Das kann sehr gut sein. Ich kann das allerdings nicht beurteilen, weil ich in all diesen Themen genau 0 Erfahrungen besitze.
Kann es sein, dass Dir bisher die Problematik überhaupt nicht bewusst ist, von der ich die ganze Zeit schreibe? Nochmal zurück auf die Frage, die Du nicht beantwortet hast:
Was ist das Erkennungsmerkmal für einen "Sueben"?
Wie ich bereits demonstriert habe, sind sich die schriftlichen Quellen durchaus uneins, welche Stämme zu den Sueben zu zählen sind und welche nicht. Leider nennt keine Quelle ein eindeutiges Erkennungsmerkmal, mit Ausnahme von Tacitus' Germania:
"insigne gentis obliquare crinem nodoque substringere: sic Suebi a ceteris Germanis, sic Sueborum ingenui a servis separantur."
("Das Kennzeichen des Volksstammes ist es, das Haar seitlich zu richten und in einem Knoten zusammenzubinden: So sondern sich sich die Sueben von den übrigen Germanen ab, so sondern sich die Freigeborenen der Sueben von den Sklaven ab.")
Nun kann man schauen, wo dieses Kennzeichen archäologisch nachgewiesen ist:
Der Suebenknoten ist an zwei
Moorleichen, den Männern von
Osterby, mit den Knoten auf der rechten Schläfe, und
Dätgen, am Hinterkopf, nachgewiesen. Die Gemeinde
Osterby (Kreis Rendsburg-Eckernförde), der Fundort einer der Moorleichen, führt in ihrem Wappen einen Suebenknoten. Die männliche Moorleiche von Hooghalen, die 1866 in der Nähe der niederländischen Gemeinde Beilen in
Drente gefunden wurde, hatte nach Aussage der Finder lange Haare wie eine Frau, die zu einem Knoten gebunden waren. Ob es sich bei diesem Haarknoten um einen Suebenknoten handelt, lässt sich jedoch nicht bestätigen, da der Leichnam kurz nach der Auffindung auf einem Friedhof begraben wurde und jetzt vergangen ist.
Suebenknoten – Wikipedia
Sicheren Nachweis für "Sueben" haben wir also ausschließlich aus Schleswig-Holstein, unweit von einer Gegend, die heute noch den Namen der Angeln trägt.
Ja dann nimm doch mal die frühmittelalterlichen Quellen zur Hand!
Bei dieser Gelegenheit fällt mir der Widsith ein, da wird eine Grenze zwischen Angeln und Sueben festgelegt:
Der
Widsith (V. 35–44) erwähnt als erinnernswerte Heldentat des jungen Angelnherrschers Offa in seiner Konkurrenz mit dem Dänen Alewih, er habe gegen die
Myrgingas allein mit dem Schwert ein großes Königreich an der
Fifeldor (meist identifiziert mit der Eider) erkämpft und so den Grenzverlauf zwischen Angeln und
Sueben (
Swaefe) festgelegt.
Offa (Angeln) – Wikipedia
Betrachte dies mal als augenzwinkernden Exkurs.
Fakt ist, dass die Archäologie nicht in der Lage ist, aus einer Keramikscherbe, einem Armreif oder einem Helm herauszulesen, ob der Besitzer dieser Utensilien sich dem Stamm der Hermunduren, der Angeln, Sueben oder Langobarden zugehörig fühlte.
Nur wenn wir aus sicherer Quelle wissen, dass am Fundort zur gegebenen Zeit ein bestimmter Stamm siedelte, lassen sich solche Zuschreibungen machen. So lassen sich z. B. die Markomannen ab der Zeitenwende aufgrund der Quellen in Böhmen lokalisieren. Bei vielen anderen Stämmen ist so eine Lokalisierung nicht möglich. Als besonders krasses Beispiel hatte ich die Hermunduren genannt, die von Tacitus gleichzeitig an der oberen Donau wie im Quellgebiet der Elbe lokalisiert werden. (Welche materielle Kultur wurde eigentlich dort jeweils festgestellt?)
Wie ich anhand der Banater Schwaben und Siebenbürger Sachsen gezeigt habe, ist es tatsächlich gut denkbar, dass ein Stammesname gleichzeitig an ganz unterschiedlichen Orten anzutreffen ist, ohne dass deswegen ein gleichnamiges "Volk" oder auch nur ein "großer Teil" eines gleichnamigen Volks gewandert sein muss. Namen können mit Leichtigkeit übertragen werden, neu aufkommen oder ganz verschwinden.
Noch komplizierter wird es mit Sammelnamen, dazu gehört offensichtlich der Suebenname. In einer Notiz, die sich auf Ereignisse des Jahre 29 v. Chr. bezieht, schreibt Cassius Dio, die Sueben wohnten, "um es genau zu erklären, jenseits des Rheins - allerdings beanspruchen auch viele andere den Namen der Sueben für sich."
Nach Cassius Dio müsste man die eigentlichen Sueben bei den Rhein-Weser-Germanen suchen, nicht bei den Elbgermanen. Dass die Sueben bis zum Rhein siedelten, bestätigt auch Strabo.
Allerdings scheint es auch anderen Stämmen keine Probleme bereitet zu haben, sich bei passender Gelegenheit selber als "Sueben" zu bezeichnen.
Das würde erklären, warum bei der Zuordnung einzelner Stämme zu den Sueben in den antiken Quellen so ein Wirrwarr herrscht, warum die Sueben einmal als riesengroßer Stamm (vom Rhein bis zur Elbe) beschrieben werden, warum sie in späterer Zeit ziemlich lange überhaupt nicht mehr in den Quellen auftauchen, als seien sie vom Erdboden verschluckt worden, und warum sie sich dann plötzlich erneut materialisieren: Weil es eben wieder schick wurde, sich den Suebennamen umzuhängen.
Dann wäre es aber völlig sinnlos, im archäologischen Befund danach suchen zu wollen, ob die Besitzer irgendwelcher Utensilien sich gerade zu den Sueben rechneten oder nicht.