Trojanischer Krieg

Die Ilias ist keine Sage.
Was Hajnal als "anachronistisches Konstrukt" bezeichnet, ist der Schauplatz namens "Troja", keine Sage und auch nicht die Ilias.


Ob die Ilias eine Sage ist

... ist keine Frage. Die Ilias ist ein Epos. Nach allen Regeln der Kunst durchgestaltet in 15.693 Versen.

Da können Sagen literarisch verarbeitet worden sein, als "Sage" kann man die Ilias aber nicht bezeichnen.

Es ist weder korrekt zu formulieren, dass der Schauplatz keine Sage ist, noch geht das zur Zeit bei der Ilias.
Es hat auch niemand formuliert, "dass der Schauplatz keine Sage ist".

Hajnal bezeichnet den Schauplatz namens "Troja" als "anachronistisches Konstrukt".

Er bezeichnet keine Sage als "anachronistisches Konstrukt" und er bezeichnet auch nicht die Ilias als "anachronistisches Konstrukt".

Hier nochmal der Link zum Zitat:
http://www.geschichtsforum.de/781536-post31.html
 
Ich sehe da mehrere Probleme. Das Wichtigste ist, das die Trojaner sich ganz sicher einer Ethnie zugehörig fühlten, .

Sicherlich haben sich die Trojaner einem Volk zugehörig gefühlt. Welches das war, lässt sich heute nicht mehr sagen, höchstens, dass es eine altanatolische oder vielleicht sogar altkleinasiatische Gruppe gewesen sein muss.
 
Wobei wir natürlich bedenken müssen, dass die Oberschicht einer anderen Ethnie angehört haben könnte, als der Großteil der Trojaner. An die doppelten Namen wie Paris/Alexander hatte ich ja schon erinnert.

Ist eigentlich etwas zu den Nicht-indogermanischen Namen Näheres bekannt?
 
Sobald der Begriff 'Ethnie' betroffen ist, gibt es noch einen Grund, Deine Ausführungen nicht abzulehnen: Es gibt bisher keine allgemein anerkannte Definition jenseits der Minimaldefinition, die eben kaum eine Aussage erlaubt. Sie ist eben inhaltsleer.

Und die Ausstattung mit Inhalten ist hier eigentlich schon der Inhalt von Volkskunde, bzw. Ethnologie. Dies in dem Thread eines Forums füllen zu wollen, wäre zumindest verwegen zu nennen.

Ich bin mir nicht sicher, ob Du den Beitrag im Link gelesen hast.

Es wird der Versuch gemacht, im Rahmen eines sozialpsychologischen Ansatzes, die formelhafte Benutzung eines Wortes, "ethnische Identität", theoretisch zu präzisieren und im Rahmen einer empirischen Studie, durch Befragungen, auf die Reliabilität und Validität der Operationalisierung zu überprüfen.

Ein Vorgehen, das in der analytischen Soziologie zum Standard gehört und seine praktische Anwendung in der Sozialforschung der großen Umfrageinstitute sich niederschlägt.

Deswegen geht es weder um eine Definition, noch geht es um ethnologische Studie. Schon gar nicht um "Volkskunde".

Es geht im wesentlichen darum zu zeigen, dass der Begriff des "ethnischen Identität" kein exklusiver politisch geprägter Begriff ist, sondern der wissenschaftlichen Forschung zugänglich und dort konstruktiv verwendet werden kann.

Und durch die Operationalisierung den Vorteil hat, sowohl das Konstrukt zu validieren, die Dimensionalität von "ethnischer Identität" zu ermitteln und somit die Hypothesen über "ethnische Identität" gesamt oder in Teilen zu bestätigen oder zu verwerfen.

Und der Ansatz kann, und das ist ein zusätzlicher gravierender Vorteil, repliziert werden. Und im Rahmen komparativer Studien hinsichtlich seines "kulturellen Bias" auch in anderen Regionen der Welt überprüft bzw. angepasst werden.
 
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Wobei wir natürlich bedenken müssen, dass die Oberschicht einer anderen Ethnie angehört haben könnte, als der Großteil der Trojaner. An die doppelten Namen wie Paris/Alexander hatte ich ja schon erinnert.

Das ist zwar theoretisch möglich, doch halte ich das für wenig wahrscheinlich.

Ist eigentlich etwas zu den Nicht-indogermanischen Namen Näheres bekannt?

Das wären dann Namen altkleinasiatischer Herkunft. Ob es solche Völker um 1200 v. Chr. noch gab, halte ich für zweifelhaft. Das letzte nichtindoeuropäische Volk Kleinasiens, das uns aus Quellen bekannt ist, sind die Hattier. Die sind allerdings etwa um 1500 v. Chr. verschwunden, bzw. tauchen in den Quellen nicht mehr auf. In Nordanatolien saßen noch die nomadischen Kaskäer, die die Hethiter häufig durch Plünderungszüge heimsuchten und deren ethnische Herkunft unbekannt ist.

Weit im Osten Kleinasiens saßen natürlich mit den Hurritern, Urartäern und unbekannten Bergvölkern noch andere nichtindoeuropäische Völker. Aber die haben mit Troja keine Verbindung.
 
Welche "völkischen Zugehörigkeitsgefühle" die Bevölkerung von Troja oder einzelne Schichten hatten,

wie sich "Identitäten" kulturell, geographisch, sprachlich, ökonomisch, etc. entwickelten,

ist - Stand der Forschung - weder derzeit archäologisch erschlossen noch aus späteren Erzählungen hinreichend sicher erschließbar.

Dazu statt vieler die Gedanken von
Rose in: Separating Fact from Fiction in the Aiolian Migration, JASoCS 2008, S. 399 oder diverse Beiträge in Mouton et. al., Luwian Identities - Culture, Language and Religion Between Anatolia and the Aegean
 
Von "völkisch" war keine Rede.

Es ging lediglich um die durchaus legitime Frage, ob es z.B. "Luwian Identities" gab.
 
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"Identitäten" sind, wie oben gezeigt, höchstens spätere und meistens leere Konstrukte für diese Zeiträume, "Zugehörigkeitsgefühle" weder messbar noch archäologisch nachgewiesen.

Mit "legitim" hat die Forschung nichts am Hut, wie man bei "Luwian Identities" lesen kann.
 
"Identitäten" sind, wie oben gezeigt, höchstens spätere und meistens leere Konstrukte für diese Zeiträume, "Zugehörigkeitsgefühle" weder messbar noch archäologisch nachgewiesen.

Auch Menschen der antike fühlten sich bestimmten Völkern zugehörig. Das besagen alle einschlägigen Quellen.

Es ist also legitim zu fragen, aus welchem Stamm oder welchem Volk die Trojaner hervorgingen.
 
Auch Menschen der antike fühlten sich bestimmten Völkern zugehörig. Das besagen alle einschlägigen Quellen.
Es ist also legitim zu fragen, aus welchem Stamm oder welchem Volk die Trojaner hervorgingen.

Was ist denn ein "Volk" im Altertum? Welche Kriterien wenden wir an? Können wir diese Kriterien heute noch bestimmen? Sind antike Griechen, Kelten, Germanen oder Luwier Völker? Ist es überhaupt sinnvoll im Altertum von Völkern zu sprechen?
 
Sind antike Griechen, Kelten, Germanen oder Luwier Völker? Ist es überhaupt sinnvoll im Altertum von Völkern zu sprechen?

Bei den Griechen ist gemeinsame Identität belegt, bspw durch die gemeinsame Sprache inkl Abgrenzung zu den "Barbaren", die anders sprachen, oder durch die gemeinsamen Spiele. In Italien gab es die Etrusker, die eine gewisse gemeinsame Identität hatten, obwohl in verschiedene Stadtstaaten aufgeteilt, odr die Latiner mit gemeinsamer Sprache und religiösem Zentrum. Die Kelten Galliens hatten eine gewisse gemeinsame Identität, obwohl in viele verschiedene Stämme aufgespalten, durch die gemeinsame Sprache und gemeinsame Institutionen wie den Druiden. Im Widerstand gegen Caesar gelang es sogar, eine gemeinsame militärische Aktion auf die Beine zu stellen (Ersatz Alesias), auch wenn es in einer Niederlage endete.

Ganz sinnlos kann ich es also nicht finden, nein.
 
Auch Menschen der antike fühlten sich bestimmten Völkern zugehörig. Das besagen alle einschlägigen Quellen.

Ach ehrlich. Und da wären welche anzuführen und was besagen die denn?

Es ist also legitim zu fragen, aus welchem Stamm oder welchem Volk die Trojaner hervorgingen.

Sicher ist das legitim, zu fragen. Es ist aber nicht legitim "kulturelle" Kontinuitäten bei der Beantwortung zu unterstellen, die nicht vorhanden gewesen sind. Weil sie nicht vorhanden gewesen sind oder nicht nachweisbar.

Zur Problematik der Weiterleitung oder Transmission von "kulturellen Praktiken" vgl, die Beiträge in Roy Ellen,Stephen J. Lycett und Sarah E. Johns

https://books.google.de/books?id=JeXWAgAAQBAJ&printsec=frontcover&dq=understanding+cultural+transmission&hl=de&sa=X&redir_esc=y#v=onepage&q=understanding%20cultural%20transmission&f=false

Bei den Griechen ist gemeinsame Identität belegt, bspw durch die gemeinsame Sprache inkl Abgrenzung zu den "Barbaren", die anders sprachen, oder durch die gemeinsamen Spiele.

Und woher weist Du, was diese "Identität" denn inhaltlich definiert hatte. Eine gemeinsame Sprache ist absolut kein ausreichendes Merkmal für eine "gemeinsame Identität. Wie Du schnell aus modernen Studien zu dem Thema erkennen kannst.

Was ist mit den ganzen anderen Spannungslinien, die quer zu dieser sprachlich - angeblich - vermittelten "Identität" stehen.

Die "Griechen" insgesamt, auch noch in ihren "Stämmen" oder "Clans" sind ein nicht unerheblicher sozial heterogener"Großverband". Die sozialen Konfliktlinien bestimmen somit auch die "Identität".

Und wie steht diese hierarchische oder gesellschaftliche Identität zur - vermuteten - ethnischen Identität.

Und wie verhält sich die "regionale Identität" der einzelnen Regionen, Stadtstaaten, und ihre massive Rivalität untereinander zu der - vermuteten ethnischen Identität. Die interessengesteuerten politischen Spannungen bestimmten lange die Bündnissysteme im antiken Griechenland.

Zu nennen wäre zudem der Unterschied zwischen der "Polis" und dem "Land", der auch einen Einfluß hat auf kulturelle Stile. Und wie ist da das Verhältnis.

Und so weiter. Dass die antiken Bewohner des späteren "Griechenland" in der Lage waren gegen äußere Bedrohungen partiell gemeinsam zu agieren verstellt den Blick auf die ebenfalls vorhandenen trennenden Merkmale.

Und deswegen ist es eine gewagte Konstruktion, wenn man für antike Gesellschaften den Begriff der "ethnischen Identität" anwendet. Damit werden relativ moderne Konstrukte auf Gesellschaften projiziert, bei denen wir absolut nicht sagen können, ob und wie weit das angemessen ist.
 
Zuletzt bearbeitet:
Dann verwenden wir halt einen anderen Begriff. Welchen?

Du hast Recht mit all den vielen sozialen Verbänden, Gruppen, Zusammenhängen. Viele davon (bspw die polis) waren sicher wichtiger für das alltägliche Leben oder die individuelel Identität der Menschen. Trotzdem gab es dieses Griechen-Ding, also muss mans auch benennen können. Wie ist mir egal.
 
Die älteren Identitätskonstrukte oder Vorstellungen von Ethnien sind inzwischen - thanepower hat die Hintergründe aufgezeigt - hochumstritten.

Zudem wird hier locker über 800 Jahre weggeschossen, nämlich sogar dann, wenn man sich solchen ethnischen Konstrukten nach dem Einschnitt der Perserkriege positiv nähern würde. Im Übrigen ist Konsens in der Forschung, siehe Delphi-Diskussion, dass literaische Hinweise auf ethnische Vorstellungen lediglich zeitgenössische Spiegelungen und keine historische Belege darstellen.

Hier werden dagegen ethnische Konstrukte bereits für das Ende der Bronzezeit behauptet, also viele Jhdt zuvor. Ohne jeden Nachweis, zumal Sprachräume in der anthropologischen Debatte (nicht nur für diese frühen Zeiträume) klar als unzureichende "Abgrenzung" verworfen werden, und Materialkulturen dafür gleichfalls nicht taugen.

Wenn das angeblich in der aktuellen Literatur anders gesehen würde: dann sollte die mal benannt werden, damit eine Auseinandersetzung damit möglich ist.
 
Dann verwenden wir halt einen anderen Begriff. Welchen?

Du hast Recht mit all den vielen sozialen Verbänden, Gruppen, Zusammenhängen. Viele davon (bspw die polis) waren sicher wichtiger für das alltägliche Leben oder die individuelel Identität der Menschen. Trotzdem gab es dieses Griechen-Ding, also muss mans auch benennen können. Wie ist mir egal.

Dem Griechen-Gingeskirchen könnte man sich vielleicht ab den Perserkriegen nähern, vorher liegt alles im Dunst. Mit Begriffsverwendungen ist man da vorsichtig geworden.

Aber wenn schon: wie wäre es mit Mikroidentitäten?:devil:
 
Oh, auch das ist richtig. Mir ging es um den Rundumschlag übers ganze Altertum hinweg. Wie das 1200 vor aussah, wüsst ich gerne, tus aber nicht. ;)
 
In einigen Publikationen taucht dieser Ansatz auch auf.

Bronzezeitliche Völker, Völkerkriege, ethnische Identitäten für Troja und Co., etc. sind aber eher Vorstellungen des vorletzten und der Hälfte des letzten Jahrhunderts.
 
Ich finde diese Grundsatzdiskussion sehr wichtig, sie könnte im Prinzip in jedem Thread geführt werden. Im Kelten-Ordner hatten wir die Diskussion auf die Keltike bezogen im Thread "Vorgeschichte der Kelten". Dort hatte ich anschließend an einen Beitrag Sepiolas den Ansatz Raimund Karls eingestellt, bzw. einen zugehörigen Text.
Abstract:

In der deutschsprachigen Forschung wird immer noch gerne die „Keltengenese“, die „Entstehung der Kelten“, als ethnogenetischer Prozess, also als Entstehungsprozess eines „Volkes“ verstanden. International hat sich hingegen die Forschung weitgehend darauf geeinigt, daß man „die Kelten“, o" in der Antike oder später, keineswegs als „ein Volk“ betrachten könne, sondern der Begriff Kelten im wesentlichen eine Schöpfung von nationalistischem Gedankengut beeinlußter Forscher zwischen dem 16. und 19. -h.n.Chr. darstellt. In diesem Beitrag wird ein Modell vorgestellt, das die Keltengenese als Prozess der Kulturontogenese beschreibt, also als einen Prozess, der zur Entstehung bestimmter, durch moderne Beobachter wahrnehmbarer Ausprägungen kulturellen Handelns führt, und so zur Entstehung eines durch diese modernen Beobachter bestimmbaren raumzeitlichen Verbreitungsgebietes führt, daß man als Keltike ansprechen kann. Dieser Prozess der kulturellen Ontogenese unterscheidet sich jedoch ganz wesentlich von ethnogenetischen Prozessen, die innerhalb dieser Keltike ablaufen und damit zwar Teil der kulturellen Ontogenese der Kelten sind, jedoch nicht mit dieser gleichzusetzen sind. Akzeptiert man diesen feinen Unterschied, lösen sich eine ganze Reihe schwerwiegender Probleme mit dem modernen Keltenbegriff von ganz allein
Feine Unterschiede. Zu ?Keltengenese? und ethnogenetischen Prozessen in der Keltiké. Mitteilungen der Anthropologischen Gesellschaft Wien 138, 2008: 205-23. | Raimund Karl - Academia.edu

Im religiösen Bereich z.B. stellte sich mir die Frage, ob es in Gallien so etwas wie einen Pangallismus gegeben hat, ähnlich einem Panhellenismus,
der über einzelne politische Bündnisse, sprachliche Unterschiede, lokale Traditionen, religiöse Besonderheiten, ökonomische Interessen kulturelle Gemeinsamkeiten inszenierte, wie die Olympischen Spiele oder dasOrakel von Delphi. (gemeinsame Rechtsprechung, offizielle Kulte, Friedensorte, heilige Räume). Man könnte eine solche Grundsatzdiskussion vielleicht aus diesem Thread herauslösen - nur dann wohin verschieben?
 
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