War das Mittelalter ein Rückschritt?

Wenn Du nicht immer Deine Moralkeule schwingen würdest, könnten wir viel sachlicher über Geschichte diskutieren.
Ja, manchmal schlage ich über das Ziel, tut mir leid.

Was ich nicht ausstehen kann, sind z.B. Relativierungen, selbst wenn sie vom Autor des Beitrags nicht so gemeint waren. Und du z.B. bringst solche Sachen laufend.

Oder die Sache mit der Zerstörung des Serapeions in Alexandria. Du hast, anders als andere, gleich gesagt, dass das stattgefunden hatte. Aber dann kommt auch von dir so ein Einwand wie: Wer weiß, ob zu diesem Zeitpunkt dort noch Bücher waren. Das sind für mich Rückzugsgefechte, so nach dem Motto: Es wird nur zugegeben, was nicht zu leugnen ist.

Dieses nur Zugeben, was nicht zu leugnen ist, war und ist die Strategie der katholischen Kirche, gut zu sehen z.B. in Bezug auf die Erschaffung/Entstehung der Welt: Über die Bekämpfung des heliozentrischen Weltbildes etc. sind wir über Jahrhunderte jetzt beim Intelligent Design angelangt (bitte jetzt keine Diskussion darüber, denn diese Bemerkung dient hier nur zur Illustration, was ich mit Rückzugsgefechten meine).
 
Was ich nicht ausstehen kann, sind z.B. Relativierungen, selbst wenn sie vom Autor des Beitrags nicht so gemeint waren. Und du z.B. bringst solche Sachen laufend.

Ich mache das, was Du forderst:
"Aber man muss das in Relation sehen: Was war zu einer bestimmten Zeit Usus, und was nicht."

Warum Du das nicht ausstehen kannst, wenn es jemand anders macht, verstehe ich nicht.


Oder die Sache mit der Zerstörung des Serapeions in Alexandria. Du hast, anders als andere, gleich gesagt, dass das stattgefunden hatte. Aber dann kommt auch von dir so ein Einwand wie: Wer weiß, ob zu diesem Zeitpunkt dort noch Bücher waren.
Das ist in einem Thread, wo es um die Verluste antiker Literatur geht. Wenn wir nicht wissen, ob sich im Serapeion zum Zeitpunkt der Zerstörung überhaupt Bücher befanden, trägt ein Bericht über die Zerstörung des Serapeions nichts, aber auch gar nichts zum Thema bei. Das und nichts anderes ist mein Einwand.


Dieses nur Zugeben, was nicht zu leugnen ist, war und ist die Strategie der katholischen Kirche, gut zu sehen z.B. in Bezug auf die Erschaffung/Entstehung der Welt: Über die Bekämpfung des heliozentrischen Weltbildes etc. sind wir über Jahrhunderte jetzt beim Intelligent Design angelangt (bitte jetzt keine Diskussion darüber, denn diese Bemerkung dient hier nur zur Illustration, was ich mit Rückzugsgefechten meine).
Bist Du eigentlich zur Zeit überhaupt noch in der Lage, Beiträge zur Sache zu schreiben?
 
Zuletzt bearbeitet:
Ja, manchmal schlage ich über das Ziel, tut mir leid.
Schön, dass du das auch bemerkst - und schwupps passiert es dir direkt nach dieser Einsicht erneut:
Was ich nicht ausstehen kann, sind z.B. Relativierungen, selbst wenn sie vom Autor des Beitrags nicht so gemeint waren. Und du z.B. bringst solche Sachen laufend.
Sei sicher: @Sepiola "relativiert" nirgendwo irgendwas, sondern argumentiert sachlich korrekt.
 
Das sind für mich Rückzugsgefechte, so nach dem Motto: Es wird nur zugegeben, was nicht zu leugnen ist.
Das sind keine Rückzugsgefechte. Als Tatsache anzunehmen ist lediglich was sich nachweisen lässt oder allenfalls wofür es sehr starke Indizien gibt, alles andere gehört in den Bereich der Spekulation.

Der Umstand dass du es persönlich für plausibel hältst, dass es dort Bücher gegeben haben könnte/müsste/sollte, ist weder ein Nachweis noch ein Indiz, es ist eine rein spekulative Annahme, die aus den Quellen nicht hervor geht.

Du selbst hast mit dem Text von Johannes Hahn ein plausibles Gegenargument geliefert.
Und zwar mit der Passage:

"Immerhin war unserem Autor zum Zeitpunkt der Abfassung von Pro Templis, nur wenige Jahre zuvor, eine potentielle Gefährdung des Alexandriner Tempels sehr wohl bewusst; dies indiziert sein frommer Wunsch, das Serapeum möge von Zerstörung verschohnt bleiben." (S.244).

In dem Augenblick, in dem eine potentielle Gefährdung des Serapeums den Zeitgenossen durchaus bewusst war und man mit einem Vorgehen gegen diesen Tempel rechnen musste, liegt es nahe dass sich die nichtchristlichen Bewohner Alexandrias auch Gedanken darüber machten, wie in einem solchen Fall das Inventar des Tempels zu retten sei, respektive, was man vorsorglich auslagern könnte.

An diesem Punkt wirst du nicht widersprechen können, dass die Möglichkeit, dass gegebenenfalls dort lagernde Bücher rechtzeitig in Sicherheit gebracht worden sein könnten im Kern nicht unplausibler ist, als deine Behauptung, dass sie dabei zerstört worden wären.


Dieses nur Zugeben, was nicht zu leugnen ist, war und ist die Strategie der katholischen Kirche, gut zu sehen z.B. in Bezug auf die Erschaffung/Entstehung der Welt: Über die Bekämpfung des heliozentrischen Weltbildes etc. sind wir über Jahrhunderte jetzt beim Intelligent Design angelangt (bitte jetzt keine Diskussion darüber, denn diese Bemerkung dient hier nur zur Illustration, was ich mit Rückzugsgefechten meine).

Ich weiß nicht, was diese Passage soll, weil dieser Vergleich doch schon sehr hinkt.

Es verbietet dir niemand deine Ansichten zum Thema Bücherverluste zu haben und zu verbreiten. Sofern sie aber weiterhin nicht durch die Überlieferung zu stützen sind, oder nur mit einiger kreativer Interpretation der Überlieferung und persönlichen Annahmen, wird das bei jedem der sich die Sache einigermaßen neutral betrachtet eher wenig Anklang finden.
Und das hat absolut nicht damit zu tun in irgendeiner Form irgendwelche Kirchen zu verteidigen, sondern einfach damit, dass deine Argumentation nicht stichhaltig ist, weil du andere Interpretationsmöglichkeiten und Erklärungsansätze ignorierst.

Und in Antworten anderer interpretierst du auch sehr gerne hinein, was du willst, so aber nicht gesagt wurde:

Oder die Sache mit der Zerstörung des Serapeions in Alexandria. Du hast, anders als andere, gleich gesagt, dass das stattgefunden hatte.

Es hat in der gesamten Diskussion niemand bestritten, dass das Serapeion zerstört wurde. Zeig mir mal die Stelle wo das stattgefunden haben soll.
 
Klar, aber Protestanten gibt es erst seit dem 16. Jahrhundert, also erst in der Neuzeit. Ich sprach aber von der Spätantike und Frühmittelalter, was unschwer an dieser Formulierung zu erkennen ist - Zitat: Aber während zu paganer Zeit der Alphabetisierungsgrad der Bevölkerung verhältnismäßig hoch war, ging es damit in der christlichen Zeit bergab.

Ich hatte mich keineswegs auf diesen Satz bezogen. Du hast mich zuvor zitiert:

Der kulturelle Niedergang im lateinischen Westen ist nicht der römischen Kirche zu verdanken, sondern der Auflösung des westlichen Teils des Römichen Reiches und Ablösung durch viele Kleingebiete völkerwanderungszeitlicher Stammesherrschaften, verbunden mit der umfassenden Deurbanierung.
Deine Entgegnung:

Das war auch mitursächlich für den Niedergang, keine Frage.

Aber während zu paganer Zeit der Alphabetisierungsgrad der Bevölkerung verhältnismäßig hoch war, ging es damit in der christlichen Zeit bergab. Eine der Gründe war es, dass Bischöfe den Nachwuchs nur noch für ihren eigenen, kirchlichen und staatlichen Bedarf förderten, für alle anderen gab es keine Lehrer und dementsprechend auch keine Schüler mehr – und weil Nichtkleriker bald nicht mehr lesen konnten, brauchte man für sie auch keine Bücher und natürlich auch keine Bibliotheken mehr.

Ich darauf:
Das ist schlicht ein wirres, pauschales wie selektives Mischmasch...über alle Regionen, Kontinente Herrschaftsgebiete, Staaten, Ethnien, Zeiten und Kulturen hinweg.

Wenn schon: Die Protestanten legten großen Wert auf die eigene Fähigkeit, die Bibel lesen zu können. Die frühen Klöster waren Zentren auch der Wissensvermittlung, Kultur, Schriftensammlung und -tradierung. Gerade in den kulturell verarmten Völkerwanderungsgebieten Europas.

Ein bedeutsamer Import antiker und islamisch-arabischer Schriften, Kenntnisse und Wissenschaften fand mit Hilfe der Toledanischen Bischofskirche statt. Die Gründungen der ersten europäischen Unis waren wesentlich auf Initiative bischöflicher und kirchlicher Kreise geschehen - Paris, Bologna.

Die byzantinischen Gelehrten und die von dort mitgebrachten Schriftenkonvolute waren wesentliche Initiatoren des Renaissance-Humanismus im 14. Jh. in Italien.


Der von Dir behauptete Effekt im Westen setzte natürlich erst mit der beginnenden Auflösung und der Auflösung des Westteils des Römischen Reiches ein...
Und so wird in Deinem Beitrag über die Kleinherrschaften der Völkerwanderungs-Ethnien in Nachfolge der aufgelösten weströmischen Gebiete einfach das Emblem 'christlich' darüber gehängt und es mit dem Zustand eines noch römisch-paganen Westen des Reiches verglichen.

Zu Deinen Zeilen:

Aber während zu paganer Zeit der Alphabetisierungsgrad der Bevölkerung verhältnismäßig hoch war, ging es damit in der christlichen Zeit bergab. Eine der Gründe war es, dass Bischöfe den Nachwuchs nur noch für ihren eigenen, kirchlichen und staatlichen Bedarf förderten,

Die Bischöfe hatten auch 'davor', weder allgemein im Römischen Reich, noch im westlichen, noch im östlichen Teil, einen allgemeinen Bildungs- bzw. Ausbildungsauftrag wahr- und übernommen.
Und im 'Osten' war das schon gar nicht die neue Ursache für die bei und nach Justinian I. vermutlich zurück gehende Alphabetisierungsrate.

Es bleibt konfus.
 
Ja, manchmal schlage ich über das Ziel, tut mir leid.

Was ich nicht ausstehen kann, sind z.B. Relativierungen, selbst wenn sie vom Autor des Beitrags nicht so gemeint waren. Und du z.B. bringst solche Sachen laufend.

Oder die Sache mit der Zerstörung des Serapeions in Alexandria. Du hast, anders als andere, gleich gesagt, dass das stattgefunden hatte. Aber dann kommt auch von dir so ein Einwand wie: Wer weiß, ob zu diesem Zeitpunkt dort noch Bücher waren. Das sind für mich Rückzugsgefechte, so nach dem Motto: Es wird nur zugegeben, was nicht zu leugnen ist.

Dieses nur Zugeben, was nicht zu leugnen ist, war und ist die Strategie der katholischen Kirche, gut zu sehen z.B. in Bezug auf die Erschaffung/Entstehung der Welt: Über die Bekämpfung des heliozentrischen Weltbildes etc. sind wir über Jahrhunderte jetzt beim Intelligent Design angelangt (bitte jetzt keine Diskussion darüber, denn diese Bemerkung dient hier nur zur Illustration, was ich mit Rückzugsgefechten meine).

Die Lehre von Kopernikus galt aber keineswegs als Ketzerei, sondern als Außenseitermeinung und Hirngespinst, und das war bei Katholiken wie Protestanten gleichermaßen der Fall. Endgültig bestätigt wurde Kopernikus eigentlich erst von Keppler und Newton.
 
----militärtechnischer Exkurs (da kann der Festungsfreak die Füße nicht stillhalten)----
Unsicher, ob es sich um eine Erfindung der Kreuzfahrer oder Muslim handelt ist eine fortifikatorische Neuerung, die z.B. in Krak de Chevaliers zu beobachten ist: Unterere Teil der Burg- oder Stadtmauern werden abgeschrägt. Das hat zwei Effekte: Die Kraft von Rammen auf Mauern wird wenigstens ein bisschen abgeleitet und - und das ist wohl fast wichtiger - der tote Winkel, der sich durch die Mauer ergibt, wird ausgeglichen.
Das ist eine interessante Deutung der abgeschrägten Burgmauer! Dient sie nachweislich dem vermeiden von toten Winkeln, oder ist sie eher notwendig für die Stabilität der Mauer?
(nebenbei: vor der Burg- oder Stadtmauer liegt der Hauptgraben, dieser ist oft (nicht immer) abgeböscht, d.h. er hat schon zur Mauer hin eine Schräge)
Deine Darstellung des toten Winkels ist "von oben" - von oben hat z.B. ein Bogenschütze kein leichtes Ziel, auch bei einer leicht abgeschrägten Mauer nicht (je schräger sie würde, umso leichter wäre sie zu erklimmen: Sturmleitern lassen sich dann infolge banalster physikalischer Umstände nicht mehr umkippen...) und das herunterfallen lassen von allerlei Zeug wird auch etwas abgebremst.
Türme, die aus der Mauer herausragen, dienten der Flankierung der Mauer (man erkannte recht bald, dass gebogene, krumme Mauern (Ringwall-Form) keine Flankierung ermöglichen) - eine Erkenntnis, die fortifikatorisch immer relevanter wurde (zu Vorbauten, Zwinger etc) führte (der Barbakan in Warschau ist ein schönes Beispiel einer spätmittelalterlichen Flankierungsanlage des vor der Mauer gelegenen Hauptgrabens)
So weit ich mich an mittelalterliche und frühneuzeitliche Wehrbau"Theorie" erinnere, betraf der tote Winkel zunehmend das Problem, den Graben (eint zu allen Zeiten relevantes Hindernis für den Angreifer) von der Seite zu beherrschen (bestreichen) - damit hatte sich später u.a. Dürer ausführlich beschäftigt.

Ansonsten: die vielgelobte Organisation (nebst Drill) der kaiserzeitlichen regulären römischen Armeen (Legionen) war aus vielerlei Gründen in der Spätantike sozusagen aus der Mode gekommen (evtl. war Ostrom noch ein paar Jahrhunderte auf diesem Gebiet "bewahrend", aber auch da verlor sich das später) - der (ursprünglich barbarische!) Panzerreiter wurde zur hochgelobten "Waffengattung". Der mittelalterliche Ritter ist prinzipiell nichts anderes als eine Weiterentwicklung/Fortsetzung dieser Waffengattung: hochspezialisiert, mobil, schnell, bestens ausgebildet - - die anfänglichen Erfolge der Kreuzfahrer beruhten meines Wissens auf der Effizienz dieser "Waffengattung": die "Truppenstärke" war nicht sonderlich hoch, aber die Wirkung heftig. Die islamischen Militärs benötigten einige Zeit, um gegen diese "Walze" wirksame Strategien zu entwickeln.

---genug vom Militärexkurs---
 
Mal so gefragt, gibt es eigentlich noch namenhafte Historiker die die Ansicht vertreten das Mittelalter sei ein Rückschritt gewesen? Mir kommt es so vor als sei diese Ansicht eigentlich aus der Mode gekommen...
 
Ich mache das, was Du forderst:
"Aber man muss das in Relation sehen: Was war zu einer bestimmten Zeit Usus, und was nicht."

Warum Du das nicht ausstehen kannst, wenn es jemand anders macht, verstehe ich nicht.
Selbst wenn die heidnischen Kaiser auch missliebige Bücher „verbrennen“ ließen, war das nicht das Gleiche wie die späteren „Verbrennungen“ durch die Christen, weil die Bibliotheken unter den Heiden meistens weiter bestanden, während das unter den Christen nicht mehr geschah – plötzlich sind diese Bibliotheken (z.B. des Trajans, Hadrians, Plinius') im Westen des Reiches nicht mehr vorhanden oder werden nicht mehr erwähnt.

Es gab nur noch kümmerliche Reste in Klöstern, und selbst diese enthielten im Wesentlichen nur theologische Bücher und Papst- oder Heiligenbiografien, die wissenschaftlichen Bücher und Belletristik (Vorsicht: Vergnügen!) kopierte man nicht. Damit ging altes Wissen verloren, was in den folgenden Jahrhunderten fast zwangsweise zum kulturellen und technischen Niedergang führte: Keine Bücher mehr – wozu dann schreiben und lesen lernen.

Die Ausnahme davon war der Klerus, aber der beschäftigte sich mit dem Seelenheil von Menschen, nicht mit Straßenbau, Viadukten, Aquädukten, archimedischen Schrauben, Terra Sigillata, Beton (Opus Caementicium aus dem z.B. die Kuppel des Pantheons in Rom gegossen wurde), "Griechischem Feuer" oder Hypokaust-Heizungen, geschweige denn mit Bädern, denn die Mönche sollten nicht mehr als 1-Mal im Monat baden, es sei denn, sie waren krank.

Es geht in diesem Faden um die Frage, ob Mittelalter im Vergleich zum römischen Reich ein Rückschritt war. Nun umfasst aber das Mittelalter 1000 Jahre, was die Frage zu beantworten schwierig macht. Und dann muss man noch unterscheiden zwischen West- und Ostrom.

Ich für meinen Teil denke, der Niedergang begann im Westen schon in der Spätantike, während im Osten das Leben mit Einschränkungen im Großen und Ganzen so weiter ging wie zuvor. (Was sagten damals die Besucher aus dem Westen, wenn sie aus Konstantinopel zurückkehrten? Die Leute dort seien dekadent. Wohl weil sie in einer 500.000 Einwohner Großstadt in geordneten Verhältnissen und in Prunk und Luxus lebten. Luxus galt ja als unchristlich, wie auch jede Art von Vergnügen.)

Jedenfalls funktionierte die Verwaltung des Reiches durch staatliche Beamte, die, anders als im Westen, keine Kleriker waren, sondern gut ausgebildete und bezahlte Laien, u.a. deswegen, weil Bibliotheken – und damit das angesammelte Wissen – zumindest in Konstantinopel und größeren Städten noch vorhanden waren; wäre dem anders, hätten die Araber nichts zum übersetzen gehabt.

Gut, auch dieses Reich schrumpfte, es gab unzählige Kaiser, Gegenkaiser und Uneinigkeit, doch all das und unzähligen Barbareneinfällen vermochten nicht, das Reich in die Knie zu zwingen. Das schafften erst die Brüder im Glauben: Als im Jahr 1204 die Kreuzfahrer des vierten Kreuzzugs die Reste der antiken Kultur beinahe ganz zerstörten (Umberto Eco hat in seinem Roman Baudolino das sehr anschaulich geschildert); davon hat sich Konstantinopel kulturell nicht mehr erholt und widerstand den späteren Angreifern noch weitere 250 Jahre nur dank seiner starken Mauern: Sie gaben erst den Kanonen nach, die übrigens ein Christ den Türken baute.

Wenn wir nicht wissen, ob sich im Serapeion zum Zeitpunkt der Zerstörung überhaupt Bücher befanden, trägt ein Bericht über die Zerstörung des Serapeions nichts, aber auch gar nichts zum Thema bei. Das und nichts anderes ist mein Einwand.
Und wenn man ein Dokument fände, in dem z.B. stünde, dass die Bibliothek 1 Jahr vor der Zerstörung des Serapeions noch intakt war, hieße dann wahrscheinlich, auch das sage nichts darüber, wieviel Bücher sich darin zum Zeitpunkt der Zerstörung befanden.

Auf diese Weise kann man alles anzweifeln.

Sei sicher: @Sepiola "relativiert" nirgendwo irgendwas, sondern argumentiert sachlich korrekt.
Ich bin nicht allein, dem Relativierungen in diesem Faden (vielleicht nicht von Sepiola) aufgefallen sind – siehe hier.

Und so wird in Deinem Beitrag über die Kleinherrschaften der Völkerwanderungs-Ethnien in Nachfolge der aufgelösten weströmischen Gebiete einfach das Emblem 'christlich' darüber gehängt und es mit dem Zustand eines noch römisch-paganen Westen des Reiches verglichen.
Ja, sicher – weil unter den heidnischen Kaisern auch schon ein Völkergemisch im Reich nicht nur lebte, sondern auch die kulturelle und technische Erungenschaften der römischen Zivilisation zu schätzen wusste.

Warum das funktionierte? Weil die heidnischen Kaiser den Stämmen und Völkern ihre Götter ließen, die christlichen aber sie verfolgten, ihre Götter und alles, was denen heilig war, vernichteten. Damit schafft man sich keine Freunde.

Ich frage mich an dieser Stelle, wieso muss ich das überhaupt extra erwähnen, schließlich ist das uns allen bekannt.

Mal so gefragt, gibt es eigentlich noch namenhafte Historiker die die Ansicht vertreten das Mittelalter sei ein Rückschritt gewesen?
Dazu reicht es hoffentlich, das zu zitieren:
Wie gesagt ging es ja um die Feststellung

- dass jeglicher Fortschritt auf dem Wissen von Gestern beruht
- dass dieses Wissen in Form von Schrift und Büchern über die Zeit getragen wurde
- dass der Erhalt und die Verbreitung von Büchern daher Voraussetzungen von Fortschritt waren
- dass der Verlust und die Vernichtung von Büchern den Fortschritt hemmt und verzögert
Und wenn 90 % der antiken Bücher verloren gegangen sind, dann war auch das Wissen verloren, das in diesen Büchern steckte. Die Errungenschaften der römischen Zivilisation, von denen ich oben in der Antwort an Sepiola schrieb, gerieten in Vergessenheit und mussten später (ab Hochmittelalter) wieder neu erfunden werden.
 
Dazu reicht es hoffentlich, das zu zitieren
Nein. Ich wollte wissen ob noch Experten diese Meinung vertreten. Also wie der Stand der Forschung ist.

Und wenn 90 % der antiken Bücher verloren gegangen sind, dann war auch das Wissen verloren, das in diesen Büchern steckte. Die Errungenschaften der römischen Zivilisation, von denen ich oben in der Antwort an Sepiola schrieb, gerieten in Vergessenheit und mussten später (ab Hochmittelalter) wieder neu erfunden werden.

Woher nimmst du die 90%? Außerdem haben die Römer nicht nur harte Wissenschaft betrieben sonder auch viel Esoterik etc Damit kann ein Mönch natürlich nichts anfangen.
 
Selbst wenn die heidnischen Kaiser auch missliebige Bücher „verbrennen“ ließen, war das nicht das Gleiche wie die späteren „Verbrennungen“ durch die Christen
Natürlich nicht, Du misst ja grundsätzlich mit zweierlei Maß. :D

Es ist überaus amüsant, zu lesen, wie Du Relativierung einforderst ("Aber man muss das in Relation sehen") und immer wieder mit großem moralischem Bohei verdammst.

weil die Bibliotheken unter den Heiden meistens weiter bestanden, während das unter den Christen nicht mehr geschah – plötzlich sind diese Bibliotheken (z.B. des Trajans, Hadrians, Plinius') im Westen des Reiches nicht mehr vorhanden oder werden nicht mehr erwähnt.
Ja, bis wann werden denn diese Bibliotheken noch erwähnt? Bring doch mal ein paar belegte Datierungen (muss nicht jahresgenau sein, Regierungszeiten und archäologisch ermittelte Zeitfenster tun's auch), damit wir über Fakten diskutieren können.

Und Christen gab es bekanntlich im Westen wie im Osten des Reiches, und die gehörten Deiner kürzlich geäußerten Meinung nach bis ins 11. Jahrhundert zu ein und derselben Kirche. (Die Homöer scheinst Du nicht zu den Christen zu zählen, das brauchen wir aber hier nicht auszudiskutieren.)

Und wenn man ein Dokument fände, in dem z.B. stünde, dass die Bibliothek 1 Jahr vor der Zerstörung des Serapeions noch intakt war, hieße dann wahrscheinlich, auch das sage nichts darüber, wieviel Bücher sich darin zum Zeitpunkt der Zerstörung befanden.

Auf diese Weise kann man alles anzweifeln.
Zweifel sind immer erlaubt, gegen Zweifel gibt es ein Mittel: Fakten liefern. Mit dem "alles anzweifeln" bist Du bei mir übrigens an der falschen Adresse. Wenn Du aus Quellen und/oder archäologischem Befund klare Indizien für eine Bibliothek zehn (oder in diesem Fall meinetwegen auch hundert Jahre) vor der Zerstörung beibringen kannst, wäre das aus meiner Sicht schon ein respektables Argument.

Um mal einen belegbaren und aufsehenerregenden Bibliotheksbrand ins Spiel zu bringen: 363 ließ Kaiser Jovian eine Bibliothek niederbrennen, die erst kurz zuvor sein heidnischer Vorgänger Julian eingerichtet hatte. Zur Vorgeschichte ist noch dies zu erwähnen:
Julian (Kaiser) – Wikipedia

Jovian glaubte nun möglicherweise, mit der Zerstörung der Bibliothek seines verhassten Vorgängers Popularitätspunkte sammeln zu können. Erreicht hat er genau das Gegenteil; er wurde von den Antiochenern genauso mit Protest und Spott überhäuft wie zuvor Julian.

Und wenn 90 % der antiken Bücher verloren gegangen sind, dann war auch das Wissen verloren, das in diesen Büchern steckte.
Nun, man kann darüber einen Jammergesang anstimmen (ich könnte aus dem Stegreif lange Listen von Schriften verfassen, von denen ich bedaure, dass sie verschollen sind), aber welchen Zweck hätte das?

Auch die 90% (falls die Zahl nicht völlig aus der Luft gegriffen sein sollte) muss man in Relation sehen: Es ist doch nicht schlecht, dass wir noch ca. 10% der antiken Bücher haben. Meine lange Liste würde auch etliche Schriften aus dem ostasiatischen Kulturkreis enthalten, da sieht die Überlieferung nach meiner unmaßgeblichen Einschätzung eher noch düsterer aus.

Die Herausgeber der modernen Edition des Han-Tang dili shuchao 漢唐地 理書鈔 schätzen, daß nach den Dynastien Yuan und Ming von den im Sui shu aufgeführten Werken nur noch etwa zehn Prozent erhalten blieben.
http://archiv.ub.uni-heidelberg.de/volltextserver/7287/3/3_Kapitel_1.pdf
Da geht es um einen Zeitraum von lediglich 1000 Jahren.
 
Selbst wenn die heidnischen Kaiser auch missliebige Bücher „verbrennen“ ließen, war das nicht das Gleiche wie die späteren „Verbrennungen“ durch die Christen, weil die Bibliotheken unter den Heiden meistens weiter bestanden, während das unter den Christen nicht mehr geschah – plötzlich sind diese Bibliotheken (z.B. des Trajans, Hadrians, Plinius') im Westen des Reiches nicht mehr vorhanden oder werden nicht mehr erwähnt.

Aha und weil etwas nicht mehr erwähnt wird oder dir jedenfalls keine Erwähnung mehr bekannt ist, existiert es nicht mehr und dass ist dann der Beweis dafür, dass die Christen es restlos plattgemacht hätten?

Könnte es demgegenüber sein, dass mit den gewaltigen Umbrüchen der Zeit die Bibliotheken aufgelöst, zusammengelegt, an andere Orte verlegt oder in andere Hände übergegangen sein könnten und einfach nicht mehr erwähnt werden, weil sie unter diesen Bezeichnungen nicht mehr existierten oder die Bestände an andere Orte ausgelagert wurden?

Es gab nur noch kümmerliche Reste in Klöstern, und selbst diese enthielten im Wesentlichen nur theologische Bücher und Papst- oder Heiligenbiografien, die wissenschaftlichen Bücher und Belletristik (Vorsicht: Vergnügen!) kopierte man nicht.

Das stimmt schlicht nicht. Natürlich lag das Hauptaugenmerk in den Klöstern auf Werken, die für die christliche Liturgie wichtig waren und natürlich waren die Möglichkeitenn zu Kopieren durch die Notwendigkeit zur Verwendung von Pergament und dessen vergleichsweise hohe Preise eingeschränkt.

Du kannst ja mal hochrechnen, wie viele Tiere geschlachtet hätten werden müssen um alle namentlich bekannten antiken Bestände auf Pergament zu kompieren.
Der Viehbestand des damaligen Europas hätte dazu vermutlich nicht ausgereicht.
Entsprechend: natürlich musste da auch immer wieder überdacht werden, was man weiterführen konnte und wozu die Mittel fehlten.

Das sich die Bestände der Kloster aber auf theologische Bücher beschränkt hätten und etwa als nützlich empfundene Abhandlungen zu Botanik, Gartenbau etc. und andere profane Dinge nicht geschätzt und kopiert worden wären, wo vorhanden, stimmt so nicht.

Davon ab, auch wenn man sicherlich viel auf die Klöster schauen muss, was die Tradition der Überlieferung angeht, auch der sich herausbildende Adel begann Bibliotheken anzulegen und das (nicht nur sakrale) Schrifttum durchaus zu fördern.
Nur waren diese Bestände eben i.d.R. der Masse des schriftkundigen Publikums nicht zugänglich.

Die Ausnahme davon war der Klerus, aber der beschäftigte sich mit dem Seelenheil von Menschen, nicht mit Straßenbau, Viadukten, Aquädukten, archimedischen Schrauben, Terra Sigillata, Beton (Opus Caementicium aus dem z.B. die Kuppel des Pantheons in Rom gegossen wurde), "Griechischem Feuer" oder Hypokaust-Heizungen, geschweige denn mit Bädern, denn die Mönche sollten nicht mehr als 1-Mal im Monat baden, es sei denn, sie waren krank.

Vielleicht erklärst du uns auch, wozu Städte, deren Einwohnerzahl, wenn es hoch kommt gegen die 10.000 oder 20.000 tendierte einen verdammten Aquädukt benötigen?
Das ist bei so geringen Einwohnerzahlen vollkommen unnötig, da genügt als Wasserversorgung und für die Abwasserentsorgung vollkommen der Fluss an dem die Stadt angelegt ist. Zumal man nördlich der Alpen ja ohnehin nie vor dem Problem vergleichbarer Wasserknappheit stand, wie im wesentlich wärmeren Süden.

Wozu hätte man sich in Klöstern mit Straßenbau beschäftigen sollen?
Die wesentlichen Grundlagen dazu hatten die Römer bereits geliefert, da musste man sich nicht viel neues ausdenken.
Mal davon ab, dass für Straßenbauprogramme antiken Ausmaßes überhaupt nicht genug Arbeitskraft vorhanden war.
Ich sag mal: eine Gemeinschaft von 50 oder 60 Mönchen hätte am Bau der via Appia lange stricken müssen.

Das war (auch im Hinblick auf die Bereitstellung des Materials) ohne Maschinen oder ein Heer von Sklavenarbeitern überhaupt nicht zu leisten, jedenfalls, wenn es vernünftig gepflastert sein sollte.
Wenn man ein ensprechendes Heer an Arbeitskräften nicht zur Verfügung hat und es auch keine Bevölkerungszentren gab, die diese Art befestigter Straßen tatsächlich benötigten um den Verkehr bewältigen zu können, machte das absolut keinen Sinn.


Was genau ist der unschlagbare Vorteil von Terra Sigilata gegenüber anderen Keramikwaren, der es gerechtfertigt hätte die entsprechenden Erden aus dem Mittelmeerraum hunderte von Km quer durch Europa zu importieren?

Wurde in der römischen Bauweise bekanntlich unter Beimengung von Vulkanasche produziert. Praktisch wenn man den Vesuv, die Campi Flegrei, den Ätna, den Stromboli etc. etc. in der Gegend hat, oder anders ausgedrückt, wenn man sich in einer vulkanisch recht aktiven Gegend mit ganz guter Meeranbindung befindet und sich das Zeug in größeren Mengen problemlos abholen kann.
Nutzte irgendwelchen Mönchen in Gegenden in denen das nicht der Fall war herzlich wenig.
Und diejenigen, die in vulkanisch aktiveren Gegenden lebten, mussten da auch nichts mehr erfinden, die Römer hatten es ja bereits für sie erfunden.
Weiterentwicklung wäre nur dann nötig gewesen, wenn man Bauten angestrebt hätte, für deren Errichtung das römische Material nicht mehr leistungsfähig genug war.

Die Realisierbarkeit von Bauwerken dieser Größenordnung musste dann wieder unweigerlich an den fehlenden Arbeitskräften scheitern.
Mit 50 Mönchen baut man keine größere Version des Pantheons. Wozu auch?

Jedenfalls funktionierte die Verwaltung des Reiches durch staatliche Beamte, die, anders als im Westen, keine Kleriker waren, sondern gut ausgebildete und bezahlte Laien, u.a. deswegen, weil Bibliotheken – und damit das angesammelte Wissen – zumindest in Konstantinopel und größeren Städten noch vorhanden waren; wäre dem anders, hätten die Araber nichts zum übersetzen gehabt.

Und dass diese Infrastruktur im Osten erhalten bleiben konnte, hat natürlich keinesfalls damit etwas zu tun, dass Papyrus als alternativer Schriftträger im Gegensatz zum lateinischen Westen verfügbar blieb und Papier früher verfügbar wurde, als im lateinischen Europa?

Und wenn man ein Dokument fände, in dem z.B. stünde, dass die Bibliothek 1 Jahr vor der Zerstörung des Serapeions noch intakt war, hieße dann wahrscheinlich, auch das sage nichts darüber, wieviel Bücher sich darin zum Zeitpunkt der Zerstörung befanden.

Nein, tut es auch nicht. Ein Jahr ist noch immer eine ganze Zeit um etwas auszulagern, im besonderen wenn sich die Zuspitzung des Konflikts länger anbahnete und eine Gefahr für das Serapheion, wie bei Hahn nachgewiesen, den nichtchristlichen Bewohnern Alexandrias durchaus bewusst war.

Das lässt sich nicht wegdiskutieren.
Zu einer sauberen Betrachtung gehört einmal die Erkenntnis und Würdigung von Nichtwissen.

Wenn du das nicht akzeptieren möchtest, weil dass nicht in dein persönliches Narrativ passt, kannst du das natürlich so halten, aber erwarte nicht, dass das irgenjemand anderes als irgendetwas anderes betachtet, als das was es ist, nämlich pure Spekulation.
Aus einer schlichten Möglichkeit wird schlechterdings keine Tatsache, nur weil man sie x-fach widerholt oder sich darüber beschwert, dass andere nicht bereit sind, sie als Tatsache anzusehen.


Ja, sicher – weil unter den heidnischen Kaisern auch schon ein Völkergemisch im Reich nicht nur lebte, sondern auch die kulturelle und technische Erungenschaften der römischen Zivilisation zu schätzen wusste.

Warum das funktionierte? Weil die heidnischen Kaiser den Stämmen und Völkern ihre Götter ließen, die christlichen aber sie verfolgten, ihre Götter und alles, was denen heilig war, vernichteten. Damit schafft man sich keine Freunde.

Ich frage mich an dieser Stelle, wieso muss ich das überhaupt extra erwähnen, schließlich ist das uns allen bekannt.

Veilleicht liest du ja einfach noch mal gründlich, was @andreassolar geschrieben hat?

Die Einlassung stellt klar nicht auf die Multiethnizität, sondern auf die Fragmentierung von Herrschaft ab und die war in diesem Ausmaße unter den vorchristlichen Kaisern nicht gegeben.

Und wenn 90 % der antiken Bücher verloren gegangen sind, dann war auch das Wissen verloren, das in diesen Büchern steckte.

Wo mit wir wieder bei dem Umstand wären, dass wir keine genaue Vorstellung haben, womit wir es bei der Masse an verlorenem Schriftgut überhaupt zu tun haben.
Woher weißt du denn, was da so an Wissen drinn steckte? Das kann man vielleicht bei einzelnen Werken, deren Name noch in erhaltener Literatur überliefert ist erahnen.
Für die Masse aber haben wir keinen Schimmmer davon.

Woher nimmst du die 90%?

Wüsste ich auch sehr gerne, denn die sugerieren ja, dass man überhaupt einen Gesamtüberblick über das irgendwann mal vorhandene antike Schriftgut hätte.
Hat man aber nicht.

Könnten genau so gut nur 50% sein. Könnten tatsächlich auch 98% sein. Die Zahl scheint mir rein ins Blaue geraten.
 
Zuletzt bearbeitet:
Und wenn 90 % der antiken Bücher verloren gegangen sind, dann war auch das Wissen verloren, das in diesen Büchern steckte. Die Errungenschaften der römischen Zivilisation, von denen ich oben in der Antwort an Sepiola schrieb, gerieten in Vergessenheit und mussten später (ab Hochmittelalter) wieder neu erfunden werden.
@Dion diese 90% wirken auf den ersten Blick erschreckend - gerade deshalb ist zu fragen, ob diese 90% denn nur und ausschließlich aus relevantem wissenschaftlichen Wissen bestanden.

Wir hatten, wenn auch verteilt auf mehrere Fäden, schon festgestellt, dass sowohl vor der Christianisierung als auch danach große Mengen an Zauberbüchern (und ähnlichem, schon damals "esoterischem" Mumpitz) verboten, beseitigt, verbrannt wurden. Von den 90% sind diese und ähnliches "Schriftgut" abzuziehen. Freilich konnte der Verdacht der Zauberei auch in der Sache Unverdächtige treffen, das kam vor.

Weiterhin ist zu bedenken: Bücher in Antike, Spätantike, Mittelalter waren keine Massenware und sie waren nicht ewig "haltbar" (mussten also kopiert werden) - d.h. sie hatten eine sehr kleine Auflage, ihre Herstellung sowie der Unterhalt von Bibliotheken war teuer. Fatalerweise waren die zivilisatorischen Errungenschaften, wo sie für die Gemeinschaft errichtet wurden (Thermen, Wasserleitungen, Bibliotheken, Schulwesen) finanziert von den "oberen Zehntausend" - und schon vor (!!) der Christianisierung setzte der Verfall dieses Finanzierungsmodells ein: ab dem 3.Jh. fanden sich immer weniger "big Spender" (Kurialenproblem). Den Thermen, Aquädukten, Theatern, Bibliotheken hatten nicht "die Christen" im 5.-6. Jh. den Garaus gemacht, denn sie waren schon vorher in weiten Teilen verödet (nur ganz oben an der Spitze, in Rom und Byzanz, gb es noch den öffentlichen Glanz der frühen Kaiserzeit) Spätantike, Mittelalter waren keine sonderlich friedlichen Zeiten: etliche Zerstörungen/Verluste dürften zudem auch ihre Ursache in Plünderungen etc, also in den unfeinen Begleitumständen kriegerischer Handlungen haben.

Zur Alphabetisierung: bestenfalls geringe, minimale Teile der neuen Militärherrscher im zerfallenden Westreich und seinen Nachfolge"Staaten", waren gebildet - das Gros der neuen Herrscher (Goten, Vandalen, Franken etc) war illiterat - verblüffend dann die karolingische Renaissance!!

Und noch was merkwürdiges: wie konnten die Mönche des Klosters Bebenhausen es schaffen, ein Hypocaustum zu installieren? -- sic!-- ihre Glaubensbrüder haben doch 90% des antiken Wissens angeblich zerstört, und wir kennen keine Fachliteratur zum wasserbaulichen römischen Ingeniuerswesen... und noch ein weiteres Hypocaustum aus dem späten 12.Jh. weist die Wartburg auf.

Ein gebetsmühlenartiges "die Christen, besonders die Katholen, haben alles putt gemacht" genügt nicht als Erklärung der Verluste antiker Literatur und genügt auch nicht als Pauschalbeweis dafür, dass das Mittelalter finster etc

obwohl "nur" Tante Wiki dennoch lesenswert: https://de.wikipedia.org/wiki/Bücherverluste_in_der_Spätantike
(kleiner Tipp beim lesen: alles wahrnehmen, nicht selektiv einzelnes aus dem Kontext rupfen)
 
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Woher nimmst du die 90%?
Die hat der zitierte @drmarkuse ins Spiel gebracht.

Die Frage ist, wie man "Bücher" definiert. Notizbücher, Kassenbücher und Tagebücher sind auch Bücher. Eine Unterscheidung zwischen gedruckten Büchern und handgeschriebenen Büchern greift für die Antike ja noch nicht. Und dann gibt es ja noch historisch relevante Schriftstücke wie Urkunden, Akten, Briefe, die an sich nicht zu den Büchern im engeren Sinn zählen, aber selbstverständlich auch in Buchform editiert werden können.

Außerdem haben die Römer nicht nur harte Wissenschaft betrieben sonder auch viel Esoterik etc Damit kann ein Mönch natürlich nichts anfangen.
Und auch viele "nützliche" Informationen sind irgendwann veraltet. Mit meinem dreißig Jahre alten Reiseführer finde ich zwar die historischen Sehenswürdigkeiten noch, aber die Eintrittspreise stimmen nicht mehr, mit dem Auto kommt man nicht mehr ins Stadtzentrum, die Buslinien haben sich auch geändert und die Restaurantempfehlungen kann man vergessen.
Wenn ich mir einen neuen Reiseführer kaufe, ist der alte praktisch völlig nutzlos; er taugt nur noch für nostalgische Erinnerungen.
Jede Bibliothek, ob privat oder öffentlich, sortiert laufend ältere Bücher aus, schon aus dem Grund, weil Platz geschaffen werden muss für neue Bücher.
 
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Das ist bei so geringen Einwohnerzahlen vollkommen unnötig, da genügt als Wasserversorgung und für die Abwasserentsorgung vollkommen der Fluss an dem die Stadt angelegt ist.
Für die Abwasserentsorgung sicherlich, aber zur Trinkwasserversorgung hat man wohl lieber Brunnen genutzt. In den Flüssen schwamm auch damals so manches mit, was man ungern im Trinkgefäß schwimmen sah.
 
Fatalerweise waren die zivilisatorischen Errungenschaften, wo sie für die Gemeinschaft errichtet wurden (Thermen, Wasserleitungen, Bibliotheken, Schulwesen) finanziert von den "oberen Zehntausend" - und schon vor (!!) der Christianisierung setzte der Verfall dieses Finanzierungsmodells ein: ab dem 3.Jh. fanden sich immer weniger "big Spender" (Kurialenproblem).

Die Reichskrise im 3. Jh. hatte gravierende wirtschaftliche, gesellschaftliche, politische und soziale usw. Folgen.

Nachweislich gingen erstmals massiv im 3. Jh. Schriften/Schriftrollen verloren, wurden nicht mehr kopiert, gelagert, erneuert.
 
Woher nimmst du die 90%? Außerdem haben die Römer nicht nur harte Wissenschaft betrieben sonder auch viel Esoterik etc Damit kann ein Mönch natürlich nichts anfangen.
Die 90 % habe ich vom @drmarcuse. Aber auch andere haben sich in diesem Forum ähnlich geäußert. Aber du hast mit der Bemerkung über die Mönche ins Schwarze getroffen: Die Mönche waren fast die einzigen die schreiben und lesen konnten, aber weil ihre Interessen woanders lagen, haben sie viele Schriften einfach links liegen gelassen – von Ausnahmen, die es auch gab, einmal abgesehen.

Ja, bis wann werden denn diese Bibliotheken noch erwähnt? Bring doch mal ein paar belegte Datierungen (muss nicht jahresgenau sein, Regierungszeiten und archäologisch ermittelte Zeitfenster tun's auch), damit wir über Fakten diskutieren können.
Ich habe keine Belege, aber hier gibt es Historiker, die das wissen oder zumindest wissen könnten, wo man nachschauen muss.

Es ist doch nicht schlecht, dass wir noch ca. 10% der antiken Bücher haben.
So kann man das auch sehen. Aber hier sind wir in einem Faden mit dem Titel „War das Mittelalter ein Rückschritt?“, und da muss ich sagen, dass so viel antiken Wissens verloren ging, war einer der Gründe für den kulturellen und wissenschaftlichen Rückschritt.

Erst als Einiges an im Westen verloren gegangenem Wissen im Hochmittelalter aus dem Osten zu uns kam, ging es sehr schnell wieder aufwärts. Dazu hat sicher auch die Alphabetisierungskampagne in der sog. karolingischen Renaissance beigetragen haben, denn nun gab es viel mehr Menschen, die schreiben und lesen und verstehen konnten, was die antiken Autoren geschrieben hatten – Zitat (Fettschreibung durch mich):

In der merowingischen Zeit war ein Niedergang der antiken Stadtkultur und ein allgemeiner Verfall der kirchlichen Organisation, der Liturgie, der Schriftkultur und der Baukunst eingetreten. Das Schulwesen war seit dem Ende des 5. Jahrhunderts weitgehend zum Erliegen gekommen. Man berichtete von Priestern, die nicht das nötige Latein beherrschten, um ein korrektes Vaterunser zu beten. Die Literatur der Antike, selbst der größte Teil der Literatur der christlichen Spätantike, war weitgehend in Vergessenheit geraten. Kein einziges Klassikerzitat lässt sich in der Zeit vom Ende des 6. bis zur Mitte des 8. Jahrhunderts in Kontinentaleuropa nachweisen. Dasselbe gilt für Abschriften von heidnischen Autoren der Antike.

Karl versammelte an seinem Hof spätestens seit dem Jahr 777 viele Gelehrte aus ganz Europa (Alkuin, Paulinus II. von Aquileia, Paulus Diaconus, Theodulf von Orléans). Damit war gewährleistet, dass die Hofschule noch jahrzehntelang ein Zentrum der lateinischen Gelehrsamkeit (Theologie, Geschichtsschreibung, Dichtung) blieb und von dort Anregungen ins ganze Frankenreich ausgingen.

Zu den Bestrebungen und Leistungen des Hofes um die Sammlung, Pflege und Ausbreitung der Bildung, die durchaus ein Reformprogramm genannt werden dürfen, gehörten


Man – oder besser: Karl – hat wohl erkannt, dass es ohne Bibliotheken und ohne Bildung kaum Verbesserungen auf dem kulturellen und wissenschaftlichen Gebiet geben konnte.

Ich habe heute keine oder kaum Zeit, auf alles einzugehen, aber eines muss ich noch loswerden: Es ist geradezu abenteuerlich zu argumentieren, dass es zu wenig Menschen gab, um die römischen Aquädukte und Straßen nach Zerstörungen wieder instand zu setzen; sie mussten ja nicht neu gebaut werden, sie mussten nur repariert und unterhalten werden. Aber selbst das hat man nicht gekonnt, wahrscheinlich, weil man nicht mehr wusste, wie man das macht bzw. wie der Beton herzustellen ist, obwohl Vitruv und Plinius dies beschrieben haben; jedenfalls wurde der (römische) Beton, wenn man der verlinkten Quelle trauen kann, nach 476 nicht mehr verwendet, erst im Hochmittelalter wieder – ich vermute, durch die Übersetzungen aus dem Arabischen hat man wieder Kenntnis davon bekommen.

Zuletzt noch ein Zitat aus Wikipedia (Fettschreibung durch mich):

Belegt sind systematische Vernichtungen christlicher Schriften während der Christenverfolgung sowie paganer („heidnischer“) Schriften im Zuge der Christianisierung des Römischen Reiches.

Können wir uns auf diese Aussage einigen?
 
nur ganz kurz:
Es ist geradezu abenteuerlich zu argumentieren, dass es zu wenig Menschen gab, um die römischen Aquädukte und Straßen nach Zerstörungen wieder instand zu setzen; sie mussten ja nicht neu gebaut werden, sie mussten nur repariert und unterhalten werden.
hat das irgendwer in dieser Diskussion behauptet?

Es ist doch in den Quellen nachgewiesen, dass z.B. die Ostgoten Aquädukte reparierten.
Die gewaltige Kölner Wasserleitung wurde nach ihrer teilweisen Zerstörung 260 nicht mehr wiederhergestellt:
Im Jahre 260 wurde die Leitung bei einem kriegerischen Überfall durch die Germanen zerstört und nicht wieder in Betrieb genommen, obwohl die römische Stadt Köln weiter Bestand hatte.
https://de.wikipedia.org/wiki/Eifelwasserleitung#Verteilung_des_Wassers_in_der_antiken_Stadt_Köln
Es ist jetzt nicht besonders schwierig, zu erkennen, dass Bau, Instandhaltung, ggf. umfangreiche Reparatur solcher Wasserleitungen sehr kostspielig war - wo man das finanzieren konnte, reparierte man, wo man das nicht stemmen konnte, blieben die Anlagen brach und verödeten. Und das oft genug ohne Mönche, Bischöfe, Christen: einfach weil viele solche Anlagen schon lange vor der Christianisierung futsch waren. Sehr oft mangelte es an den Mitteln; oft mangelte es auch an Zukunftsperspektive: wozu derartige Projekte stemmen, wenn immer wieder Barbareneinfälle drohen (das war die Situation z.B. in Köln)
 
Zuletzt noch ein Zitat aus Wikipedia (Fettschreibung durch mich):

Belegt sind systematische Vernichtungen christlicher Schriften während der Christenverfolgung sowie paganer („heidnischer“) Schriften im Zuge der Christianisierung des Römischen Reiches.

Der zitierte Satz ist nur ein Teil des Abschnitts in der Einleitung vor dem Titel, welcher mindestens vier Gründe/Ursachen nennt. Vollständiger Abschnitt:

Die Gründe für diesen massiven Verlust sind vielfältig und umstritten. Ein Einschnitt kann in der sogenannten Reichskrise des 3. Jahrhunderts gesehen werden. Belegt sind systematische Vernichtungen christlicher Schriften während der Christenverfolgung sowie paganer („heidnischer“) Schriften im Zuge der Christianisierung des Römischen Reiches. Andere Ursachen dürften im kulturellen Niedergang und den Wirren der Völkerwanderungszeit besonders im Westen zu finden sein, als zahlreiche Buchbestände kriegerischen Zerstörungen zum Opfer gefallen sein dürften und mit den gebildeten Eliten die noch verbleibenden kulturellen Träger der Überlieferung schwanden. Veränderungen der Medien – so die Umschreibung vom Beschreibstoff Papyrus auf Pergament und von der Schriftrolle zum Codex – sowie des literarischen Kanons und des Schulwesens bildeten weitere Barrieren. Die Überlieferung von Werken endete, wenn sie nicht in das neue Medium umgeschrieben wurden.

Für die Behauptung, s y s t e m a t i s c h e Vernichtungen paganer Schriften in Zuge der Christianisierung des Römischen Reiches seien belegt - fehlen die Belege.

Der nächste Abschnitt beginnt mit:

Während im byzantinischen Reich die literarische Tradition der Antike noch bis zum Fall Konstantinopels – wenn auch in unterschiedlicher Ausprägung – gepflegt wurde, bewahrte am Ende der Antike im lateinischen Westen nur eine kleine Elite von Wohlhabenden und Gebildeten das literarische Erbe der Antike in geringerer Auswahl.


 
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