Neue archäologische Entdeckungen

Vorbemerkung: Das gedankliche Springen kommt z.T. daher, dass ich zunächst den Spiegel-Artikel gelesen habe, dann den Beitrag geschrieben und schließlich den Artikel aus der Praehistorischen Zeitschrift gelesen und den Beitrag ergänzt habe.

Bereits im Sommer 2020 wurde in der Tollense, die durch die Funde der Überreste einer bronzezeitlichen bewaffneten Auseinandersetzung bekannt geworden ist, eine Bronzefigur aus dem 7. Jh. v. Chr. gefunden.
Um das noch mal zu betonen - ich weiß, du hast nichts gegenteiliges geschrieben - die Schlacht im Tollensetal fand in der Bronzezeit statt, etwa 500 Jahre vor der Datierung dieser bereits eisenzeitlichen Bronzefigur. (In der Praehistorischen Zeitschrift sprechen die Autoren noch von der "last phase of the NBA" (Nordische Bronzezeit), insofern muss ich mein eisenzeitlich zurücknehmen, aber rechnet man in großen Teilen Deutschlands die Zeit um 800 v. Chr. bereits der Eisenzeit zu, MeckPomm wird hier wohl eher dem skandinavischen "Kulturkreis" zugeordnet.)

Der Spiegelartikel ist etwas stolperig geschrieben... Den Absatz

Erst einmal zuvor war ein ähnliches Figürchen in Deutschland gefunden worden: im 19. Jahrhundert in der Nähe des Ortes Klein Zastrow, nur wenige Kilometer von der neuen Fundstelle entfernt. Insgesamt weiß man mittlerweile von 13 dieser Statuetten, die in der Ostseeregion entdeckt worden sind. Sie alle sind ähnlich geformt.​

musste ich zweimal lesen, da ich beim ersten Mal dachte "Häh?!?!?!" Das müssen doch Journalist und Lektor dem Leser mal entgegen kommen.

Datieren lasse sich die kleine Frauenstatue in das siebte Jahrhundert vor Christus. Und sie könnte entweder ein Gewicht darstellen, ein Kultobjekt oder eine Kombination aus beidem. Allerdings gebe es auch Einwände gegen diese Deutung.
Für die Interpretation, dass es sich um ein Gewicht im Sinne einer Maßeinheit handeln könnte, spricht das tatsächliche Gewicht der Statue: Sie wiegt 155 Gramm. In der jüngeren Bronzezeit sei die Gewichtseinheit von 26 Gramm eine vermutlich übliche Größe gewesen – die Statue wiege damit beinahe sechsmal so viel wie das gebräuchliche Maß.
Bei aller ausgedrückten wissenschaftlichen Vorsicht ist mir das doch zu spekulativ. Klar, das eine Gramm zu wenig macht den Braten nicht fett. Wenn man aber ernsthaft argumentieren wollte, dass es sich um ein eingermaßen genormtes Gewicht gehandelt habe, dann sollte man die übrigen 13 Statuetten - sofern noch erhalten - untersuchen. Nur dann, wenn sie ebenfalls um 26^x wiegen, kann man die These ernsthaft vertreten. (Ich hatte zu dem Zeitpunkt, wo ich das geschrieben hatte nur den Spiegel-Artikel gelesen, noch nicht die Studie selbst.)

In dem Artikel der Autoren selbst, in der Praehistorischen Zeitschrift wird bereits in der Zusammenfassung die Ansprache der Figuren als Gewicht mit gewisser Skepsis betrachtet:

Vor einigen Jahren wurden die Figuren als mögliche Gewichte diskutiert, aber ihre geringe Zahl spricht gegen eine solche Interpretation. Mit einem Gewicht von 155 g passt die neue Figur zumindest zu der seiner Zeit postulierten Gewichtseinheit von 26 g.
Allerdings:

The two figures found in western Pomerania are among the tallest specimens, and with a weight of 155 g, the specimen from Weltzin 13 exceeds all other figurines (Fig. 14; Tab. 2). Unfortunately, only a copy of the find from Klein Zastrow has survived, and the mass of the original object has been estimated to c. 130 g.
Legt man die 26 g Grundgewichtseinheit zugrunde, dann wären diese geschätzten 130 g genau das Fünffache. Dies könnte also tatsächlich darauf hindeuten, wenn mehr als eine Figur ein x-faches von 26 g wiegt, dass tatsächlich die Figuren figürliche Barren (El Quijote, Geschichtsforum.de 17.2.2022) darstellen.

gewichtdurch26.jpg


Spiegel:

Die neu entdeckte Statue könnte absichtlich an einer Talquerung niedergelegt worden sein, schreiben die Forscher – als Erinnerung an die Menschen, die dort Jahrhunderte zuvor gestorben waren.
Ich bin immer skeptisch, wenn so etwas behauptet wird. Natürlich haben historische Erinnerungen in einer Zeit vor medialen Massenunterhaltungen durch immer wiederkehrende Erwähnung am "familiären" Lagerfeuer wohl immer eine Rolle gespielt, weshalb man unterstellen kann, dass auch in nichtschriftlichen Kulturen historische Erinnerung bewahrt wurde. Allerdings reden wir hier über einen Zeitraum von 500 Jahren. Möglich? Ja. Aber auch wahrscheinlich? Eher nicht.*
Einer absichtlichen Niederlegung schließe ich mich allerdings gerne an. Als Weihegabe für die Erneuerung der Brücke z.B. ("Several wooden planks from the eastern riverbank, however, date to the 7th century BC, and these more recent constructions are not yet well understood.")
Die Autoren selber geben zu:

In how far the valley crossing was still a place of commemoration hundreds of years after a violent encounter, however, remains open.​

tollenseweightgoddess.jpg
(In der Zeitschrift kann man auch noch eine Seiten- und Rückansicht der Figurine betrachten, ich habe aus praktischen Gründen nur diesen Teil ausgeschnitten. Ein im Artikel abgedrucktes Liegendbild der Statuette ist auch ganz interessant, vor allem bzgl. der Konstruktion der Beine und Füße.)

Das Bild habe ich deshalb ausgeschnitten, weil man hier alle wichtigen Details erkennen kann: Einerseits die Vulva und die Brüste, andererseits aber auch die "cuts on the chin", von denen die Autoren schreiben:

It is unlikely that the cuts on the chin indicate a beard and their meaning remains unclear.
Ich schließe mich dieser Auffassung an.


*Wobei mir ein Archäologe mal ein Histörchen erzählt hat - es ist mir nie gelungen es zu verifizieren - wonach ein Bauer ein Bodendenkmal als Pferdebahn des Königs (oder ähnlich) bezeichnete und die Archäologen haben dort ein Reitergrab gefunden. Wann auch immer das passiert wäre, das müsste ja zwischen dem 19. und frühen 21. Jhdt. passiert sein (die Geschichte werde ich so um 2007/08 gehört haben), dann hätte der Landwirt ein etwa 1200 Jahre zurückreichendes Wissen gehabt.
 
Und noch ein Wrack ist gefunden worden, allerdings aus der Spätantike und vor der Küste Mallorcas. Dieses Wrack wurde nun weiter untersucht und untersucht:


Forscher bergen 1700 Jahre altes Schiff direkt vor Mallorca

Ich vermute, das ist dieses Wrack, das ich schon hier erwähnt habe:

Bleiben wir in Hispania, allerdings auf der Deutschen liebsten Insel, das inoffizielle 17. Bundesland, das Maiorica der Römer:

Un tesoro encontrado en una playa de Mallorca: "Es una suerte muy grande" (Spanisch)

Dort wurde vor der Küste ein Wrack eines römischen Schiffes aus dem 3. oder 4. Jh. n. Chr. entdeckt, das 300 Amphoren mit Garum enthält.
 
Und noch ein Wrack ist gefunden worden, allerdings aus der Spätantike und vor der Küste Mallorcas. Dieses Wrack wurde nun weiter untersucht und untersucht:


Forscher bergen 1700 Jahre altes Schiff direkt vor Mallorca

Beim Stern heißt es:

"Das Überraschendste an dem Boot ist, wie gut es erhalten ist – sogar das Holz des Rumpfes. Es ist Holz, auf das man klopfen kann – als wäre es von gestern."
Das ist wirklich überraschend. Normalerweise, wenn man antike "Wracks" im Mittelmeer findet, ist wenig bis gar kein Holz mehr erhalten, das Wrack wird eigentlich nur durch die Kompaktheit seiner Ladung, die teilweise sogar noch in ihrer ursprünglichen Lagerung erkennbar ist, gekennzeichnet. Das Holz wird meist durch den Schiffsbohrwurm (eine Muschel) zersetzt, mit sehr viel Glück ist manchmal ein Kiel oder kielnahes Holz erhalten.
 
Beim Stern heißt es:

"Das Überraschendste an dem Boot ist, wie gut es erhalten ist – sogar das Holz des Rumpfes. Es ist Holz, auf das man klopfen kann – als wäre es von gestern."
Das ist wirklich überraschend. Normalerweise, wenn man antike "Wracks" im Mittelmeer findet, ist wenig bis gar kein Holz mehr erhalten, das Wrack wird eigentlich nur durch die Kompaktheit seiner Ladung, die teilweise sogar noch in ihrer ursprünglichen Lagerung erkennbar ist, gekennzeichnet. Das Holz wird meist durch den Schiffsbohrwurm (eine Muschel) zersetzt, mit sehr viel Glück ist manchmal ein Kiel oder kielnahes Holz erhalten.


Das ist in der Tat erstaunlich. Sonst kennt man so etwas nur aus der Ostsee. Das bekannteste Beispiel dürfte das Wrack der Wasa sein, die im 17.. Jh. gesunken in den 50er oder 60er Jahren des leltzten Jahrhunderts geborgen wurde und seitdem in einem Museum in Stockholm steht. Aber auch im schwarzen Meer hat man hervorragend erhaltene Schiffe aus der Antike gefunden.

Aber bei dem Wrack waren die Lagerbedingungen optimal:

Destaca el buen estado de conservación de la madera, gracias al ambiente anóxico al estar enterrado.​

El pecio romano hallado en la playa de Palma desvela sus secretos

Dadurch, dass das Wrack unter dem Sand begraben wurde, blieb das Schiff konserviert.

Aber man hat möglicherweise noch ein weiteres Wrack in der Nähe des spätantiken Wracks gefunden. Aber ein Wrack aus der spätpunischen Phase, das mit Weinamphoren aus Ibiza beladen war.

Además, se han documentado los restos un posible pecio tardopúnico, cargado con ánforas vinarias de Ibiza, en las inmediaciones del pecio de Ses Fontanelles.​
 
Das ist in der Tat erstaunlich. Sonst kennt man so etwas nur aus der Ostsee. Das bekannteste Beispiel dürfte das Wrack der Wasa sein, die im 17.. Jh. gesunken in den 50er oder 60er Jahren des leltzten Jahrhunderts geborgen wurde und seitdem in einem Museum in Stockholm steht. Aber auch im schwarzen Meer hat man hervorragend erhaltene Schiffe aus der Antike gefunden.
Mary Rose, gesunken zwischen Southhampton und der Isle of Wight.
 
Geil finde ich die Zwischenüberschrift: Archäologischer Fund ... entdeckt. Diese Stilblüte könnte fast von mir stammen.
 
Geil finde ich die Zwischenüberschrift: Archäologischer Fund ... entdeckt. Diese Stilblüte könnte fast von mir stammen.

Naja....archäologischer Fund...gefunden wäre ein Stilblüte. So schlimm finde ich das jetzt nicht.

Aber das ist ja auch nur ein Online-Medium, da leidet wie bei den meisten Online-Medien die Qualität unter der Quantität.

(Eine wahre Stilblüte habe ich heute hier gemacht: Wer war Schuld am „Kalten Krieg“? )
 
Wenn man einen archäologischen Fund findet oder entdeckt impliziert das für mich, dass Archäologen das nach der Bergung wieder verloren haben. Natürlich weiß ich, dass das so nicht gemeint ist.
 
Worum geht es denn bei dem Fund? Die Zustimmung zum Datensammeln kann ich da nicht wegklicken, die Haken bleiben..
 
Worum geht es denn bei dem Fund? Die Zustimmung zum Datensammeln kann ich da nicht wegklicken, die Haken bleiben..

Man hat Siedlungsspuren entdeckt. Möglicherweise scheint da eine durchgehende Besiedlung von der Steinzeit bis zur Eisenzeit bestanden zu haben. Aber da müssen noch weitere C14-Untersuchungen erfolgen.

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Wenn man einen archäologischen Fund findet oder entdeckt impliziert das für mich, dass Archäologen das nach der Bergung wieder verloren haben. Natürlich weiß ich, dass das so nicht gemeint ist.

Ok, so scharfsinnig habe ich nicht gedacht - obwohl man ja manchmal auch im Museum einiges wiederentdeckt:D
 
Wieder ins Römische Reich - bei Ausgrabungen in Xanten auf dem Gebiet der alten Römerstadt Colonia Ulpia Traiana wurde ein Säulenkapitell eines gallo-römischen Tempels gefunden. Dass es an der Stelle einen Tempel gegeben hat, war m. W. aber schon vorher bekannt (es sei denn ich vertue mich mit einem anderen Tempel in der Stadt - aber ich meine nicht den sogenannten Hafentempel, der rekonstruiert wurde und auch nicht den nicht rekonstruierten Kapitolstempel.)

Bisher habe ich nur diesen Beitrag der WDR-Lokalzeit Duisburg zu dem Thema gefunden, der in der Mediathek eine Woche bis 23.03.2022 abrufbar ist:

Lokalzeit aus Duisburg | 16.03.2022

(ab 10:29 min bzw. Beitrag "Neue Funde und Römertourismus in Xanten")
 
In Tossal de la Vila hat man 2017 Strukturen gefunden, die man als Moschee ansprach. Mittlerweile hat man zwei Qiblas gefunden, (was ungewöhnlich ist, zumal das Gebäude gerade mal 60 qm groß war) und somit die Ansprache bestätigt.

Natürlich geht es nicht unter Superlativ und so wird die Moschee zu einer der ältesten Moscheen auf der iberischen Halbinsel. Sie soll aus derselben Zeit stammen, wie der ursprüngliche Bau der Moschee von Córdoba.

Offensichtlich handelte es sich um eine Moschee in einem Militärposten, der eine wichtige Straßengabelung überwachte.

https://www.elperiodicomediterraneo...WbwcEavaLoCSHbYk_wk93CP47EO1augoUG-mO5EDaKC9Y
 
Die Britische Serie Time Team ist bei Youtube wiedererstanden. Sie haben genug Geld für zwei Grabungen gesammelt und seit gestern zeigen sie in drei Teilen die Ergebnisse der ersten. Es geht um einen "Fogou", ein unterirdisches Bauwerk, wie sich in Südwest-Cornwall 9 erhalten haben. Einige weitere werden vermutet. Über die Funktion der Anlagen gibt es bisher nur Spekulationen von kultischer Nutzung bis Verwendung als Lager.

Wer interessiert ist, kann nach dem Kanal Time Team Official suchen. Es gibt auch einen Classic-Kanal mit einem Teil der alten Folgen der Fernsehserie.
 
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