Ad Boias, qui nunc Baioarii vocantur

Aus den Angaben zur DNS kann nichts über die Herkunft geschlossen werden, da sich die nicht aus der heutigen Verteilung erschließen lässt. Es bräuchte Vergleiche mit älterer DNS aus möglichen Herkunftsgebieten. Oder Zahnschmelzuntersuchungen. Oder was es sonst noch gibt.
In Altenerding hat man schon vor längerer Zeit durch Isotopenuntersuchungen festgestellt, dass die Ernährung von Frauen und Männern sich unterschied und demnach bei den Frauen mit größerer Mobilität zu rechnen ist.

https://onlinelibrary.wiley.com/doi/10.1002/ajpa.21309
 
? ich überlege jetzt schon eine Weile über diesen Satz, aber kapiere ihn nicht...

Einige Fibeln aus den Reihengräbern haben Runenritzungen, lateinische Ritzungen auf Fibeln fehlen. Fehr diskutiert, ob diese Tatsache beweist oder nahelegt, dass die ganzen Reihengräber germanisch seien. Das wäre nur dann der Fall, so Fehr, wenn es außerhalb der Reihengräber lateinisch geritzte Gegenstände aus der Zeit gäbe. Nur dann wären auch einige lateinisch geritzte Fibeln in den Reihengräbern zu erwarten gewesen, und ein Fehlen würde darauf hinweisen, dass das nur germanische Gräber waren. Aber, so Fehr, lateinische Ritzungen seien zu der Zeit generell unüblich, und man muss sich nicht darüber wundern, dass sie auch auf den Fibeln fehlen.
 
Fehlende lateinische Ritzungen sagen nach meinem naiven Verständnis nichts über vorhandene germanische Runenritzungen.

Da es momentan um eventuelle Rückschlüsse aus merowingerzeitlichen Reihengräberfeldern in Bayern geht, welche ungefähr im Zeitraum Ende 5. bis Anfang 8. Jh. angelegt wurden, verwundern mich die Zweifel an der Einordnung dieser Bestattungsweise als "merowingisch", was hier die soziale Oberschicht der merowingerzeitlichen fränkischen Expansion meint. Und diese Oberschicht setzte sich überwiegend aus "germanischen" Kriegern zusammen. Mag sein, dass Differenzierungen wie fränkisch, bayrisch, alemannisch, altthüringisch allein an den Beigaben kaum möglich sind, aber da helfen lateinische Ritzungen außerhalb der Reihengräber nach meinem Verständnis nicht.
 
Dass aus dem Fehlen von Quellen nichts zu schließen ist, ist doch selbstverständlich, Erwartungen hin oder her.

Und einzelne germanische Ritzungen können auch nur einzelne germanische Bezüge belegen.

Da hat Fehr richtiges aus einem falschen Schluss erhalten. Er wollte einfach zu exakt sein. Allerdings ist das ein häufiger Fehlschluss unter Archäologen.

Jedenfalls, wenn wir das "nahelegen" außer Acht lassen. Denn einzelne Belege für solche Bezüge legen den Gedanken durchaus nah, können ihn aber nicht beweisen.
 
Da es momentan um eventuelle Rückschlüsse aus merowingerzeitlichen Reihengräberfeldern in Bayern geht, welche ungefähr im Zeitraum Ende 5. bis Anfang 8. Jh. angelegt wurden, verwundern mich die Zweifel an der Einordnung dieser Bestattungsweise als "merowingisch", was hier die soziale Oberschicht der merowingerzeitlichen fränkischen Expansion meint. Und diese Oberschicht setzte sich überwiegend aus "germanischen" Kriegern zusammen.
Ich glaube nicht, dass hier gesagt wurde, Fehr sei gegen die Bezeichnung der Bestattungsweise als merowingisch. Wie gesagt bezweifelt er, dass in den Reihengräbern Germanen liegen müssen. Es könnte sich zumindest zum Teil auch um Romanen gehandelt haben, die sich in der Endphase des römischen Reiches kulturell umorientiert hätten, wie sich auch die barbarischen Einwanderer kulturell umorientieren. Ein Ergebnis war dann nach Fehr das Phänomen Reihengräber, das weder germanisch noch romanisch, sondern etwas Neues darstellte.
(Eigentlich wollte ich ja zeigen, dass die aDNA-Empirie, zumindest nach jetzigem Forschungsstand, gerade gegen diese Meistererzählung spricht.)
Zu den Reihengräbern an sich: Das Aufbahren der Verstorbenen vor dem Begräbnis, einschließlich Beigabe von aufwendigen Gütern des täglichen Gebrauchs, könnte als Instrument der Machtdemonstration bestimmender Familien rationalisiert werden. So etwas war da nötig, wo alte Formen der Machtausübung verloren gegangen waren, also etwa im Grenzraum des sich auflösenden Imperiums.
 
Ich glaube nicht, dass hier gesagt wurde, Fehr sei gegen die Bezeichnung der Bestattungsweise als merowingisch. Wie gesagt bezweifelt er, dass in den Reihengräbern Germanen liegen müssen. Es könnte sich zumindest zum Teil auch um Romanen gehandelt haben, die sich in der Endphase des römischen Reiches kulturell umorientiert hätten, wie sich auch die barbarischen Einwanderer kulturell umorientieren.
sagen wir so: er bezweifelt wohl, dass in diesen Gräbern ausschließlich Germanen liegen müssen, und das formuliert er irgendwie zu unklar oder zu verklausuliert. Die zeitliche und räumliche Verteilung, die materiellen Beigaben zusammen mit dem Verlauf in den Quellen (fränkisch-merowingische Expansion), dazu die Unterscheidungsmöglichkeit zu anderen Beigabensitten in diesem Zeitraum (gotische Gräber ohne Waffen als nur ein Exempel) lassen die bisher übliche Einordnung als überzeugend erscheinen*) Sie alle bezeugen eine Orientierung an und Akzeptanz von einer bestimmten - merowingischen - gesellschaftlichen Kultur. Sicher werden darunter auch genügend "Neu-Merowinger/Franken" gewesen sein**)

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*) ich würde stutzig, wenn plötzlich jemand damit ankäme, dass die Reihengräber typisch für die Alanen sei, die nicht via Frankreich und Spanien gen Afrika zogen, sondern an Rhein, Donau, Bodensee, Inn etc blieben ;)
**) was Wolfram über die Goten schreibt (Gote wurde, wer sich anpasste, anschloss und Gote sein wollte, ganz besonders im Kriegermetier) dürfte auf alle völkerwanderungszeitlichen Gruppen zutreffen.
 
Fehlende lateinische Ritzungen sagen nach meinem naiven Verständnis nichts über vorhandene germanische Runenritzungen.

Was @Clemens64 zu erwähnen vergessen hat (wenn man den Artikel gelesen hat, weiß man das), ist folgendes:

Fehr setzt sich hier mit einer These Arno Rettners auseinander, der sinngemäß so argumentiert: Es gibt unter Tausenden Bügelfibeln ein paar Handvoll mit Runenritzungen in germanischer Sprache, aber nur eine einzige in lateinischer Sprache (die Ausnahme bestätigt die Regel, sagt Rettner). Also kann man die Tausende unbeschrifteter Bügelfibeln ohne weiteres als Beleg dafür nehmen, dass ihre Besitzer Germanen waren.

Fehr weist hingegen auf die mangelnde Logik dieses Arguments hin und konstatiert, keineswegs unklar oder verklausuliert: "Zweifellos zeigen die Runenritzungen, dass auch germanischsprachige Menschen diese Fibeln gebraucht haben, was im Übrigen niemand bestreitet - dass ausschließlich sie es taten, belegen sie dagegen nicht."
 
Es gibt unter Tausenden Bügelfibeln ein paar Handvoll mit Runenritzungen in germanischer Sprache, aber nur eine einzige in lateinischer Sprache
@Sepiola ist mit der Ausnahme eine lateinische Runenschrift gemeint, also Latein in Runen? Und was ist da eingeritzt, ein Name?
(mit fällt da gerade ein, dass es - Bierbrauer und Düwel haben das umfangreich untersucht - auf Brakteaten nicht nur germanische Fragmente, sondern auch viele unsinnige Zeichenfolgen in Runen gab (lauKaRRRRRR und ähnliches) und wenn ich mich richtig erinnere auch seltsam falsche Lateinimitationen, die unsinnigen und seltsamen Runenfolgen könnten rein dekorativ sein)
 
Es gibt in der Merowingerzeit vereinzelt auch Schmuckstücke mit lateinischen Inschriften, d.h. lateinische Buchstaben und lateinischer Text. Zum Beispiel diese Gürtelschnalle aus Burgund. Abgebildet ist der Prophet Daniel - sicherheitshalber steht das auch noch drauf.
 
@Sepiola ist mit der Ausnahme eine lateinische Runenschrift gemeint, also Latein in Runen?
Nein, damit ist eine Inschrift in lateinischer Schrift und Sprache gemeint. Es handelt sich um die rätselhafte Bügelfibel aus Wittislingen:
Wittislingen: Neue Forschung zu kostbaren Grabbeigaben
Hier heißt es unter Bezug auf Brigitte Haas-Gebhard, die Fibel sei in Süddeutschland, vielleicht sogar in Augsburg gefertigt worden; Rettner schreibt (sich ebenfalls auf Brigitte Haas-Gebhard berufend), die Fibel sei in Nordgallien entstanden. Dass es sich um ein Ausnahmestück handelt, ist sicher richtig.
 
Um 600 an der Pest gestorben, um 650 mit der Grabinschrift einer anderen Frau auf der Fibel begraben zu werden? Das kriegt nur die Presse so hin.

Leider sehe ich die Fotos nicht, aber auf zeitgenössischen Herrscherabbildungen sind übergroße Fibeln zu sehen.
 
...dass in den Reihengräbern Germanen liegen müssen. Es könnte sich zumindest zum Teil auch um Romanen gehandelt haben...

Kleine Zwischenfrage: Ist das überhaupt so eindeutig unterscheidbar, bzw. überhaupt ein Widerspruch?
Wie romanisiert waren die dortigen "Germanen", wie "germanisiert" die "Romanen" ?
Nicht zu vergessen das "keltische" Element.
 
Kleine Zwischenfrage: Ist das überhaupt so eindeutig unterscheidbar, bzw. überhaupt ein Widerspruch?
Wie romanisiert waren die dortigen "Germanen", wie "germanisiert" die "Romanen" ?
Nicht zu vergessen das "keltische" Element.
Es wäre sicher Fehrs Position, dass das nicht so eindeutig unterscheidbar war, und im Lauf der Zeit ging ja die eine Gruppe in der anderen auf.
Aber solange einige Leute Romanisch sprachen und die anderen Germanisch, gab es ja wohl schon einen eindeutigen Unterschied. Romanen wurden Walchen genannt. Und der PNAS-Artikel liefert, denke ich, Argumente dafür, dass sich die Gruppen um 500 noch wenig vermischt hatten.
 
Wie romanisiert waren die dortigen "Germanen", wie "germanisiert" die "Romanen" ?
dass das nicht so eindeutig unterscheidbar war, und im Lauf der Zeit ging ja die eine Gruppe in der anderen auf.
Aber solange einige Leute Romanisch sprachen und die anderen Germanisch, gab es ja wohl schon einen eindeutigen Unterschied.
Mehrere Voraussetzungen müssen da meiner Ansicht nach berücksichtigt werden:
1. allerhand völkerwanderungszeitliche Gruppen, die in den Quellen ethnische Namen haben (Goten, Vandalen, Römer/Romani etc) waren durchaus (peu a peu) polyethnisch (geworden) - bestes Beispiel "die Hunnen"
2. völkerwanderungszeitliche Gruppen unterschieden sich auf noch intakten wie auch eroberten römischen Gebieten in ihrem sozialen Rang von der demographischen Mehrheitsgesellschaft (vereinfacht romanische Provinzbevölkerung), lange Zeit galten für diese Gruppen unterschiedliche Gesetze.
3. hohe römische Ämter oder deren Äquivalent waren für die Anführer der "Barbaren"Gruppen attraktiv, in ihrer Herrschaftsausübung kopierten sie die römischen Vorbilder
4. religiöse Unterschiede zeigten sich auch innerhalb der "Barbaren"Gruppen: während die ganz hohen Anführer (sicher oft aus politischen Gründen) mit Bischöfen (röm./christl. Verwaltung oder als deren Konkurrenz arian. kirche) kooperierten, konnten ihre Kriegsleute noch heidnisch oder synkretistisch sein
5. auf hoher sozialer Ebene (reges, duces, senatorischer Adel in hohen Kirchenämtern) fand die gegenseitige Akkulturation schneller statt, merowingische Adelige mit lateinischen Namen und "römische" Bischöfe mit germanischen Namen im 6. Jh.
6. eine ebenso funktionierende Angleichung der hohen Stände (Warlords, Kriegsherren, Adel etc) fand im expandierenden Merowingerreich statt (verkürzt gesagt: thüringischer, alemannischer, bayrischer, senatorischer Adel wurde nicht füsiliert, sondern wurde zu Merowingern)

Zwar gibt es kaum Quellen zu den Verhältnissen im heutigen Bayern kurz vor und kurz nach der merowingischen Annexion, aber es gibt keinen triftigen Grund anzunehmen, dass es da sonderlich anders als bei "den Franken", "den Goten", "den Burgunden" usw verlaufen sei.
Die sehr prunkvolle Fibel mit der lateinischen Inschrift kann so gesehen als Exempel für die kulturelle Anpassung der "oberen Zehntausend" an die oben ausgeführte Akkulturation an römisches Herrschaftserbe gedeutet werden. Das bedeutet nicht, dass die beerdigte Adelige sich als "Römerin" unter bayrischen Barbaren empfunden hätte, sondern die Beigaben lassen sie als christionisierte/christliche typische merowingische "Hoch"adelige erscheinen.
 
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