Die Kolonialgreuel der "zivilisierten" Staaten als Vorboten der Greuel in Europa?

Der Kolonialismus entstand aus der technologischen und/oder soziökonomischen Überlegenheit gegenüber Völkern, die in diesen Bereichen auf einer niedrigeren Stufe standen.
Das Konzept müsstest du mir mal erklären.
Was technologische Überlegenheit sein soll, kann ich mir ja noch denken, wobei zu hinterfragen wäre, ob die denn tatsächlich eine Bedingung dafür ist und ob man hier über eine generelle technische Überlegenheit redet oder aber eine Überlegenheit, die sich lediglich auf bestimmte Bereiche bezieht.

Was aber soll eine "sozioökonomische Überlegenheit" sein? Was hat man sich darunter bitte vorzustellen und an welchen Kriterien sollte man das messen können?

Das hat es in der Geschichte schon immer gegeben, siehe zum Beispiel die Expansion des alten Ägyptens in die Nachbarländer oder die römische Expansion und Kolonisierung des Mittelmeerraumes und halb Europas.
Ne damit bin ich überhaupt nicht einverstanden.

Das alte Ägypten expandierte in die Nachbarländer, wo aber zog es ein dezidiertes Kolonialregime auf, dass sich mit dem Kolonialismus neuzeitlicher Prägung vergleichen ließe?
Selbiges wäre dann auch im Hinblick auf das römische Reich, auch vor dem Hintergrund der sukzessiven Ausdehnung des römischen Bürgerrechts auch in die Provinzen hinein zu hinterfragen.

Hier verwischst du einfach einfach die Kriterien, die ein Kolonialregime vom herkömmlichen Aufbau eines Territorialkomplexes und der Ausdehnung von Herrschaft unterscheiden.

Ein Kolonialregime zeichnet sich nach wie vor dadurch aus, dass die Kolonie separat vom und nach anderen Gesichtspunkten regiert wird, als das "Mutterland".
Und außerdem dadurch, dass die Kolonisierten innerhalb dieser Kolonie gegenüber den Kolonisatoren in der Regel mit geringeren Rechten ausgestattet sind.

Das trifft auf Ägypten und das Römische Reich, wie ich das sehe nur äußerst begrenzt oder überhaupt nicht zu.

Die eroberten Ländereien samt der Bevölkerung waren dazu da, zum Wohle Ägyptens/Roms ausgebeutet zu werden. Die Ägypter/Römer konnten das tun, weil sie technologisch, ökonomisch und militärisch dazu in der Lage waren.

Das ist schon insoweit Unsinn, als das etwa im Römischen Reich Teile der Bevölkerung der Metropole ganz ähnlichen oder schlimmeren Formen der Ausbeutung unterlagen, als das in der Peripherie mitunter der Fall war.

Ein ganz erheblicher Anteil der Bevölkerung Roms und der römischen Kernprovinzen waren Sklaven und das waren ja durchaus auch Menschen, die von der italischen Halbinsel stammten und italische Dialekte sprachen.
Ein von der italischen Halbinsel stammender Sklave hatte im System des römischen Reiches offensichtlich einen niederen gesellschaftlichen Stellenwert und weniger Rechte, als ein freier Bewohner der Peripherie.
Auch wird man sagen können, dass er i.d.R. schlimmer ausgebeutet wurde.

Im Gegensatz zu den Kolonialen Modellen der Neuzeit, kannten die gesellschaftlichen Realitäten Ägyptens und Roms kein in dieser Form definiertes, abgeschlossenes/unzugängliches Staatsvollk, dass systematisch und unverrückbar mit besseren Rechten ausgestattet war, als die unterworfenen Bevölkerungen an der Peripherie.

Und deswegen ist "Die Ägpter/Römer beuteten XY aus" in diesem Kontext auch großer Unsinn. Denn die "Ägypter/Römer" in ihrer Gesamtheit konnten innerhalb des Systems genau so die Ausgebeuteten sein, wie alle anderen.
Selbstverständlich konnte ein Latein parlierdender Bewohner der Italischen Halbinsel im römischen Reich in die Sklaverei geraten.
Und selbstverständlich konnte er von einem Kaufmann aus Alexandria oder einem Mienenunternehmer von der Pelepones gekauft, dort hin verbracht und zu dessen Profit zu schweren körperlichen Arbeiten gezwungen werden.
Wer war dann der Ausbeuter und wer der Ausgebeutete?


– gibt es im Spätmittelalter und früher Neuzeit eine Unterscheidung zwischen den Weißen und den Schwarzen: Die letztgenannten wurden als zum Sklavensein geboren betrachtet Warum? Weil eine Stelle in der Bibel in jener Zeit so interpretiert wurde – Zitat:

Äh, Sry, auch das ist in diesem Sinne Unsinn.
Ein typischer Bewohner der Nordküste Marokkos war in seiner Hautfarbe von einem Bewohner Andalusiens oder Siziliens offensichtlich kaum zu unterscheiden.
Dennoch konnte er im Gegensatz zu den beiden Letztgenannten in Europa in die Sklaverei geraten, nicht wegen seiner Hautfarbe, sondern weil er in der Regel kein Christ war.

Tun wir bitte an dieser Stelle nicht so, als hätte sich der Erwerb von Sklaven durch die Europäer auf das subsaharische Afrika beschränkt, wo eine Unterscheidung zwischen den Einheimischen und den Europäern im Hinblick auf die Hautfarbe problemlos möglich war.
Das war sie im Mittelmeer-Raum mitunter nicht, versklavt wurde da trotzdem was das Zeug hielt, ganz besonders im Rahmen von Piraterie.

Was dein Herumreiten auf dem Geozentrischen Weltbild angeht, verstehe ich nicht ganz, was du da nun willst. Die Vorstellung das die Erde aus drei Kontinenten und deren Einwohnerschaften bestehen würde, war ja nun spätestens um 1500 herum, als klar wurde, dass Amerika etwas eigenes ist und größer als ein paar Inseln, vollkommen vom Tisch.
 
Teil 2:

PPS: Langsam nervt mich diese Herumreiterei auf Kolonialismus,
Ja und mich verwundert, dass du dich so sehr von etwas genervt fühlst, mit dem du dich offensichtlich nie näher beschäftigt hast.
Denn was du hier an Ausführungen prsäsentiert hast, ist ja mehr oder minder Nachweis dafür, dass du sämtliche Diskurse zum Thema in den vergangenen Jahren recht erfolgreich ignoriert zu haben scheinst.

der nur ein Ausdruck oder eine Folge des Kapitalismus ist, in dem das Gewinnstreben etwas Legitimes ist.
....... was letztendlich eine Paraphrasie der Lenin'schen Imperialismustheorie ist, die in diesem Sinne seit Jahrzehnten mit einigem Recht in dieser Form als nicht tragfähig betrachtet wird.

Mal ganz davon abgesehen, würde mich interessieren, wie du zu der Annahme kommst, wenn du auf der anderen Seite schon den Ägyptern und Römern kolonialistisches Tun unterstellst, denn das waren nun nach so ziemlich jeder bekannten Definition von Kapitalismus vorkapitalistische Gesellschaftsformen.
Wenn du am ersten Teil deiner Ausführungen festhältst, kann Kapitalismus also schwerlich die Wurzel der ganzen Angelegenheit. sein ;-)

Ansonsten ist gerade im Hinblick auf den Imperialismus des 19. und 20. Jahrhunderts offensichtlich, dass der nicht immer unbedingt ökonomischen Gesichtspunkten folgte, sondern vielfach eine Prestigeangelegenheit war, denn andernfalls ist völlig unerklärlich, warum die Kolonialmächte an Kolonien, die überhaupt keinen Profit einbrachten, sondern laufende Defizite verursachten festhielten, anstatt sie zwecks Verbesserung ihrer Bilanz wieder abzustoßen.

Vor 2 Wochen war ich in einer Lesung, in der eine angehende Philosophin aus ihrem Essay las, den sie wohl veröffentlichen will. Sie reihte ein Klischee ans andere, bis es einem Zuhörer zu viel wurde und fragte: „Müssen wir uns jetzt schämen, wenn wir Tee oder Kaffee trinken, weil das auch eine Folge unserer Kolonialgeschichte ist?“ Und was antwortete sie? „Ja, das wäre ein guter Anfang.“ o_O

Was genau möchtest du uns nun damit sagen?
Also außer dass du jemandem zugehört hast, dessen Meinung dir nicht gefallen hat? Aber was hat das mit uns zu tun?
Was die Aneinanderreihung von Klischees betrifft, was erwartest du?
Zum Studium der Philosophie gehört nun nicht unbedingt das Methodenset eines Historikers (leider), was mitunter zur Entwicklung von Diskursen auf sehr wackligen Grundlagen führen kann.

Wenn sich jemand auf einem Gebiet bewegt, dass normalerweise nicht sein Fachgebiet ist, sitzt er oder sie sehr schnell Klischees auf, ich denke davor ist keiner von uns gefeiht.
Im Besonderen dann nicht, wenn man von den Diskursen wenig Ahnung hat, oder nie das entsprechende Methodenset mitbekommen hat, mit entsprechendem Material fachgerecht umzugehen.

Ich habe nichts mit dieser Kolonialgeschichte zu tun, und sofern mir bekannt, auch meine direkten Vorfahren nicht.
Herzlichen Glückwunsch, aber was hat das mit dem Thema hier zu tun?

Was den restlichen letzten Absatz angeht, möchte ich an die Forenregeln und die Unzulässigkeit tagesaktueller politischer/weltanschaulicher Diskurse erinnern.
 
Ansonsten ist gerade im Hinblick auf den Imperialismus des 19. und 20. Jahrhunderts offensichtlich, dass der nicht immer unbedingt ökonomischen Gesichtspunkten folgte, sondern vielfach eine Prestigeangelegenheit war, denn andernfalls ist völlig unerklärlich, warum die Kolonialmächte an Kolonien, die überhaupt keinen Profit einbrachten, sondern laufende Defizite verursachten festhielten, anstatt sie zwecks Verbesserung ihrer Bilanz wieder abzustoßen.
Goßmachtallüren und Prestige zusätzlich zu merkantilistischem Gewinnstreben (darunter auch Sklavenhandel!) scheinen mir auch vor dem Imperialismus des 19. und 20. Jhs. gelegentlich die Gründe für das Einrichten von Kolonien in Übersee und Afrika gewesen zu sein: man denke an die kurzlebige brandenburgisch-preussische Kolonie Groß Friedrichsburg (Kolonie) – Wikipedia deren kurze Geschichte sich interessant liest im Hinblick auf die Diskussion hier:
Jan Connys Weigerung, die brandenburgische Festung an die Holländer zu übergeben, wurde im 19. und 20. Jahrhundert von Befürwortern eines deutschen kolonialen Engagements in Afrika zu Propagandazwecken genutzt.
In verschiedenen Berichten über den „letzten Negerkönig des Kurfürsten von Brandenburg Preußen“ sowie einem Gedicht von Fedor von Köppen wird die Besetzung und Verteidigung der Festung Groß Friedrichsburg durch Jan Conny als Akt der „Treue zu Brandenburg“ gedeutet. Teil der Legende ist, dass Jan Conny die Festung schließlich unter Mitnahme der Brandenburger Flagge verlassen hat. In diesen Berichten wurde der Eindruck erweckt, dass es an der Guineaküste ein Gebiet gab, in dem die Einheimischen noch immer auf eine Rückkehr preußischer Kolonialherren warteten. Das koloniale Engagement gegen Ende des 19. Jahrhunderts war im Deutschen Kaiserreich nicht unumstritten, und die Legende vom preußischen Negerkönig diente den Befürwortern als Argument. Die Legende hielt sich hartnäckig, und als Mitte der 30er Jahre des 20. Jahrhunderts die Nationalsozialisten ebenfalls koloniale Pläne für Afrika hatten, entsandten sie eine Expedition zu den Ruinen Groß Friedrichsburgs, wo sie angeblich immer noch auf Menschen trafen, die die Erinnerung an die gute Kolonialzeit unter den Brandenburg-Preußen bewahrten.
zitiert aus Jan Conny – Wikipedia

Verblüffend, dass in diesem Kontext später - Kolonialbestrebungen im Vormärz (sic!) - der Komponist Richard Wagner (der sich gerne zu allerlei Themen ausließ, auch wenn von vielen davon nichts verstand...) auftaucht...!
Nun wollen wir in Schiffen über das Meer fahren, da und dort ein junges Deutschland gründen. Wir wollen es besser machen als die Spanier, denen die neue Welt ein pfäffisches Schlächterhaus, anders als die Engländer, denen sie ein Krämerkasten wurde. Wir wollen es deutsch und herrlich machen.
siehe Geschichte der deutschen Kolonien

Bzgl. Vormärz (einerseits Revolution, bürgerliche Freiheit, Demokratiebestrebungen - andererseits beginnender Rassismus) interessant ist Ernst_Dieffenbach - liest sich zunächst nicht negativ, aber schaut man in das oben verlinkte Buch von H. Gründer, wird man auf Seite 23 ein schwer erträgliches Gesülze über die überlegene germanische Rasse aus Dieffenbach Feder ertragen müssen... und das hatte er 1848 der Nationalversammlung vorgelegt.

Erfreulich und edel ist das alles nicht.
 
Goßmachtallüren und Prestige zusätzlich zu merkantilistischem Gewinnstreben (darunter auch Sklavenhandel!) scheinen mir auch vor dem Imperialismus des 19. und 20. Jhs. gelegentlich die Gründe für das Einrichten von Kolonien in Übersee und Afrika gewesen zu sein: man denke an die kurzlebige brandenburgisch-preussische Kolonie Groß Friedrichsburg (Kolonie) – Wikipedia deren kurze Geschichte sich interessant liest im Hinblick auf die Diskussion hier:

Ja, aber spätestens ab dem 19. Jahrhundert kann man eigentlich durchaus feststellen, dass Großmachtsallüren und Prestigefragen nicht nur zusätzlich zum Gewinnstreben als Faktoren auftraten, sondern als einzige Faktoren, während von Gewinnstreben keine Rede mehr sein konnte.

Schau dir das deutsche Kolonialreich und seinen konkreten wirtschaftlichen Nutzen an. Der war unterm Strich negativ.
Trotzdem wurde die ganze Sache propagiert und man dachte nicht daran, die Gebiete freiwillig wieder aufzugeben.

Noch extremer war das sicherlich beim italienischen und beim spanischen Kolonialreich im 20. Jahrhundert.

Italien betrieb einen irrwitzigen finanziellen und militärischen Aufwand um die Lybischen Provinzen des Osmanischen Reiches unter seine Kontrolle zu bekommen.
Wirtschaftlich war dieser Versuch letztendlich die Lybische Wüste zu kolonisieren, vollkommener Unfug.

Das spanische Festhalten an der Nordspitze Marokkos und der Versuch in Äquatorialguinea eine Kolonie aufzubauen ebenso.
Das kostete mehr, als es nutzte und das musste im Prinzip auch damals jedem klar sein.

Auch Portugals Kolonialreich war bereits ab dem Beginn des 20. Jahrhunderts ökonomisch eher ein Problem, als ein wie auch immer gearteter Vorteil.

Da passierte wirklich einiges, dass mit dem Versuch ökonomische Vorteile erringen nicht viel zu tun hatte.

Lenin ist in dieser Hinsicht im Hinblick auf seine Imperialismustheorie sicherlich dahingehend zu entschuldigen, dass es damals keine vergleichbare Quellenlage gab, die die laufenden Defizite diverser Kolonien ohne weiteres jedem offenlegte, so das man dort Profite hineinimaginieren konnte.

Inwiefern man das in dieser Form auf Groß-Friedrichsburg und andere Versuche dieser Art annehmen kann, weiß ich nicht.
Das waren ja nicht in diesem Sinne kostenintensive Flächenkolonien, von denen man sich durchaus Profite versprechen konnte, sei es durch lokalen Handel oder dadurch, dass sie als Stützpunkte fungieren konnten um weiter entfernte Märkte zu erreichen.

Ich würde in diesem Sinne zwischen wenn auch fehlgeschlagenen, aber nicht besonders kostenintensiven Stützpunkt-Kolonien un durchaus kostenintensiven Flächenkolonien unterscheiden wollen.

Bei letzteren ist, nach dem Stand der Forschung mittlerweile völlig klar, dass sie mitunter auch unter völliger Ausblendung/Ignoranz des wirtschaftlichen Nutzens "erworben" und betrieben wurden.
Bei den Stützpunktkolonien sehe ich das in dieser Form nicht, es sei denn, dass sie derartig abgelegen waren, dass weitere Handelsinteressen damit nicht verfolgt werden konnten.
Das würde ich aber im Bezug auf Groß-Friedrichsburg nicht gegeben sehen, da war wohl eher das Problem, dass keine hinreichende Seemacht dahinter stand, aber das allein machte die Kolonie nicht ökonomisch prinzipiell unsinnig.
 
Schau dir das deutsche Kolonialreich und seinen konkreten wirtschaftlichen Nutzen an. Der war unterm Strich negativ.
Trotzdem wurde die ganze Sache propagiert und man dachte nicht daran, die Gebiete freiwillig wieder aufzugeben.
ja sicher, das erwies sich dann unzweifelhaft - aber man installierte das nicht mit dem Wissen, dass es keinen Gewinn abwirft, sondern in der überheblichen Überzeugung, dass man Gewinne erzielen werde und obendrein "zivilisatorisch-kolonial" den einverleibten Gebieten eine Wohltat erweisen würde.
 
ja sicher, das erwies sich dann unzweifelhaft - aber man installierte das nicht mit dem Wissen, dass es keinen Gewinn abwirft, sondern in der überheblichen Überzeugung, dass man Gewinne erzielen werde und obendrein "zivilisatorisch-kolonial" den einverleibten Gebieten eine Wohltat erweisen würde.

Das man sich diese Kolonien mit einer gewissen Gewinnerwartung zulegte ist sicherlich richtig.
Auf der anderen Seite hielt man aber auch daran fest, als Klar wurde, dass diese Kolonien seit über 3 Jahrzehnten mehr kosteten, als sie einbrachten und dass da absolut keine Trendwende in Sicht war, so dass man annehmen musste, dass das auch mitelfristig ein Fass ohne Boden sein würde.

Die einzig sinnvolle Handlungsweise unter kapitalistischen Gesichtspunkten wäre gewesen, die Kolonien wieder aufzugeben.
Stattdessen wurde ja aber sogar noch eine Vergrößerung der überseeischen Territorien angestrebt.
Was das konkrete deutsche Interesse etwa an den portugiesischen Kolonien angeht, auch ganz klar mit dem Wissen seitens der Administration, dass man sich da Gebiete aufladen würde, deren Unterhalt mit ursächlich dafür war, dass sich Portugal kontinuierlich am Rand eines Staatsbankrotts bewegte.

Denn genau das Szenario eines portugiesischen Staatsbankrotts und die wirtschaftliche Notwendigkeit zur Abstoßung des kolonialen Besitzes seitens Lissabon hatte man in Berlin ja 1898 und 1913, als man mit den Briten wegen der Aufteilung der portugiesischen Kolonien verhandelte, im Auge.

Das tat man in diesem Fall auch obwohl man wusste, dass die mittelfristig eher Kostenfaktoren als Vorteil sein würden.
Im Hinblick auf das, was von italienischer Seite in Sachen Libyen betrieben wurde, das gleiche. Man wusste sehr gut, dass der Großteil des Gebiets, den man sich da aneignen wollte eine unfruchtbare Wüste war, die in 100 Jahren keine Gewinne abwerfen würde.
Aber man wollte eben irgendwas vorzeigbares haben um bei den anderen Kolonialmächten mit am Tisch sitzen zu wollen.
 
Das Konzept müsstest du mir mal erklären.(...)
Was aber soll eine "sozioökonomische Überlegenheit" sein? Was hat man sich darunter bitte vorzustellen und an welchen Kriterien sollte man das messen können?

Meinst du das ernst? o_O

Eine Gesellschaft, die nach Millionen zählt, hat in Auseinandersetzungen Vorteile gegenüber einer, die es nach dutzend tut.

Eine Gesellschaft, die einen Teil der Bevölkerung zu hauptberuflichen Soldaten machen kann, hat in Auseinandersetzungen Vorteile gegenüber einer, die das nicht kann. Gar nicht so sehr wegen der größeren Professionalität, aber weil letztere irgendwann gezwungen sind, sich wieder dem Jagen, Sammeln, Vieh hüten oder Ackerbau zuzuwenden, um nicht zu verhungern.

Eine Gesellschaft, die es logistisch und organisatorisch schafft, zigtausend Menschen an einem Ort zu versammeln und sie dort zu versorgen, hat in Auseinandersetzungen einen Vorteil gegenüber Gesellschaften, in denen bei solchen Versammlungen jeder ein paar Wurststullen mitbringt, und wieder nach Hause muss, wenn die aufgegessen sind.

Eine Gesellschaft, die durch eine zentrale Verwaltung getroffene Entscheidungen effizient durchsetzen kann, hat in Auseinandersetzungen einen Vorteil gegenüber Gesellschaften, bei der jede kollektive Entscheidung durch langwierige Debatten entschieden werden muss, und diese Entscheidungen von jedem Einzelnen in Frage gestellt werden können.
 
Vielen Dank, @Reinecke, für die Erwiderung auf @Shinigamis Postings, die von einfachen Denkmustern nur so strotzen. Eigentlich beschäftige ich mich nicht mit seinen Postings, aber hier will ich doch ein Beispiel bringen:
Mal ganz davon abgesehen, würde mich interessieren, wie du zu der Annahme kommst, wenn du auf der anderen Seite schon den Ägyptern und Römern kolonialistisches Tun unterstellst, denn das waren nun nach so ziemlich jeder bekannten Definition von Kapitalismus vorkapitalistische Gesellschaftsformen.
Wer, wie hier @Shinigami, meint, den Einsatz von Kapital zum Zwecke der Gewinnerzielung hätte es vor der Epoche des Kapitalismus nicht gegeben, dem ist nicht zu helfen.
 
Postings, die von einfachen Denkmustern nur so strotzen.
Eigentlich bist doch Du der Typ, der hier mit äußerst schlichten Denkmustern brilliert...

Wer, wie hier @Shinigami, meint, den Einsatz von Kapital zum Zwecke der Gewinnerzielung hätte es vor der Epoche des Kapitalismus nicht gegeben, dem ist nicht zu helfen.
Und wie kommst Du darauf, dass Shinigami das meint? Geschrieben hat er es jedenfalls in den von Dir zitierten Zeilen nicht.

Da Du hier von der Epoche des Kapitalismus sprichst, wann hat diese Epoche Deiner Meinung nach begonnen?
 
Schau nach - er hat was von vorkapitalistischen Gesellschaftsformen geschrieben und ich habe das, zugegeben, etwas salopp umformuliert. Ich finde, man kann trotzdem sehen, was er und was ich gemeint haben.
 
Meinst du das ernst? o_O
Jo, ich meine das sehr ernst.

Eine Gesellschaft, die nach Millionen zählt, hat in Auseinandersetzungen Vorteile gegenüber einer, die es nach dutzend tut.

Ist das so? Ich dachte immer die Opium Kriege wären für die Briten besser ausgegangen, als für das Chinesische Reich.
Man lernt nie aus......

Mal davon abgesehen, hatte ich die simple Frage gestellt, was er dann nun unter "sozioökonomischer" Überlegenheit verstanden haben will, denn darunter kann man alles und nichts verstehen.
Du verstehst darunter Bevölkerungsgröße, der nächste versteht darunter zur Verfügung stehendes Investmentkapital oder Konzepte à la kultureller Macht im Rahmen von Softpower etc.
Ich hätte ganz einfach gerne gewusst gehabt von was genau @Dion da redet, denn noch unklarer als mit der völlig beliebigen Worthülse "sozioökonomische Überlegenheit" kann man sich ja nicht ausdrücken und deswegen hatte ich auch explizit nachgefragt, was das nun sein soll.

Eine Gesellschaft, die einen Teil der Bevölkerung zu hauptberuflichen Soldaten machen kann, hat in Auseinandersetzungen Vorteile gegenüber einer, die das nicht kann.

Nur dann, wenn man sie im rahmen eines konventionellen Krieges zum Einsatz bringen kann. Im Rahmen einer asymetrischen Auseinandersetzung ist es wesentlich vorteilhafter Teilzeit-Guerillias zu haben, die sich, wenn sie nicht gerade aggieren weitgehend selbst versorgen und tragen können und dadurch keine Kosten verursachen, während das Handlungsunfähige stehende Heer der Gegenseite jeden Tag Unsummen verschlingt.
Ich dachte eigentlich, dass das durch Ereignisse wie Vietnam und Afghanistan mittlerweile klar wäre.

Ob das ein Vorteil ist oder nicht hängt massiv davon ab, ob die Gegenseite dazu in der Lage ist die Auseinandersetzung zu entschleunigen.

Eine Gesellschaft, die es logistisch und organisatorisch schafft, zigtausend Menschen an einem Ort zu versammeln und sie dort zu versorgen, hat in Auseinandersetzungen einen Vorteil gegenüber Gesellschaften, in denen bei solchen Versammlungen jeder ein paar Wurststullen mitbringt, und wieder nach Hause muss, wenn die aufgegessen sind.

Siehe oben.

Eine Gesellschaft, die durch eine zentrale Verwaltung getroffene Entscheidungen effizient durchsetzen kann, hat in Auseinandersetzungen einen Vorteil gegenüber Gesellschaften, bei der jede kollektive Entscheidung durch langwierige Debatten entschieden werden muss, und diese Entscheidungen von jedem Einzelnen in Frage gestellt werden können.

Ja, das mag sein, aber eine zentral organisierte Gesellschaft hat eben auch das Problem, dass sie ein zentrales Gehirn hat und sie aufhört effektiv eine Auseinandersetzung führen zu können, wenn dieses lahmgelegt ist.
Nicht zentral organisierte Gruppen haben es wesentlich leichter asymetrisch zu aggieren.

Das gesamte hochentwickelte Römische Reich mit seiner zentralen Organisation und seiner Waffentechnik hat es in einer Zeitspanne von mehreren Jahrzehnten nicht gebacken bekommen das rechtsrheinische Germanien sauber zu pazifizieren.
Weder die Briten noch die Sowjets, noch die Amerikaner haben es über Jahrzehnte hinbekommen sich auf Dauer in Afghanistan festzusetzen.

Scheint eben doch nicht ganz so einfach zu sein die Gleichung.


Wer, wie hier @Shinigami, meint, den Einsatz von Kapital zum Zwecke der Gewinnerzielung hätte es vor der Epoche des Kapitalismus nicht gegeben, dem ist nicht zu helfen.

Ich weiß nicht, wo ich das behauptet haben soll.
Du warst derjenige, der den Kapitalismus als ursächlich für den Kolonialismus/Imperialismus bzw. dessen Triebfeder bezeichnet hat und gleichzeitig eine Argumentation herausgehauen hat, nach der die alten Ägypter und Rom angeblich Kolonialismus betrieben hätten.
Ergo hälst du das alte Ägypten und das Römische Reich offenbar für kapitalistische Gesellschaften.

Meine Frage wäre an dieser Stelle, nach welcher Definition von Kapitalismus sich dieses Postulat rechtfertigen ließe.
So weit mir bekannt gibt es im Grunde 2 gängige Definitionen davon, wann Kapitalismus beginnt. Einmal das Abzielen auf den spätmittelalterlichen und frühneuzeitlichen Kaufmanns-Kapitalismus, etwa ab dem 15- und 16. Jahrhundert.
Oder aber, wenn man in dieser Hinsicht Marxist ist, die Durchsetzung der "kapitalistischen Produktionsweise" nach Marx, wo wir dann im ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhundert wären.

Beides ist von Ägypten und Rom eine ganze Ecke weg.
 
Zuletzt bearbeitet:
...das Geplänkel, wer was gesagt/geschrieben hat, führt uns nicht weiter - ich erinnere an das Wagnerzitat (span. Kolonialismus = pfäffisches Schlachthaus, brit. Kolonialismus = Krämerkasten) und die naive "Vision", ein deutscher Kolonialismus - 1848! - würde alles besser machen.
Das interessante daran ist nicht, ob der Dresdner Kapellmeister da was schlaues oder gar wahres sagt, sondern die Tatsache, dass dieses Zitat eine kritische, ja ablehnende Sicht auf den in seiner Zeit historischen spanischen und aktuell britischen Kolonialismus enthält. Letzterer wird negativ mit Merkantilismus, evtl "Kapitalismus" in Verbindung gebracht. Die Vision eines notwendigen (?) deutschen Kolonialismus weist dann in Dieffenbachs Perspektive rassistische Motivation auf (die germanische Rasse als angeblicher Kultur- und Gesundheitsträger möge die Welt verbessern... was für ein Scheiß, aber 1848 mit Aplomb vorgetragen)
Ergo: bevor es überhaupt zu Kolonien des 1871 gegründeten Kaiserreichs kam, gab es für Kolonialbestrebungen schon "einschlägie" Ideologien. Und parallel dazu die Absicht, im "weltpolitischen Konzert" militärisch (Flotte, Flottenstützpunkte) und machtpolitisch mitzumischen - und quasi wie ein kleines Kind, das "ich will das auch haben" kräht, zählte man Kolonien (weil die anderen das auch haben und damit großtun) dazu. Ein Konglomerat aus völkisch-rassistischer Überheblichkeit, Prestige, Machtstreben und freilich auch die Absicht, davon wirtschaftlich zu profitieren. Es anders als die "kapitalistischen Krämer" zu machen, war nach 1848 vom Tisch: die Kolonialgesellschaften rechneten mit Gewinnen. Gewinne in Wirtschaft, Macht und Prestige.
Aber der weitere Verlauf zeigte, dass nicht alle aus "ihren" Kolonien Gewinne erzielen konnten.
 
Eine Gesellschaft, die nach Millionen zählt, hat in Auseinandersetzungen Vorteile gegenüber einer, die es nach dutzend tut.
Ist das so? Ich dachte immer die Opium Kriege wären für die Briten besser ausgegangen, als für das Chinesische Reich.
Man lernt nie aus......
Reinecke hat ja nun nicht gesagt, dass die Gesellschaft, die Vorteile hat, damit automatisch jeden Krieg gewinnt.

Diskussionen, in denen Strohmann-Argumente ausgetauscht werden, werden gern etwas zäh...
 
Äh, Sry, auch das ist in diesem Sinne Unsinn.
Ein typischer Bewohner der Nordküste Marokkos war in seiner Hautfarbe von einem Bewohner Andalusiens oder Siziliens offensichtlich kaum zu unterscheiden.
Dennoch konnte er im Gegensatz zu den beiden Letztgenannten in Europa in die Sklaverei geraten, nicht wegen seiner Hautfarbe, sondern weil er in der Regel kein Christ war.
Die Konzepte von Rasse und reinen Blut entstanden auf der iberischen Halbinsel zur Zeit der Reconquista im ausgehenden 15. Jahrhundert. Die Unterscheidung der Religionsgruppen wurde nun "blutmäßig" verstanden und Muslime und Juden galten als den Spaniern fremde Rasse, obwohl es objektiv eben keine physische Unterschiede gab.
Aus diesen antisemitischen und antimuslimischen Vorstellungen entwickelte sich auch der koloniale Rassismus.

https://www.lai.fu-berlin.de/e-learning/projekte/caminos/lexikon/limpieza_de_sangre.html

Der Antisemitismus der Spanischen Inquisition ist ein Vorbote der Kolonialgreuel in Übersee.
Damit hat sich die Katze in den Schwanz gebissen.:eek:
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Konzepte von Rasse und reinen Blut entstanden auf der iberischen Halbinsel zur Zeit der Reconquista im ausgehenden 15. Jahrhundert. Die Unterscheidung der Religionsgruppen wurde nun "blutmäßig" verstanden und Muslime und Juden galten als den Spaniern fremde Rasse, obwohl es objektiv eben keine physische Unterschiede gab.
Aus diesen antisemitischen und antimuslimischen Vorstellungen entwickelte sich auch der koloniale Rassismus.

Das halte ich ehrlich gesagt für eine deutliche Überbewertung dieses Konzeptes.

Denn hätte man die Ausdeutung von Religion als blutsmäßig determinierte Angelegenheit tatsächlich übernommen, hätte das logischerweise das Ende jeglicher Missionsbestrebungen und deren Unterstützung nach sich ziehen müssen.

Im Hinblick auf die Iberische Halbinsel, die Vertreibung von Nichtchristen und "Conversos", mag man diese Linie bestätigt sehen.
Sie widerspricht aber vollkommen der Linie, die in den Kolonien und in den spanischen Niederlanden eingeschlagen wurde, wo man ja durchaus versuchte das katholische Christentum durchzusetzen und die entsprechenden missionierenden Orden auch massiv förderte.
Das widerspricht der Vorstellung, dass religiöser Glaube blutsmäßig determiniert sein könnte aber zutiefst.

Auch musste diese Vorstellung im Bezug auf die Reformation bereits an ihre Grenzen stoßen, wenn der Glaube rassistisch determiniert gewesen wäre, hätte es ja ganz unmöglich sein müssen, dass neue Glaubensrichtungen entstanden und sich durchsetzten.

Insofern wurde dieses Konzept jedenfalls nicht stringent verfolgt.

Was ansonsten die Piraterie und Sklaverei im Mittelmeerraum angeht, so waren darin ja nicht nicht nur Akteure von der iberischen Halbinsel involviert, sondern auch solche, die aus den italienischen Seestädten und vvon der französischen Mittelmeerküste stammten und von dort aus operierten.
Jedenfalls in die Piraterie war auch der Malteserorden verstrickt, ich weiß nicht, inwiefern das dezidiert auch auch für das Versklaven und den Sklavenhandel gilt, da müsste ich mich schlau machen.

Jedenfalls spielten da auch eine Menge anderer Akteure mit, für die man ein Mindset, dass auf der iberischen Halbinsel vielleicht galt, nicht so unbedingt voraussetzen kann.
 
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