Selbst wenn die heidnischen Kaiser auch missliebige Bücher „verbrennen“ ließen, war das nicht das Gleiche wie die späteren „Verbrennungen“ durch die Christen, weil die Bibliotheken unter den Heiden meistens weiter bestanden, während das unter den Christen nicht mehr geschah – plötzlich sind diese Bibliotheken (z.B. des Trajans, Hadrians, Plinius') im Westen des Reiches nicht mehr vorhanden oder werden nicht mehr erwähnt.
Aha und weil etwas nicht mehr erwähnt wird oder dir jedenfalls keine Erwähnung mehr bekannt ist, existiert es nicht mehr und dass ist dann der Beweis dafür, dass die Christen es restlos plattgemacht hätten?
Könnte es demgegenüber sein, dass mit den gewaltigen Umbrüchen der Zeit die Bibliotheken aufgelöst, zusammengelegt, an andere Orte verlegt oder in andere Hände übergegangen sein könnten und einfach nicht mehr erwähnt werden, weil sie unter diesen Bezeichnungen nicht mehr existierten oder die Bestände an andere Orte ausgelagert wurden?
Es gab nur noch kümmerliche Reste in Klöstern, und selbst diese enthielten im Wesentlichen nur theologische Bücher und Papst- oder Heiligenbiografien, die wissenschaftlichen Bücher und Belletristik (Vorsicht: Vergnügen!) kopierte man nicht.
Das stimmt schlicht nicht. Natürlich lag das Hauptaugenmerk in den Klöstern auf Werken, die für die christliche Liturgie wichtig waren und natürlich waren die Möglichkeitenn zu Kopieren durch die Notwendigkeit zur Verwendung von Pergament und dessen vergleichsweise hohe Preise eingeschränkt.
Du kannst ja mal hochrechnen, wie viele Tiere geschlachtet hätten werden müssen um alle namentlich bekannten antiken Bestände auf Pergament zu kompieren.
Der Viehbestand des damaligen Europas hätte dazu vermutlich nicht ausgereicht.
Entsprechend: natürlich musste da auch immer wieder überdacht werden, was man weiterführen konnte und wozu die Mittel fehlten.
Das sich die Bestände der Kloster aber auf theologische Bücher beschränkt hätten und etwa als nützlich empfundene Abhandlungen zu Botanik, Gartenbau etc. und andere profane Dinge nicht geschätzt und kopiert worden wären, wo vorhanden, stimmt so nicht.
Davon ab, auch wenn man sicherlich viel auf die Klöster schauen muss, was die Tradition der Überlieferung angeht, auch der sich herausbildende Adel begann Bibliotheken anzulegen und das (nicht nur sakrale) Schrifttum durchaus zu fördern.
Nur waren diese Bestände eben i.d.R. der Masse des schriftkundigen Publikums nicht zugänglich.
Die Ausnahme davon war der Klerus, aber der beschäftigte sich mit dem Seelenheil von Menschen, nicht mit Straßenbau, Viadukten, Aquädukten, archimedischen Schrauben, Terra Sigillata, Beton (Opus Caementicium aus dem z.B. die Kuppel des Pantheons in Rom gegossen wurde), "Griechischem Feuer" oder Hypokaust-Heizungen, geschweige denn mit Bädern, denn die Mönche sollten nicht mehr als 1-Mal im Monat baden, es sei denn, sie waren krank.
Vielleicht erklärst du uns auch, wozu Städte, deren Einwohnerzahl, wenn es hoch kommt gegen die 10.000 oder 20.000 tendierte einen verdammten Aquädukt benötigen?
Das ist bei so geringen Einwohnerzahlen vollkommen unnötig, da genügt als Wasserversorgung und für die Abwasserentsorgung vollkommen der Fluss an dem die Stadt angelegt ist. Zumal man nördlich der Alpen ja ohnehin nie vor dem Problem vergleichbarer Wasserknappheit stand, wie im wesentlich wärmeren Süden.
Wozu hätte man sich in Klöstern mit Straßenbau beschäftigen sollen?
Die wesentlichen Grundlagen dazu hatten die Römer bereits geliefert, da musste man sich nicht viel neues ausdenken.
Mal davon ab, dass für Straßenbauprogramme antiken Ausmaßes überhaupt nicht genug Arbeitskraft vorhanden war.
Ich sag mal: eine Gemeinschaft von 50 oder 60 Mönchen hätte am Bau der via Appia lange stricken müssen.
Das war (auch im Hinblick auf die Bereitstellung des Materials) ohne Maschinen oder ein Heer von Sklavenarbeitern überhaupt nicht zu leisten, jedenfalls, wenn es vernünftig gepflastert sein sollte.
Wenn man ein ensprechendes Heer an Arbeitskräften nicht zur Verfügung hat und es auch keine Bevölkerungszentren gab, die diese Art befestigter Straßen tatsächlich benötigten um den Verkehr bewältigen zu können, machte das absolut keinen Sinn.
Was genau ist der unschlagbare Vorteil von Terra Sigilata gegenüber anderen Keramikwaren, der es gerechtfertigt hätte die entsprechenden Erden aus dem Mittelmeerraum hunderte von Km quer durch Europa zu importieren?
Wurde in der römischen Bauweise bekanntlich unter Beimengung von Vulkanasche produziert. Praktisch wenn man den Vesuv, die Campi Flegrei, den Ätna, den Stromboli etc. etc. in der Gegend hat, oder anders ausgedrückt, wenn man sich in einer vulkanisch recht aktiven Gegend mit ganz guter Meeranbindung befindet und sich das Zeug in größeren Mengen problemlos abholen kann.
Nutzte irgendwelchen Mönchen in Gegenden in denen das nicht der Fall war herzlich wenig.
Und diejenigen, die in vulkanisch aktiveren Gegenden lebten, mussten da auch nichts mehr erfinden, die Römer hatten es ja bereits für sie erfunden.
Weiterentwicklung wäre nur dann nötig gewesen, wenn man Bauten angestrebt hätte, für deren Errichtung das römische Material nicht mehr leistungsfähig genug war.
Die Realisierbarkeit von Bauwerken dieser Größenordnung musste dann wieder unweigerlich an den fehlenden Arbeitskräften scheitern.
Mit 50 Mönchen baut man keine größere Version des Pantheons. Wozu auch?
Jedenfalls funktionierte die Verwaltung des Reiches durch staatliche Beamte, die, anders als im Westen, keine Kleriker waren, sondern gut ausgebildete und bezahlte Laien, u.a. deswegen, weil Bibliotheken – und damit das angesammelte Wissen – zumindest in Konstantinopel und größeren Städten noch vorhanden waren; wäre dem anders, hätten die Araber nichts zum übersetzen gehabt.
Und dass diese Infrastruktur im Osten erhalten bleiben konnte, hat natürlich keinesfalls damit etwas zu tun, dass Papyrus als alternativer Schriftträger im Gegensatz zum lateinischen Westen verfügbar blieb und Papier früher verfügbar wurde, als im lateinischen Europa?
Und wenn man ein Dokument fände, in dem z.B. stünde, dass die Bibliothek 1 Jahr vor der Zerstörung des Serapeions noch intakt war, hieße dann wahrscheinlich, auch das sage nichts darüber, wieviel Bücher sich darin zum Zeitpunkt der Zerstörung befanden.
Nein, tut es auch nicht. Ein Jahr ist noch immer eine ganze Zeit um etwas auszulagern, im besonderen wenn sich die Zuspitzung des Konflikts länger anbahnete und eine Gefahr für das Serapheion, wie bei Hahn nachgewiesen, den nichtchristlichen Bewohnern Alexandrias durchaus bewusst war.
Das lässt sich nicht wegdiskutieren.
Zu einer sauberen Betrachtung gehört einmal die Erkenntnis und Würdigung von Nichtwissen.
Wenn du das nicht akzeptieren möchtest, weil dass nicht in dein persönliches Narrativ passt, kannst du das natürlich so halten, aber erwarte nicht, dass das irgenjemand anderes als irgendetwas anderes betachtet, als das was es ist, nämlich pure Spekulation.
Aus einer schlichten Möglichkeit wird schlechterdings keine Tatsache, nur weil man sie x-fach widerholt oder sich darüber beschwert, dass andere nicht bereit sind, sie als Tatsache anzusehen.
Ja, sicher – weil unter den heidnischen Kaisern auch schon ein Völkergemisch im Reich nicht nur lebte, sondern auch die kulturelle und technische Erungenschaften der römischen Zivilisation zu schätzen wusste.
Warum das funktionierte? Weil die heidnischen Kaiser den Stämmen und Völkern ihre Götter ließen, die christlichen aber sie verfolgten, ihre Götter und alles, was denen heilig war, vernichteten. Damit schafft man sich keine Freunde.
Ich frage mich an dieser Stelle, wieso muss ich das überhaupt extra erwähnen, schließlich ist das uns allen bekannt.
Veilleicht liest du ja einfach noch mal gründlich, was
@andreassolar geschrieben hat?
Die Einlassung stellt klar nicht auf die Multiethnizität, sondern auf die Fragmentierung von Herrschaft ab und die war in diesem Ausmaße unter den vorchristlichen Kaisern nicht gegeben.
Und wenn 90 % der antiken Bücher verloren gegangen sind, dann war auch das Wissen verloren, das in diesen Büchern steckte.
Wo mit wir wieder bei dem Umstand wären, dass wir keine genaue Vorstellung haben, womit wir es bei der Masse an verlorenem Schriftgut überhaupt zu tun haben.
Woher weißt du denn, was da so an Wissen drinn steckte? Das kann man vielleicht bei einzelnen Werken, deren Name noch in erhaltener Literatur überliefert ist erahnen.
Für die Masse aber haben wir keinen Schimmmer davon.
Wüsste ich auch sehr gerne, denn die sugerieren ja, dass man überhaupt einen Gesamtüberblick über das irgendwann mal vorhandene antike Schriftgut hätte.
Hat man aber nicht.
Könnten genau so gut nur 50% sein. Könnten tatsächlich auch 98% sein. Die Zahl scheint mir rein ins Blaue geraten.