Römerforschung in der DDR

Das Folgende wurde nach Post #154 geschrieben.

@ Hermundure: Lies die Artikel selber noch einmal nach. Er spricht sich darin wirklich für Kalkriese als wahrscheinlichen Ort der Schlacht aus. Willst Du das widerlegen, musst Du schon einen Beleg bringen, da es ja strittig ist. Wir können ja nicht hellsehen. So wirken Deine Posts schon etwas, sagen wir, seltsam.

Ich sage ja, wie in den entsprechenden Threads zu finden, dass mich die Funde von Kalkriese zwar noch nicht überzeugen können, ich den Ort aber auch nicht ablehne. Lediglich als Arbeitshypothese habe ich andere Äußerungen getroffen.

Ein interessanter Punkt, egal als was man die Funde bei Kalkriese betrachtet, ist das anscheinende Fehlen 'germanischer' Funde. Eine Nachfrage in dieser Hinsicht sagt noch nichts über die Interpretation des gesamten Fundkomplexes, auch wenn einige von EL Quijotes Erklärungen reichlich naiv erscheint. Aber schon der Hinweis, dass der, der das Schlachtfeld behauptet, was in Germanien natürlich oft auch dann Germanen waren, selbst wenn sie den Kampf verloren hatten, seine Toten besonders sorgfältig bergen kann, ist doch klar, deutlich und zutreffend. Dabei kommt ins Spiel, dass man Vertrautes weit besser sieht als Fremdes. Hölzerne Opferwaffen werden hingegen erst als richtige Waffen interpretiert, nachdem man sie in Zusammenhang mit Kalkriese sieht. So etwas weckt in mir natürlich auch große Zweifel. Aber die Funde bleiben ja dennoch bestehen. Und, wie gesagt, die Frage ist interessant, egal wie man zu Kalkriese steht.

Der Vorwurf, keine Ahnung von Keramik zu haben ist doch recht harsch. Eigentlich ist es hier gute Sitte, solche Kritik durch Erklärung der fraglichen Aspekte zu äußern. Ich weiß um die schlechte Angewohnheit von Archäologen, Erklärungen abzulehnen und sich auf's hohe Ross des Expertentums zu schwingen um dort Autorität zu beanspruchen. Doch bedenke: Wer eine Erklärung verweigert, muss der Wissenschaftstheorie nach damit leben, dass seine Behauptungen als ungültig betrachtet werden, da er sie nicht zur Diskussion stellt. Damit gibt er auch sein Expertentum auf. Jeder hat Verständnis, wenn einmal die Zeit fehlt. Aber man kann Erklärungen auch nachreichen.

Und die Münzen aus dem Domareal bieten eigentlich ein gutes Argument für Kalkriese, wenn nicht die Quellen eine recht singuläre Herkunft der Münzen der Germanicus-Legionen aus der Privatschatulle des Prinzen berichten würde. Selbst, wenn man die Stelle -wir haben darüber schon ohne Ergebnis diskutiert- ignoriert, geht man doch davon aus, dass die Barschaft der Legionäre eine andere Zusammensetzung hatte, als die der restlichen Bevölkerung. Man denke nur an die Gegenstempel. Allerdings könnte man auch zu dem Schluss kommen, dass neue Münzen im militärischen Zusammenhang einen höheren Anteil besaßen als im zivilen. Jedenfalls hat sich trotz der Einwände- mit Köln die Wahrscheinlichkeit gesteigert, dass der Kalkrieser Münzhorizont zur Varusschlacht passt.

Der Anhang von Post #144 ist übrigens so klein, dass er nicht zu lesen ist.

@ El Quijote: Ich würde nicht so weitgehen, absichtliche Lügen zu unterstellen. Ein so plumpes Vorgehen unter Beharrung auf die gegenteilig lautenden Belege kann ich mir nicht vorstellen. Dazu müsste er uns alle für Idioten halten. Eher schon wird jemand, der sehr im Thema steht, einiges weglassen, was er für selbstverständlich hält, wodurch dann seine Argumentation nicht mehr nachvollziehbar ist. Warten wir doch noch ab, ob er einen Beleg für eine geänderte Meinung Mellers präsentiert, was er zu den Kölner Münzfunden sagt und wie die 'fehlenden' Germanen-Funde in Kalkriese in die Argumentation passen. Er hat ja bisher nur Schlaglichter davon erkennen lassen.

EDIT: Nach Post #154 geschrieben.
 
Zuletzt bearbeitet:
Druck von wem? Von dir? Gewiss nicht.

Ich wies darauf hin, dass Meller schreibt, dass Kalkriese der wahrscheinliche Ort der Varusschlacht sei.
Daraufhin fragtest du, wo ich das denn herhätte.
Ich wies dich daraufhin auf den Artikel nach dem deinen hin, woraufhin du wörtlich mit "mitnichten" antwortest.
Erst nachdem Sepiola mich um ein Zitat gebeten hat und ich ihm versprach es zu liefern aber um ein paar Tage Reaktionszeit bat, hast du das Zitat geliefert.
Welches Bild ergibt sich daraus?
 
Er bleibt ja auch wie schon 2001 im Konjunktiv was Kalkriese betrifft. Das macht ihn doch nicht gleich zum Befürworter von Kalkriese. Also bitte, wo kommen wir denn da hin. Er schreibt ja auch "wahrscheinlich". Wenn sich jemand für Kalkriese entscheidet, dann drückt er das klarer aus und positioniert sich dementsprechend. Da gibt es kein wenn und aber.
Das sehe ich genau andersherum: Da es strittig und nicht endgültig erwiesen ist, dass die Varusschlacht in Kalkriese stattfand, wäre es eher unseriös zu schreiben: "Kalkriese ist der Ort der Varusschlacht" oder noch deutlicher "Kalkriese ist eindeutig/definitiv der Ort der Varusschlacht". Eine Bezeichnung als "wahrscheinlicher Ort" der Varusschlacht ist das Maximum an Festlegung, was seriöserweise auch für einen Befürworter, der ernsthaft argumentieren und schreiben will, möglich ist.
 
@ tela,

es macht doch keinen Sinn wenn ich etwas später negiere (siehe Archäologentag 2008 - Frage nach den germanischen Waffenfunden an Mossbauer), um es dann 7 Jahre wieder zu verwerfen. Er bleibt ja auch wie schon 2001 im Konjunktiv was Kalkriese betrifft. Das macht ihn doch nicht gleich zum Befürworter von Kalkriese. Also bitte, wo kommen wir denn da hin. Er schreibt ja auch "wahrscheinlich". Wenn sich jemand für Kalkriese entscheidet, dann drückt er das klarer aus und positioniert sich dementsprechend.

Wenn jemand Kalkriese ablehnt, dann schreibt er es aber auch eindeutiger. Und wenn man Kalkriese ablehnt, dann schreibt man ganz sicher nicht, dass Kalkriese wahrscheinlich der Ort der Varusschlacht ist!
 
Eine Nachfrage in dieser Hinsicht sagt noch nichts über die Interpretation des gesamten Fundkomplexes, auch wenn einige von EL Quijotes Erklärungen reichlich naiv daher kommen.

Welcher genau? Die Dammer Holzwaffenfunde? Dass Germanen weniger Metall mit sich führten als Römer und daher in einem vorwiegend von Metall bestimmten Fundort schwieriger in den Spuren zu erkennen sind? Dass manche der Waffenreste nicht zugeordnet sind? Dass wahrscheinlich cheruskische Hilfstruppen unter Arminius Führung den Kern der Erhebung gegen Varus bildeten und daher ebenfalls römisch gerüstet waren? Natürlich hatten Hilfstruppen eine andere Ausrüstung als Legionäre. Aber wie unterscheidet man einen Auxiliarsoldaten, der sich gegen die Römer wendet archäologisch von einem Auxiliarsoldaten, der weiter zu den Römer steht? Gar nicht!

Ich würde nicht so weitgehen, absichtliche Lügen zu unterstellen. Ein so plumpes Vorgehen unter Beharrung auf die gegenteilig lautenden Belege kann ich mir nicht vorstellen.
Konnte ich mir bis gestern auch nicht. Aber man lernt ja jeden Tag dazu.

Dazu müsste er uns alle für Idioten halten.
Ja, so sieht es wohl aus.

Eher schon wird jemand, der sehr im Thema steht, einiges weglassen, was er für selbstverständlich hält, wodurch dann seine Argumentation nicht mehr nachvollziehbar ist. Warten wir doch noch ab, ob er einen Beleg für eine geänderte Meinung Mellers präsentiert, was er zu den Kölner Münzfunden sagt und wie die 'fehlenden' Germanen-Funde in Kalkriese in die Argumentation passen. Er hat ja bisher nur Schlaglichter davon erkennen lassen.
Er schreibt ja selbst: Eine andere Publikation Mellers zur Interpretation von Kalkriese kennt er auch nicht.
 
@ tela,

es macht doch keinen Sinn wenn ich etwas später negiere (siehe Archäologentag 2008 - Frage nach den germanischen Waffenfunden an Mossbauer), um es dann 7 Jahre wieder zu verwerfen. Er bleibt ja auch wie schon 2001 im Konjunktiv was Kalkriese betrifft. Das macht ihn doch nicht gleich zum Befürworter von Kalkriese. Also bitte, wo kommen wir denn da hin. Er schreibt ja auch "wahrscheinlich". Wenn sich jemand für Kalkriese entscheidet, dann drückt er das klarer aus und positioniert sich dementsprechend. Da gibt es kein wenn und aber. Ich habe mich auch in Sachen Germanicus-Horizont klar positioniert, sonst wird das Ganze unglaubwürdig und hinterlässt einen faden Nachgeschmack.

Bezüglich weiterer Publikationen vom Professor zum Thema Kalkriese muss ich passen. Da kenne ich keine weiteren.

Grüße

Also wirklich Hermundure, das geht nun wirklich nicht.

Es gehört doch wirklich zu den Grundlagen, dass man nicht alles in der Geschichte sicher entscheiden kann, weshalb es eine ganze Reihe abgestufter Begriffe gibt, die die eigene Einschätzung wiedergeben sollen. Neutral wäre 'vielleicht'. 'Wahrscheinlich' ist hingegen ganz klar zustimmend.

Da einen 'faden Nachgeschmack', also ein moralisches Fehlverhalten zu unterstellen, ist ein starkes Stück.

Wenn es tatsächlich so wäre, dass nur der einer Theorie zustimmen dürfte, der sie für 100prozentig erwiesen hielt, gäbe es zu kaum einer Theorie innerhalb der Geschichtsschreibung Zustimmung. Und in der Archäologie wohl noch weniger, da es keine negativen Prädikationen gibt.

Damit verlangst Du weiterhin, dass jemand, der bloß zu einer Theorie neigt, es nicht ausspricht. Die Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit so einzuschränken ist ein starkes Stück.

Und im Gegenteil wird es unglaubwürdig, wenn jemand, um seiner Theorie das Wort zu reden, Dinge für wahr ausgibt, die allenfalls wahrscheinlich sind. Oder gar falsch. Du gehst anscheinend so vor, wie Du es hier verlangst, und musst feststellen, der Lüge bezichtigt zu werden. Was nicht verwunderlich ist:

Für Dich ist es anscheinend das Ideal etwas voll zu vertreten, was eigentlich nicht ganz bewiesen werden kann. Anderes hätte ja laut Dir einen 'faden Nachgeschmack'. Dazu muss man aber die Tatsachen bewusst falsch darstellen. Und das nennen die meisten nun einmal eine Lüge. Und für die meisten ist das dann ganz und gar unglaubwürdig.

Wenn es keine weiteren Publikationen zum Thema von Herrn Meller gibt, hat er sich bisher zu Kalkriese öffentlich nur positiv geäußert. Die Frage nach Germanenfunden besagt ja nichts zu seiner Haltung in jener Frage, da auch Befürworter und Neutrale, wie ich selber, daran interessiert sind.

Im übrigen widerspricht Kalkriese doch nicht Deinen Münzen im Thüringer Wald und an der Saale. Den Satz 'Viele Wege führen zur Elbe.' wird außerdem niemand leugnen.
 
Welcher genau? Die Dammer Holzwaffenfunde? Dass Germanen weniger Metall mit sich führten als Römer und daher in einem vorwiegend von Metall bestimmten Fundort schwieriger in den Spuren zu erkennen sind? Dass manche der Waffenreste nicht zugeordnet sind? Dass wahrscheinlich cheruskische Hilfstruppen unter Arminius Führung den Kern der Erhebung gegen Varus bildeten und daher ebenfalls römisch gerüstet waren? Natürlich hatten Hilfstruppen eine andere Ausrüstung als Legionäre. Aber wie unterscheidet man einen Auxiliarsoldaten, der sich gegen die Römer wendet archäologisch von einem Auxiliarsoldaten, der weiter zu den Römer steht? Gar nicht!

Das 'naiv daher kommt' habe ich in 'naiv erscheint' geändert, damit die Aussageabsicht nicht so missverständlich ist.

Was kann man denn an germanischen Funden erwarten?

Den Erhaltungsbedingungen nach wohl nur Metall. Und, wenn man die Theorie bedenkt, nach der die Germanen zum Kampf die Oberkörperbekleidung und damit die Gürtel ablegten, wären an Metall nur Waffen zu finden. Davon werden ein Teil Römische Beutewaffen gewesen sein. Ein anderer Teil wird vom ehemaligen Römischen Verbündeten im Illyricum geliefert worden sein. Doch es gab auch eigene, germanische Schwertformen ('Latène-Schwerter' der Reitergräber, die natürlich mit dem keltischen Original verwechselt werden können, und einschneidige Typen), die nach den Grabfunden von etwa 25% getragen wurden. Römische Waffen sind da seltener, galten aber vielleicht nicht als rituell rein genug, um sie einem Toten mitzugeben. Bleiben desweiteren Lanzen- und Speerspitzen, die wohl nicht immer gut zu unterscheiden sind. An dieser Stelle muss man sich daran erinnern, dass sich die Bewaffnung der germanischen Ethnien unter dem Eindruck der Römischen Invasion änderte. Von langen Stoßlanzen ging man zur Frame über. Wahrscheinlich nach römischem Vorbild. Tacitus stellt noch anlässlich der Schlacht bei Idistaviso ein Nebeneinander heraus, nennt auch kurze Wurfspieße, die ganz aus Holz waren. Nun, Bewaffnung, die man nach römischem Vorbild annimmt, mag auch teilweise nach dem Vorbild gestaltet gewesen sein. Da sind wir dann wieder bei der Frage der Unterscheidbarkeit.

Bei der Interpretation der Holzwaffen bin ich sehr im Zweifel. Dies und die Frage der Auxilia sind aber besser in einem anderen Thread untergebracht, wenn wir darüber diskutieren wollen.

EDIT: Eine anschauliche Einführung in die Ausstattung des 'Germanischen Kriegers' findet man in Andreas Strassmeir (Autor), Andreas Gagelmann (Illustrationen), Das Heer des Arminius - Germanische Krieger zu Beginn des 1. nachchristlichen Jahrhunderts, Berlin 2009. Dazu sollte man den Aufsatz über die römischen Barbarendarstellungen aus den schon oft zitierten 3 Katalogbänden 2000 Jahre Varusschlacht lesen, da die Autoren diese Darstellungen m.E. oft etwas zu unkritisch übernehmen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Im übrigen widerspricht Kalkriese doch nicht Deinen Münzen im Thüringer Wald und an der Saale. Den Satz 'Viele Wege führen zur Elbe.' wird außerdem niemand leugnen.

Hallo Riothamus,

doch das Germanicus-Münzspektrum einschließlich dem Gegenstempel Typ 61 widerspricht nun mal ganz erheblich der Kalkriese-Theorie. Sie kommen zwischen Rhein und Weser nun mal nicht vor. Wie willst du dann Germanicus nach Kalkriese bewegen ?

Wenn du meine Karte nochmal genauer anschaust, dann siehst du ja das eine der beiden Germanicus-Münzspuren zum Eggengebirge (Warburger Raum) führt. Damit befinden wir uns in der Nähe der Ems, der Lippe und auch die Weser ist nicht weit entfernt. Für Kalkriese trifft die Beschreibung des Tacitus bezüglich zu Varus und dessem Untergang nicht zu.

Grüße
 

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Kalkriese war, wenn es denn das Schlachtfeld ist und man die Schriftquellen ernst nimmt, der Beginn der Schlacht. Wir suchen aber das Ende, welches nach Tacitus in einem befestigten Lager kam. Ob nun richtig befestigt oder nur improvisiert, spielt keine Rolle. Und daher muss man in Kalkriese eben nicht zwingend Spuren des Germanicus finden.

Sollte sich Varus über das Wiehengebirge und den Teutoburger Wald Richtung Lippelager bewegt haben, konnte man sich durchaus in der Nähe des Raums zwischen Oberlauf von Lippe und Ems befinden. Insbesondere, wenn man berücksichtigt, dass es da noch die Ams, ein Nebengewässer der Ems gibt, die Kalkriese schon mal um etliche Kilometer näher liegt. Sie ist zwar erst im Mittelalter erwähnt, aber der Name ist erkennbar älter, und weist auf regional unterschiedliche Flußnamen hin, wie sie, gerade im Bereich des Oberlaufs, häufig sind.

Wie willst Du eigentlich zeigen, dass die Münzen nicht einfach Handelswege aufzeigen?

Und was ist mit den Einzelfunden in Ostwestfalen? In den 90ern hat man z.B. in der Senne Schanzpfähle gefunden. Für sich besagen solche Funde wenig, aber für Dich dürften sie doch die Daten vervollständigen.

Deine Karten würden übrigens erheblich gewinnen, wenn man die Flüsse erkennen könnte.

Und angesichts der Quelle 'Münze' könnten die bekannten Handelswege nicht schaden. Auch die Pässe nach Böhmen und durch den Osning, wie auch bekannte Furten würden dem Verständnis helfen. Und mitunter sind ja auch römische Marschwege bekannt.

Mir ist bewusst, dass Du Dich hauptsächlich auf die Quellengattung 'Münze' beziehst, aber eine Zusammenfassung der geographischen und der archäologisch ermittelten Tatsachen werden doch für die endgültige Beurteilung der Münzfunde nicht unerheblich sein, selbst wenn man den Zufall der Überlieferung und des Auffindens mit einbezieht.

Was die Beschreibungen der Quellen angeht, kam man zu unterschiedlichen Zeiten zu unterschiedlichsten Ergebnissen, was natürlich auch oft an den stereotypischen Berichten liegt.
 
Kalkriese war, wenn es denn das Schlachtfeld ist und man die Schriftquellen ernst nimmt, der Beginn der Schlacht. Wir suchen aber das Ende, welches nach Tacitus in einem befestigten Lager kam. Ob nun richtig befestigt oder nur improvisiert, spielt keine Rolle. Und daher muss man in Kalkriese eben nicht zwingend Spuren des Germanicus finden. Sollte sich Varus über das Wiehengebirge und den Teutoburger Wald Richtung Lippelager bewegt haben, konnte man sich durchaus in der Nähe des Raums zwischen Oberlauf von Lippe und Ems befinden. Insbesondere, wenn man berücksichtigt, dass es da noch die Ams, ein Nebengewässer der Ems gibt, die Kalkriese schon mal um etliche Kilometer näher liegt. Sie ist zwar erst im Mittelalter erwähnt, aber der Name ist erkennbar älter, und weist auf regional unterschiedliche Flußnamen hin, wie sie, gerade im Bereich des Oberlaufs, häufig sind.

Varus war aber in Visurgis-Nähe, ob rechts oder links sei erst einmal dahin gestellt. Kalkriese ist ein ganzes Stück entfernt davon und kann auch nicht der Anfangspunkt sein.

Natürlich haben sich die römischen Truppen nur auf den großen Handelsrouten durch Germanien bewegt. Meine Münzspuren folgen solchen. Die sind doch nicht querfeldein gelaufen. Die alten Handelsrouten haben sich schon immer nach den Wasserscheiden gerichtet. Natürlich finden sich auf diesen Routen Münzen verschiedener Zeitepochen. Bei mir in der Nähe von Merseburg verlief die Alte Salzstraße in Richtung Freyburg/Naumburg entlang der Geisel (war früher viel breiter als heute). Was glaubst du was ich da schon an Münzen verschiedener Zeitepochen gefunden habe. Das fängt beim Marcus Aurelius Sesterz an und hört beim DDR-Pfennig auf.

https://www.academia.edu/4947795/Ein_römischer_Münzfund_von_Oberbeuna_Lkr._Saalekreis_Einleitung

Selbst im Lager von Dorsten Holsterhausen gibt es römische Münzen aus dem 2.-4. Jh., dem Mittelalter und der Neuzeit. Die Römer waren Pragmatiker und was die Orientierung angeht auf das Nützliche beschränkt. Erst kürzlich habe ich wieder aus der Mittellaténezeit von den Teuriern (Naumburger Gruppe) dem 3/2. Jh. v. Chr. keltische Funde gemacht.

Grüße
 
Varus war aber in Visurgis-Nähe, ob rechts oder links sei erst einmal dahin gestellt.

Varus soll nach Cassius Dio - das ist die einzige Quelle, die berichtet, wo Varus gewesen sein soll - von den Cheruskern bis an die Weser gelockt worden sein. Von dort aus marschierte er in andere Gebiete. Eine Himmelsrichtung wird nicht angegeben. Die Frage ist, ob die Angabe von Cassius Dio, 200 Jahre nach der Schlacht, überhaupt glaubwürdig ist.
Meinhard-Wilhelm Schulz (Caesar und Labienus. Geschichte einer tödlichen Kameradschaft. Hildesheim, Zürich, NY 2010) zeigt bzgl. Caesars Bürgerkrieg Stellen, an denen Cassius Dio in seiner Darstellung von der Caesars deutlich abweicht und Caesar bei Cassius Dio besser darsteht als in seinen eigenen Darstellungen. Nun ist doch die Frage: Wenn Cassius Dio so mit seinem Material umgeht, warum wir ihm an anderer Stelle, obwohl er für viele Dinge die einzige Quelle ist, überhaupt glauben?

Was die Münzen angeht: Fast 1600 Münzen, davon mehr Goldmünzen als sonst im gesamten Gebiet östlich des Rheins zusammen, das ist erst mal zu toppen.
 
Varus war aber in Visurgis-Nähe, ob rechts oder links sei erst einmal dahin gestellt. Kalkriese ist ein ganzes Stück entfernt davon und kann auch nicht der Anfangspunkt sein.
Ich nehme an, Du beziehst Dich auf Cassius Dio 56,18? Dass die Varusschlacht in der Nähe der Weser stattfand, steht dort aber nicht, sondern nur, dass die Verschwörer den Varus vom Rhein ins Land der Cherusker zur Weser lockten. Dort blieb er aber nicht, sondern zog zur Bekämpfung eines Aufstands weiter. Wie weit (oder wie viele Tage lang), erfahren wir leider nicht.
 
Varus kann ganz gut an der Weser gewesen sein. An der Weser, nicht in Nähe der Weser, wenn wir Cassius Dio in dem Punkt folgen.

Auch soll Varus von dort weg gelockt worden sein. Die Schlacht ist dementsprechend entfernt der Weser zu suchen, wenn man diese als Ausgangspunkt nimmt. Damit kommt dann wieder Kalkriese in Betracht.

Es wird übrigens bei Tacitus einige Male entfernt, dass keine Wege bestanden. Z.B. beim Marsch durch den Caesier-Wald. Auch beim Bericht über den Marsch zum Schlachtfeld des Varus ist es der Fall, worüber ja schon ausführlich diskutiert wurde. Vom Germanicus-Aliso musste ein Weg zum Rhein erst angelegt werden. Die Handelswege nach Westen liefen wohl schon damals entfernt von der Lippe (Hellweg und Haarstrang). Es mag ja sein, dass Drusus dort marschierte, doch wegen seiner Probleme auf dem Rückmarsch fasste er erst die Lippe-Linie ins Auge. Damit wurde aber ein neuer Weg erschlossen. Für den Handel war der Weg durch die Lippeauen ziemlich ungünstig. Im Oberlauf kamen noch ausgedehnte Feuchtgebiete hinzu, während etwas weiter westlich Sand und Dünen das Vorankommen erschwerten. Lies man dann die Römerstraße verfallen, nahm man schnell wieder die alten Wege.

Wie auch immer man die Lippe betrachtet, sind es genügend Beispiele, um einen Automatismus der Benutzung von Handelswegen auszuschließen.
 
Es wird übrigens bei Tacitus einige Male entfernt, dass keine Wege bestanden. Z.B. beim Marsch durch den Caesier-Wald. Auch beim Bericht über den Marsch zum Schlachtfeld des Varus ist es der Fall, worüber ja schon ausführlich diskutiert wurde.
Wobei hier Vorsicht angebracht ist. Die römischen Schriftsteller haben Germanien als den wilden Norden, als einen Urwald gemalt, was es - wir wir anhand von Pollenanalysen etc. wissen - nicht war.
 
Varus kann ganz gut an der Weser gewesen sein. An der Weser, nicht in Nähe der Weser, wenn wir Cassius Dio in dem Punkt folgen.
Das schreibt Cassius Dio so eigentlich nicht, sondern: ... ἀπὸ τοῦ Ῥήνου ἔς τε τὴν Χερουσκίδα καὶ πρὸς τὸν Οὐίσουργον ... Die Präposition πρός mit Akkusativ bezeichnet die Richtung auf etwas, also etwa "zu ... hin". Die Stelle besagt also, dass Varus vom Rhein ins Cheruskische zur Weser hin gelockt wurde. Dass Varus die Weser auch erreichte, lässt sich der Stelle nicht zwingend entnehmen, wenngleich durchaus naheliegend ist, dass er am Fluss lagerte.
 
Also wirklich Hermundure, das geht nun wirklich nicht.
Es gehört doch wirklich zu den Grundlagen, dass man nicht alles in der Geschichte sicher entscheiden kann, weshalb es eine ganze Reihe abgestufter Begriffe gibt, die die eigene Einschätzung wiedergeben sollen. Neutral wäre 'vielleicht'. 'Wahrscheinlich' ist hingegen ganz klar zustimmend.
Da einen 'faden Nachgeschmack', also ein moralisches Fehlverhalten zu unterstellen, ist ein starkes Stück.
Wenn es tatsächlich so wäre, dass nur der einer Theorie zustimmen dürfte, der sie für 100prozentig erwiesen hielt, gäbe es zu kaum einer Theorie innerhalb der Geschichtsschreibung Zustimmung. Und in der Archäologie wohl noch weniger, da es keine negativen Prädikationen gibt.
Damit verlangst Du weiterhin, dass jemand, der bloß zu einer Theorie neigt, es nicht ausspricht. Die Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit so einzuschränken ist ein starkes Stück.
Und im Gegenteil wird es unglaubwürdig, wenn jemand, um seiner Theorie das Wort zu reden, Dinge für wahr ausgibt, die allenfalls wahrscheinlich sind. Oder gar falsch. Du gehst anscheinend so vor, wie Du es hier verlangst, und musst feststellen, der Lüge bezichtigt zu werden. Was nicht verwunderlich ist:
Für Dich ist es anscheinend das Ideal etwas voll zu vertreten, was eigentlich nicht ganz bewiesen werden kann. Anderes hätte ja laut Dir einen 'faden Nachgeschmack'. Dazu muss man aber die Tatsachen bewusst falsch darstellen. Und das nennen die meisten nun einmal eine Lüge. Und für die meisten ist das dann ganz und gar unglaubwürdig.
Wenn es keine weiteren Publikationen zum Thema von Herrn Meller gibt, hat er sich bisher zu Kalkriese öffentlich nur positiv geäußert. Die Frage nach Germanenfunden besagt ja nichts zu seiner Haltung in jener Frage, da auch Befürworter und Neutrale, wie ich selber, daran interessiert sind.
Im übrigen widerspricht Kalkriese doch nicht Deinen Münzen im Thüringer Wald und an der Saale. Den Satz 'Viele Wege führen zur Elbe.' wird außerdem niemand leugnen.
Also nimm es mir nicht übel, aber wenn ich In einem Bundesland tätig wäre, wo lange Zeit das Wort Varusschlacht regelrecht verboten war, so hätte ich auch Bedenken, angesichts des Befundes an Kalkriese zu zweifeln. Wahrscheinlich lässt immer einen Rückzug offen, und die Frage nach den germanischen Waffen zeigt doch ganz deutlich die bestehenden Zweifel. Immerhin hat Herrn Meller nicht ohne Grund gefragt, denn nur wenig entfernt von seinem Wirkungsort kam etwas zum Vorschein, welches auch im weiteren Umfeld von Kalkriese fehlt. Ich blende noch mal meinen zwei Jahre alten Post ein:
Mitteldeutsche Zeitung kurz vor der Wende: "Beinahe jede Woche ein fast 2000 Jahre alter römischer Bronzekessel!...dazu kommen Lanzenspitzen, eiserne Schwerter und Scheren, Fibeln, Tongefäße, Reste von Schilden, Schildbuckel und Trinkhornbeschläge." Ein Begräbnisplatz der Hermunduren auf dem Gelände der Buna-Werke bei Halle. Nun hatten die Hermunduren zwar ein besonderes Verhältnis zu Rom, aber man wollte klären, ob die Kessel Handelsware oder Beutegut waren. Die Schwerter waren germanischer Herkunft und verbogen. Römische Waffen waren nicht darunter. Sie waren offenbar keine Handelsware. In einer Urne aus Aschersleben fand sich ein römisches Arztbesteck. Seine Herkunft ist unbekannt. Aus der Rolle fällt ein römisches Militärmesser aus einer germanischen Urne von Großkühnau. Das Urnenfeld wird ins 2. bzw. 3 Jhd datiert. Das Messer ist sehr kräftig und länger als ein Dolch, aber nur mit einer spitzen Angel für das Heft versehen. Es handelt sich um einen der wenigen Funde römischer Militärtechnik in Mitteldeutschland. Warum ausgerechnet dieses als Grabbeigabe diente, ist unbekannt. Aber dieser Fall beweist, dass es solche Beigaben gab. Die Waffen der Varusschlacht müssen also auch irgendwo verblieben sein, wenn sie nicht allesamt zu Pflugscharen wurden. Sollten sie nicht gefunden werden, so könnte natürlich auch von einer kompletten Opferung ausgegangen werden. Hundert Jahre vorher hatten schließlich die Cimbern und Teutonen buchstäblich die gesamte Beute den Göttern geweiht.
 
@ Opteryx,

ich kann mich daran erinnern. Der Artikel stand damals in der "Freiheit" 1986(?). Gefunden wurden die Gegenstände auf dem Gelände des Suebenhoek bzw. Fürstenberg. Es war ein riesiger Bestattungsplatz der Zeitenwende. Wir gehen heute noch davon aus, dass dieser nach Westen weiter ausläuft. Man hatte damals nicht alles gefunden. Das Kombinat und die Planerfüllung gingen vor (Ironie :D ). Interessant ist auch der alte Name vom Ort Schotterey (Scutu Regia) im Hersfelder Zehntverzeichnis ein paar Kilometer weiter westlich des Bestattungsplatzes:

"Das der Ortsname 'Schotterey' irgendwie 'fremd' klingt merkt schnell jeder, so kommt es dass für den Ortsnamen vielfältige Abstammungstheorien gibt. Nach einer ist die Ortsnamenendung illyrischen Ursprungs, und zwar vom Suffix -aio/-aia, die Namenswurzel würde dabei von 'skut', dem indogermanischen Wort für 'rütteln/schütteln' abstammen, womit der Ortsname aus vorgermanischer Zeit stammen würde. Slawophile bringen Schotterey mit Cortoryja in Zusammenhang, was soviel wie 'wilde Scharr' bedeutet und auf die berüchtigte 'legio Merseburiom' Kaiser Heinrich I. verweist, eine Grenzlegion aus Verbrechern, Verbannten und allerlei Gesindel. Auch die Theorie dass der Ortsname vom lateinischen Wort 'Satureja', zu deutsch 'Bohnenkraut' abstammt wird als Möglichkeit genannt. Die beliebteste und wahrscheinlichste Abstammungstheorie ist aber die dass der Ortsname vom lateinischen Begriff ‚scuta regia‘ abstamme, was soviel wie 'Schild des Königs' heiße. Immerhin wurde der Ort bei seiner Erstnennung im Hersfelder Zehntverzeichnis als ‚scutu regia‘ bezeichnet."

Projekt - Geiseltal Schotterey - Ortschronik

Die zwei Rechteckschanzen (groß und etwas kleiner), heute nicht mehr sichtbar im Gelände, werde ich demnächst aufsuchen. Denn zwischen Schotterey und Schafstädt hatte man vor grauer Zeit einen großen Scherben von Terra Sigillata gefunden, welcher noch im Dommuseum zu Merseburg neben einem römischen Umbo ausgestellt ist.

Grüße
 
Zuletzt bearbeitet:
Die beliebteste und wahrscheinlichste Abstammungstheorie ist aber die dass der Ortsname vom lateinischen Begriff ‚scuta regia‘ abstamme, was soviel wie 'Schild des Königs' heiße. Immerhin wurde der Ort bei seiner Erstnennung im Hersfelder Zehntverzeichnis als ‚scutu regia‘ bezeichnet.
Eigentlich Plural "königliche Schilde". Ein seltsamer Ortsname wäre das schon.
 
Wobei hier Vorsicht angebracht ist. Die römischen Schriftsteller haben Germanien als den wilden Norden, als einen Urwald gemalt, was es - wir wir anhand von Pollenanalysen etc. wissen - nicht war.

Ich bin ja gewöhnlich der erste, der darauf hinweist, dass es damals eine dichtere Besiedlung Mitteleuropas gab als früher angenommen.

Doch die Durchquerung des Caesierwaldes, der Weg zum Schlachtfeld und der 'limes'-Bau an der Lippe sind recht eindeutig.

Der Straßenbau an der Lippe z.B. bedeutet ja nicht, dass dort unberührte Wildnis war. Nur eben kein bedeutender Handelsweg. Aus genannten Gründen verlief er woanders. Hier bauten also die Römer einen eigenen Weg. Man muss also auch davon ausgehen, dass die Römer eigene Wege erschlossen, wenn es ihnen sinnvoll erschien. So steht es ja auch in der allgemeinen Geschichte. Somit ist es nicht überraschend.

Auch unbesiedelte Gebiete gab es. Da ist eben der Caesierwald ein Beispiel. Für einzelne Pollensorten müsste ich recht lange Suchen. Aber 80 bis 100km Verbreitung sind nicht ungewöhnlich, wobei man lokale Besonderheiten beachten muss. Die nicht besiedelten Gebiete waren aber eben so groß nicht. Daher kann man aus der Verbreitung der Pollen nicht auf lokale Besiedlung schließen. Bezeichnenderweise stieß Germanicus nach Durchquerung des Waldes offenbar auf einen angelegten Weg. Er ging hier natürlich absichtlich nicht auf erschlossenen Pfaden, um die Marser zu überraschen. Schon dies zeigt, dass man nicht immer die Handelswege als Marschweg nahm.

Für den Weg zum Schlachtfeld im Teutoburger Wald wird die Unwegsamkeit des Geländes genannt. Die Angabe, wieso das Gelände unwegsam war, ist nicht weiter wichtig, mag Topos sein. Doch zeigt es eine dritte Möglichkeit: Stellen, die erst die Römer gangbar machten, da erst sie es konnten. Zugegeben, dass muss an dieser Stelle nicht so gemeint sein, aber hier nehme ich es für diesen Fall als Aufhänger. Wenn diese Infrastruktur später erhalten werden konnte und richtig lag, mag sie als Handelsweg benutzt worden sein.

Dennoch zeigt es, dass man nicht automatisch erkannte Handelswege als Marschwege voraussetzen kann. Um eine Quellenanalyse wird man nicht herumkommen.

Ich bezweifele natürlich nicht, dass existierende Wege genutzt wurden. Ich bezweifele nur einen Automatismus. Das Vorgehen durch den Caesierwald ist eben auch ein Beweis dafür, dass gangbare Wege vorhanden waren. Ich will also nur sagen, dass es wiedereinmal komplizierter ist.
 
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