Tiberius wurde von Augustus nicht gerade als Nachfolger präferiert, es war am Ende eher so, dass kaum mehr ein anderes Mitglied des julisch-claudischen Hauses in Frage kam. Gaius und Lucius waren ebenso verstorben wie der ältere Drusus und Germanicus hatte wahrscheinlich noch nicht die nötige auctoritas. Für Tiberius waren militärische Erfolge also schon einigermaßen wichtig, zumal die römische Elite ganz generell viel von im Kampf erworbenen Meriten hielt. Es mag also nicht bloß politische, sondern auch ideelle Gründe gegeben haben, sie anzustreben. Selbst ein eher unkriegerischer Kaiser wie Claudius legte Wert darauf, die Eroberung Britanniens wenigstens symbolisch für einige Zeit unter eigenem Kommando durchzuführen.
 
Im Rückblick betrachtet war Augustus der erste römische Kaiser, und zwar der erste von vielen. Nur war Augustus eben kein gekrönter Monarch nach heutiger Vorstellung. Riothamus hat bereits richtig angemerkt, dass die Republik formal beibehalten wurde. Weder Augustus noch seine potentiellen Nachfolger konnten sich darauf berufen, dass ihnen die "Krone" kraft Geblüts zustünde - und sonst niemandem -, also nur sie legitime Herrscher wären. Formal war Augustus nicht "Kaiser", sondern Inhaber einer Reihe von Kompetenzen und Sondervollmachten, die ihm übertragen waren, wodurch er faktisch - aber nicht rechtlich! - zum Alleinherrscher wurde. Es war keineswegs fix, dass das auf Dauer so bleiben und auf seinen Wunschnachfolger übergehen würde. Widerstand gegen Augustus' Machtfülle gab es durchaus. Das hatte in Zusammenhang mit dem Militär zwei praktische Konsequenzen:
1. Augustus brauchte die Kontrolle über das Militär, um seine Macht zu sichern.
2. Jeder Feldherr mit bedeutender Truppenmasse war eine potentielle Bedrohung. Wäre es irgendeinem Politiker gelungen, eine größere Anzahl Legionen auf sich einzuschwören, hätte er durchaus Augustus stürzen und seine Stellung übernehmen können. Dass dieser Politiker nicht mit Augustus verwandt gewesen wäre, hätte wenig Bedeutung gehabt, da Rom eben keine Erbmonarchie mit allein legitimer Dynastie war.
Somit war es naheliegend, dass Augustus große Kommandos Leuten aus seinem familiären Umfeld übertrug, denen er halbwegs vertrauen konnte: Über sie konnte er die Kontrolle behalten, und die Gefahr, dass sie selbst zu potentiellen Rivalen wurden, konnte einigermaßen kleingehalten werden.

Weiters waren in der Republik für Politiker zivile und militärische Aktivitäten miteinander verbunden. Jahrhundertelang war es üblich, dass Konsuln (und seltener Praetoren) Armeen selbst im Krieg befehligten. In der späten Republik waren das dann oft Prokonsuln und Propraetoren, also gewesene Amtsinhaber, die aber immer noch über ein "imperium" verfügten. Das "imperium" war die umfassende Befehlsgewalt, über die Konsuln und Praetoren (sowie Prokonsuln und Propraetoren) von Amts wegen verfügten. Dass das "imperium" jemandem übertragen wurde, der kein Amt bekleidete, kam nur selten und erst in der späteren Republik vor. Somit lag es in der Natur der republikanischen Ordnung, dass Politiker auch Feldherrn waren und sich kein professionelles Generalskorps ohne politischen Bezug herausbildete.

Umgekehrt führte das aber auch dazu, dass man von Politikern militärische Meriten erwartete. Ein rein ziviler Politiker war recht ungewöhnlich. Wer auf sich hielt und angesehen und respektiert sein wollte, strebte daher in aller Regel nach militärischer Erfahrung. Daher war es auch für Augustus' potentielle Erben wichtig, militärisch etwas vorweisen zu können, um die Chancen zu steigern, vom Militär als zentralem Machtfaktor, aber auch von der Zivilbevölkerung, respektiert zu werden.
 
Der absolute Tiefpunkt => Herwig Wolfram: Die Germanen. 1995. Nur Fließtext, ausschließlich Allgemeinplätze, hätte man sich evt. auch zusammengoogeln können

Ja, harte Worte. Und nein, hätte man sich nicht "zusammengooglen" können. Ich hab mal kurz Tante Wiki gefragt, und die wusste, daß Google am 15. Januar 1997 an den Start gegangen ist.
Im Übrigen bin ich der Meinung, dass es "Die Germanen" nicht unbedingt wirklich gegeben haben muss. Tatsächlich funktioniert die Weltgeschichte auch gut ohne sie. Ich gehe davon aus, dass die frühen Erwähnungen fragwürdig sind und finde Sie erst ab dem Moment überzeugend, in dem sie als Leibgarde Caesars überliefert werden.

Und ganz kurz @ElQuijote, Danke für die Klarstellung zur Schamanin von Bad Dürrnberg. Aber Deine Vorstellung von der "Indoeuropäisierung" als historisch-genetischem Prozess im Zuge von "Wanderungen" empfinde ich auch als fragwürdig und irgendwie verstaubt. Du übersiehst dabei m. E., dass forschungsgeschichtlich lange nur solche Wanderungen als Erklärungsmuster archäologischer Prozesse angewendet wurden, heutige Migrationsforschung aber andere und komplexere Prämissen verfolgt. Eigentlich handelt es sich doch bei der Annahme dieser Wanderungen um eine wissenschaftlich nicht zulässige Rückprojektion des Begriffes Völkerwanderung auf vorgeschichtliches Epochen. Mit Verlaub.

P. S. Ich hasse die Autokorrektur auch. Im Rahmen einer gesunden Emotionalität. Gremlins.
 
Deine Vorstellung von der "Indoeuropäisierung" als historisch-genetischem Prozess im Zuge von "Wanderungen" empfinde ich auch als fragwürdig und irgendwie verstaubt. Du übersiehst dabei m. E., dass forschungsgeschichtlich lange nur solche Wanderungen als Erklärungsmuster archäologischer Prozesse angewendet wurden, heutige Migrationsforschung aber andere und komplexere Prämissen verfolgt. Eigentlich handelt es sich doch bei der Annahme dieser Wanderungen um eine wissenschaftlich nicht zulässige Rückprojektion des Begriffes Völkerwanderung auf vorgeschichtliches Epochen.
Du beziehst dich ja auf diesen Beitrag:

Die populär als "Schamanin" angesprochene Frau aus der Doppelbestattung von Bad Dürrenberg stammt aus dem Mesolithikum. Also aus einer Zeit des nacheiszeitlichen Landschaftswandels, die neue Technologien hervorbrachte, aber - zumindest hier in Mitteleuropa - noch weit vor der Neolithisierung lag, also der Entwicklung der Agrikultur (im Nahen Osten beginnt die Neolithisierung ganz allmählich um 10.000 vor Christus). Sie ist also Teil der alteuropäischen Bevölkerung. Im Zuge der Neolithisierung (in unseren Breiten ungefähr 7.800 v. Chr.) kam es zu einer massiven Einwanderung von Menschen aus dem Nahen Osten, welche die alteuropäische Bevölkerung sowohl verdrängte als auch assimilierte. Die alteuropäische Bevölkerung ist nur zu einem sehr geringen Teil in unseren Genpool eingegangen. Die neolithischen Einwanderer aus dem Nahen Osten machen einen Großteil unseres Genpools aus. Wann genau die Indoeuropäisierung Europas stattfand, ist streng genommen umstritten. Die verschiedenen Theorien variieren da zwischen 5000 und 2800 v. Chr. als Näherungswerte. Erst ab diesem Zeitpunkt, als sich die indoeuropäischen Zuwanderer mit der mittlerweile eingessenenen im Neolithikum zugewanderten Bevölkerung, welche Teile der alteuropäischen Bevölkerung assimiliert hat, kann es zu einer Aufspaltung der indoeuropäischen Sprachen in Europa kommen. Vor der Bronzezeit spricht eigentlich kein Germanist vom Proto-Germanischen oder gar Germanischen. Wenn wir von den Cheruskern reden, sind wir noch einmal 3000 Jahre später.
Langer Rede - kurzer Sinn: Selbst wenn die "Schamanin" von Bad Dürrenberg oder ihre Verwandten zum Genpool der Germanen beigetragen haben: Bis es zu einer Genese der Germanen kam, haben in unseren Breiten zwei massive, die Bevölkerung verändernde Einwanderungswellen stattgefunden mit starken kulturellen und auch sprachlichen Veränderungen. Ein Bezug von der "Schamanin" von Bad Dürrenberg zur germanischen Kultur ist somit nicht gegeben.

Zur Indoeuropäisierung gibt es verschiedene, konkurrierende Hypothesen, bei denen linguistische, archäologische und seit einigen Jahren auch genetische Argumente herangezogen werden. Keine dieser Hypothesen kann bisher alle Probleme lösen. Durch nationalistische Diskurse, aber auch durch Matriarchats-Patriarchats-Debatten wird da auch leider vieles ideologisch vernebelt.

Du wirfst mir den Begriff der Einwanderung vor, sprichst aber selber von Migrationsforschung. Was erforscht die Migrationsforschung denn, bzw. was sind denn Emigration und Immigration?
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Die Darstellung ist einem Artikel von archaeologie-online vom 6.6.2020* entnommen. Sie zeigt nur die neolithische Einwanderung, wenn ich die Darstellung richtig lese von einem, zehn bzw. maximal 40 Individuen pro Fundort(?). (Bzw., da die Kreise mehr als nur die in der Legende angegebenen drei Größen haben - wenn ich keinen Knick in der Optuik habe - , scheinen da auch andere Gruppengrößenzusammensetzungen zwischen 1 und 40 möglich zu sein.)

Vermehrte Interaktionen zwischen jungsteinzeitlichen Einwanderern und Jäger-Sammlern in Westeuropa


*In der Genetik verändern sich die Forschungsergebnisse ja manchmal schneller, als man schauen kann, aber 2020 ist jetzt noch nicht sooo lange her.
 
Hallo Ogrim, na ja, ich meine schon, dass sich die römische Kultur fundamental von der germanischen unterschieden hat. Du weißt bestimmt wie ich das meine...
Es ging mir auch um diese Giftmorde innerhalb von Herrscherfamilien, das war der eigentliche Aufhänger.
Anscheinend war es sowohl für Römer ab einer bestimmten Rangordnung als auch für ein cheruskisches Herrschergeschlecht das Mittel der Wahl, Konkurrenten aus der eigenen Familie aus dem Weg zu räumen.

Wahrscheinlich bekam es aber erst nach Augustus und Tiberius diese Qualität.
Tiberius Claudius Nero (14–37 n.Chr), Gaius Iulius Caesar Germanicus/"Caligula" (37–41 n.Chr), Tiberius Claudius Drusus (41–54 n.Chr), Nero Claudius (54–68 n.Chr) und die Frauengestalten dieser Zeit Agrippina, Messalina, etc. Und ich meine beileibe und definitiv nicht die italienischen Exploitationsfilme aus den 1970er Jahren ...
es ist aber vermutlich die ältere Überlieferung, die Caligula zum Beispiel noch in die Nähe einer entmenschlichten Bestie rückt. Aber das meine ich alles nicht. Es geht mir mehr um die antike Sittengeschichte.

Einer wird Kaiser, die anderen Geschwister werden verbannt, erstickt, vergiftet oder was auch immer.
Ich finde die genaue Quelle leider nicht, kann das jetzt auch nicht näher einordnen ...
 
Nein ist es nicht, nur die Konsequenz ist erschütternd, dass man seine eigenen Geschwister dafür um die Ecke bringt.
 
Anscheinend war es sowohl für Römer ab einer bestimmten Rangordnung als auch für ein cheruskisches Herrschergeschlecht das Mittel der Wahl, Konkurrenten aus der eigenen Familie aus dem Weg zu räumen.
es ist aber vermutlich die ältere Überlieferung, die Caligula zum Beispiel noch in die Nähe einer entmenschlichten Bestie rückt. Aber das meine ich alles nicht. Es geht mir mehr um die antike Sittengeschichte.
die innerfamiliäre Praxis der Merowinger, allen voran der mächtige Chlodwig, ist da keinen Deut erfreulicher ;) und sehr verblüffend ist, wie sich Bischof Gregor von Tours bemüht, die höchst unchristlichen Verfahrensweisen Chlodwigs schönzureden...
 
Vielleicht auch zur Herrschaftsstruktur von Staaten und Personenverbänden, bei denen die Nachfolge des Herrschers nicht ganz eindeutig geregelt ist? Wir kennen so etwas aus hellenistischen Monarchien, indischen Fürstentümern und dem frühneuzeitlichen osmanischen Reich ebenso wie aus spätantiken und frühmittelalterlichen europäischen Reichsbildungen oder dem vorkolumbianischen Amerika.

Die hatten sicher nicht alle denselben kulturellen Hintergrund oder denselben Zeitgeist, aber es gab und gibt natürlich überall einen Drang vieler Menschen zur Macht - gerade wenn es sich auch noch um Menschen aus der sozialen Elite einer Kultur handelt, die für sich ein gewisses Recht zur Herrschaftsübernahme beanspruchen. Wenn der Bruder, Cousin oder Vater tot ist, kann er eben keine Konkurrenz auf den Thron mehr werden.
 
Das Problem ist auch, dass wir es nicht wissen. Natürlich gab es bei plötzlichen Todesfällen immer Gerüchte.

Starb Germanicus an einer Krankheit oder an Gift? Wenn Gift, steckte dann Tiberius dahinter?

Unter Caligula wurden, wie schon unter Tiberius, Verwandte wegen Hochverrats festgesetzt und zum Selbstmord gezwungen. Aber war das Mord durch den Kaiser oder glaubte er an den Hochverrat, ob der Vorwurf nun zutraf oder es sich um eine Intrige handelte? Und wieviel ist üble Nachrede? Tiberius Gemellus war der Enkel des Tiberius und Adoptivsohn des Caligula. Die Geschwister Caligulas waren schon von Tiberius wegen Hochverrats in den Tod gedrängt worden. Sein nächster Blutsverwandte war sein Onkel Claudius*, der seine Herrschaft überlebte. Dass er Kaiser Tiberius mit einem Kissen erstickt habe, soll ein Gerücht sein.

Claudius war wahrscheinlich nicht an der Verschwörung gegen Caligula beteiligt. Unklar ist, ob er daran wusste. Unter ihm herrschte dann erst mal ein Mangel an Verwandten. Erst versuchte er Gegner zu integrieren, doch kam es zu Verschwörungen und Hochverratsprozessen. Ob Claudius vergiftet wurde, an einem aus Versehen ins Essen geratenen Giftpilz oder an einer natürlichen Ursache starb, kann nicht mit letzter Gewissheit gesagt werden.

Und damit kommen wir zu Claudius' Stiefsohn Nero. Hat er Britannicus vergiftet oder starb der an einem Anfall? Seine Mutter hat er umbringen lassen, wohl als sie ihn stürzen wollte. Seiner ersten Frau soll er ebenfalls Mörder schicken lassen. Die eigenfüßige Tötung der zweiten wird bezweifelt. Nero beging Selbstmord.

Gift kommt also nur bei den Toden von Germanicus, Claudius und Britannicus und nur als eine Möglichkeit vor. Einer von den dreien war Kaiser und bei allen kann es auch eine natürliche Ursache gewesen sein.

Dazu haben wir auch schon in ein paar anderen Fäden diskutiert. Vielleicht bietet sich an, dies Thema in einem eigenen Thread fortzuführen, denn meine verkürzte Darstellung mit zig Unsicherheiten, wird hoffentlich Reaktionen anlocken. Manches wird eben am besten in der Diskussion sichtbar.

Arminius soll durch Verwandte ermordet worden sein. Wie ist nicht bekannt. Rom hatte zuvor das Angebot eines Giftmordes durch den Chattenfürsten Adgandestrius abgelehnt. Also kein Giftmord.

Bei so vielen Todesfällen und drei sehr unsicheren Giftvorfällen verschwindet das Muster.

* Tiberius verweigerte ihm den cursus honorum, stattete ihn aber pro forma mit den Rechten eines ehemaligen Konsuls aus. Berichte, er sei Schwachsinnig gewesen gelten als genauso erfunden / übertrieben wie der Tyrannentopos bei Caligula. Hier kannst du lesen, wie Tiberius und Caligula mit dieser Konkurrenz umgingen: Claudius – Wikipedia
 
Stimmt, das ist auch ein guter Hinweis! In vormoderner Zeit kam es nicht eben selten zu Todesfällen aus mit den Mitteln der jeweiligen Heilkunst nicht zu bestimmender Ursache. Da ein Todesfall in der Herrscherdynastie fast immer jemandem nutzte (oder man das zumindest leicht behaupten konnte), lag hier auch ein großes Verleumdungspotential. Ein Beispiel wäre der gegen Philipp II. gerichtete Teil der Leyenda negra, dem darin ebenfalls eine ganze Reihe von Giftmorden gegen Angehörige nachgesagt wurden.
 
Exzellente Hinweise, vielen herzlichen Dank! Bin Euch für die Aufklärung sehr verbunden.
Wahrscheinlich bin ich viel zu naiv, doch ich kann diese grausame Konsequenz aus menschlicher Sicht überhaupt nicht nachvollziehen. Immerhin ging es ja um Geschwister, Cousins, etc. Der Kuchen des Römischen Reiches war doch groß genug, damit alle mehr als satt wurden. Einer regiert in Rom, der andere in Syrien ... also ich finde das nur sehr sehr schwer nachvollziehbar, woher dieses krankhafte Misstrauen kam, wenn ich erst einmal Cäsar bin, dann trachtet mir die ganze Familie nach dem Leben, also muss ich dem zuvorkommen.

Überspitzt gesagt, ein Bill Gates, ein Sultan von Brunei bringt ja auch nicht seinen "Schatzmeister" um, nur weil der ihm möglicherweise eventuell gefährlich werden könnte.
Offensichtlich wurde das in der Antike robuster und konsequenter geregelt.

Ja natürlich hat es mit der Lebensweise der Cherusker so gut wie nichts zu tun, bis auf die Ausnahme, dass die Luft in bestimmten Herrschaftskreisen dünn bzw. hochgefährlich wurde.
Ein eigener Thread wäre natürlich eine Option. "Hochverrat, Intrigen und Mord innerhalb von Herrschaftsfamilien" oder ähnlich.
 
Zuletzt bearbeitet:
In vormoderner Zeit kam es nicht eben selten zu Todesfällen aus mit den Mitteln der jeweiligen Heilkunst nicht zu bestimmender Ursache.
Freilich kamen auch oft genug "Todesfälle" vor, deren Ursache - z.B. Waffeneinwirkung - nicht so unklar war: ich erwähne da nochmal die Merowinger. Auch den ostgotischen Amalern waren robust gehandhabte Regierungswechsel nicht fremd, ebenso der vandalischen Königssippe (wenn ich mich richtig erinnere).
 
Freilich kamen auch oft genug "Todesfälle" vor, deren Ursache - z.B. Waffeneinwirkung - nicht so unklar war: ich erwähne da nochmal die Merowinger. Auch den ostgotischen Amalern waren robust gehandhabte Regierungswechsel nicht fremd, ebenso der vandalischen Königssippe (wenn ich mich richtig erinnere).

Ganz klar, das dürfte völlig unstrittig sein. Es gab in sehr vielen Kulturen quer durch die Zeiten und Weltgegenden hindurch gewaltsame Formen der Machtübernahme oder Machtsicherung zwischen Familienmitgliedern. Die Hinrichtungen, die etwa Herodes und Konstantin - beide immerhin "der Große" genannt - an Angehörigen vollstrecken ließen, sind beispielsweise sehr gut bezeugt. Nur muss halt nicht jeder plötzliche Todesfall, der jemandem im Herrscherhaus zupasskam, auch ein Giftmord gewesen sein.
 
Exzellente Hinweise, vielen herzlichen Dank! Bin Euch für die Aufklärung sehr verbunden.
Wahrscheinlich bin ich viel zu naiv, doch ich kann diese grausame Konsequenz aus menschlicher Sicht überhaupt nicht nachvollziehen. Immerhin ging es ja um Geschwister, Cousins, etc. Der Kuchen des Römischen Reiches war doch groß genug, damit alle mehr als satt wurden. Einer regiert in Rom, der andere in Syrien ... also ich finde das nur sehr sehr schwer nachvollziehbar, woher dieses krankhafte Misstrauen kam, wenn ich erst einmal Cäsar bin, dann trachtet mir die ganze Familie nach dem Leben, also muss ich dem zuvorkommen.

Ganz so dramatisch muss es nicht unbedingt gewesen sein. Man konnte normalerweise nicht einfach grundlos den Kaiser herausfordern, und die meisten Ursupationen im Römischen Reich erfolgten nicht durch nahe Verwandte, sondern durch andere Angehörige der Oberschicht bzw. später des Offizierskorps. Auch Formen der Aufgabenteilung zwischen Verwandten sind bekannt, etwa zwischen Marc Aurel und seinem Schwiegersohn Lucius Verus im 2. Jh. oder zwischen den Brüdern Valentinian I. und Valens im 4. Jh.

Über die Machtkämpfe in germanischen Herrschersippen bzw. führenden Familien sind wir naturgemäß deutlich weniger im Bilde, aber auch dort wird man sich nicht ununterbrochen stumpf gegenseitig umgebracht haben. Wie bei den Römern, Griechen oder anderen antiken "Völkern" dürfte es Formen gemeinsamer, einvernehmlicher Herrschaftsausübung ebenso gegeben haben wie brutale Morde an nahen Verwandten.

Mit dem Sultanat Brunei kenne ich mich nicht besonders gut aus, aber es dürfte auch heute noch Morde aus politischen oder materiellen Gründen geben. Ein Milliardär mag vielleicht nicht gerade seinen Buchhalter ermorden, aber vielleicht ein Sohn oder eine Tochter einen Milliardär? Oder im Fall eines regierenden Monarchen vielleicht ein Bruder den anderen, um dem Thron näher zu rücken? Es kommt neben der Persönlichkeit solcher Menschen halt immer auch auf die Konstellation an, in der sie zu anderen stehen, auf die Hoffnungen und Befürchtungen, die sie hegen und nicht zuletzt auf die Möglichkeiten, die sie haben, um einen Mordanschlag straflos und erfolgreich durchführen zu können.
 
Wahrscheinlich bin ich viel zu naiv, doch ich kann diese grausame Konsequenz aus menschlicher Sicht überhaupt nicht nachvollziehen. Immerhin ging es ja um Geschwister, Cousins, etc. Der Kuchen des Römischen Reiches war doch groß genug, damit alle mehr als satt wurden. Einer regiert in Rom, der andere in Syrien ... also ich finde das nur sehr sehr schwer nachvollziehbar, woher dieses krankhafte Misstrauen kam, wenn ich erst einmal Cäsar bin, dann trachtet mir die ganze Familie nach dem Leben, also muss ich dem zuvorkommen.
Man sollte sich das einmal psychologisch vor Augen führen. Angenommen, man ist Herrscher, und es gibt eine Reihe von Verwandten oder sonstigen Personen, die ebenfalls Herrscher werden könnten (und möglicherweise, auch wenn sie es vielleicht nicht offen zeigen, durchaus Lust darauf hätten) - wenn, ja wenn man da nicht selbst im Wege stehen würde. (Das Gleichnis vom Damoklesschwert gibt die permanente Gefahr, in der viele Herrscher schwebten, treffend wieder.) Historisch gesehen gab es genug Beispiele von ermordeten Herrschern, die Gefahr war also real. Jetzt gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder man vertraut (oder hofft) auf die gute Gesinnung der potentiellen Rivalen, dass sie ihre möglichen Machtgelüste unterdrücken und die Situation akzeptieren, wie sie ist. Oder man wird präventiv tätig und beseitigt potentielle Herausforderer, ehe diese zuschlagen können. (Das allerdings könnte wiederum andere potentielle Herausforderer ermutigen, aus reinem Selbsterhaltungstrieb zuzuschlagen, ehe sie selbst beseitigt werden.)
Welche Vorgangsweise gewählt wird, ist aber freilich nicht nur eine Frage rationaler Abwägung, sondern hat auch mit dem Gemüt des Herrschers und generell der politischen Kultur zu tun.

Historisch gesehen gibt es Beispiele für beide Varianten, einige wurden bereits erwähnt. Auch Herrschaftsteilungen funktionierten manchmal (auf Dauer), manchmal aber nicht und mündeten irgendwann doch in einen Bürgerkrieg.
Weiter Beispiele für häufige blutige innerdynastische Konflikte wären die Seleukiden und die Ptolemaier.

Es gab auch Zwischenlösungen. Nehmen wir z. B. das oströmische Reich: Manche Kaiser fanden ihr Umfeld mit klingenden Titeln ab, mitunter wurden sogar diverse Verwandte zu Mitkaisern gekrönt. Andere wiederum ließen potentielle Rivalen blenden oder sonstwie verstümmeln (und ins Kloster abschieben), wodurch sie als nicht mehr kaisertauglich galten.

Immerhin, in der Neuzeit kamen Morde an Herrschern sowie die gewaltsame Beseitigung möglicher Rivalen in den meisten europäischen Staaten kaum noch vor. Das Legitimitätsdenken scheint dazu geführt zu haben, dass eine gewaltsame Machtübernahme ohnehin praktisch aussichtslos erschien.
 
Ich möchte hier einmal den Wolfram im Kapitel Herrschaft und Sippe; Gefolgschaft und Heer zitieren S. 68:
Entsprechend diesem agonalen Pathos kann bereits der junge Mann Gefolgsherr sein; das Alter - und diese Auffassung scheint "typisch" germanisch gewesen zu sein - entscheidet kaum über die Rangordnung. Vielmehr tun dies die Ahnen bis hin zu den göttlichen Gründervätern, das persönliche Charisma und der "Kredit", der dem Gefolgsherren daraus erwächst. Allerdings ohne alle materiellen Voraussetzungen und vor allem ohne kriegerischen Erfolg sind Kredit und Kapital sehr schnell verspielt.

Was ist damit gemeint? Jeder Rinderknecht, jeder Schweinehirte, auch wenn er abhängig von XX war, auf einem Thing eine Gefolgschaft hinter sich versammeln, wenn er nur gut reden konnte. Was meint Ihr dazu?
 
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