Trojanischer Krieg

Dieses Thema im Forum "Antikes Griechenland" wurde erstellt von Varoufakis, 5. März 2017.

  1. Sepiola

    Sepiola Aktives Mitglied


    ... ist keine Frage. Die Ilias ist ein Epos. Nach allen Regeln der Kunst durchgestaltet in 15.693 Versen.

    Da können Sagen literarisch verarbeitet worden sein, als "Sage" kann man die Ilias aber nicht bezeichnen.

    Es hat auch niemand formuliert, "dass der Schauplatz keine Sage ist".

    Hajnal bezeichnet den Schauplatz namens "Troja" als "anachronistisches Konstrukt".

    Er bezeichnet keine Sage als "anachronistisches Konstrukt" und er bezeichnet auch nicht die Ilias als "anachronistisches Konstrukt".

    Hier nochmal der Link zum Zitat:
    http://www.geschichtsforum.de/781536-post31.html
     
  2. Dieter

    Dieter Premiummitglied

    Sicherlich haben sich die Trojaner einem Volk zugehörig gefühlt. Welches das war, lässt sich heute nicht mehr sagen, höchstens, dass es eine altanatolische oder vielleicht sogar altkleinasiatische Gruppe gewesen sein muss.
     
  3. Riothamus

    Riothamus Aktives Mitglied

    Wobei wir natürlich bedenken müssen, dass die Oberschicht einer anderen Ethnie angehört haben könnte, als der Großteil der Trojaner. An die doppelten Namen wie Paris/Alexander hatte ich ja schon erinnert.

    Ist eigentlich etwas zu den Nicht-indogermanischen Namen Näheres bekannt?
     
  4. thanepower

    thanepower Aktives Mitglied

    Ich bin mir nicht sicher, ob Du den Beitrag im Link gelesen hast.

    Es wird der Versuch gemacht, im Rahmen eines sozialpsychologischen Ansatzes, die formelhafte Benutzung eines Wortes, "ethnische Identität", theoretisch zu präzisieren und im Rahmen einer empirischen Studie, durch Befragungen, auf die Reliabilität und Validität der Operationalisierung zu überprüfen.

    Ein Vorgehen, das in der analytischen Soziologie zum Standard gehört und seine praktische Anwendung in der Sozialforschung der großen Umfrageinstitute sich niederschlägt.

    Deswegen geht es weder um eine Definition, noch geht es um ethnologische Studie. Schon gar nicht um "Volkskunde".

    Es geht im wesentlichen darum zu zeigen, dass der Begriff des "ethnischen Identität" kein exklusiver politisch geprägter Begriff ist, sondern der wissenschaftlichen Forschung zugänglich und dort konstruktiv verwendet werden kann.

    Und durch die Operationalisierung den Vorteil hat, sowohl das Konstrukt zu validieren, die Dimensionalität von "ethnischer Identität" zu ermitteln und somit die Hypothesen über "ethnische Identität" gesamt oder in Teilen zu bestätigen oder zu verwerfen.

    Und der Ansatz kann, und das ist ein zusätzlicher gravierender Vorteil, repliziert werden. Und im Rahmen komparativer Studien hinsichtlich seines "kulturellen Bias" auch in anderen Regionen der Welt überprüft bzw. angepasst werden.
     
    Zuletzt bearbeitet: 23. März 2017
  5. Sepiola

    Sepiola Aktives Mitglied

    Zu welchen?
     
  6. Dieter

    Dieter Premiummitglied

    Das ist zwar theoretisch möglich, doch halte ich das für wenig wahrscheinlich.

    Das wären dann Namen altkleinasiatischer Herkunft. Ob es solche Völker um 1200 v. Chr. noch gab, halte ich für zweifelhaft. Das letzte nichtindoeuropäische Volk Kleinasiens, das uns aus Quellen bekannt ist, sind die Hattier. Die sind allerdings etwa um 1500 v. Chr. verschwunden, bzw. tauchen in den Quellen nicht mehr auf. In Nordanatolien saßen noch die nomadischen Kaskäer, die die Hethiter häufig durch Plünderungszüge heimsuchten und deren ethnische Herkunft unbekannt ist.

    Weit im Osten Kleinasiens saßen natürlich mit den Hurritern, Urartäern und unbekannten Bergvölkern noch andere nichtindoeuropäische Völker. Aber die haben mit Troja keine Verbindung.
     
  7. silesia

    silesia Moderator Mitarbeiter

    Welche "völkischen Zugehörigkeitsgefühle" die Bevölkerung von Troja oder einzelne Schichten hatten,

    wie sich "Identitäten" kulturell, geographisch, sprachlich, ökonomisch, etc. entwickelten,

    ist - Stand der Forschung - weder derzeit archäologisch erschlossen noch aus späteren Erzählungen hinreichend sicher erschließbar.

    Dazu statt vieler die Gedanken von
    Rose in: Separating Fact from Fiction in the Aiolian Migration, JASoCS 2008, S. 399 oder diverse Beiträge in Mouton et. al., Luwian Identities - Culture, Language and Religion Between Anatolia and the Aegean
     
  8. Dieter

    Dieter Premiummitglied

    Von "völkisch" war keine Rede.

    Es ging lediglich um die durchaus legitime Frage, ob es z.B. "Luwian Identities" gab.
     
    Zuletzt bearbeitet: 23. März 2017
  9. silesia

    silesia Moderator Mitarbeiter

    "Identitäten" sind, wie oben gezeigt, höchstens spätere und meistens leere Konstrukte für diese Zeiträume, "Zugehörigkeitsgefühle" weder messbar noch archäologisch nachgewiesen.

    Mit "legitim" hat die Forschung nichts am Hut, wie man bei "Luwian Identities" lesen kann.
     
  10. Dieter

    Dieter Premiummitglied

    Auch Menschen der antike fühlten sich bestimmten Völkern zugehörig. Das besagen alle einschlägigen Quellen.

    Es ist also legitim zu fragen, aus welchem Stamm oder welchem Volk die Trojaner hervorgingen.
     
  11. Heine

    Heine Aktives Mitglied

    Was ist denn ein "Volk" im Altertum? Welche Kriterien wenden wir an? Können wir diese Kriterien heute noch bestimmen? Sind antike Griechen, Kelten, Germanen oder Luwier Völker? Ist es überhaupt sinnvoll im Altertum von Völkern zu sprechen?
     
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  12. Reinecke

    Reinecke Aktives Mitglied

    Bei den Griechen ist gemeinsame Identität belegt, bspw durch die gemeinsame Sprache inkl Abgrenzung zu den "Barbaren", die anders sprachen, oder durch die gemeinsamen Spiele. In Italien gab es die Etrusker, die eine gewisse gemeinsame Identität hatten, obwohl in verschiedene Stadtstaaten aufgeteilt, odr die Latiner mit gemeinsamer Sprache und religiösem Zentrum. Die Kelten Galliens hatten eine gewisse gemeinsame Identität, obwohl in viele verschiedene Stämme aufgespalten, durch die gemeinsame Sprache und gemeinsame Institutionen wie den Druiden. Im Widerstand gegen Caesar gelang es sogar, eine gemeinsame militärische Aktion auf die Beine zu stellen (Ersatz Alesias), auch wenn es in einer Niederlage endete.

    Ganz sinnlos kann ich es also nicht finden, nein.
     
  13. thanepower

    thanepower Aktives Mitglied

    Ach ehrlich. Und da wären welche anzuführen und was besagen die denn?

    Sicher ist das legitim, zu fragen. Es ist aber nicht legitim "kulturelle" Kontinuitäten bei der Beantwortung zu unterstellen, die nicht vorhanden gewesen sind. Weil sie nicht vorhanden gewesen sind oder nicht nachweisbar.

    Zur Problematik der Weiterleitung oder Transmission von "kulturellen Praktiken" vgl, die Beiträge in Roy Ellen,Stephen J. Lycett und Sarah E. Johns

    https://books.google.de/books?id=JeXWAgAAQBAJ&printsec=frontcover&dq=understanding+cultural+transmission&hl=de&sa=X&redir_esc=y#v=onepage&q=understanding%20cultural%20transmission&f=false

    Und woher weist Du, was diese "Identität" denn inhaltlich definiert hatte. Eine gemeinsame Sprache ist absolut kein ausreichendes Merkmal für eine "gemeinsame Identität. Wie Du schnell aus modernen Studien zu dem Thema erkennen kannst.

    Was ist mit den ganzen anderen Spannungslinien, die quer zu dieser sprachlich - angeblich - vermittelten "Identität" stehen.

    Die "Griechen" insgesamt, auch noch in ihren "Stämmen" oder "Clans" sind ein nicht unerheblicher sozial heterogener"Großverband". Die sozialen Konfliktlinien bestimmen somit auch die "Identität".

    Und wie steht diese hierarchische oder gesellschaftliche Identität zur - vermuteten - ethnischen Identität.

    Und wie verhält sich die "regionale Identität" der einzelnen Regionen, Stadtstaaten, und ihre massive Rivalität untereinander zu der - vermuteten ethnischen Identität. Die interessengesteuerten politischen Spannungen bestimmten lange die Bündnissysteme im antiken Griechenland.

    Zu nennen wäre zudem der Unterschied zwischen der "Polis" und dem "Land", der auch einen Einfluß hat auf kulturelle Stile. Und wie ist da das Verhältnis.

    Und so weiter. Dass die antiken Bewohner des späteren "Griechenland" in der Lage waren gegen äußere Bedrohungen partiell gemeinsam zu agieren verstellt den Blick auf die ebenfalls vorhandenen trennenden Merkmale.

    Und deswegen ist es eine gewagte Konstruktion, wenn man für antike Gesellschaften den Begriff der "ethnischen Identität" anwendet. Damit werden relativ moderne Konstrukte auf Gesellschaften projiziert, bei denen wir absolut nicht sagen können, ob und wie weit das angemessen ist.
     
    Zuletzt bearbeitet: 23. März 2017
  14. Reinecke

    Reinecke Aktives Mitglied

    Dann verwenden wir halt einen anderen Begriff. Welchen?

    Du hast Recht mit all den vielen sozialen Verbänden, Gruppen, Zusammenhängen. Viele davon (bspw die polis) waren sicher wichtiger für das alltägliche Leben oder die individuelel Identität der Menschen. Trotzdem gab es dieses Griechen-Ding, also muss mans auch benennen können. Wie ist mir egal.
     
  15. silesia

    silesia Moderator Mitarbeiter

    Die älteren Identitätskonstrukte oder Vorstellungen von Ethnien sind inzwischen - thanepower hat die Hintergründe aufgezeigt - hochumstritten.

    Zudem wird hier locker über 800 Jahre weggeschossen, nämlich sogar dann, wenn man sich solchen ethnischen Konstrukten nach dem Einschnitt der Perserkriege positiv nähern würde. Im Übrigen ist Konsens in der Forschung, siehe Delphi-Diskussion, dass literaische Hinweise auf ethnische Vorstellungen lediglich zeitgenössische Spiegelungen und keine historische Belege darstellen.

    Hier werden dagegen ethnische Konstrukte bereits für das Ende der Bronzezeit behauptet, also viele Jhdt zuvor. Ohne jeden Nachweis, zumal Sprachräume in der anthropologischen Debatte (nicht nur für diese frühen Zeiträume) klar als unzureichende "Abgrenzung" verworfen werden, und Materialkulturen dafür gleichfalls nicht taugen.

    Wenn das angeblich in der aktuellen Literatur anders gesehen würde: dann sollte die mal benannt werden, damit eine Auseinandersetzung damit möglich ist.
     
  16. silesia

    silesia Moderator Mitarbeiter

    Dem Griechen-Gingeskirchen könnte man sich vielleicht ab den Perserkriegen nähern, vorher liegt alles im Dunst. Mit Begriffsverwendungen ist man da vorsichtig geworden.

    Aber wenn schon: wie wäre es mit Mikroidentitäten?:devil:
     
  17. Reinecke

    Reinecke Aktives Mitglied

    Oh, auch das ist richtig. Mir ging es um den Rundumschlag übers ganze Altertum hinweg. Wie das 1200 vor aussah, wüsst ich gerne, tus aber nicht. ;)
     
  18. thanepower

    thanepower Aktives Mitglied

    Der Struktur der damaligen antiken Gesellschaften würde dieser Begriff deutlich besser entsprechen.

    Sofern man ihn einer durch "ethnische Identität" vermittelten "Makroidentät" aller Griechen kontrastiert.
     
  19. silesia

    silesia Moderator Mitarbeiter

    In einigen Publikationen taucht dieser Ansatz auch auf.

    Bronzezeitliche Völker, Völkerkriege, ethnische Identitäten für Troja und Co., etc. sind aber eher Vorstellungen des vorletzten und der Hälfte des letzten Jahrhunderts.
     
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  20. Biturigos

    Biturigos Aktives Mitglied

    Ich finde diese Grundsatzdiskussion sehr wichtig, sie könnte im Prinzip in jedem Thread geführt werden. Im Kelten-Ordner hatten wir die Diskussion auf die Keltike bezogen im Thread "Vorgeschichte der Kelten". Dort hatte ich anschließend an einen Beitrag Sepiolas den Ansatz Raimund Karls eingestellt, bzw. einen zugehörigen Text.
    Feine Unterschiede. Zu ?Keltengenese? und ethnogenetischen Prozessen in der Keltiké. Mitteilungen der Anthropologischen Gesellschaft Wien 138, 2008: 205-23. | Raimund Karl - Academia.edu

    Im religiösen Bereich z.B. stellte sich mir die Frage, ob es in Gallien so etwas wie einen Pangallismus gegeben hat, ähnlich einem Panhellenismus,
    der über einzelne politische Bündnisse, sprachliche Unterschiede, lokale Traditionen, religiöse Besonderheiten, ökonomische Interessen kulturelle Gemeinsamkeiten inszenierte, wie die Olympischen Spiele oder dasOrakel von Delphi. (gemeinsame Rechtsprechung, offizielle Kulte, Friedensorte, heilige Räume). Man könnte eine solche Grundsatzdiskussion vielleicht aus diesem Thread herauslösen - nur dann wohin verschieben?
     

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