Haben Merowingerköniginnen wie Westgotin Brunichild, Fränkin Fredegunde, Angelsächsin Balthildis jemals selbst "Hand angelegt" (Giftbecher gereicht, per Dolch oder Schwert gemessert, mit der Franziska (Axt) gemeuchelt) oder ließen die das als Auftraggeberinnen erledigen?
Fredegunde als Möderin:
Zumindest laut Gregor von Tours soll Fredegunde ihre Tochter ihre Tochter Ridgunth mit einem Kistendeckel erwürgt haben.
Der Truhendeckel als Mordwerkzeug taucht auch in der Völund-Saga auf. Völund gelingt es jedoch sogar die Köpfe der Söhne Nidungs mit dem Truhendeckel abzuhacken. Auf der als Völund gedeuteten Abbildung auf dem Runenkästchen von Auzon ist auch noch der kopflose Körper des Kindes erkennbar.
(Nochmals zur Klärung der mythologischen Verwandtschaftsverhältnis in der Lieder-Edda: Völund ist der Bruder von Egil und der Strohwitwer der Walküre Hervör und der Schwager der Walküre Ölrun. Hervör ist die Tochter des Frankenkönig Hlödver.)
Dieses Wort "gasokun" auf der Runenschnalle von Pforzen bedeutet "schädigen", "verfluchen" oder " kämpfen". Was auch Ailrun genau getan haben soll, ist natürlich unklar. Die Details fehlen.
Detailreich sind hingegen die Vorwürfe Gregors gegen Fredegunde. Nach Gregors Meinung ist sei eine "Feindin Gottes und der Menschen". Fredegunde tötet nach Gregors Darstellung auch aus Lust oder Wahnsinn, was auch auf ihren Mann zutrifft. Ihr Mann Chilperich ist nach Gregors Darstellung eine Art "Nero oder Herodes" der Merowingerzeit.
Hexen als Auftragsmörderinnen:
Interessanterweise legen die männlichen Feinde der Fredegunde auch nicht selbst Hand an, sondern beauftragen gelegentlich Frauen mit Morden. Diese Handlung befindet sich allerdings in einer doppelten Fiktion. Gregor unterstellt Fredegunde, würde einen Hexenwahn instrumentalisieren, um anschließend Unschuldige zu Tode zu foltern.
Fredegunde unterstellt der galloromanische Heerführer Mummolus, habe Hexen mit der Ermordung ihres Sohnes Theuderich beauftragt. Zum Nachweis lässt Fredegunde einige Frauen aus Paris foltern, bis sie gestehen im Auftrag des Mummolus das Kind ermordet zu haben. Anschließend wird auch Mummolus zu Tode gefoltert.
Die gleiche Methode unterstellt Gregor nochmal bei der Ausschaltunng ihres Stiefsohns Chlodwig/Chlodewich. Chlodwig heiratet die Tochter einer Sklavin, was in dieser Königsfamilie bekanntlich öfters vorkommt. Fredegunde beschuldigt nun Chlodwig, habe seine Schwiegermutter damit beauftragt einen Sohn Fredegundes durch Hexerei zu ermorden. Wieder lässt Fredegunde die mutmaßliche Hexe und den dynastischen Konkurrenten Chlodwig zu Tode foltern.
Wechselwirkung zwischen Gregor von Tours und germanischer Heldensage?
Ich halte die Erzählung über Fredegunde durch Gregor nicht für germanische Heldensage. Die Preisfrage ist jetzt, ob Gregor von Tours die Motive von germanischen Heldensagen in seine Erzählung der bösen Königin einfügt oder ob sich die Dichter der germanischen Heldensagen ihre Motive ursprünglich direkt oder indirekt bei Gregor von Tours entlehnt haben. (Eine weitere Möglichkeit wäre natürlich, dass die Ähnlichkeiten der Erzählungen reiner Zufall sind.)
Leicht aufzuklären ist diese Frage nicht. Gregor von Tours schreibt bereits im 6. Jahrhundert als Zeitgenosse Fredegundes. Die Runenschnalle von Pforzen als mutmaßliches Zeugnis einer kämpfenden oder fluchenden Ailrun stammt aus der gleichen Epoche, ist also zeitgenössisch.
Gegendarstellung zu Fredegunde:
Der Autor oder die Autorin von Liber Historiae Francorum malt sich ganz im Gegensatz zu Gregor Fredegunde nicht böse Königin, sondern schildert sie als geschickte Heerführerin. (hier zu auch der Thread
Königin Fredegunde als Heerführerin). Auch die positive Version Fredegundes kann leicht als heroische Kämpferin verstanden werden.
Es gibt ein anderes Problem: Selection bias. Jeder Versuch mit Modebegriffen an die wissenschaftliche Interpretation realer Befunde heran zu gehen, sagt mehr über die zeitgebundene Intention zum des Betrachters als über den betrachteten Gegenstand aus.
Erkennbarer Unfug bleibt erkennbarer Unfug.
Diese Umbeutung der biologischen Frau und ihrer Rollen beginnt aber schon in der tiefsten Merowingerzeit und in der Wikingerzeit. Wenn zum Beispiel Gregor von Tours die Herrschaft der Fredegundes zur Schreckenherrschaft stilisiert, ist das eine zeitgenössische Deutung, die sicherlich auch Unfug enthält.
Ebenfalls musrs man die Bestattungen von Frauen als symbolische Handlungen sehen. Wenn die frühmittelalterliche Trauergemeinde beschließt eine biologische Frau mit Waffen oder mit Männerkleidung zu bestatten, so ist das erstmal eine symbolische Handlung, die auch damals irgendwas bedeutet hat und zwar nach der damaligen Mode. Die verstorbene Frau erhält durch die Waffenbeigabe ihre Bedeutung, die sie vielleicht zu Lebzeiten hatte - vielleicht aber auch nicht. Man kann heute darüber nachdenken, was mit der Symbolik damals gemeint war. Wollte die frühmittelalterlichen Trauergemeinde (in seltenen Einzelfällen) jene biologische Frauen als Transmänner, als Kriegerinnen, Herrscherinnen oder als Walküren ausstatten? Wenn man über diese Symbolik der biologische Frau mit Waffen teifergehende Überlegungen anstrebt, wird man auch moderne Fachbegriffe wie Cross-Dressing, Cross-Gender und Trans-Gender zurückgreifen müssen und entsprechende Unterscheidungen vornehmen.
Diese Unterscheidung müssen auch bei der Interpretation der Mythologie beachtet werden. Walküren treten in einigen Sagen mit Waffen in Männerkleidung auf, in anderen nicht. Mal ist Hervör eine Schildmaid, ein Mädchen, das wie die Jungs mit Waffen umgeht (Crossgender), mal eine Frau, die längere Zeit als Mann (Trannsgender) lebt und in einer anderen Geschichte eine völlig wehrlose Walküre, die sich einfach von Völund gefangen nehmen lässt. Die Beschreibung der Walküren und Schildmaiden in der Mythologie ist bezüglich der Geschlechterollen uneinheitlich.
Degenerative Veränderungen von Knochen durch Arbeiten am Webstuhl, wie sie an den Fußgelenken auftreten, sprächen für eine viel eher weibliche Sozialisation.
Weberei als weibisches Handwerk der Walküren:
Der Webstuhl hat eine ganz eigenwillige Symbolik. Im
Walkürenlied der isländischen Njalssage sind die Walküren noch furchterregende Todesdämonen keine Schildmaiden, die Genderrollen völlig durchbrechen, sondern Weberinnen. Diese Walküren haben jedoch einen Webstuhl aus Leichenteilen und Waffen. An diesem Webstuhl bestimmen die Walküren das Schicksal der Männer, welcher Mann wann und wie sterben muss.
Gleichzeitigkeit der Mode der Webschwerter, der Könginnenherrschaft und der Runenschnallle von Pforzen im 6. Jahrhundert:
Aus der Merowingerzeit sind eiserne Webschwerter aus hochrangigen Frauengräbern bekannt. Bei einzelnen Webschwertern handelt es sich um umgebaute Schwerter (Spathae). Eine hochrangige Frau der Merowingerzeit wird also mit dem Schwert am Webstuhl gearbeitet haben und dabei gleichzeitig ihre Gewaltherrschaft präsentiert haben.
Vielleicht haben Fredegunde und Brunichildis tatsächlich mit dem Schwert am Webstuhl gearbeitet, während sie überlegt haben, welcher merowingische Prinz als nächstes sterben muss. Unwahrscheinlich scheint mir der Gedanke nicht, da die Mode der eisernen Webschwerter tatsächlich ins 6. Jahrhundert fällt.
Und zur gleichen Zeit trug ein alamannischer Krieger wahrscheinlich die Runenschnalle von Pforzen mit ihrer kryptischen Inschrift auf der Vorderseite. Wurden kämpfende Frauen zu jener Zeit tatsächlich nur als Märchenfiguren verstanden?
Walküren der nordischen Dichtung kommen aus dem Süden:
Die nordischen Dichter benennen die "südliche" Herkunft der Schildmaiden und Walkküren auf vielfältige Weise. Hervör ist in Völund-Sage eine Tochter des Frankenkönigs, Ölrun eine Tochter des welschen Kaisers. In einer anderen Sage ist die Schildmaid Hervör eine Gotin. Sigurd findet die schlafende Walküre Sigrdrifa (Brynhild) im schwäbischen Seegard. Der Name der Walküre Swafa bedeutet die Schwäbin.