr. wieder zurückgekehrt sein soll (bei Rückkehr Argentoratum/Straßburg, vielleicht zuvor in 9 auch dort?)
 
Meinst du jetzt sechs Jahre nach der clades Variana oder tatsächlich zwei Jahre nach der Bestattungsaktion?
Ich gehe mal von einer freudschen Fehlleistung aus, dass du sechs Jahre nach der clades Variana meinst und wegen der Legionsnummer aus Versehen zwei geschrieben hast.

So ist es.:pfeif:

Ja, die zweite Legion war bei der Bestattungsaktion und bei der Schlacht an der avia dabei, gehörte dann aber zu den Legionen, die mit Germanicus über die Ems in die Nordsee shipperten. Sie gehörte dann (mit der 14.) zu den Legionen, die wegen Niedrigwassers im Watt ausgeladen wurden und unter dem Befehl des Publius Vitellius marschierten, bis sie von einer Sturmflut bei der Tag-und-Nacht-Gleiche erwischt wurde, was zu hohen Verlusten führte.

Danke für die Aufklärung, die Legionen muss ich noch einmal üben. ;)

Wie gesagt, ein Schwert verliert man nicht so leicht.

Während meiner Militärzeit hat einmal einer sein Sturmgewehr irgendwo im Wald verloren. Zum Glück gab es genug Zeit, erfolgreich danach zu suchen – aber wehe es wäre Ernst und hieße Abmarsch. Wegen eines Trottels hätten mehrere Legionen kaum gewartet.
 
So ist es.:pfeif:



Danke für die Aufklärung, die Legionen muss ich noch einmal üben. ;)



Während meiner Militärzeit hat einmal einer sein Sturmgewehr irgendwo im Wald verloren. Zum Glück gab es genug Zeit, erfolgreich danach zu suchen – aber wehe es wäre Ernst und hieße Abmarsch. Wegen eines Trottels hätten mehrere Legionen kaum gewartet.

Während meiner Militärzeit hieß es immer "Die Waffe am Mann zu tragen". Ich kann mir nicht vorstellen, dass es bei den römischen Legionen anders als bei der Bundeswehr ablief.

Aber gibt es denn überhaupt ein Schwert?:confused:
 
Während meiner Militärzeit hieß es immer "Die Waffe am Mann zu tragen". Ich kann mir nicht vorstellen, dass es bei den römischen Legionen anders als bei der Bundeswehr ablief.

Irgendwann muss man auch schlafen. Vielleicht haben dem armen Legionär seine Kameraden einen bösen Streich gespielt. So etwas soll beim Barras vorkommen. ;)

Bin trotzdem gespannt auf die Antwort, ob es das Schwert wirklich existiert.
 
9 n. vor oder nach der clades Variana? Und was gibt Dando-Collins als Quellen an?

Ist leider nicht näher erläutert. Dort steht "Am Rhein 9 AD". Keppie, The Making of the Roman Army, drückt sich vorsichtiger aus, und will die Legion vielleicht aus Spanien nach der Varus-Niederlage verlegt sehen. Demnach könnte sie auch bereits vorher verlegt worden sein.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich weiß nicht so recht wie ich Wilm Brepohl einschätzen soll.

Wilm Brepohl ? Wikipedia

Kennt jemand seine Bücher? Hat das was er geschrieben hat Hand und Fuß oder gehört er zur "Spinnerfraktion" ? (was die Varusschlacht angeht)
 
Ich weiß nicht so recht wie ich Wilm Brepohl einschätzen soll.

Wilm Brepohl ? Wikipedia

Kennt jemand seine Bücher? Hat das was er geschrieben hat Hand und Fuß oder gehört er zur "Spinnerfraktion" ? (was die Varusschlacht angeht)

Ich habe den Namen zum ersten Mal hier im Thread gelesen. Aber zumindest gehört er nicht zum Ausgrabungsteam bzw. Museum Kalkriese. Von dort würde ich zuerst eine Mitteilung über den Fund erwarten. Wie ich oben schon geschrieben habe, stand im letzten Varuskurier von Dezember 2014 auch nichts über den Fund eines Schwertes. Ein Schwert, noch dazu mit Legionsnummer, wäre sicherlich in Schlagzeilen à la Bild dort aufgeführt worden. Es könnte höchstens ein Neufund sein (allerdings wundert es mich, falls um diese Jahreszeit gegraben werden sollte). aber dann hätte ich vom Museum oder Ausgrabungsteam eine Mitteilung erwartet und nicht im Rahmen der Wahlen zum Vorstand des Heimatvereins Münster-Handorf als Randbemerkung.

Also für mich sieht die Meldung nach Ente aus, und bis das Gegenteil von offizieller Seite mitgeteilt wird, halte ich das Schwert der II Legion auch für eine Ente.:D.


Zurück zur II Legion: ich hatte oben auf den Artikel in der RE hingewiesen (der ist zwar aus den 1920er Jahren, aber vielleicht immer noch aktuell). Hat den irgendjemand online gefunden oder evtl. die RE unter'm Nachttisch liegen oder im Bücherregal stehen?
 
So, ich habe Rückmeldung aus Kalkriese erhalten. Bei der "Westfälischen" habe ich ebenfalls angefragt aber noch keine Antwort.
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Sehr geehrter Herr X.

ein Schwert der 2. Legion gibt es nicht aus Kalkriese – es wurde bisher überhaupt nur ein einziges kleines Schwertklingenfragment gefunden. Wohl aber gibt es Bruchstücke von Schwertmundblechen, darunter eines mit einer Inschrift, die evtl. auf eine 1. Legion hinweist (legio I).

Dieses Objekt ist aber seit mehr als 15 Jahren bekannt und auch publiziert. Wenn auch die 1. Legion nicht an der Schlacht beteiligt war, so kann doch ein Objekt aus dieser schon vor der Varusschlacht existierenden Legion zu den an der Schlacht beteiligten Truppen gelangt sein. Die Probleme der Lesung und die Interpretation hat Prof. Rainer Wiegels ausführlich bearbeitet:
R. Wiegels: Legio I in Kalkriese Zu einer Ritzinschrift auf dem Mundblech einer Schwertscheide. In: Lehmann, Gustav-Adolf / Wiegels, Rainer, Römische Präsenz und Herrschaft im Germanien der augusteischen Zeit. Der Fundplatz von Kalkriese im Kontext neuerer Forschungen und Ausgrabungsbefunde. Beiträge zu der Tagung des Fachs Alte Geschichte der Universität Osnabrück und der Kommission ‚Imperium und Barbaricum’ der Göttinger Akademie der Wissenschaften in Osnabrück vom 10. bis 12. Juni 2004 (Göttingen 2007) 89-111.
Mit freundlichen Grüßen
Susanne Wilbers-Rost
 
So, ich habe Rückmeldung aus Kalkriese erhalten. Bei der "Westfälischen" habe ich ebenfalls angefragt aber noch keine Antwort.
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Sehr geehrter Herr X.

ein Schwert der 2. Legion gibt es nicht aus Kalkriese – es wurde bisher überhaupt nur ein einziges kleines Schwertklingenfragment gefunden. Wohl aber gibt es Bruchstücke von Schwertmundblechen, darunter eines mit einer Inschrift, die evtl. auf eine 1. Legion hinweist (legio I).

Dieses Objekt ist aber seit mehr als 15 Jahren bekannt und auch publiziert. Wenn auch die 1. Legion nicht an der Schlacht beteiligt war, so kann doch ein Objekt aus dieser schon vor der Varusschlacht existierenden Legion zu den an der Schlacht beteiligten Truppen gelangt sein. Die Probleme der Lesung und die Interpretation hat Prof. Rainer Wiegels ausführlich bearbeitet:
R. Wiegels: Legio I in Kalkriese Zu einer Ritzinschrift auf dem Mundblech einer Schwertscheide. In: Lehmann, Gustav-Adolf / Wiegels, Rainer, Römische Präsenz und Herrschaft im Germanien der augusteischen Zeit. Der Fundplatz von Kalkriese im Kontext neuerer Forschungen und Ausgrabungsbefunde. Beiträge zu der Tagung des Fachs Alte Geschichte der Universität Osnabrück und der Kommission ‚Imperium und Barbaricum’ der Göttinger Akademie der Wissenschaften in Osnabrück vom 10. bis 12. Juni 2004 (Göttingen 2007) 89-111.
Mit freundlichen Grüßen
Susanne Wilbers-Rost

Danke für's Klären. Also ist das Schwert eine Ente.=)
 
Auch von mir ein herzliches Dankeschön!
Somit hat sich Herr Brepohl wahrlich einen Bärendienst erwiesen....

Immerhin haben wir diskutiert, wo und wann die zweite Legion gewesen ist.

Übrigens hat jemand die RE, auf die ich oben hingewiesen habe, in der Nähe und könnte nachschauen, was die schreiben, wann die Legion nun an den Rhein gekommen ist?
 
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