Der Erste Weltkrieg und seine Bedeutung in der heutigen Zeit.

Die sachlichen Argumente hattest Du mit der schnippischen Bemerkung "Wenn das alles ist..." vom Tisch gewischt

Weil das, was du da zitiert hast für das Szenario das mir vorschwebte überhaupt nicht relevant ist.

Ich versuche noch mal meinen Standpunkt kurz zusammen zu fassen:

Ich war davon ausgegangen, dass:

a) Man im Westen mit den vorhandenen Festungen noch über eine hinreichend starke Auffanglinie verfügte, die es mit einiger wahrscheinlichkeit ermöglichen würde die Angriffe der Entente vollständig zum Stehen zu bringen.
b) Es sehr unwahrscheinlich gewesen wäre dass die Entente gelände- und witterungsbedingt auf den an anderen Abschnitten noch einmal angreifen würde, da aufgeweichte Böden, im Aufbau befindliche Auffanglinie in Flandern, Vogesen, Ardennen, Maasübergang und bescheidene Infrastruktur im Ardennen-Abschnitt im Wege.
c) Die Entente einen vollkommen improvisierten Angriff auf das Festungsareal Metz-Thionville zumal unter Winterbedingungen nicht unternommen hätte, weil da (sofern intakte Festungen unterstellt werden) vor allen Dingen ein unnötiges Massaker an den eigenen Truppen zu erwarten gewesen wäre, ein Großteil des schweren Geräts noch in Flandern stand und erst auf diesen Abschnitt hätte verschoben werden müssen und weil die beschädigten Bahnanlagen im rückwärtigen Gebiet auch das Heranschafften von Artilleriegranten in hinreichender Stückzahl um die Festungen entsprechend artilleristisch eindecken zu können, auch nicht gerade hilfreich gewesen wären.
d) Das man daher voraussetzen könne, dass da die Entente günstige Bedingungen für einen aussichtsreichen Angriff im Westen unter erträglichen eigenen Verlusten erst im Frühjahr haben würde und dementsprechend damit zu rechnen gewesen wäre, dass die Entente ihre Offensivbemühungen irgendwann im November oder Dezember weitgehend eingstellt hätte, um sich auf die Vorbereitunng der finalen Offensive im Frühjahr zu konzentrieren.
e) Das daraus resultierend wenn es möglich gewesen wäre noch 1-2 Monate bis zum erwartbaren Abbruch der Offensive zu gewinnen dies einen Zeitgewinn von zusätzlichen 2-3 Monaten und relative Ruhe an der Westfront bedeutet hätte.
f) Das man diese Zeit für die Entwicklung einer eigenen, auf die politische Öffenntlichkeit in den Entente-Staaten zielende Friedensinitiative hätte nutzen können um eventuell zu besseren Bedingungen zu kommen, als der Versailler Vertrag sie am Ende hergab.
g) Das man möglicherweise, wäre diese Gescheitert noch bis zum Sommer hätte weiterkämpfen können (Die Einnahme der Festungen hätte sicherlich 1-2 Monate gedauert und wenn man den Beginn einer Offensive für März-April ansetzt, wäre man dann bereits im Mai-Juni), das allerdings relativ sinnlos gewesen wäre und man im Grunde vernünftigerweise keine andere Möglichkeit gehabt hätte als zu kapitulieren.

Bei diesem Szenario könnte die Moral der Truppen überhaupt nur dann eine entscheindende Rolle spielen, wenn nachzuweisen wäre, dass die Moral der Truppen binnen 1-2 Monaten bis zum Winter mit absoluter Sicherhheit vollständig kollabiert wäre.

Die obigen Annnahmen vorausgesetzt, hätte man denn Winter und das Abebben der Kämpfe erreicht und man hätte die mir vorschwebende diplomatische Aktion versucht, hätte es zwei Möglichkeiten gegeben:

1. Das Angebot trifft bei der Bevölkerung der Entente-Staaten auf Resonanz und deren Öffentlichkeit wünscht eine Einigung zu diesen Bedingungen, dann wären die politischen und militärischen Anführer die Entente möglicherweise gezwungen gewesen sich in einen Waffenstillstand und Friedensverhandlungen zu günstigeren Bedingungen einzulassen.
2. Das Angebot wäre auf keine Resonanz gestoßen, dann hätte man vernünftiger Weise vor Beginn der zu erwartendenn Frühjahrsoffensive aufgeben müssen.

Nimmt man an, dass die Entennte wegen eigener Schwierigkeiten und wegen der Festungen den Winter überwiegend zur Regeneration und Vorbereitung der Frühjahrsoffensive genutzt und daher die Offensivaktivitäten zwecks Vorbereitung und Schonung der eigenen Kräfte zurückgefahren hätte, dann hätte sich mit Eintitt des Winters die Frage der Moral überhaupt nicht weiter gestellt, weil der Druck abgenommen hätte und der Krieg auf die eine oder andere Weise abgewickelt worden wäre, bevor er im Frühjahr erwartbar wieder zugenommen hätte.

Es sei denn: Du wolltest behaupten beweisen zu können, dass das Szenario bereits deshalb undenkbar gewesen wäre, weil die Truppenmoral bereits vor dem Winter hätte zusammenbrechen müssen.

Was du an Nachweisen gebracht hast, beweist dass die Moralkurve deutlich nach unten zeigte und das man sich bei einigen Einheiten sicherlich langsam Sorgen um die Moral machen musste, es belegt aber keinen sicheren militärischen Zusammenbruch vor dem Winter aus Gründen der Moral.
Und daher spricht es nicht gegen das Szenario, wie ich mir das vorgestellt und versucht habe es zu beschreiben (vielleicht war das ja von meiner Seite her in Teilen missverständlich, mag sein).

Meine Reaktion entspricht nicht einer Missachtung der Inhalte, die deine Zitate transportieren, sondern dem Umstand, dass ich sie insofern für as Szenario für nicht relevant halte, als dass ich davon ausgegangen bin dass die Kampfhandlungen ohneehin binnen zweiter Monate auf ein Maß zurückfallen würden, dass die Gefahr eines moralischen Zusammenbruchs nicht mehr mit sich gebracht hätte.

Längerfristig hätte man sicherlich mit einem moralischen Kollaps des Heeres rechnen müssen, nur ich bin nie davon ausgegangen, dass noch eine so lange Zeit unter vollem Einsatz hätte gekämpft werdenn müssen.

Die diplomatische Offesnvie hätte entweder auf dem Weg über die Zivilbevölkerung die Entente politisch aus dem Krieg geblufft oder nicht.
In beiden fällen hätte man den Krieg spätestens im Februar-März beenden müssen, wobei durch die obigen Annahmen Bedingt eine massive Abnahme der Intensität der Kampfhandlungen ab November-Dezember zu erwarten gewesen wäre und zu erwarten gewesen wäre dass diese vor März/April nicht wieder zunimmt.


Warum das so nicht funktioniert, hatten wir geklärt, den ohne die massiven Festungsanlage in verteidigungsfähigem Zustand, die in einem improvisierten Anngriff nicht zu ehmen gewesen, hatte die Entente in der Tat wenig Anlass ihre Angriffe einzustellen und der deutschen Seite die Kampfpause zu verschaffen, die für die weiteren Schritte notwendig gewesen wäre.
Allerdings auch dann spielte die Moral keine Rolle, weil ohne intakte Festungen auf dem Abschnitt Matz-Thionville, die Entente in Lothringen sehr wahrscheinlich durchgebrochen wären. Wäre das passiert und wären die Erzfelder dabei verlorenn gegangen hätte man auf einen Kollaps der Moral übrhaupt nicht mehr warten müssen, weil dann die Munitionsfabriken leerglaufen wären, abgesehen davon, dass ohne Flankendeckung aus dem Raum Metz sehr wahrscheinlich auch Luxemburg überrant worden wäre, was zur Gefahr des vollständigen Abschneidens der noch in Belgien stehenden Truppen geführt hätte und mit Sicherheit zu panischer Flucht unter Preisgabe des gesamten schweren Materials, wenn nicht gar dazu, dass ganze Divisionen und Korps geschlossen in Gefanngenschaft gegangen wären.


Ich denke nicht, dass man das weiter erörtern muss.
Da das was ich mir gedacht hatte wegen der Festungen und des Erzgebiets nicht funktioniert und es sehr wahrscheinlich gewesen wäre, dass unter den gegebenen Umständen der entscheidende Schlag gegen Deutschland noch in 1918 zu führen gewesen wären, der zudem die gesamte Kriegswirtschaft sehr wahrscheinlich lahmgelegt hätte, ist die Frage der Moralentwicklung darüber hinaus rein akademisch.
Die Sache funktioniert nicht, also ist sie vom Tisch.


Für denn schnippischen Tonfall entschuldige ich mich. Vielleicht haben wir einfach aneinander vorbei geredet.
Bei mir war das so angekommen, als wolltest du mein Fallenlassen des Szenarios in der Form einfach nicht akzeptieren, weil dir die Gründe nicht gefielen.
Das hatte ich wahrscheinlich falsch verstanden.
 
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Ohne jetzt erneut in eine kontrafaktische Diskussion einsteigen zu wollen: Auf Seiten der Entente und der Amerikaner rechnete man im Frühherbst 1918 damit, dass der Krieg mindestens bis 1919 weitergehen würde. Offenbar gingen die politisch und militärisch Verantwortlichen davon aus, dass die eigene Moral so lange halten würde. Gibt es denn Hinweise darauf, dass sie sich irrten?
 
Unverständlich, dass es auch heute noch Leute gibt, die glauben, der Krieg wäre zu gewinnen oder zumindest ein ehrenvolles Waffenstillstandsabkommen zu erreichen gewesen, wenn andere Politiker an der Macht wären.

Dabei ist es ganz einfach: Entweder stimmen die Einschätzungen der Lage im Sommer und Herbst 1918 von Prinz Ruprecht und anderen Militärs (2 von 3 Armeechefs an der Front sagten z.B., ihre Armeen würden einem Angriff nicht mehr statthalten können), oder sie stimmen nicht.

Weil die Politik von den Militärs die Anregung bekam, in Waffenstillstandsverhandlungen einzutreten, musste die militärische Lage desolat gewesen sein. Insofern erübrigt sich das Gerede der Militärs, man hätte weiterkämpfen und bessere Bedingungen herausschlagen können, wenn die Politik ersatzweise die Heimat ihnen nicht in den Rücken gefallen wäre. Unverständlich, dass auch nach mehr als 100 Jahren immer noch über diese Legende diskutiert wird.
 
Unverständlich, dass es auch heute noch Leute gibt, die glauben, der Krieg wäre zu gewinnen oder zumindest ein ehrenvolles Waffenstillstandsabkommen zu erreichen gewesen, wenn andere Politiker an der Macht wären.

Ah und welchen Bezug hat diese Bahauptung zum Inhalt dieses Fadens? Offenkundig keinen.

- Davon den Krieg in irgendeiner Weise zu gewinnen war keine Rede.
- Davon welche Möglichkeiten irgenndeine andere Regierung gehabt hätte, war ebenfalls keine Rede, es ging explizit darum, welche Spielräume die Provisorische Regierung hatte oder nicht hatte.
- Von einem "ehrenvollen Waffenstillstandsabkommen" (was immer das sein soll), war ebenfalls nicht die Rede, sondern davon, ob es möglich gewesen wäre unter Umgehung eines förmlichen Waffenstillstandsabkommens zum Frieden zu kommen.

Insofern erübrigt sich das Gerede der Militärs, man hätte weiterkämpfen und bessere Bedingungen herausschlagen können, wenn die Politik ersatzweise die Heimat ihnen nicht in den Rücken gefallen wäre.
Und wer genau hat diese Erzählung einer der "Politik in den Rücken fallenden Heimat" bemüht? Außer dir an dieser Stelle und vor ein paar Seiten und Wochen ein mittlerweile gesperrter User, dessen Einlassungen ganz sicher nicht Anlass deines Beitrags sind ?


Es wäre ja schön, wenn du in deinen Beiträgen ab und zu auch mal Bezug darauf nehmen würdest, was tatsächlich geäußert wurde und nicht darauf wovon du gerne hättest, dass es geäußert worden wäre.
 
Ohne jetzt erneut in eine kontrafaktische Diskussion einsteigen zu wollen: Auf Seiten der Entente und der Amerikaner rechnete man im Frühherbst 1918 damit, dass der Krieg mindestens bis 1919 weitergehen würde. Offenbar gingen die politisch und militärisch Verantwortlichen davon aus, dass die eigene Moral so lange halten würde. Gibt es denn Hinweise darauf, dass sie sich irrten?

Die Frage ist mir auf Grund der Formulierung nicht gannz verständlich, geht es um die Moral auf Seiten der Entente oder um die Moral auf der deutschen Seite in der Einschätzung der Entente?
 
Ich meinte jetzt die Moral der eigenen Bevölkerung. Da man im Westen Mitte 1918 davon ausging, den Krieg bis mindestens 1919 führen zu müssen und zu können, hielt man die Moral in den verbündeten Ländern offenbar für stabil genug. Gibt es denn Hinweise, dass dort eine Mehrheit der Menschen oder der Soldaten nicht mehr bis zum Sieg kämpfen wollte?
 
Gibt es denn Hinweise, dass dort eine Mehrheit der Menschen oder der Soldaten nicht mehr bis zum Sieg kämpfen wollte?

Ich denke die interessantere Frage wäre diejenige, was sich die Bevölkerung denn überhaupt unter einem Sieg vorstellte und was die Alternativen waren oder gewesen wären.
Und inwieweit (bei den Frannzosen war das möglicherweise etwas anders) sich die Zielvorstellungen der Bevölkerung mit der Zielvorstellunng der Regierenden und der militärischen Experten deckte.

Die britische Bevölkerung war von ihrer Regierung unter dem Eindruck des deutschen Überfalls auf Belgien zu den Waffen gerufen worden, mit der offiziellen Zielsetzung die Unabhängigkeeit Belgiens und ggf. des übrigen Westeuropas zu verteidigen.
Setzt man die vorangegangenen Episoden des "naval scare" voraus, wird in denn Augen der britischen Bevölkerung auch die Brechung der deutschen Seemacht zu den Zielen gehört haben die in den Augen der Bevölkerung vertreten wurde, natürlich neben der Kompenntation der finanziellen Belastung des Krieges.

Im amerikanischen Fall dürfte das noch wesentlich schwieriger zu identifizieren sein, da sich ja nicht hier nicht einmal die Regierung in ein wirklich konkretes Programm eingelassen hatte.
Zwar gab es denn 14-Punkte-Plan Wilsons, aber der ist doch in einigen Punkten sehr nebulös und sehr unterschiedlich interpretierbar.

Was bedeutet z.B. konkret der Punkt des Selbstbestimmungsrechts der Völker der Donaumonarchie? Bedeutet das die Auflösung Österreich-Ungarns und die Schaffung von Nationalstaaten als Zielsetzung in diesem Krieg oder bedeutet das lediglich das Erreichen einer föderalen Umgestaltung der Habsburger Monarchie zum Nutzen der bislang eher benachteiligten Nationalitäten unter Wahrung des territorialen Gesamtzusammenhangs?

Was bedeutet konkret die Anerkennung der Unabhängigkeit Polens? Von welchem Polen genau ist da die Rede? Von der Wiederauferstehung des Polnisch-Litauischen Reiches, wie das den Anhängern Pilsudskis vorschwebte? Die Unabhängigkeit Polens auf der Basis der Grenzen, die der Wiener Kongress 1815 festgelegt hatte?
Die Schaffung eines neuen, ethnisch möglichst homogenen polnischen Staates, im Sinne Roman Dmowskis und der polnischen Nationaldemokratie?
Wenn man bedenkt das Wilson dieses Programm formulierte, bevor Russland aus dem Krieg ausstieg, wird sehr deutlich, wie delikat diese Frage eigentlich ist, immerhin betraf sie de facto eine Bestimmung über das Territorium des noch-Verbündeten Russland.

Ich denke in den USA wird es sehr schwierig gewesen sein sich mit denn Zielen der regierung zu identifizieren, weil die Wilson-Administration diese recht unklar formulierte, die Bevölkerung in ihrer Mehrheit wird vor allem auf Rache wegen des unbeschränkten U-Boot-Krieges und der Zimmermannn-depesche gesonnen haben, aber ob sie konkrete Zielvorstellungen hatte?

In GB werden, denke ich die Vorstellungen konkreter gewesen sein, eine völlig andere Frage, die man sich in diesem Zusammenhang auch stellen muss, ist diejenige, was die Durchsetzung der der Forderungen der eigenen Alliierten eigentlich für die eigene Position bedeuten würde.

Am Beispiel Russlands und des Problems der Unabhängigkeit Polens wird das recht anschaulich deutlich, gleiches aber auch im Hinblick auf die Westmächte.
In Großbritannien durfte man z.B. durchaus auf dem Zettel haben dass das Wilson'sche Programm im Hinblick auf den Standpunkt des Selbstbestimmungsrechts der Völker die britische Politik zu Konzessionen in der Irland-Frage zwingen würde, wenn man diesen Grundsatz durchfocht.
In Irland und bei den Home-Rulern, mag dieser Ansatz auf Sympathie gestoßen sein, bei den Unionisten und allen, die an einem Erhalt der britischen Gesamtmonarchie irgendwie interessiert waren eher nicht.

Im Hinblick sowohl auf Großbritannien und Frankreich, darf man sicherlich auf dem Zettel behalten, dass die Soldaten seit 4 Jahren kämpften und die Angehörigen ein Interesse an deren möglichst schneller Rückkehr hatten.

Für Großbritannien kommt hinzu dass durch die Notwendigkeit der Aufstellung eines Landheeres und durch die Notwendigkeit französische und russische Kredite abzusichern, durch denn Krieg ein sehr hoher Finanzbedarf entstanden war, der insofern noch einmal zusätzlich drückte, als dass sich die Briten durchaus nicht auf freiwillige Kriegsanleeihen verließen, sondern in Verbindung mit dem Krieg Stuern zu dessen Finanzierung zu erheben.

Für Frankreich kommt der Umstand hinzu, dass sich in Frankreich demographisch früher als in Deutschland das Modell der modernen Kleinfamilie durchgesetzt hatte und die französische Bevölkerung auf ihrem Niveau bereits vor dem Krieg mehr oder weniger stagnierte, bzw. nur noch langsam wuchs.
Wo die durchnittlich deutsche Familie noch 3, irgendwas Kinder hatte, hatte die französische Familie im Durchschitt nur noch 2, irgenndwas, umso schwerer wogen die Verluste im demographischen Gesamtzusammenhang.



Ob die Bevölkerung in den Ententestaaten nicht bereit gewesen wäre bis zum Sieg zu kämpfen, ist insofern eine wahrscheinlich nicht zu beantwortende frage, als dass sich diese im Gesamtzusammenhang der Entente mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht darüber einig war, was denn nun "Sieg" eigentlich bedeutete, bzw. worin eigentlich die eigenen Ziele bestanden, denn darüber erzieltenn ja nicht einmal die ständig miteinander in Kontakt stehennden Regierungenn Einigkeit und insofern von Seiten der Zentralmächte realiter auch nie ein präziser Vorschlag für einen Frieden unterbreitet wurde, lassen sich natürlich keine Reaktionen darauf nachvollziehen.

Hätte es solche Vorschläge gegeben, gebe ich zu bedenken, dass im Rahmen der jeweils auf der nationalen Plattform geführten Zieldiskussionen ein Vorschlag, der inn Frankreich an den Vorstellungen eines Sieges vorbeeigegangen wäre, z.B. in Großbritannien durchaus nicht unbedingt hinter den Vorstellungen zurückbleiben musste, die man dort mit einem Sieg verband, zumindest wenn man "Sieg" als die Durchsetzung eigener Forderungen und nicht rein militärisch als Bezwingung eines final ohnmächtigen Gegners definiert.
Allerdings dürfte letztere Definition in diesem Zusammenhang insofern wenig Sinn ergeben, dass die wenigsten Menschen Krieg als Selbstzweck betrachten dürften.
 
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Bei diesem Szenario

Es bleibt mir auch dieses Mal unverständlich, warum Du wieder damit anfängst, Dein komplettes Szenario aufzurollen. Mir geht es nur um einen Punkt, und da begehst Du einen schweren Denkfehler:

Bei diesem Szenario könnte die Moral der Truppen überhaupt nur dann eine entscheindende Rolle spielen, wenn nachzuweisen wäre, dass die Moral der Truppen binnen 1-2 Monaten bis zum Winter mit absoluter Sicherhheit vollständig kollabiert wäre.

Andersrum wird ein Schuh daraus:

Für die deutsche Politik war der Plan, den Waffenstillstand platzen zu lassen und stattdessen auf eine Kriegsverlängerung um "1-2 Monate" (+ 2-3 Monate, also in summa 3-5 Monate) zu setzen, nur gangbar, wenn sie die Garantie hatte, dass der nachweisbare dramatische Niedergang der Truppenmoral sofort und nachhaltig gestoppt werden konnte, Du hattest ja selber von einem "Motivationsschub" geschrieben.

Mit der Ansage "Waffenstillstand ist gestrichen, es wird mit äußersten Kräften weitergekämpft" war der dringend benötigte Motivationsschub wohl kaum zu erzielen.
 
Es bleibt mir auch dieses Mal unverständlich, warum Du wieder damit anfängst, Dein komplettes Szenario aufzurollen.

Ich habe das deswegen nochmal aufgerollt, weil du mir weiter oben vorgehalten hast, ich sei davon ausgegangen, dass man quasi unbegrenzt hätte weiterkämpfen können.
Das legte für mich nahe, dass der Gedankengang insgesamt nicht verstanden worden ist, folglich habe ich ihn noch einmal zusammengefasst um Missverständnisse abzubauen und meine Reaktion auf die Moralfrage besser verständlich zu machen.
Das ich das in summa abgeschrieben habe, habe ich inzwischen, denke ich mehr als deutlich gemacht.

Für die deutsche Politik war der Plan, den Waffenstillstand platzen zu lassen und stattdessen auf eine Kriegsverlängerung um "1-2 Monate" (+ 2-3 Monate, also in summa 3-5 Monate) zu setzen, nur gangbar, wenn sie die Garantie hatte, dass der nachweisbare dramatische Niedergang der Truppenmoral sofort und nachhaltig gestoppt werden konnte, Du hattest ja selber von einem "Motivationsschub" geschrieben.

Lassen wir das im Kreis-Theoretisieren über die Moral mal bei Seite, das führt zu nichts, zumal wir da bei Einschätzung was über den 11. November 1918 hinaus passiert wäre ohnehin beide im kontrafaktischen Raum theoretisieren.


Deine Annahme, das man ein Restrisiko des militärischen Zusammenbruchs in keinem Fall hätte eingehen dürfen, wäre in meinen Augen nur dann richtig, wenn zu erwarten gewesen wäre, dass die Entente im Fall eines Waffenstillstands deutlich mildere Friedensbedingungen festgelegt hätte, als im Fall eines militärischen Zusammenbruchs binnen kurzer Frist danach.

Das halte ich persönlich schon deswegen für unwahrscheinlich, weil wenn die Entente das tatsächlich beabsichtigt hätte, es zweckmäßig gewesen wäre bestimmte Zusicherungen bereits im Rahmen des Notenaustauschs und der Waffenstillstandsverhandlungenn zu machen um die Akzeptierbarkeit des Waffenstillstands und die Abwicklung des Krieges für die deutsche Seite zu erhöhen und damit die Beendigung des Krieges zu beschleunigen.

Stattdessen tat man aber genau das Gegenteil, man forderte die Abtretung der Waffen des Heeres bis an die Grenze der Wehrlosigkeit, die Möglichkeit Deutschland weiterhin die Lebensmittelzufuhr zu kappen, und einen beträchtlichen Teil des Reichsgebiets als Faustpfand.
Mit anderen Worten, man dachte überhaupt nicht daran mit Garantien an die deutsche Seite diese gewogener zu machen, sondern legte mit diesen Bedingungen Wert darauf jegliche Konzession welcher Art auch immer zu Gunsten uneingeschränkter eigener Spielräume zu vermeiden.

Von einem Gegner, der sich so verhält, ist nicht unbedingt Schonung zu erwarten, zumal man durchaus erwarten durfte, dass sich die endgültigen Friedensbedingungen der Entente ohnehin letztendlich an den jeweiligen nationalen Interessen der Entenntestaaten orientieren würde.
In meinen Augen war weder zu erwarten, dass Frannkreich den Primat seiner Sicherheitsinteressen aufgegeben hätte, egal wie Deutschland sich verhielt und ob es militärisch besiegt wurde oder von sich aus die Waffen streckte ebenso war zu erwarten, dass die USA und Großbritannnien, deren Interessen weniger territorialer sondern eher finannzieller Natur waren, eine übermäßige Schwächung Deutschlands, mit Hinblick auf die Fähigkeit Reparationen zu leisten nicht hinnehmen würde.


Setzt man das vorraus, wäre, ein militärischer Kollaps Deutschlands möglicherweise gar nicht so schlimm gewesen, da der Frieden dann wahrscheinlich nicht substannziell schlechter ausgefallen wäre (da das nicht im Interesse Großbritanniens und der USA war) sich dadurch aber einige Probleme den frieden dem deutschen Volk vermittelbar zu machen von allein gelöst hätten.

Und wenn man das voraussetzt, ist die bloße Möglichkeit eines militärischen Zusammenbruchs kein zwingendes Argument gegen den Versuch.
Anders würde es Aussehen, wenn es absehbar unmöglich gewesen wäre so lange hinhaltend Widerstand zu leisten, dann wäre das nicht anderes als sinnloses Blutvergießen gewesen, von dem jeder Mensch mit einem intaktenn Gewissen natürlich Abstand hätte nehmen und dementsprechend die Waffen strecken müssen.
Nur den Nachweis für einen garantierten umittelbar bevorstehenden Kollaps binnen zweier Monate, den sehe ich nicht oder jedenfalls sehe ich ihn nicht im Bereich der Moral, sondern allenfalls in der Problematik, dass das Minette-Gebiet mit einiger Wahrscheinlichkeit so lange nicht mehr zu halten war.
Und so lange ich nicht entweder den sehe oder den Nachweis darüber, dass die Friedensbedingungen für Deutschland substanziell schlechter ausgefallen wären, hätte man sich nicht in den Waffennstillstand eingelassen, sondern wäre binnen zweier Monate militärisch zusammengebrochen, bleibe ich hier bei der Argumentation, dass der Moral im Zusammenhang mit diesem Szenario eine untergeordnete Bedeutung zukommt.
 
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Lassen wir das im Kreis-Theoretisieren über die Moral mal bei Seite, das führt zu nichts, zumal wir da bei Einschätzung was über den 11. November 1918 hinaus passiert wäre ohnehin beide im kontrafaktischen Raum theoretisieren. ...

Nicht ganz, wir haben die Ereignisse in Kiel:
Die zeigen doch deutlich, wie die unteren Ränge tickten - man wollte diesen Waffenstillstand und war nicht bereit für eine Fortsetzung des Krieges.

Gruß, muheijo
 
Die zeigen doch deutlich, wie die unteren Ränge tickten - man wollte diesen Waffenstillstand und war nicht bereit für eine Fortsetzung des Krieges.

Zu Kiel hatte ich etwas gesagt.
Kiel war keine Reaktion auf einen Haltebefehl, es war die Reaktion auf eine Order, die auf einen vollkommen unsinnigen Angriff hinaus lief (vergleiche Reaktion auf die Nivelle-Offensive bei den Franzosen), zudem bei einer völlig anderen Waffengattung, die noch ganz eigene Probleme mit sich bringt.

Geht ein Schiff verloren, bdeutet das nicht selten mehr oder minder Totalverlust der Mannschaft und im Gegesatz zum Landkrieg sind auch Desertieren oder Kapitulieren im Seekrieg nicht in dem Maße realisierbar, wie das im Landkrieg funktioneirt (zu letzterem und Überlegungen zur Möglichkeiten von Aufgabe im Seekrieg kann ich sehr Afflabachs Werk "Die Kunst der Niederlage empfehlen".

Der Kieler Matrosenaufstand begann bereits am 3. November. Die deutsche Waffenstillstandsdelegation unter Leitung Erzbergers erreichte Compiègne allerdings erst am 8. November 1918, wo ihr in der Folge die Waffenstillstandsbedingungen offengelegt wurden.

Da diese Bedingungen den Kieler Matrosen am 3. November unmöglich bekannt sein konnten, kann ihre Meuterei nicht als Votum für einen Waffenstillstand zu diesen Bedingungen interpretiert werden.


Die Weigerung einen Befehl auszuführen, der auf einen Angriff hinauslief, lässt sich daneben sicherlich auch so interpretieren, dass es man natürlich mit guten Grund annehmen konnte, dass ein Angriff Friedensverhadlungen möglicherweise sehr erschwert hätte, weil das natürlich erhebliche Zweifel an der Ernsthaftigkeit der Friedensbemühungen zugelassen hätte.
Auch von dem Standpunkt her, durfte ein Angriffsbefehl natürlich nicht ausgeführt werden um die eigenen Waffenstillstandsemissäre und die Bemühungen der Reichsregierung und des Auswärtigenn Amtes im Hinblick auf Schritte zu einem Frieden auf keinen Fall in Misskredit zu bringen.
Allerdings ein reiner Haltebefehl, der darauf ausgelegt gewesen wäre größere Kampfhandlungen wen möglich zu vermeiden, hätte dieses Problem der möglichen Desavouierung der Friedensbemühungen nicht mit sich gebracht.

Bei einem tatsächlichen Angriff, hätte man der deutschen Seite vorwerfen können ein doppeeltes Spiel zu spielen und es als Anlass betrachten können Verhandlungen bis auf weiteres abzubrechen, wenn man sich demgegenüber auf reines Verteidigenn verlegt hätte, hätte diese Gefahr nicht im Raum gestanden.




Ich denke, dass das ganz plausible Argumente dafür sind, warum man aus der Kieler Matrosenrevolte nicht so ohne weiteres den moralischen Zusammebruch des Heeres ableiten kann.
 
Ich denke die interessantere Frage wäre diejenige, was sich die Bevölkerung denn überhaupt unter einem Sieg vorstellte und was die Alternativen waren oder gewesen wären.
Und inwieweit (bei den Frannzosen war das möglicherweise etwas anders) sich die Zielvorstellungen der Bevölkerung mit der Zielvorstellunng der Regierenden und der militärischen Experten deckte.

Möglicherweise muss man zuerst noch einen Schritt zurückgehen und den erstrebten und ersehnten Sieg von den im jeweilgen Land kursierenden Vorstellungen über die richtige Friedensordnung trennen. Natürlich wurde beides nach 1918 verbunden - ein gutes Beispiel dafür wäre Italien - und es konnte bei einzelnen Siegermächten der Eindruck entstehen, die Politiker und Diplomaten hätten den mühevoll errungenen Erfolg verspielt.

Während des Krieges gab es natürlich auf allen Seiten auch alle möglichen Ideen und Wünsche, welche Gebiete der eigene Staat nach dem Krieg annektieren und welche Strafen den Besiegten auferlegt werden sollten. Voraussetzung dafür war aber der Sieg an sich, also die Kapitulation des Gegners als Eingeständnis von dessen Niederlage. Bis zu diesem Punkt wollten all diejenigen kämpfen, die nicht einen Kompromissfrieden anstrebten.

Wie im Winter 1917/18 die deutsche Politik - vermutlich im Einklang mit einem großen Teil der Bevölkerung und auf jeden Fall von einer Mehrheit des Reichstages getragen - im Osten auf den Sieg über den zusammenbrechenden Gegner setzte, so strebten die politisch Verantwortlichen der Entente und der USA ein knappes Jahr später einen Sieg über die offenbar am Ende ihrer Kräfte stehenden Mittelmächte an.

Bis zu dem Punkt sind wir noch nicht im kontrafaktischen Bereich, sondern bei den realen Ereignissen. Wie es weitergegangen wäre, hätte die Reichsregierung Ende 1918 den Krieg nicht aufgegeben, kann man natürlich in der Folge diskutieren, wobei hier die Argumente ja bereits größtenteils ausgetauscht wurden. Ich bezweifle aber tatsächlich, dass der von Dir vorgeschlagene Weg wirklich nur an den mangelhaft ausgerüsteten Festungen an der Reichsgrenze gescheitert wäre.
 
Während des Krieges gab es natürlich auf allen Seiten auch alle möglichen Ideen und Wünsche, welche Gebiete der eigene Staat nach dem Krieg annektieren und welche Strafen den Besiegten auferlegt werden sollten.
Ob das so unbedingt als ein Akt der Bestrafung aufgefasst wurde? Ich denke das ist fallabhängig.

Sicherlich wird etwa in Österreich-Ungarn das Motiv Serbien dezidiert bestrafen zu wollen, eine Rolle gespielt haben.
In Italien z.B. gab es demgegenüber keinen Grund die Durchsetzung eigener Wünsche gegen Österreich-Ungarn in irgendeiner Form mit Bestrafung zu verbinden.
Das müsste man sicherlich einzeln durchdeklinieren.

Voraussetzung dafür war aber der Sieg an sich, also die Kapitulation des Gegners als Eingeständnis von dessen Niederlage.
Nein, die minimale Voraussetzung zum Erreichen der jeweiligen nationalen Zielsetzungen war nicht die Niederlage und vollständige Kapitulation des Gegners, sondern letztendlich dessen Bereitschaft einen Separatfrieden zu schließen.

Eine Kapitulation konnte demgegenüber eher hinderlich sein.

Man kann das vielleicht plastisch am Beispiel Italiens festmachen:

Italien hatte sich 1915 für seinen Eintritt in den Krieg im Londoner Vertrag mit Istrien und weiten Teilen Dalmatiens (Neben Südtirol, Isonzotal, Triest und einer Einflusszone in Anatolien) Territorien zusichern lassen, die bereits vorher in Teilen Serbien zugesagt worden waren, dessen Anspruch mit dem amerikanischen Kriegseintritt und der Theorie des "Selbstbestimmungsrechts der Völker" gegenüber den Italienischen Ansprüchen aus dem Londoner Vertrag eine deutliche Aufwertung erhielt.

Hätte sich Wien bei Zeiten in einen Separatfrieden mit Italien auf dieser Basis eingelassen, hätte letzteres aus dem Krieg ausscheiden und diese Territorien übernehmen und behalten können.
In dem Moment, in dem es keinen Separatfrieden gab und Österreich-Ungarn kollabierte (wie das tatsächlich passierte), Musste Italien seine Ansprüche gegen die konkurrierenden serbische Ansprüche durchsetzen, was ihm im Hinblick auf den größten Teil Dalmatiens, dass dann an den SHS-Staat und nicht an das Königreich Italienn ging, nicht gelang.

Man muss dabei auf dem Schirm behalten, dass die jeweiligen Akteure militärisch gegen den jeweils anderen Machtblock kämpften, auf politischer Ebene, bei konkurrierendenn Zielsetzungen, kämpften sie aber gleichzeitig auch gegen ihre eigenen Verbündeten und ein militärischer Sieg gegenüber einem Akteur aus dem anderen Block, konnte zu einer politischen Niederlage gegen einen Akteur aus dem eigenen Block führen.

Warum mit viel Blut den militärischen Sieg teuer erkaufen und den Krieg militärisch gewinnen, nur um dann möglicherweise am Runden Tisch den Frieden politisch zu verlieren?

Die Vorstellung, dass ein rein militärischer Sieg notwendig gewesen wäre um ein Maximum an eigenen Interessen durchsetzen zu können, ist falsch.
Sie wäre nur dann richtig, wenn die Zielvorstellungen der verschiedenen Akteure innerhalb eines Blocks nicht in Konkurrenz zueinander gestanden hätten.
So lange sie das aber taten, lag der goldene Weg zur möglichst umfangreichen Durchsetzung eigener Interessen nicht in einer allgemeinen Kapitulation des gegners, sondern in einem möglichst vorteilhaften Sonderfrieden, der das Potetial hatte die eigenen Interessen zu bedienen, ohne den unliebsamen konkurrierenden Vorstellungen der eigenen Bündnispartner Möglichkeiten zu ihrer Erfüllung zu verschaffen.

Rein machtpolitisch gedacht, war es von diesem Standpunkt aus vollkommen unsinnig auf einen vollständigenn militärischen Sieg über die andere Seite hinzuarbeiten.

Erschwehrend hinzu kommt, dass sich durch den Umstand der Koalitionskriegsführung Akteure militärisch gegenüberstanden, die miteinander eigentlich gar keine Probleme hatten.

Österreich-Ungarn hatte notorische Probleme mit Russland und auf einem gewissen Niveau auch mit Italien und natürlich Sebien, aber es gab überhaupt keine offenen territorialen oder sonst wie beschaffenen Streitfragen zwischen Österreich-Ungarn, Frankreich und Großbritannien.

Aus Britischer Sicht, machte es vielleicht Sinn so lange gegen Deutschland kämpfen zu wollen, bis man es aus Westeuropa (Belgien, Nordfrankreich) verdrängt und als Kolonialmacht ausgeschaltet hatte.
Was aber hätte Großbritannnien von einer vollständigen militärischen Niederlage Deutschlands für Vorteile gehabt, wo es sich für deutschlands europäische Territorien doch überhaupt nicht interessierte und die außereuropäischen längst einkassiert hatte?
Welchen Wert hätte gar ein Militärisches Niderwerfen Österreich-Ungarns für Großbritannien haben sollen, gegenüber dem es außer vielleicht Reparationen überhaupt keine Forderungen hatte und mit dem es sich aus Sicht der eigenen machtpolitischen Prioritäten im Grunde genommen in einem "falschen Krieg" befand?

Wenn wir mal voraussetzen, dass das einzige Ziel, für das es einen wirklich umfassenden militärischen Sieg benötigt die Abtretung größerer Kernterritorien eines des Kriegsgegners ist, weil erfahrungsgemäß alles niedrigschwelligere, wie Reparationen und Koloniale Fragen, bis hin zu kleineren Grenzkorrekturen mit einem Kompromissfrieden erreichbar war, dann machte es für die USA und Großbritannien, im Gegenatz zu Frankreich, Italien (und vor dem Ausscheiden aus dem Krieg) Russland, überhaupt keinen Sinn, einen solchen vollständigen militärischen Sieg anzustreben, weil sie sich mit entsprechenden Annexionswünschen überhaupt nicht trugen.
 
Aus britischer Sicht war das einzige offiziell angestrebte territoriale Ziel in Europa die Rückgabe Elsass-Lothringens an Frankreich.
Man durfte sicherlich davon ausgehen, dass die Durchsetzung dessen, nicht unbedingt voraussetzte in Berlin und Wien einzumarschieren.
Angesichts der Tatsache, dass die Annexion von 1870/1871, gerade unter den Sozialdemokraten und Liberalen, die nach dem Abgang des Kaisers erheblich größeren Einfluss auf die Politik bekamen immer umstritten war und Kritiker hatte, durfte man hier sicherlich Kompromissbereitschaft der neuen deutschen Regierung voraussetzen.

Auf amerikanischer Seite stand in Wilsons 14-Punkte-Programm noch die Schaffung eines polnischen Staates drinn, allerdings ist die Formulierung, was das angeht, sehr vage:

"XIII. Es sollte ein unabhängiger polnischer Staat errichtet werden, der die von unbestritten polnischen Bevölkerungen bewohnten Gebiete einschließen sollte, dem ein freier und sicherer Zugang zum Meere zugesichert werden sollte und dessen politische und wirtschaftliche Unabhängigkeit und territoriale Unverletzlichkeit durch internationales Abkommen garantiert werden sollten."

documentArchiv.de - Die 14 Punkte der Botschaft des Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika Woodrow Wilson an den US-Kongreß [Wilsons Vierzehn Punkte] (08.01.1918)


Was bedeutet "unbestritten polnische Bevölkerung" und was bedeutet "freier und sicherer Zugang zum Meer"?

Freier und sicherer Zugang zum Meer muss nicht unbedingt als Territorialforderung aufgefasst werden (Exterritoriale Wasser und Schienenwege so wie Freihäfen, wären ja durchaus eine Möglichkeit gewesen das zu erreichen) zumal sich unter Berücksichtigung der Frage der Ostgrenze dieses Staates, über die hier kein Wort verloren wurde und mit Blick auf die polnische Geschichte schon zu hinterfragen wäre, ob es sich bei diesem "Meer" denn um die Ostsee handeln müsste oder ob Im Falle eines Anschlusses westurkainischer Gebiete, die durchaus einmal dem historischen Polen angehört hatten, hier nicht auch das Schwarze Meer in Frage käme.

Was ist unbestritten polnische Bevölkerung?
Masuren und Kaschuben sprachen zwar letztendlich mehr oder weniger polnische Dialekte bestritten aber mitunter recht energisch Polen zu sein (die Volksabstimmung in Masuren nach dem 1. Weltkrieg belegt das sehr gut).

Was wäre denn unter "Gebiet" zu verstehen? Wäre hierunter die bestehende Verwaltungseinheit einer Provinz als unteilbares ganzes zu betrachten und von der Bevölkerungsmehrheit dieser Provinz auszugehen, oder wäre hier auch von Einzelnen Gliedern dieser Provinzen z.B. auf Landkreisebene einzeln auszugehen?

In ersterem Fall, wie wäre das mit dem Selbstbestimmungrecht der Völker zu vereinbaren, z.B. im Hinblick auf die ruthenischen/ukrainischen Minderheiten in Westgalzien?

Bei genauerem Hinsehen widersprechen sich z.B. hier möglicherweise Wilsons Forderungen alle eindeutig Polnischen Gebiete Polen anzugliedern, gleichzeitig aber den Völkern der Donaumonarchie (worunter auch die Ukrainer zählten) aber volles Selbstbestimmungrecht zu gewähren.

Es sei denn man betrachtete die Provinzen als Teilbar, was dann aber Fragen nach dem Modus der Schaffung des Grenzverlaufs, der Schaffung von Exklaven und dem Zerreißen gewachsener Wirtschaftsräume zum Schaden ihrer Bevölkerung aufwirft.

Ich denke Wilsons Forderung in Sachen Elsass-Lothringen ist noch einigermaßen eindeutig und auf Grund ihrer geringen Komplexität für die Bevölkerung auch vor dem Hintergrund des Vergeltungsbedürfnnisses wegen des U-Boot-Krieges vorstellbar.

Die anderen Forderungen, die Territorien betrafen definierten zum einen kein eindeutiges Ziel und konnten zum anderen auch als widersprüchlich zu einander aufgefasst werden, so dass eine einhellige Identifikation damit als Ziel eher schwer gefallen sein dürfte.

Ob dafür ein militärischer Sieg tatsächlich notwendig gewesen oder das am ehesten durch einen Kompromissfrieden zu erriechenn geewesen wäre, hängt sehr stark davon ab, wie man sie liest.
Folglich müsste man jetzt vermutungen darüber anstellen, wie die amerikanische Bevölkerung sie gelesen hat und zum anderen darüber ob sie in diesen Vorstellungen ihrem Präsidenten überhaupt zu folgen bereit gewesen wäre, denn immerhin erwuchsen aus Wilsons Vorstellungen für Polen und Österreich-Ungarn den USA selbst, im Gegensatz zu Entschädingungsforderungen an Deutschland und dessen Ausschaltung als See- und Kolonialmacht keine direkten Vorteile.
Wie weit die Ziele des Präsidenten hier auch die Ziele der Bevölkerung waren, wird man als Unbekannte betrachten dürfen.
 
Wie im Winter 1917/18 die deutsche Politik - vermutlich im Einklang mit einem großen Teil der Bevölkerung und auf jeden Fall von einer Mehrheit des Reichstages getragen - im Osten auf den Sieg über den zusammenbrechenden Gegner setzte, so strebten die politisch Verantwortlichen der Entente und der USA ein knappes Jahr später einen Sieg über die offenbar am Ende ihrer Kräfte stehenden Mittelmächte an.

Naja, ob das wirklich eine Mehrheit in der Bevölkerung hatte wird schwer zu sagen sein.

Die Mehrheitsverhältnisse Im Reichstag spiegelten ja durch die völlig veraltete Wahlkreiseinteilung, die der demographischen Entwicklung keine Rechnung trug, in seiner Zusammensetzung eher ein Zerrbild der politischen Meinung des Landes als diese Meinung selbst wieder (hinzu kommt das nicht vorhandene Frauenwahlrecht, dass das Bild natürlich noch unzuverlässiger macht).

Kommt hinzu: Noch im Juli 1917 hatte eine Mehrheit des Reichstags die sogenannte "Friedensresolution" verabschiedet, die sich klar gegen Annexionswünsche aussprach, was insofern noch schwerer wiegt, als das sie vor allem von Abgeordneten der SPD, des Zentrums und der Liberalen getragen wurden, also von Parteien, die mindestens was die SPD und die Liberalen angeht, ihre Wählerbasis in den sädtischen Gebieten hatten und durch die veraltete Wahlkreiseinteilung stark benachteiligt wurden.

Die Resolution wurde damals mit 216 zu 126 Stimmen angenommen, was schon eine recht deutliche Mehrheit ist, die sich zu diesem Zeitpunkt gegen Annexionen aussprach.
Setzt man hierbei voraus, dass die konservativen bis rechten Parteien durch ihre Wählerbasis in den ländlichen Gebieten durch die Wahlkreiseinteilung noch massiv bevozugt (abgesehen vielleicht von den Nationalliberalen) und damit im Reichstag überrepräsentiert waren und die USPD aus anderenn Gründen gegen die Resolution stimmte, obwohl sie den Standpunkt eines Verzichts auf Annexionen sicherlich teilte, wäre bei einer Zuspitzung allein auf die Annexionsfrage und bei einer Bereinigung der Verzerrungen durch die antiquierte Wahlkreiseinteilung, zu diesem Zeitpunkt die Mehrheit gegen Annexionen noch deutlich beeindruckender gewesen.

Friedensresolution – Wikipedia


Das Teile der Reichstagsabgeordneten später unter dem Eindruck der Ereignisse umschwänkten und in Anbetracht der Tatsachen Brest-Litowsk billigten, mag sein.

Wenn wir aber voraussetzen, dass der Reichstag im Wesentlichen den Wählerwillen repräsentierte, dann würde ich mich angesichts der Friedensresolution des Reichstags dahin versteigen wollen, zu behaupten, dass deine Voraussetzung, dass die Bevölkerung bereit gewesen wäre das bis zum militärischen Sieg durchzukämpfen um Eroberungen machen zu können, nicht zutreffend ist.
Die Friedensresolution spricht deutlich dagegen.

Im Hinblick auf Russland wäre im übrigen hinzuzusetzen, dass sich die Regierungen der Zentralmächte 1915/1916 durchaus um ein Separatfrieden mit Russland auf Basis des Status Quo ante bemühten, was letztendlich daran scheiterte, dass der Zar sich darauf nicht einlassen wollte.
Insofern war nicht einmal die Kriegszielpolitik der deutschen politischen Führung unbedingt alternativlos, sondern sie entwickelte sich entlang der Ereignisse.

Setzt man mit der Fiedensresolution des Reichstags voraus, dass sich die Meinung in der Bevölkerung zu Siegen und Eroberungen massiv von der der politischen und militärischen Führung unterscheiden konnte, mag das in ähnlichem Sinne auch für die Entente gelten, allerdings, was mindestens die Westmächte unter den Ententemächten betrifft, mit einem bedeutsamen Unterschied:

Insofern in Deutschland die Regierung nicht dem Parlament sondern dem Kaiser verantwortlich war und von diesem bestellt und entlassen wurde, konnte eine deren Politik missbilligende Parlamentsmehrheit diese Regierung nicht stürzen und damit die Politik ändern.
Das allerdings war, de jure in den USA und Frankreich, so wie de facto in Großbritannien, wo der Premier de jure vom König bestellt wurde, es aber gegen den politischen Comment war, wenn der König hier die Mehrheitsverhältnisse im Pralament missachtet hätte, anders.

Im Besonderen wenn sich unverhofft durch Angebote Alternativen aufgetan hätten, hätte das seine Wirkung haben können.

Bis zu dem Punkt sind wir noch nicht im kontrafaktischen Bereich, sondern bei den realen Ereignissen. Wie es weitergegangen wäre, hätte die Reichsregierung Ende 1918 den Krieg nicht aufgegeben, kann man natürlich in der Folge diskutieren, wobei hier die Argumente ja bereits größtenteils ausgetauscht wurden. Ich bezweifle aber tatsächlich, dass der von Dir vorgeschlagene Weg wirklich nur an den mangelhaft ausgerüsteten Festungen an der Reichsgrenze gescheitert wäre.

Kannst du gerne bezweifeln, ist dein gutes Recht, ich behaupte nicht die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben, sondern lediglich einen möglichen Standpunkt zu vertreten.
 
Naja, ob das wirklich eine Mehrheit in der Bevölkerung hatte wird schwer zu sagen sein.

Die Mehrheitsverhältnisse Im Reichstag spiegelten ja durch die völlig veraltete Wahlkreiseinteilung, die der demographischen Entwicklung keine Rechnung trug, in seiner Zusammensetzung eher ein Zerrbild der politischen Meinung des Landes als diese Meinung selbst wieder (hinzu kommt das nicht vorhandene Frauenwahlrecht, dass das Bild natürlich noch unzuverlässiger macht).

Kommt hinzu: Noch im Juli 1917 hatte eine Mehrheit des Reichstags die sogenannte "Friedensresolution" verabschiedet, die sich klar gegen Annexionswünsche aussprach, was insofern noch schwerer wiegt, als das sie vor allem von Abgeordneten der SPD, des Zentrums und der Liberalen getragen wurden, also von Parteien, die mindestens was die SPD und die Liberalen angeht, ihre Wählerbasis in den sädtischen Gebieten hatten und durch die veraltete Wahlkreiseinteilung stark benachteiligt wurden.

Ich habe nicht von einer Mehrheit, sondern von einem (mutmaßlich) großen Teil der Bevölkerung und einer Mehrheit des Reichstages gesprochen. Gerade die Friedensresolution hatte ich übrigens im Hinterkopf, als ich über die gedankliche Trennung von Sieg und territorialen Wünschen sprach. Die Parteien, welche die Resolution 1917 durchgesetzt hatten, unterstützten 1918 mehrheitlich den "Siegfrieden" im Osten, und es gab offenbar auch in der Bevölkerung keinen unüberwindlichen Widerstand gegen den Vertrag. Auch in den Entente-Staaten und der USA waren übrigens die Parlamente kein getreues Abbild der gesamten Bevölkerung.

Ein Kompromissfriede war gegen Ende des Krieges eigentlich für alle Seiten nur dann denkbar, wenn ein Sieg nicht in Reichweite zu sein schien. Ansonsten war es der Sieg, der den Leiden der Soldaten und der Heimatfront Sinn und Bedeutung zu geben vermochte, und wenn er nahe schien, musste man ihn auch anstreben. In Frankreich und Italien wurde nach dem Krieg ja in der Regel auch nicht kritisiert, dass man ihn bis zum Sieg geführt hatte, sondern dass der Sieg letztlich nicht richtig ausgenutzt worden sei.
 
Ich habe nicht von einer Mehrheit, sondern von einem (mutmaßlich) großen Teil der Bevölkerung und einer Mehrheit des Reichstages gesprochen. Gerade die Friedensresolution hatte ich übrigens im Hinterkopf, als ich über die gedankliche Trennung von Sieg und territorialen Wünschen sprach. Die Parteien, welche die Resolution 1917 durchgesetzt hatten, unterstützten 1918 mehrheitlich den "Siegfrieden" im Osten, und es gab offenbar auch in der Bevölkerung keinen unüberwindlichen Widerstand gegen den Vertrag. Auch in den Entente-Staaten und der USA waren übrigens die Parlamente kein getreues Abbild der gesamten Bevölkerung.

Ich denke hier trägst du zunächst mal dem Umstand der Bismarck-Verfassung nicht ausreichend Rechnung.

Insofern das Schließen von Friedensverträgen von Verfassungswegen dem Kaiser vorbehalten war und der Reichstag hier formal kein Mitspracherecht hatte, auch keine Möglichkeit den Kaiser oder die Reichsregierung abzusetzen, sollte man dabei, denke ich auf dem Schirm haben, dass der Reichstag, durch diesen Friedensschluss vor vollendete Tatsachen gestellt wurde.
Insofern der Friedensschluss selbst nicht in seine Zuständigkeit fiel und Kaiser und Regierung dem Reichstag gegenüber keine Rechenschaft schuldig waren, hätte dem Reichstag dagegen kein anderes Mittel zu Gebote gestanden, als erneut im Stile der Friedensresolution von 1917 eine Protestadresse zu formulieren.

Allerdings wäre das einzige, was die Unterzeichner der Friedennsresolution durch einen erneuten Versuch, nachdem der Frieden bereits geschlossen war hätten erreichen können gewesen, die Machtlosigkeit des Reichstags gegenüber Kaiser, Ziviler Regierung und Heeresleitung zu demonstrieren.
Davon abgesehen wäre eine Ablehung dieses Abkommens ungeachtet aus welchen Gründen zunächst einmal auch eine Ablehnung des dringend benötigten Friedens im Osten gewesen, während der Krieg insgesamt weiterging.

Setzt man voraus, dass man sicherlich der Meinung war, einen Frieden im Osten zu brauchen um wenigstens den Zweifronten-Krieg los zu werden und den Krieg insgesamt möglicherweise rasch beennden zu können, mag es sein, dass das den einen oder anderen veranlasst haben mag, lieber einen Frieden zu den falschen Konditionen hinzunehmen, als überhaupt keinen Frieden im Osten und dass die Billigung dieses Friedens, gegen den der Reichstag ohnehin keine Handhabe hatte, bei einigen Abgeordneten möglicherweise nicht so unbedigt dem unbedingten Wunsch nach Annexionen entsprach, als viel mehr dem Umstand, eine Demonstration der Machtlosigkeit des Reichstags in dieser Angelegenheit vermeiden zu wollen, auch das wäre eine Deutungsmöglichkeit.

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Die Frage, ob so ein Annexionsfrieden auf unübeerwindlichen Widerstand stieß, ist im Hinblick auf Deutschland in zweifacher Hinsicht die Falsche, wie ich meine:

- Einmal weil der Reichstag zum Widerstand dagegen ohnehin keine legale und effektive Handhabe hatte
- Einmal ja niemand behauptet hat, dass Verträge nach dem Muster von Brest-Litowsk oder der Pariser Vorortverträge grundsätzlich unvermittelbar gewesen wären (obwohl der Versailler Vertrag das zumindest in den USA evidentermaßen war, weswegen die Vereinigten Staaten nie zu den Signatarmächten des Veersailler Friedens zählten).

Die wesentlich interessantere Frage, wenn man deine Behauptung nach der die Bevölkerung auf allen Seiten das vorrangige Ziel eines vollständigen militärischen Sieges mitgetragen hätte, zur Grundlage nimmt, ist doch diejenige ob denn Ereignisse vorkamen, die gegen die Plausibilität dieser Annahme sprechen.

Und hier würde ich meinen, ist mindestens im Hinblick auf Deutschland die Friedensresolution vom Juli 1917 ein Schlüsseldokument, dass sehr stark dafür spricht, dass noch im Sommer 1917, als sich Russlands militärische Probleme schon sehr deutlich abzeichneten, eine Mehrheit des Reichstags durchaus einen Kompromissfrieden zu billigen oder auch vorzuschlagen bereit gewesen wäre, wenn sie denn die Machtbefugnisse dazu gehabt hätte, die ihr die Bismarck-Verfassung, die Friedensschlüsse zur Prärogative des Kaisers machte, vorenthielt.


Daraus, das eine Mehrherheit der Reichstagsabgeordneten den Brester Diktatfrieden rückwirkend billigten, lässt sich insofern nicht ableiten, dass grundsätzlich darauf hingearbeitet worden wäre, die Friedensresolution von 1917 spricht dagegen.

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Natürlich waren waren auch die Parlamente in den Ententestaaten keine getreuen Abbilder der politischen Meinung der Gesamtbevölkerung, schon wegen des fehlenden Frauenwahlrechts nicht und wenn wir die Bevölkerung der Kolonien mit einbeziehen, dreimal nicht.

Der maßgebliche Unterschied zum Reichstag besteht darin, dass die Regierungen dieser Länder ihren Parlamenten verantwortlich waren und von diesen auch abgesetzt werden konnten, was ihnen im Hinblick auf tatsächliche Friedensschlüsse erheblich größere Spielräume einräumte, als sie der Reichstag damals hatte.

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Ein Kompromissfriede war gegen Ende des Krieges eigentlich für alle Seiten nur dann denkbar, wenn ein Sieg nicht in Reichweite zu sein schien.

Du verwechselst hier um mit Clausewitz zu sprechen "Ziel" und "Zweck" eines Krieges, bzw. vermengst sie in unglücklicher Weise in dem Begriff "Sieg".

Womit du annimmst, dass entweder der Krieg selbst an und für sich Zweck sei, wo er aber eigentlich nur Mittel zum Zweck ist oder aber, dass der was der Krieg bezweckt nur militärisch durchgesetzt werden könne, was offensichtlich keine gültige Annnahme mehr ist, wenn man ein Szenario voraussetzt, bei dem ein Angebot vorgelegt wird, dass diesen Zweck auch ohne militärischen Zusammenbruch erfüllen würde.

Ansonsten war es der Sieg, der den Leiden der Soldaten und der Heimatfront Sinn und Bedeutung zu geben vermochte, und wenn er nahe schien, musste man ihn auch anstreben.

Dann möchte ich dich mal etwas fragen: warum ließ sich die Entente dann in einem Waffenstillstand ein, der sie um den rein militärischen Sieg in Form der Zerschlagung der deutschen Armee und um den Einmarsch in Berlin brachte?

Doch wohl deswegen, weil man dies als nebensächlich betrachtete, wenn die eigenen Ziele, mit Clausewitz der "Zweck" des Krieges erfüllt wurden.
Wenn wir daraus resultierend aber annehmen dass es offensichtlich nicht um den Sieg an sich, sondern um das Durchsetzen bestimmter Ziele ging, gibt es keinen Grund anzunehmen, warum man ein Friedensangebot, dass diese Ziele möglicherweise weitgehend erfüllt hätte, nicht hätte erörtern sollen, im Besonderen wenn man in Rechnung stellt, dass Bevölkerung und Parlament möglicherweise auch andere Zielvorstellungen hatten, als die jeweilige Regierung und möglicherweise schneller zufrieden zu stelle gewesen wären.

In Frankreich und Italien wurde nach dem Krieg ja in der Regel auch nicht kritisiert, dass man ihn bis zum Sieg geführt hatte, sondern dass der Sieg letztlich nicht richtig ausgenutzt worden sei.

Nein, für Frankreich mit seinen weitgesteckten Zielen, im Hinblick auf mögliche Annexionen an der Saar und im Rheinland so wie eine weitergehende Verkleinerung Deutschlands hätte ein Kompromiss auch keinen Sinn gemacht, was allerdings nicht bdeutet, dass es nicht möglicherweise zu einem gezwungen gewesen wäre, hätten sich Großbritannien und die USA in einen eingelassen und die hatten einmal keine weitgesteckten Annexionsziele in Deutschland, die weitestmögliche Fortsetzung vorausgesetzt hätten.

In Italien machte es insofern keinen Sinn darüber zu debattieren ob dieser Krieg zu lange geführt wurde, da realiter die Donaumonarchie nie einen Kompromiss-Vorschlag auf den Tisch gelegt hatte.

Hätte Österreich-Ungarn den Italienern jemals ein Separatfriedensangebot auf den Tisch gelegt, dass dem entsprochen hätte was sich Italien im Londoer Vertrag von 1915 ausbedungen hätte (abgesehen davon, das Wien das nicht konnte, weil es fast alle Häfen und damit seine Außenhandelsmöglichkeiten an Italien angetreten hätte), wäre die Annahme und das Ausscheiden aus dem Krieg wesentlich sinnvoller gewesen, weil es dann die Beute hätte behalten und sich nicht mit Serbien darüber hätte auseinandersetzen und den Schiedsspruch der großen drei hätte akzeptieren müssen, womit wir wieder bei dem Thema wären, dass der militärische Sieg oder mit Clausewitz das Erreichen des Zieles im Krieg den Zweck des Krieges, nämlich das durchsetzen der Kriegsziele gefährden kann, wenn es sich um einen Koalitionskrieg handelt in dem die eigenen Zielsetzungen mit denen der Verbündeten konkurrieren.

Und das taten sie, auch im Fall Deutschlands. Im Fall Deutschlands konkurrierten französische Sicherheitsinteressen ( Saar- Rheiland, möglichst große Verkleinerung Deutschlands) mit britisch-amerikanischen Wirtschaftsinteressen (möglichst viele Reparationszahlungen und zwar möglichst schnell, was voraussetze die deutsche Volkswirtschaft so weit als möglich intakt zu halten, was nicht mehr funktioniert, wenn man dem Land seine Bodenschätze und seine Industrien nimmt).

Aus britischer und amerikanischer Sicht, musste man sowohl Deutschland zum Einlenken bringen, als auch Frankreich mit seinen konkurrierendenn Zielvorstellungen politisch auf die Plätze verweisen.
 
Es wäre ja schön, wenn du in deinen Beiträgen ab und zu auch mal Bezug darauf nehmen würdest, was tatsächlich geäußert wurde und nicht darauf wovon du gerne hättest, dass es geäußert worden wäre.

Ich wäre Dir sehr verbunden, wenn Du diese Maxime in Deinen eigenen Beiträge konsequent anwenden würdest. Was Du @Dion vorwirfst, passiert Dir selber nämlich in dieser Diskussion immer wieder, z. B. jetzt erneut:

Ich habe das deswegen nochmal aufgerollt, weil du mir weiter oben vorgehalten hast, ich sei davon ausgegangen, dass man quasi unbegrenzt hätte weiterkämpfen können.

Das ist Unsinn, wo soll ich "weiter oben" sowas geschrieben haben? Lies doch bitte nach, was ich tatsächlich geschrieben habe.

Apropos Unsinn: Ich sehe gerade, dass ich auf diese Verdrehung noch gar nicht geantwortet habe.

Mit anderen Worten, du setzt einen Befehl zum Kampf der hauptsächlich den völlig obsoleten Ehrvorstellungen der höhreren Militärs galt mit dem Befehl eines Aushaltens mit dem Ziel wenigstens eine sichere Lebnsmittelversorgung durch Aufhebung der Blockade zu erreichen gleich?
Der Vergleichsbefehl, den ich zitiert habe, lautet:

Die Antwort Wilsons fordert die militärische Kapitulation. Sie ist deshalb für uns Soldaten unannehmbar.
[...]
Wilsons Antwort kann daher für uns Soldaten nur die Aufforderung sein, den Widerstand mit äußersten Kräften fortzusetzen. Wenn die Feinde erkennen werden, daß die deutsche Front mit allen Opfern nicht zu durchbrechen ist, werden sie zu einem Frieden bereit sein, der Deutschlands Zukunft gerade für die breiten Schichten des Volkes sichert.


Im Felde, den 24. Oktober, abends 10 Uhr. gez. v. Hindenburg.“

Natürlich hätte die OHL noch reinschreiben können "Wenn die Feinde erkennen werden, daß die deutsche Front mit allen Opfern nicht zu durchbrechen ist, werden sie alsbald die Blockade aufheben und zu einem Frieden bereit sein, der Deutschlands Zukunft gerade für die breiten Schichten des Volkes sichert."

Was das geändert hätte, erschließt sich mir nicht so ohne weiteres.


Lassen wir das im Kreis-Theoretisieren über die Moral mal bei Seite, das führt zu nichts, zumal wir da bei Einschätzung was über den 11. November 1918 hinaus passiert wäre ohnehin beide im kontrafaktischen Raum theoretisieren.

Dass das zu nichts führt, sind wir uns einig.
Den Schuh, ich würde über die Moral "theoretisieren", ziehe ich mir auch diesmal nicht an. Du bist derjenige, der im kontrafaktischen Raum theoretisiert, ich weise Dich lediglich
a) auf die Fakten hin, die Du nur ungenügend berücksichtigst
sowie in obigem Fall
b) auf den Denkfehler hin, den Du bei der Verteidigung Deiner kontrafaktischen Spekulationen begehst.

Es ist ja nicht so, dass nicht noch im Oktober 1918 allerhand optimistische Szenarien durchgespielt worden wären, die Kraft der gegnerischen Angriffe könne erlahmen, die Stimmung könne sich durch patriotische Parolen, durch einen mutigen Flottenvorstoß oder durch sonst einen wundersamen Umschwung ins Gegenteil verkehren, und es würde alles am Ende doch viel besser ausgehen als nach Lage der Dinge zu erwarten war.

Sitzung des Gesamtkabinetts vom 17. Oktober 1918:​

General Ludendorff: Ich habe den Eindruck, ehe wir durch diese Note Bedingungen auf uns nehmen, die zu hart sind, müßten wir dem Feinde sagen: erkämpft euch solche Bedingungen.
Der Reichskanzler: Und wenn er sie erkämpft hat, wird er uns dann nicht noch schlechtere stellen?
General Ludendorff: Schlechtere gibt es nicht.
Der Reichskanzler: O ja, sie brechen in Deutschland ein und verwüsten das Land.

(Das war einen Tag, bevor Kronprinz Rupprecht an den Kanzler schrieb: "Gelingt es uns, durch Zurückgehen hinter das starke Hindernis der Maas unsere Front wesentlich zu verkürzen, können wir günstigenfalls ein bis zwei Monate dort aushalten, aber nur dann, wenn [...] die österreich-ungarischen Truppen nicht von der Westfront abberufen werden. [...] Ludendorff erkennt nicht den ganzen Ernst der Lage, unter allen Umständen müssen wir zum Frieden gelangen, ehe der Gegner sich den Weg nach Deutschland erzwingt, denn dann wehe uns!")

Spätestens mit dem Ausscheiden Österreich-Ungarns aus dem Krieg waren solche Illusionen vollends zerplatzt. Am 26. Oktober teilte der österreichische Botschafter den unwiderruflichen Entschluss Kaiser Karls zu einem Separatfrieden mit, bereits am 27. Oktober musste das Kriegskabinett den Szenarien "Italien würde ... sofort frei und ginge nach dem Westen" bzw. "Durgchgangstransport der Ententetruppen nach Bayern" ins Auge sehen.

bleibe ich hier bei der Argumentation, dass der Moral im Zusammenhang mit diesem Szenario eine untergeordnete Bedeutung zukommt.

Das ist keine "Argumentation", sondern eine faktenbefreite Behauptung. Niemand benötigt oder benötigte einen "Nachweis für einen garantierten umittelbar bevorstehenden Kollaps binnen zweier Monate", am wenigsten die deutsche Regierung, die Anfang November 1918 keinen Spielraum mehr hatte, im kontrafaktischen Raum über eine Verbesserung der Moral zu theoretisieren.

Wahrscheinlich hatte sie schon Anfang Oktober keinen Spielraum mehr. Der damalige Staatssekretär Conrad Haußmann brachte es rückblickend auf den Punkt:

Deutschland hatte im Oktober die Freiheit des Handelns nicht mehr, weil das Heer zum Widerstand nicht mehr die Kraft hatte.
Das Problem war ein äußeres und ein inneres. Beide mußten nacheinander gelöst werden und konnten nicht miteinander ohne Verwirrung gelöst werden. Man konnte den Volksstaat herstellen und an der Front standhalten, um einen würdigen Frieden als Volksstaat zu schließen, oder man konnte vorher den Frieden schließen und dann den Volksstaat durchführen. Der Kaiser konnte das im November nicht mehr.
In 4 Wochen - ich selbst wurde erst am 14. Oktober Staatssekretär - waren beide Probleme nicht lösbar.
Zudem konnte man nicht mit der nötigen höchsten Eile deshalb handeln, weil man in der Regierung keinen Bericht über das Maß von Zermürbung der Truppen an der Front und in den Kasernen erhalten hat und darüber erst durch die Tatsachen, aber nicht durch die Oberste Heeresleitung, den Kriegsminister oder den Oberkommandanten der Marken aufgeklärt worden war.

Erich Matthias und Rudolf Morsey (Bearb.), Die Regierung des Prinzen Max von Baden, Düsseldorf 1962, S. 631
 
Das ist Unsinn, wo soll ich "weiter oben" sowas geschrieben haben? Lies doch bitte nach, was ich tatsächlich geschrieben habe.

Ich meine mich ziemlich genau erinnern zu können, dass du in #909 vom 6. September folgendes geschrieben hast:

Und nun kommst Du auch mit Spekulationen um die Ecke, die davon ausgehen, das Potential an Logistik und defensiven Möglichkeiten sei noch nicht ausgeschöpft gewesen, und es wäre eigentlich recht einfach gewesen, die Truppen zu einem (zeitlich unbefristeten) "Weitermachen" zu motivieren.

Hervorhebung durch mich.

Apropos Unsinn: Ich sehe gerade, dass ich auf diese Verdrehung noch gar nicht geantwortet habe. [...]

Verzeihung, inwiefern ist mein Feststellen deines Vergleich des Flottenbefehls mit einem potentiellen Haltebefehl eine Verdrehung?
Du hattest zunächst den Flottenbefehl herangezogen und ich hatte darauf hingewiesen, dass das auf Grund des Charakters seines Inhalts ein unsauberer Vergleich ist.

Und es wird wohl einsichtig sein, dass die Verweigerung eines Befehls, der darauf hinauslief in einer Angriffsoperation mal eben die größte Seeschalcht seit Skagerak vom Zaun zu brechenm was die Glaubwürdigkeit jeglicher Friedensbemühungen untergraben hätte und die Meuterei gegen Offiziere die das anordneten in keiner Weise eine sinnvolle Vergleichsfolie sein kann, für potentielle Reaktionen auf einen Haltebefehl.


Aus Hindenburgs Befehl vom 14. Oktober, ist insofern der ja nicht rausging, kaum geeigent daraus Reaktionen in der Truppe abzuleiten.

Den Schuh, ich würde über die Moral "theoretisieren", ziehe ich mir auch diesmal nicht an.
Wirst du müssen, wenn du die Moral der Truppen zum entscheidenden Faktor für das Durchhalten der Truppen über das Datum des Waffenstillstands hinaus erklären möchtest, worauf deine Argumentation hinausläuft.
Das ist nun einmal kontrafaktischer Raum.

a) auf die Fakten hin, die Du nur ungenügend berücksichtigst
sowie in obigem Fall

Korrigiere, die ich deiner persönlichen Ansicht nach zu wenig berücksichtige, ich für meinen Teil sehe das anders.

b) auf den Denkfehler hin, den Du bei der Verteidigung Deiner kontrafaktischen Spekulationen begehst.
Bitte, wenn ich da Denkfehler mache, dann lese ich mir das gerne an, nur bisher hast du mich noch von keinem übeerzeugen können.

Niemand benötigt oder benötigte einen "Nachweis für einen garantierten umittelbar bevorstehenden Kollaps binnen zweier Monate"

Doch, ich benötige den, sonst hätte ich nicht danach gefragt und ich hatte eigentlich auch dargelegt warum.

Nämlich weil der militärische Zusammenbruch in meinen Augen gar kein Szenario war, dass man um jeden Preis abwenden musste.
Die Waffenstillstandsbedingungen forderten bereits die Entwaffnung und teilweise Besetzung Deutschlands und legten damit dann auch mehr oder weniger bereits fest, dass Deutschland kaum Möglichkeiten haben würde die endgültigen Friedensverhandlungen zu beeinflussen und ermöglichten der Entente mehr oder weniger alles durchzusetzen, worauf sie sich mit sich selbst in irgendeiner Weise einigen konnte.
Schlechter hätte Deutschland in der Tat auch bei einem militärischen Zusammenbruch im Hinblick auf die Friedensbedingungen nicht dargestanden.
Hätte die Entente beabsichtigt Deutschland, wenn es von sich aus aufgab irgendwie anders zu behandeln, als wenn es militärisch niedergerungen würde, hätte man das in den Waffenstillstandsbedingungen dargelegt um die Annahme zu erleichtern.

Politisch hätte eine vollständige militärische Niederlage und damit verbunden ein tatsächliches Friedensdiktat von Seiten der Entente der provisorischen Regierung und damit auch der Demokratie eher geholfen, weil es sie aus der Verantwortung entlassen hätten.
Wären tatsächlich Truppen der Entente nach Berlin eingerückt, hätte die provisorische Regierung sich nicht meehr mühen müssen für einen sehr schmerzhaften Frieden zu werben, weil dann jeder die Alternativlosigkeit hätte einsehen müssen.
Auch diverse Fragen im Zusammenhang mit dem Frieden, wie diejenige der Anerkennung der Kriegssschuld oder der Auslieferung der Kriegsverbrecher, die Potential hatten die Nation zu spalten, wären gar nicht erst auf dem Tisch gekommen, wenn der siegreiche Kriegsgegner einfach Fakten geschaffen hätte


Und von dieser Warte aus betrachtet, wäre der militärische Zusammenbruch tatsächlich eine so große Katastrophe gewesen?
Dass es wäre die Truppe moralisch auseinandergefallen und Divisonsweise in Gefangenschaft gegangen oder einfach Desertiert, noch zu großen Kämpfen und schlimmen Verwüstungen in Deutschland selbst gekommen wäre, ist unwahrscheinlich.
Eine großflächige Besatzung des ganzen Landes wäre zu kostpsielig gewesen und da auch die Entente ein dringendes Interesse an Demobilisation hatte um die Kosten zu Sennken und Wirtschaft und Wiederaufbau voranzutreiben, wäre das wahrscheinlich nicht längere Zeit über forciert worden.
Vandalismus und wilde Requisitionen (wo es noch etwas zu requirieren gab) als Begleiterscheinungen einer Bsetzung wären zu erwarten gewesen, aber angesichts der Dramatik der Gesamtsituation wäre das vermutlich zu verschmerzen gewesen.

Von diesem Standpunkt aus, ist die bloße Gefahr des Zusammenbruchs kein Schreckgespenst, weil der durchaus auch Vorteile mit sich bringen konnte, was die Festigung der provisorischen Regierung betrifft.

Das Szenario, das ich als als wirklich zwingendes Argument gegen Weiterkämpfen unter diesen Bedingungen sehe, ist eines bei dem der Zusammenbruch von vorn herein absehbar gewesen wäre und keine Chance darauf bestanden hätte selbst mit einer Friedensinitiative zum Zug zu kommen.

Denn dass hätte bedeutet völlig sinnloser Weise das Leben der eigenen Soldaten einfach wegzuwerfen.

Ohne Festungslinie war ein solches Szenario wahrscheinlich gegeben, damit war die Annahme des Waffenstillstands auch zu diesen Konditionen wahrscheinlich die richtige Entscheidung.

Die bloße Gefahr der Möglichkeit eines Zusammenbruchs bevor man selbst möglicherweise eine diplomatische Initaitve hätte starten können, wäre von meinem Standpunkt aus, kein Argument gewesen es nicht zu versuchen und damit ist von meinem Standpunkt aus die Frage der Moral eine Untergeordnete.
 
Ich meine mich ziemlich genau erinnern zu können, dass du in #909 vom 6. September folgendes geschrieben hast:

Hervorhebung durch mich.
Ja, und?
Wo liest Du da raus, ich hätte Dir unterschoben, man hätte zeitlich unbegrenzt weiterkämpfen können?

Muss ich das jetzt nochmal erklären? Man hätte die Soldaten zu einem Weitermachen motivieren müssen - wohl wissend, dass nach ein, zwei, drei Monaten Schluss sein würde, aber das konnte man den Soldaten natürlich so nicht sagen.

Oder hast Du das hier auch nicht gelesen?
Es ging doch gerade darum, mit welcher Ansage man die am Boden liegende Truppenmoral im Handumdrehen wieder in einen Topzustand hätte versetzen können. Dass eine solche Ansage nur unbefristet sein kann, liegt in der Natur der Sache. Oder wie darf ich mir eine zeitlich befristete Ansage vorstellen?

"Wir werden den Widerstand mit äußersten Kräften bis zum 31. Dezember fortsetzen. Wenn die Feinde bis dahin nicht zu einem für uns vorteilhafteren Frieden bereit sind, dann werden wir halt auf 1. Januar kapitulieren. (Oder die Frist nochmal verlängern.)"


Verzeihung, inwiefern ist mein Feststellen deines Vergleich des Flottenbefehls mit einem potentiellen Haltebefehl eine Verdrehung?
Über einen "Befehl eines Aushaltens mit dem Ziel wenigstens eine sichere Lebnsmittelversorgung durch Aufhebung der Blockade zu erreichen" habe ich kein Wort geschrieben. Einen solchen Befehl hat es nicht gegeben, ein solcher wurde m. W. auch nie erwogen, und ein solcher wäre auch ziemlich lächerlich gewesen. (Allenfalls hätte man für den Flottenbefehl das Ziel "Brechung der Seeblockade" propagandistisch vorschieben können.)


Wirst du müssen, wenn du die Moral der Truppen zum entscheidenden Faktor für das Durchhalten der Truppen über das Datum des Waffenstillstands hinaus erklären möchtest, worauf deine Argumentation hinausläuft.

Nochmal: Ich stelle hier überhaupt keine Spekulationen in den Raum, wie es nach dem 11. November weitergegangen wäre, daher muss ich nichts von dem behaupten, was Du gern von mir behauptet haben möchtest. Es genügt mir, zu belegen, dass die Truppenmoral im Oktober/November 1918 ein Faktor war, der zu berücksichtigen war. Das kannst Du natürlich gern weiter ignorieren und die Augen vor den Quellenbelegen verschließen.

Für die Analyse der Stimmungen und Einstellungen der deutschen Mannschaftssoldaten an der Westfront 1918 stehen als Quellenmaterial vor allem deren überlieferte Selbstzeugnisse zur Verfügung, in erster Linie Kriegstagebücher und Feldpostbriefe. [...] Auf dieser Quellengrundlage lassen sich insbesondere über die Stimmungslagen und die politisch-militärischen Meinungen und Urteile der Soldaten relativ verlässliche Aussagen treffen. Speziell dafür stehen die bislang nur vereinzelt benutzten Berichte der militärischen Postüberwachungsstellen zur Verfügung, die seit dem Frühjahr 1916 auf der Ebene der Divisionen und Armeeoberkommandos arbeiteten. Diese Stellen werteten die aufgelaufene Post stichprobenartig aus und fertigten Stimmungsüberblicke mit zahlreichen Zitaten an. Dabei bemühten sie sich, ihrem Auftrag folgend, um Repräsentativität bei der Wiedergabe von Meinungen.

Benjamin Ziemann, Gewalt im Ersten Weltkrieg, Essen 2013, S. 120f

Aus einem Postüberwachungsbericht vom 17. Oktober 1918:

Mich haben die Preußen in den 5 Jahren soweit bekommen, daß es mir ganz gleichgültig ist, unter welchen Bedingungen wir Frieden schließen müssen. Nur recht bald. Meinetwegen können sie auch Staatsbankrott machen. So fangen wir eben alle von vorne an.
Für Deutschland kommen schwere Zeiten, denn ob nun noch Frieden zustandekommt ist fraglich; Ehre verloren, alles verloren; wenn ich nur wüßte, wie ich mein Vermögen retten könnte, denn bares Geld geht wahrscheinlich verloren.

Aus einem anderen Feldpostbrief:

Uns kann's egal sein, wie's kommt. Nur der Vaterlandspartei und den Alldeutschen kann's nicht egal sein.
Das Volk will aus diesem Elend, was kommt ist alles egal, nur Friede. Ich weiß nichts weiter als die Flinte ins Korn zu werfen, ich kann einfach nicht mehr.

Doch, ich benötige den,
Wozu denn? Ich versteh's nicht.

Was Du allenfalls benötigst, um ernstgenommen zu werden, wäre eine an der historischen Realität orientierte Erläuterung, woher der von Dir postulierte
hätte herkommen sollen.

Einem Soldaten, dem es schlicht wurscht war, ob der Krieg mit einem "ehrenvollen" Waffenstillstand, mit einem "knebelnden" Waffenstillstand oder einem Zusammenbruch mit bedingungsloser Kapitulation zu Ende war, Hauptsache er war bald zu Ende, war mit noch so rosigen Illusionen nicht mehr zu einem Weitermachen zu "motivieren".

Wären tatsächlich Truppen der Entente nach Berlin eingerückt, hätte die provisorische Regierung
Noch bevor Truppen der Entente nach Berlin eingerückt wären, hätte es nach Lage der Dinge die provisorische Regierung nicht mehr gegeben. Nach der Abdankung des Kaisers und der Übergabe an die provisorische Regierung hatte diese doch keine andere Wahl mehr, als den Krieg sofort zu beenden. Eine Regierung, die mit dem Aufruf "Wir unterzeichnen keinen Waffenstillstand! Alles kämpft weiter bis zum totalen Zusammenbruch!" angetreten wäre, hätte sich sofort den Boden unter den Füßen weggezogen. Wer hätte dieser (weder durch die Verfassung noch durch Wahlen legitimierten) Regierung denn folgen sollen?

Politisch hätte eine vollständige militärische Niederlage und damit verbunden ein tatsächliches Friedensdiktat von Seiten der Entente der provisorischen Regierung und damit auch der Demokratie eher geholfen, weil es sie aus der Verantwortung entlassen hätten.
Der provisorischen Regierung hätte es - vielleicht (darüber zu spekulieren ist müßig) - geholfen, wenn zuerst die alte OHL samt dem Kaiser mit Pauken und Trompeten untergegangen wäre. Nun aber stand sie in der Verantwortung, ob sie wollte oder nicht.
 
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