Der Erste Weltkrieg und seine Bedeutung in der heutigen Zeit.

Ich denke hier trägst du zunächst mal dem Umstand der Bismarck-Verfassung nicht ausreichend Rechnung.

Insofern das Schließen von Friedensverträgen von Verfassungswegen dem Kaiser vorbehalten war und der Reichstag hier formal kein Mitspracherecht hatte, auch keine Möglichkeit den Kaiser oder die Reichsregierung abzusetzen, sollte man dabei, denke ich auf dem Schirm haben, dass der Reichstag, durch diesen Friedensschluss vor vollendete Tatsachen gestellt wurde.

Das stimmt natürlich. Andererseits hätten die Parteien sich dadurch auch leichter davon distanzieren können, wenn sie den Vertrag für unpopulär gehalten hätten. Die Reichsleitung war außerdem durchaus daran interessiert, die Mehrheit des Parlaments hinter sich zu haben, um inneren Unfrieden zu vermeiden.

Du verwechselst hier um mit Clausewitz zu sprechen "Ziel" und "Zweck" eines Krieges, bzw. vermengst sie in unglücklicher Weise in dem Begriff "Sieg".

Womit du annimmst, dass entweder der Krieg selbst an und für sich Zweck sei, wo er aber eigentlich nur Mittel zum Zweck ist oder aber, dass der was der Krieg bezweckt nur militärisch durchgesetzt werden könne, was offensichtlich keine gültige Annnahme mehr ist, wenn man ein Szenario voraussetzt, bei dem ein Angebot vorgelegt wird, dass diesen Zweck auch ohne militärischen Zusammenbruch erfüllen würde.

Es ist aber doch unstrittig, dass die offiziellen und inoffiziellen Kriegsziele der kriegführenden Mächte ziemlich uneindeutig waren, oder? Schon zu Beginn wurden häufig recht abstrakte Ziele genannt, und der Kampf wurde als Auseinandersetzung zwischen Kultur und Zivilisation, Händlern und Helden oder Autokratie und Demokratie gedeutet. Die territorialen Ziele wandelten sich außerdem im Lauf des Krieges erheblich. So planten viele deutsche Entscheidungsträger (darunter auch Bethmann Hollweg), das ursprünglich aus militärischen Gesichtspunkten besetzte Belgien dauerhaft als Vasallenstaat unter Kontrolle zu halten.

Und wenn wir bei Clausewitz bleiben, müsste man fragen, ob ein deutsches Friedensangebot wirklich geeignet war, als "Erfüllung des Willens" auf Seiten der Entente zu gelten. Der Waffenstillstand vom 11. November wurde offenbar mehrheitlich so interpretiert, auch wenn es durchaus Stimmen gab, die eine Fortsetzung des Kampfes bis zur deutschen Kapitulation forderten. Das hatte aber eben auch damit zu tun, dass man Bedingungen festlegte, die Deutschland eine Wiederaufnahme der Kämpfe verunmöglichten.
 
Andererseits hätten die Parteien sich dadurch auch leichter davon distanzieren können, wenn sie den Vertrag für unpopulär gehalten hätten. Die Reichsleitung war außerdem durchaus daran interessiert, die Mehrheit des Parlaments hinter sich zu haben, um inneren Unfrieden zu vermeiden.

Ich denke nicht, dass man sich so einfach dagegen positionieren konnte, einfach weil Brest-Litowsk eben ein Separatfrieden im Osten und kein allgemeiner Frieden war.
Dadruch konnten überzeugte Beführworter dieses Friedens damit argumentieren, dass Deutschland um denn Krieg weiter durchsthehen zu können die Ressourcen aus dem Osten brauchte und somit auf Annexionen und Kontributionen nicht verzichten könne.
Dem hätten Gegner dieses Friedens nicht wiedersprechen können, ohne sich ganz gefährlich gegenüber des möglichen Vorwurfs der Sabotage der Kriegsanstrengungen und damit des Verrats auszusetzen, denn angesichts der durch die britische Blockade mittlerweile grassierdenden Lebensmittelknappheit und des Mangels an diversen anderen Dingen, hatte die Argumentation, dass man Kriegsbedingt Beutegut aus Teilen des ehemaligen Russlands benötigte, schon eine gewisse Logik.

Und daran interessiert, sich nicht unnötig den Ruf von Saboteuren zuzuziehen und sich für Repressionsmaßnahmen somit angreifbar zu machen, hatte die SPD ja bereits in der Frage der Kriegskredite beschlossen, lieber eine Kompromisslinie, als einen Konfrontationskurs gegenüber der Regierung zu fahren.

Zumal unter anderem der fall Liebknecht auch gezeigt hatte, dass man seitens der Regierung und der Militärbehörden mitunter durchaus zur Repression bereit war.

Es ist aber doch unstrittig, dass die offiziellen und inoffiziellen Kriegsziele der kriegführenden Mächte ziemlich uneindeutig waren, oder?

In Teilen.
Sofern wir über die Entente reden, sind Teilziele wie die die Rückgabe Elsass-Lothringens an Frankreich und die Wiederherstellung Belgiens ja sehr offen kommuniziert worden und in die Propaganda eingeflossen.

Schon zu Beginn wurden häufig recht abstrakte Ziele genannt, und der Kampf wurde als Auseinandersetzung zwischen Kultur und Zivilisation, Händlern und Helden oder Autokratie und Demokratie gedeutet.
Ich würde eigentlich behaupten, das Aufkommen abstrakter Ziele ergab sich mehr oder weniger vor allem im weiteren Verlauf des Krieges aus Gründen der Sinnstiftung.

- Für Österreich-Ungarn ist von Tag 1 der eigenen Kriegsbeteiligung klar, dass Serbien in irgendeiner Weise bestraft und in Österreichische Abhängigkeit gebracht so wie verkleeinert werden müsse.
Das war ein ein relativ klares Ziel mit einer territorialen Komponente, die zwar nicht auf eigenen Gebietszuwachs hinauslief durchaus aber das klare Ziel hatte, dass Serbien die mazedonischen Gebiete zu Gunsten Bulgariens loswerden müsse.

- Für Frankreich ist vom 1. Tag an die Rückgeewinnung Elsass-Lothringens feststehendes Territorialziel.

- Deutschland hat zwar am Beginn dieses Krieges kein nachwisbares Territorialziel, allerdings entwickelt die Regierung Bethmann-Hollweg mit dem "Septemberprogramm" binnen 1,5 Monaten recht präzise Zielvorstellungen, im Hinblick auf Belgien, Longwy-Briey und Afrika, beim "Mitteleuropa-Projekt" ist etwas schwammig, wie genau man gedacht hätte die umlieegenden Staaten in einen von Deutschland dominierten Wirtschaftsraum tatsächlich hinein zu bekommen, aber die Idee selbst war durchaus recht konkret.

- Großbritannien hat zu Beginn des Krieges ebenfalls ebenfalls keine festen Territorialziele, aber die Wiederherstellung der territorialen Intgrität Belgiens, war ein recht klar umrissenes Ziel, das von Beginn an verfolgt wurde.

Einzig bei Russland bin ich mir nicht sicher, ob man bei Beginn des Krieges von sehr konkreten Zielen sprechen kann.
Alle anderen Akteure (ausgenommen die USA) werden mit konkreten territorialen Versprechungen in den Krieg gelockt oder rechnen sich das mindestens aus.

- Italien geht wegen der Versprechungen des Londoner Vertrags von 1915 in den Krieg.
- Bulgarien wegen der im 2. Balkankrieeg an Serbien verlorenen mazedonischen Gebiete.
- Rumänien wegen Siebenbürgen und der Bukowina
- Das Osmanische Reich vor allen Dingen aus der Erwägung bei einer Niederlage der Zentralmächte dem auf die Meerengen schielenden Russland allein gegenüber zu stehen, sicherlich aber auch um ggf. russische Gebiete im Kaukasus und britisch kontrollirte Territorien (Zypern, Ägypten, Kuwait, Jemen) als Beute mitnhmen zu können.
- Griechenland wegen der verbliebenen Teilen des Osmanischen Reiches in Europa und den griechisch bewohnten Teilen der kleinasiatischen Gegenküste.
- China wegen der Rückgabe von Qingdao
- Japan, weil es ebenfalls ein Auge auf Qingdao als Tor nach China und auf die deutschen Pazifikkolonien geworfenn hatte.

Schon zu Beginn wurden häufig recht abstrakte Ziele genannt, und der Kampf wurde als Auseinandersetzung zwischen Kultur und Zivilisation, Händlern und Helden oder Autokratie und Demokratie gedeutet.

Natürlich tauchte das als propagandistische Begleitmusik immer wieder auf, aber Eingang in die tatsächliche Programmatik fand das mehr oder weniger erst bei Wilson und inwiefern das tatsächlich übernommen und geglaubt wurde, ist noch einmal eine andere Frage.

Ist es besonders glaubhaft zu behaupten, einen Krieg für die Demokratie zu führen, wenn man das an der Seite des russischen Zaren und damit des autokratischsten Heerrschers in Europa tut?

Hatten die Zustände in den Schützengräben an der Westfront (die Millionen von Soldaten sahen und in der Feldpost nach Hause schilderten), irgendwas mit "Zivilisation" zu tun?

Passten Russische Armeen, die von Deutschbaltischen Kommandanten wie v. Rennenkampf und v. Sievers gegen Deutsche und Österreichische Verbände geführt wurden in denen Masuren, Kaschuben, Polen, Ukrainer, Tschechen und Slowaken, Slowenen, Kroaten und Bosnier kämpften irgendwie zum Paradigma eines "rassischenn Kampfes" von "Germanentum" und "Slawentum" gegeneinander?

Passte die Auseinandersetzung zwischen Großbritannien und Deutschland irgendwie in das Konzept eines natürlichen Zusammenhalts "Germanischer" oder "Protestantischer" Völker?

Passte der Krieg von Bulgaren und Serben gegeneinander oder der Umstand, dass an der Ostfront Slawen aus dem geesamten Habsburger Machtbereich gegen Slawen aus Russland kämpften irgendwie zum Konzept des "Panslawismus"?

Oder die Auseinanderserzung zwischen Frankreich und Italien auf der einen und Österreich-Ungarn auf der anderen Seite zur Vorstellung einer katholischen Gemeinschaft, als deren Vorkämpfer sich Frankreich seit dem Beginn des 19. Jahrhunderts sehr gern stilisierte?

Natürlich schwanngen solche Topoi von Anfang an mit, nur wer auch nur ein wenig über den Tellerrand hinausschaute, konnte den Unsinn doch kaum ernst nehmen
 
Die territorialen Ziele wandelten sich außerdem im Lauf des Krieges erheblich. So planten viele deutsche Entscheidungsträger (darunter auch Bethmann Hollweg), das ursprünglich aus militärischen Gesichtspunkten besetzte Belgien dauerhaft als Vasallenstaat unter Kontrolle zu halten.

Und hatten Hindenburg und Ludendorff keine entsprechenden Pläne für Belgien?
Ich meine doch.
Jedenfalls wüsste ich nicht, wann man sich von der Vorstellung Ostbelgien mit Lüttich zu annektieren und den Rest zu einem um einige französische Gebiete erweiterten Vasallenstaat zu machen, bei den Annexionisten verabschiedet hätte.
Wovon man sich verabschiedete, war der Fokus auf Afrika, weil man mittleerweile verstanden hatte, dass die Kolonien gegen dir britische Seemacht nicht zu verteidigen waren.

Und wenn wir bei Clausewitz bleiben, müsste man fragen, ob ein deutsches Friedensangebot wirklich geeignet war, als "Erfüllung des Willens" auf Seiten der Entente zu gelten.

Das hätte davon abgehangen, was es beeinhaltet hätte.

Nur einmal ganz konkret gefragt: welche klar formulierten Ziele konnten die USA und Großbritannien haben, die aus deutscher Sicht absolut unannehmbar hätten sein müssen?

Wie das sehe, Großbritannien überhaupt keine und die USA alleenfalls im Hinblick auf Polen, wobei Wilsons Programm so unklar formuliert ist, dass es eigentlich mehr Fragen als Antworten aufweist, so dass es mir schwerfällt mir vorzustellen, dass sich damit jemand besonders gut identifizieren kann.

Das sind Formelkompromisse, denen sicherlich im Grunde jeder zustimmen kann, aber welches Mobilisierungspotential haben sie tatsächlich und was ist mit ihren inneren Widersprüchen?

Man kann das, wenn so viel Tagspolitik erlaubt ist, sicherlich z.B. mit dem gerade laufenden Ukraine-Konflikt und dessen Begleiterscheinungen vergleichen.

Auch da wird ja unter anderem der politische Systemkonflikt Demokratie vs. Autokratie beschworen, auch da wird beschworen, dass die Ukraine diesen Krieg in jedem Fall gewinnen müsse.

Meinst du aber, wenn Moskau morgen ein Angebot auf den Tisch legte um zum Status vom Februar 2022 zurück zu kehren, gäbe es in der Ukraine und im Westen irgendwelche Mehrheiten dafür dass diesr Krieg fortgesetzt werden müsste, weil den formulierten Prinzipien nicht hinreichend Nachdruck verliehen worden sei?

Ich denke nicht. Ich denke, wenn das passierte, würde sich die deutliche Mehrzahl, sowohl in der Ukraine, als auch im übrigenn Westen sehr schnell dazu breit finden, zu erklären, warum der Sieg damit erreicht sei und man die Krieg im Grunde abwickeln könne.


Ähnlich hätte es sich wahrscheinlich hier verhalten.
Mit einiger Wahrscheinlichkeit hätten sehr viele Amerikaner die Unkarheit in der Formulierung genutzt um den angepeilten Sieg herbeizudeuten und den Krieg hinteer sich lassen zu können, die noch wesentlich.

Der Waffenstillstand vom 11. November wurde offenbar mehrheitlich so interpretiert, auch wenn es durchaus Stimmen gab, die eine Fortsetzung des Kampfes bis zur deutschen Kapitulation forderten.
Das waren dannn diejenigen, die nicht verstanden hatten, dass der Waffenstillstand zu diesen Bedingungen bereits faktisch die deutsche Kapitulation war.

Natürlich warum sich mit einem Kompromiss begnügen wenn der Gegner bereits zur Kapitulation bereit ist.
 
Muss ich das jetzt nochmal erklären? Man hätte die Soldaten zu einem Weitermachen motivieren müssen - wohl wissend, dass nach ein, zwei, drei Monaten Schluss sein würde, aber das konnte man den Soldaten natürlich so nicht sagen.

In dieser Form nicht, aber auch hier drehen wir uns wieder im Kreis, weil einmal durchaus spekulativ ist, wie die Truppen darauf reagiert hätten, hätte man ihnen die Waffenstillstandsbedingungen der Entente zur Kenntnis gebracht und sie darum gebeten zu versuchen wenigstens noch bis zum Winter auszuhalten, um den Versuch unternehmen zu können beessere Bedingungen für einen Friedensschluss heraus zu handeln und wenigstens die Lebensmittelversorgung Deutschlands durch Aufhebung der Blockade definitiv zu sichern.

Du gehst anscheinend a priori davon aus, dass sich darauf niemand eingelassen hätte, aber auf welcher Basis?



Über einen "Befehl eines Aushaltens mit dem Ziel wenigstens eine sichere Lebnsmittelversorgung durch Aufhebung der Blockade zu erreichen" habe ich kein Wort geschrieben.
Und das habe ich auch nicht behauptet, ich habe nur festgestellt, dass dein Vergleich mit dem Flottenbefehl in #904 in Sachen Moral nicht trägt, woraufhin du mir irgndwelche Verdrehungen vorgeworfen hast, du hast in nämlichem Post aber den Flottenbefehl nun einmal als Kronzeugen für das Moralthema herangezogen, unbeachtlich des Umstands, dass es sich letztlich um einen Angriffsbefehl handelte, der wegen seines Charakters (wer glaubt jemandem, der gerade eine Offensive anfängt, dass er ernsthaft am Frieden interessiert wäre) alle Friensbemühungen desavouiert hätte, wäre er ausgeführt worden und dass sich daraus auf Grund der Reaktion darauf kaum eine Reaktion auf einen Haltebeefehl beim Heer vorwegnehmen lässt.


Nochmal: Ich stelle hier überhaupt keine Spekulationen in den Raum, wie es nach dem 11. November weitergegangen wäre, daher muss ich nichts von dem behaupten, was Du gern von mir behauptet haben möchtest.

Natürlich tust du das, denn sonst wäre deine gesamte Argumentation ja überflüssig, insofern es realiter bis zum 11. November 1918 eben keinen umfassenden Zusammenbruch der Truppenmoral gegben hatte, der das Westheer zu jeder weiteren Form von Widerstand unfähig gemacht hätte.

Dein Herumreiten auf dem Moralthema ergibt nur dann Sinn, wenn du davon ausgehst, dass sich diese Entwicklung zwingend fortsetzen musste und dass es infolgedessen in näherer Zukunft nach dem 11. November zu einem solchen Zusammenbruch gekommen wäre.
Insofern über den 11. November hinaus aber nicht gekämpft wurde (jedenfalls nicht in Europa), ist diese Annahme notwenigerweise spekulativ, da wir nicht wissen, wie genau die Truppe auf die Ereignisse reagiert hätte.

Du kannst noch so viele Belegstellen zur Moral vor dem 11. November 1918 wie dir Spaß macht, es ändert nicht daran, dass sie allenfalls die Grundlage für eine spekulative Annahme für die Entwicklung der Moral über diesen Zeitpunkt hinaus liefern können.

Ich weiß auch nicht, wie du darauf kommst, dass ich mich weigern würde dise zur Kenntnis zu nehmen.
Ich habe doch dargelegt, warum ich das Moralthema im ganzen Szenario für minderbedeutend halte:

1. Weil sich zur Entwicklung der Moral über den 11. November hinaus und wann sie möglicherweise den kritsichen Punkt überschritten hätte, gar keine seriösen Aussagen machen lassen.
Der Befund dass die Moral an der Westfront schlecht war, ist sicherlich zutreffend, in the long run betrachtet war sie das aber im Grunde genommen durchgehend seit dem Winter 1914/1915, mit Ausnahme der ersten Jahreshälfte 1918, auch Unterversorgung und deutliche Materialüberlegenheit des Gegners waren nichts prinzipiell neues und es hatte zuvor nicht zum Zusammenbruch geführt.
Gehorsamsverweigerung einzelner Soldaten und Einheiten kam im Krieg immer wieder vor, mussten aber (Nivelle-Offensive) durchaus nicht Zeichen eines unmittelbar bevorstehenden Zusammenbruchs sein.

Was demgegenüber neue Erscheinungen waren, waren die deutlich gestiegenden Desertionsraten und die Spanische Grippe.
Letztere betraf allerdings beide Seiten, letztendlich die Entente stärker als die deutsche Seite und im Hinblick auf die Desertionen wäre wieder die Frage zu stellen, hätte diese Entwicklung unter dem Eindurck der sich ändernden Verhältnisse angehalten oder nicht, dass ist rein spekulativ.

Was demgegenüber auch eine neue Erscheinung war, ist dass man seit der Abdankung des Kaisers und der Zusammeenstellung der provisorischen Rgierung erstmals eine Regierung hatte, der die Soldaten dahingehend, dass sie auf einen Frieden hinarbeiten würde, durchaus trauen konnten.

2. Weil ich wie gesagt, hypothetisch den militärischen Zusammenbruch allein auch nicht als unbedingt abzuwendendes Szenario betrachte (nur dann, wenn der von vorn herein vorauszusehen gewesen wäre, weil in diesem Fall durch das unnötige Opfern von Menschenleben für mich ethisch nicht akzeptierbar) und in dem Moment in dem ich das so sehe, ist dessen mögliches Eintreten kein K.o.-Kriterium.

Einem Soldaten, dem es schlicht wurscht war, ob der Krieg mit einem "ehrenvollen" Waffenstillstand, mit einem "knebelnden" Waffenstillstand oder einem Zusammenbruch mit bedingungsloser Kapitulation zu Ende war, Hauptsache er war bald zu Ende, war mit noch so rosigen Illusionen nicht mehr zu einem Weitermachen zu "motivieren".

Ob es einem Soldaten aber auch so egal war, ob gewisse Herren in London, Paris und Washington das deutsche Volk, wenn ihnen eine Laus über die Leber lief nach Lust und Laune hungern lassen könnten, inklusive ihm und seiner Familie, bei Aufrechterhaltung der Blockade?

Wenn du das annehmen wolltest, lehntest du dich nach meinem Dafürhalten recht weit aus dem Fenster.

Nein, auf Vorstellungen was "ehrenvoll" oder sonstwie gewesen wäre wird der einfache Soldat gepfiffen haben, damit habe ich aber auch nie argumentiert.
Ich habe damit argumentiert, dass ihm die Versorgung seiner eigenen Person und seiner Angehörigen wahrscheinlich nicht so egal war, denn was nutzte es dem Mangel und den Entbehrungen an der Front zu entkommen, wenn die interalliierte Blockade dafür sorgen konnte, dass es zu Hause unter den gleichen Bedingungen (oder noch schlimmeren, wenn man bedenkt, dass die Fronten bevorzugt versorgt wurden) weitergehen konnte?

Wo ist der Unterschied ob man selbst oder die eigene Familie im Krieg oder im Zustand des Waffenstillstands am Mangel zu Grunde geht?

Wenn du unterstellst, potentiell existenzbedrohende Bedingungen, wie die Aufrechterhaltung der Blockade, hätten kein gewichtiges Argument sein können, würde ich meinen, sprichst du den Mannschaften im Grunde den Überlebensinstikt und das Bedürfnis dafür zu kämpfen und es zu sichern ab.

Wie gesagt, ohne die Aufrechterhaltung der Blockade und damit die Möglichkeit Deutschlands Lebensmittelversorgung zu kappen, würde ich dir recht geben, da wäre es schwer gewesen die Truppen zu motivieren. Unter diesen Umständen sehe ich das etwas anders.
 
Noch bevor Truppen der Entente nach Berlin eingerückt wären, hätte es nach Lage der Dinge die provisorische Regierung nicht mehr gegeben. Nach der Abdankung des Kaisers und der Übergabe an die provisorische Regierung hatte diese doch keine andere Wahl mehr, als den Krieg sofort zu beenden. Eine Regierung, die mit dem Aufruf "Wir unterzeichnen keinen Waffenstillstand! Alles kämpft weiter bis zum totalen Zusammenbruch!" angetreten wäre, hätte sich sofort den Boden unter den Füßen weggezogen. Wer hätte dieser (weder durch die Verfassung noch durch Wahlen legitimierten) Regierung denn folgen sollen?

Wo genau habe ein Szenario skizziert, nachdem die Regierung verkündet hätte "Wir unterzeichnen keinen Waffenstillstand, alles Kämpft bis zum totalen Zusammenbruch"?

Wenn dann die Verkündigung wohl eher dahin gelautet: "Wir können keinen Waffenstillstand unterzeichnen, der die Lebensmittlversorgung unserer Bevölkerung auf unbestimmte Zeit dem Feind ausliefert und sehen uns daher gezwungen den Wiederstand wenigstens so lange fortzusetzen, bis das vom Tisch ist, indess bemühenn wir uns um einen Frieden auf Basis der größtmöglichen Konzessionen an unsere Gegner, die wir als erträglich erachten um diesen Krieg so schnell als möglich zu beenden."

Warum hätte man sich mit einer solchen Verlautbarung den Boden unter den Füßen weggezogen? Das sehe ich nicht.
Du gehst einmal mehr a priori davon aus, dass einzig ein Waffenstillstad um jeden Preis für die Bevölkerung akzeptierbar gewesen wäre, nur woran machst du das fest?

Im Hinblick auf die Soldaten kann man ja immerhin noch argumentieren, dass bei Waffenstillstand wenigstens wenigstens die Gefahr entfiel durch Waffeneinwirkung umzukommen.

Aber was nutzte der Heimat, die dieser Gefahr nicht ausgesetzt war ein Waffenstillstand, der die Blockade nicht aufhob, sondern verschlimmerte, weil sie danach auch die Ostsse betreffen würde?
Die Blockade konnte weiderhin die Lebensmittelversorgung Deutschlands unterbinden, nach Abschluss des Waffenstillstands effektiver als vorher und es war vollkommen in der Hand der Entente dieses Mittel zu nutzen oder nicht.
Was nutzt der Waffenstillstand, wenn er nur dazu führt, dass der Mangel des Krieges sich möglicherweise forstetzt oder gar verschlimmert?

Und darüber hinaus, wenn man die provisorische Regierung weggejagt hätte, wer hätte sie ersetzen sollen?

Insofern die USPD den Rat der Volksbeauftragten am 10. November gerade eben beigetreten war und sich an dieser Regierung beteiligte, gab es keine organisierte Opposition von Links, die die Regierung zu diesem Zeitpunkt hätte angreifen können.
Und die konservative Rechte war politisch ohnedies verbrannt, das Zentrum allein hätte kaum genügend Resonanz gehabt um sich an die Hebel der Macht zu setzen und von der Entente ernst genommen zu werden.

Mal davon abgesehen, dass ein Umsturz der provisorischen Regierung zu einer wie auch immer gearteten Option für extrem links oder extrem rechts zu nichts hätte führen können, da die Entente mit einer solchen Regierung sicherlich nicht verhadelt hätte.

Wie ich das sehe hätte sich die provisorische Regierung Deutschlands 1918, wäre der Krieg fortgesetzt worden und es zum militärischen Zusammenbruch gekommen, in einer ähnlichen Situation gewesen, wie die französische Regierung der sich konstituierenden III. Republik 1870/1871, insofern der Krieg verloren war, ein Verzichtfrieden offensichtlich geschlossen hätte werden müssen und diese Regierung die Einzige gewesen wäre, die der jeweilige Gegner als widerpart anzuerkennen bereit gewesen wäre.

Einen Versuch das Kaiserreich oder ein kommunistisches Deutschland aufzubauen hätte die Entente, wenn sie einmal im Land gestanden hätte ohne Frage sofort militärisch unterbunden (was der Provisorischen Regierung erspart hätte auf die eigenen Landsleute schießen zu müssen), eine wirklich organisierte völkische Rechte gab es noch nicht.

Wer genau hätte die provisorische Regierung mit welchem Ziel stürzen sollen?
 
Zuletzt bearbeitet:
In dieser Form nicht, aber auch hier drehen wir uns wieder im Kreis, weil einmal durchaus spekulativ ist...

Wer dreht sich hier im Kreis?

- Du hast behauptet, ich hätte Dir eine Aussage unterschoben ("man hätte zeitlich unbegrenzt weiterkämpfen können")
- Ich habe klargestellt, dass ich Dir diese Aussage nicht unterschoben habe. Punkt.


Wo genau habe ein Szenario skizziert, nachdem die Regierung verkündet hätte "Wir unterzeichnen keinen Waffenstillstand, alles Kämpft bis zum totalen Zusammenbruch"?
Hier:
die Waffenstillstandsbedingungen der Entente wären die beste Motivation zum Weiterkämpfen gewesen

Den totalen Zusammenbruch hattest Du da noch nicht genannt, den hast Du dann hier explizit als einzukalkulierendes Risiko genannt:

Restrisiko des militärischen Zusammenbruchs [...]
wäre, ein militärischer Kollaps Deutschlands möglicherweise gar nicht so schlimm gewesen [...]
ist die bloße Möglichkeit eines militärischen Zusammenbruchs kein zwingendes Argument gegen den Versuch.[...]

Du wirst sicher den durchschnittlichen deutschen Soldaten nicht für so blauäugig halten, dass ihm das "Restrisiko des militärischen Zusammenbruchs" nicht bewusst gewesen wäre, oder? Eine Ansage: "Wir werden den Widerstand mit äußersten Kräften so lange fortsetzen, bis Bedingung XY vom Tisch ist ..." hätte er im Geiste sofort ergänzt: "... oder bis halt der Feind die Heimat verwüstet."

Ich weiß auch nicht, wie du darauf kommst, dass ich mich weigern würde dise zur Kenntnis zu nehmen.

Was hast Du bisher zur Kenntnis genommen? Hast Du das hier zur Kenntnis genommen?

Es ist ja nicht so, dass nicht noch im Oktober 1918 allerhand optimistische Szenarien durchgespielt worden wären, die Kraft der gegnerischen Angriffe könne erlahmen, die Stimmung könne sich durch patriotische Parolen, durch einen mutigen Flottenvorstoß oder durch sonst einen wundersamen Umschwung ins Gegenteil verkehren, und es würde alles am Ende doch viel besser ausgehen als nach Lage der Dinge zu erwarten war.

Sitzung des Gesamtkabinetts vom 17. Oktober 1918:​

General Ludendorff: Ich habe den Eindruck, ehe wir durch diese Note Bedingungen auf uns nehmen, die zu hart sind, müßten wir dem Feinde sagen: erkämpft euch solche Bedingungen.
Der Reichskanzler: Und wenn er sie erkämpft hat, wird er uns dann nicht noch schlechtere stellen?
General Ludendorff: Schlechtere gibt es nicht.
Der Reichskanzler: O ja, sie brechen in Deutschland ein und verwüsten das Land.
Das waren Befürchtungen, die jeder, vom Reichskanzler bis zum Rekruten, hegen musste, und diese Befürchtungen waren nicht wegzuzaubern, indem man an jeden ein Päckchen "Shinigamis optimistische Szenarien" verteilte.


ich habe nur festgestellt, dass dein Vergleich mit dem Flottenbefehl in #904 in Sachen Moral nicht trägt
Diese "Feststellung" blendet aus, dass der Krieg verloren war und diese Einsicht bei den meisten angekommen war. Die Alternative für den einfachen Soldaten war also: Erlebe ich den Waffenstillstand noch oder ende ich vorher noch als Kanonenfutter?

Dein Herumreiten auf dem Moralthema ergibt nur dann Sinn, wenn du davon ausgehst, dass sich diese Entwicklung zwingend fortsetzen musste und dass es infolgedessen in näherer Zukunft nach dem 11. November zu einem solchen Zusammenbruch gekommen wäre.
Ich setze keine Entwicklungen, sondern den für den 11. November feststellbaren Zustand voraus.
Du setzt einen wundersamen und schleunigen Umschwung voraus.
Den hatte wenige Tage zuvor auch die OHL für den Fall des Weitermachens vorausgesetzt (die auch nach dem Austausch Ludendorffs durch Gröner die miserable Moral "der Heimat" in die Schuhe schob, ganz im Sinne der späteren Dolchstoßlegende):

Gröner am 5. November 1918:
"Zusammenfassend ist zu sagen, daß die militärische Lage sich weiter verschärft hat.
[...]
Wenn nicht schleuniger Wandel geschieht, richtet die Heimat das Heer zugrunde. Das habe ich pflichtgemäß hier zu erklären. Ebenso hat mich der Generalfeldmarschall beauftragt, in der Frage der Abdankung des Kaisers wörtlich zu erklären, daß er sich für einen Schuft hielte, wenn er den Kaiser verlassen würde, und so, meine Herren, denke ich und alle ehrliebenden Soldaten. Wie sollen die Tausende und aber Tausende von tapferen Offizieren und Soldaten den Entschluß zum Opfertode finden, wenn in ihre Herzen und Gewissen der Zwiespalt hineingetrieben wird. Wovon man in der Heimat keine Ahnung zu haben scheint, das ist die Psychologie des Heeres, das sind die Imponderabilien, auf denen der Gehorsam ruht. Hört die Hetze gegen den Kaiser nicht auf, so ist das Schicksal des Heeres besiegelt, es läuft auseinander."​

(Amtliche Urkunden zur Vorgeschichte des Waffenstillstandes 1918, 2. Auflage Berlin 1924, Nr. 100)


Was demgegenüber neue Erscheinungen waren, waren die deutlich gestiegenden Desertionsraten und die Spanische Grippe.
Außerdem (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):
- der Zusammenbruch sämtlicher Verbündeten
- das sich rapide verschlechternde Kräfteverhältnis an der Westfront
- der Zusammenbruch der bisherigen politischen Ordnung

Wer genau hätte die provisorische Regierung mit welchem Ziel stürzen sollen?
Wer spricht vom "Sturz"? Es war noch gar nicht ausgemacht, dass der Regierung gelingen würde, genügend Autorität auf die Arbeiter- und Soldatenräte wie auch die noch halbwegs intakten Truppenteile auszuüben, geschweige denn, dass das fragile Zweckbündnis, das von den Generälen des alten Regimes bis zu kommunistischen Revolutionären reichte, über mehrere Wochen halten würde.

Apropos Generäle: Hast Du eigentlich Hindenburgs Telegramm vom 10. November an das Kriegsministerium und an die Waffenstillstandskommission, das ich schon vor längerem zitiert habe, zur Kenntnis genommen?

"In den Bedingungen muß versucht werden, Erleichterung in folgenden Punkten zu erreichen:
[...]
9. Blockade für Lebensmittel öffnen
[...]
Gelingt Durchsetzung dieser Punkte nicht, so wäre trotzdem abzuschließen."​
 
Du wirst sicher den durchschnittlichen deutschen Soldaten nicht für so blauäugig halten, dass ihm das "Restrisiko des militärischen Zusammenbruchs" nicht bewusst gewesen wäre, oder?

Nö, durchaus nicht.
Ich unterstelle aber durchaus, dass der durchschnittliche Soldat auch nicht dafür mitverantwortlich sein oder sich zumindest so fühlen wollte, das möglicherweise die eigene Familie am Mangel zu Grunde gehen konnte, weil der Waffenstillstand der Entente Deutschlands Lebensmittelversorgung oder jedenfalls Teile davon auslieferte und die Versorgungslage durch eine potentielle Ausweitung der Blockade auf die Ostsee noch verschärfen konnte, während der Waffenstillstand selbst keinerlei Garantien dafür bot dass da binnen kurzer frist ein Frieden dabei herauskommen würde, der die Lage normalisieren würde.
Wie lange die Aushandlung eines tatsächlichen Friedens dauern würde, konnte da noch kein Mensch wissen.
Hätte man nicht die Friedensschlüsse mit den einzelnen Zentralmächten von einander separiert und die Feststellung der endgültigen Bedingungen in Sachen Reparation auf später verschoben, hätte sich die Sache über Jahre hinziehen können, allein die Feststellung der Schäden musste viele Monate in Anspruch nehmen.

Und ich bin der Meinung, dass du hier einfach konsequent übersiehst, dass der Waffenstillstand eben nicht automatisch die erwünschte Verbesserung der bedingungen musste, erst recht nicht in einem absehbar kurzen Zeitabschnitt.
Und wenn Waffenstillstand nicht binnen kurzer Zeit dieGarantie auf Normalisierung bedeutete gab es wenig Anlass ihn um jeden Preis zu wollen.

Was hast Du bisher zur Kenntnis genommen?
Du kannst davon ausgehen, dass ich grundsätzlich alles zur Kenntnis genommen habe, was du geschrieben hast.

Wenn jemand nicht bereit ist deiner Interpratation zu folgen, bedeutet das nicht, er hätte sie nicht zur Kenntnis genommen.


Das waren Befürchtungen, die jeder, vom Reichskanzler bis zum Rekruten, hegen musste
In diesr Form sicherlich nicht. Denn wäre die Armee tatsächlich militärisch oder moralisch zusammengebrochen und nicht mehr im Stande gewesen weiterzukämpfen, wäre sie in Gefangenschaft gegangen oder schlicht desertiert.

Entsprechend hätten in Deutschland auch keine größeren Kämpf mehr stattfinden können, bei denen das Land großflächig verwüstet worden wäre, ein Rückzug weit ins Landesinnere und längerdauernde, größere Kampfhandlungen östlich des Rheins, wäre schon wegen der Minette-Problematik nicht möglich gewesen, die Armee wäre beim fall Lothringens schlicht in kürzester Zeit leergelaufen, was Munition betrifft.

Eine großflächige Verwüstung Deutschlands abseits der Notwendigkeit durch Kämpfe wäre für keine der Ententemächte, die ja Teile davon annektieren wollen (Frankreich) und Interesse an der Fähigkeit Reparationen zu liefern hatten, sinnvoll gewesen.

Die Vorstellung Deutschland wäre dann verwüstet worden, ist wohl eher abseitig.

Entweder man hätte es geschafft irgendie durchzuhalten, was bedeutet man hätte es geschafft die Entente spästestens vor Metz zu stoppen, oder aber man wäre bereits in Lothringen, dessen Veerlust man sich nicht hätte leisten können in zusammegebrochen und hätte im Anschluss wegen leerlaufender Munitionsfabriken gar keinen großen Widerstand mehr leisten können.

Es wäre dann sehr wahrscheinlich binnen 2-3 Monaten zur Besatzung des gesamten Reichsgebiets ohne größere Kämpfe in Deutschland (ausgenommen man möchte Elass-Lothringen noch zu Deutschland zählen) gekommen, as wird man jedenfalls als wesentlich wahrscheinlicher betrachten dürfen.

Diese "Feststellung" blendet aus
[...]
Diese Feststellung blendet überhaupt nichts aus.

Der Flottenbefehl war ein Angriffsbefehl, der geeignet war die Friedensbemühungen insgesamt zu unterminieren, wäre er ausgeführt worden.

Daraus dass sich die Mannschaften weigerten einen Befehl auszuführen, der jede Form von Friedensverhandlungen
für längere Zeit unmöglich gemacht gemacht hätte, weil man Deutschland dann den ernsthaften Wunsch Frieden zu schließen nicht mehr abgenommen hätte, lässt sich nicht ableiten, dass sich die Truppen einem Haltebefehl bei dem diese Gefahr nicht gegeben gewesen wäre verweigert hätten. Punkt.

Daraus lässt sich lediglich ableiten, dass man den Frieden wollte und dass man nicht bereit ewar etwas zu tun, was Verhandlungen darüber grundsätzlich verunmöglichte.

Du machst daraus den Nachweis dafür dass die Truppen sich mehr oder minder stillschweigend einig gewesen wären, das Schließen eines Waffenstillstads um jeden Preis einzufordern, nur das ist er eben nicht.

Ich setze keine Entwicklungen, sondern den für den 11. November feststellbaren Zustand voraus.

Entschuldigung, nein.
Tust du nicht, denn der moralische Zusammenbruch den du in dem Raum stellst, der war ja am 11. November durchaus nicht eingetreten, die Truppen waren offensichtlich durchaus noch im Stande zu kämpfen.

Bedeutet der feststllbare Zustand am 11. November lautet: Truppe stark geschwächt, moral niedrig, versorgung unzureichend, Fähigkeit militärischen Widerstand zu leisten gegeben.

Wenn du postulierst, der Zusammenbruch wäre wahrscheinlich in kurzer Zeit gekommen, gibst du damit eine Prognose über den 11. November hinaus ab und die ist notwendigerweise spkulativ.

Wenn du eine solche notwendigerweise spekulative Prognose nicht abzugeben gedachtest, erschließt sich mir nicht, warum du dich an dem Thema hochziehst.
Bis zum 11. November war hatte sich jedenfalls kein Zusammenbruch vollzogen, der das Heer so weit außer Gefecht gesetzt hätte, dass es jeden Widerstandes unfähig gewsen wäre.
 
Du setzt einen wundersamen und schleunigen Umschwung voraus.
Nein, ich setze voraus dass:

1. Der Zustand des Heeres am 11. November jedenfalls kurzfristig den weiteren Widerstand erlaubt hätte.
2. Das Entwicklung der Moral sich in Reaktion der Ereignisse verschieden vollziehen konnte.

Die Vorstellung, dass sich die Moral deutlich hätte bessern müssen, damit die Kämpfe wieder hätten aufgenommen werden können ist deine, nicht meine, ich gehe im Gegenteil davon aus, dass es auch ohne dem durchaus möglich gewesen wäre, sie die Lage in Sachen Moral nur nicht kontinuierlich hätte verschlechtern dürfen.

Außerdem (ohne Anspruch auf Vollständigkeit):
- der Zusammenbruch sämtlicher Verbündeten
- das sich rapide verschlechternde Kräfteverhältnis an der Westfront
- der Zusammenbruch der bisherigen politischen Ordnung

Der Zusammenbruch der Verbündeten hatte kurzfristig lediglich begrenzte Auswirkungen auf die Verhältnisse an der Westfront. Sicherlich, damit fielen die dort stehenden österreichischen Verbände weg, nur welchen Gefechtswert hatten diese? Die Ausrüstung dürfte generell deutlich schlechter gewesen sein als die der deutschen Truppen.
Schwer einzuschätzen.

Der Zusammenbruch der bieherigen politischen Ordnung musste mindestens in Sachen Moral für die Mannschaften nicht unbedingt ein Problem sein, ein Großteil davon waren Katholiken und Sozialdemokraten, die sicherlich politisch mit dem Kaiserreich ohnehin fertig waren und dieser Ordnung, die sie politisch diskriminierte keine Träne nachweinten.
Ein guter Teil der Mannschaften hatte sicherlich eher Grund sich für eine politische Ordnung ins Zeug zu legen, die mit den überkommenen Strukturen des Kaiserreichs schluss machen würde, als für den Kaiser und das alte System.
Das mag bei den höheren Offizieren anders ausgesehen haben.

Sollte man im Übrigen möglicherweise auch im Hinterkopf behalten, wenn es um die Quellen geht, weil es gut sein kann, dass die konservativen, aus dem Adel kommenden Generalitäten die Lage möglicherweise pessimistischer einschätzten als die Mannschaften, weil die politischen veränderungen und die Revolution für sie tatsächlich der Zusammenbruch der von ihnen preferierten Gesellschaftsordnung war, für die politisch und geselslchaftlich anders orientierten Mannschaften, war das aber möglicherweise nicht das Ende, sondern der Anfang einer Geselslchaft, die ihren Vorstllungen viel eher entsprach als die bisherige.

Wer spricht vom "Sturz"? Es war noch gar nicht ausgemacht, dass der Regierung gelingen würde, genügend Autorität auf die Arbeiter- und Soldatenräte wie auch die noch halbwegs intakten Truppenteile auszuüben, geschweige denn, dass das fragile Zweckbündnis, das von den Generälen des alten Regimes bis zu kommunistischen Revolutionären reichte, über mehrere Wochen halten würde.

Nun, du hattest davon gesprochen, dass es die Provisorische Regierung dann schlicht nicht mehr gegeben hätte.

In der Form wie es sie gab, wäre das dann tatsächlich wahrscheinlich nicht mehr der Fall gewesen.

Der Punnkt ist aber doch, dass nicht nur Deutschland irgendeine Regierung brauchte, die den Krieg beendete, sondern auch die Entente brauchte einen Verhandlungsparter auf der deutschen Seite, der ihr dafür garantierte, dass ihre Forderungen in eine feste Friedensordnung umgesetzt würden.

Und die Entente hätte als diese Partner weder irgendwelche Reaktionäre, die zurück ins Kaiserreich wollten akzeptiert (mal abgesehen davon, dass auch die deutsche Bevölkerung sich keinen Kaiser als Souverän, kein Zensuswahlrecht etc. mehr hätte überstülpen lassen), noch irgendwelche kommunistischen Umstürzler, die womöglich mit Lenin paktieren und ihre die Arbeiterschaft in den Staaten der Entente aufwiegeln würde.

Hätten solche Gruppen den Aufstand geprobt, hätte die Entente das militärisch niedergeschlagen.

Die Provisorische Regierung oder eine ähnlich zusammengesetzte Regierung konnte vielleicht keine Legitimität aus der Verfassung oder Wahlen beziehen, aber durchaus aus dem Umstand, dass das von der Richtung der Demokratisierung Deutchlands her die einzige Form der Regierung war, die die Entente als Widerpart akzeptiert hätte.
Und deswegen war sie unverzichtbar.

Apropos Generäle: Hast Du eigentlich Hindenburgs Telegramm vom 10. November an das Kriegsministerium und an die Waffenstillstandskommission, das ich schon vor längerem zitiert habe, zur Kenntnis genommen?
Natürlich.

Nur spricht da im Satz "Gelingt Durchsetzung dieser Punkte nicht, so wäre trotzdem abzuschließen" die Einschätzung, dass es militärisch auch kurzfristig in keinem Fall weitergegangen wäre oder spricht da das Bedürfnis unbedingt und um jeden Preis die Armee zu retten, egal, was es das deutsche Volk kostete?

Aus der Perspektive der Armeeführung und des Gesichtspunktes des Ansehens der Armee in Deutschland, wäre natürlich auch das Restrisiko eines militärischen Zusammenbruchs unbedingt zu vermeiden gewesen, aus der Perspektive des Nutzes für die gesamte Bevölkerung, die Demokratie und die Möglichkeiten der Regierung, möglicherweise nicht.
 
Nö, durchaus nicht.
Ich unterstelle aber durchaus, dass der durchschnittliche Soldat auch nicht dafür mitverantwortlich sein oder sich zumindest so fühlen wollte, das möglicherweise die eigene Familie am Mangel zu Grunde gehen konnte, weil der Waffenstillstand der Entente Deutschlands Lebensmittelversorgung oder jedenfalls Teile davon auslieferte und die Versorgungslage durch eine potentielle Ausweitung der Blockade auf die Ostsee noch verschärfen konnte, während der Waffenstillstand selbst keinerlei Garantien dafür bot dass da binnen kurzer frist ein Frieden dabei herauskommen würde, der die Lage normalisieren würde.

Der durchschnittliche Soldat wusste mit hundertprozentiger Garantie, dass ohne Waffenstillstand die Blockade weitergehen würde.
Dass er auf Deine "zumindest-möglicherweise-potentielle"-Gedankenspielchen sein Leben verwettet hätte, glaubst Du doch selber nicht.

Und ich bin der Meinung, dass du hier einfach konsequent übersiehst, dass der Waffenstillstand eben nicht automatisch die erwünschte Verbesserung der bedingungen musste
Für die zermürbten Frontsoldaten bedeutete die Aussicht, nach Hause gehen zu dürfen, schon eine gewaltige Verbesserung. (Sogar noch viel besser, als die Aussicht, sich bei nächster Gelegenheit in Gefangenschaft zu begeben.)

Es wäre dann sehr wahrscheinlich binnen 2-3 Monaten zur Besatzung des gesamten Reichsgebiets ohne größere Kämpfe in Deutschland (ausgenommen man möchte Elass-Lothringen noch zu Deutschland zählen) gekommen
Und dann wäre die Blockade aufgehoben worden, da gehe ich mit Dir mit. Das wäre natürlich ein gewiefter Plan gewesen, warum ist damals die Reichsregierung nicht nicht darauf gekommen?
SCNR

Daraus dass sich die Mannschaften weigerten einen Befehl auszuführen, der jede Form von Friedensverhandlungen
für längere Zeit unmöglich gemacht gemacht hätte, weil man Deutschland dann den ernsthaften Wunsch Frieden zu schließen nicht mehr abgenommen hätte
Genau das wäre doch der Fall gewesen, wenn Regierung und OHL am 11. November gesagt hätten: "Wir unterzeichnen den Waffenstillstand nicht! Wir pfeifen auf eure Bedingungen und kämpfen mit äußerster Kraft weiter, und dann legen wir einen Friedensplan vor, wie wir ihn uns wünschen!"



Bedeutet der feststllbare Zustand am 11. November lautet: Truppe stark geschwächt, moral niedrig,
... Du blendest aus: ... immer weiter nachlassend

versorgung unzureichend, Fähigkeit militärischen Widerstand zu leisten gegeben.
... Du blendest aus: nur noch teilweise ("2. November 1918: Der Stabschef der 17. Armee betonte im Auftrage seines Oberbefehlshabers, daß die Armee einem neuen feindlichen Angriff nicht standhalten könne [...] Der Stabschef der 2. Armee äußerte, daß diese Armee einen feindlichen Angriff in ihrer jetzigen Stellung noch aushalten könne, jener der 18. Armee verneinte hingegen die Möglichkeit hinsichtlich seiner Armee.)

... und Du blendest einen weiteren bedeutsamen Faktor aus: Verhandlungen laufen, Waffenstillstand in greifbarer Nähe!


Nein, ich setze voraus dass:
Du hattest doch ursprünglich einen
vorausgesetzt. Das entspricht der zuletzt zitierten Einschätzung Gröners vom 5. November "Wenn nicht schleuniger Wandel geschieht..."

Wie gesagt, ohne die Aufrechterhaltung der Blockade und damit die Möglichkeit Deutschlands Lebensmittelversorgung zu kappen, würde ich dir recht geben, da wäre es schwer gewesen die Truppen zu motivieren.
Ich hatte das bisher nicht so verstanden, dass die Truppen keine weitere Motivation benötigten, da die Moral gut genug war, um sie trotz abgeblasenem Waffenstillstand noch motiviert genug zum Weitermachen waren. Aber nun anscheinend doch:
... ich gehe im Gegenteil davon aus, dass es auch ohne dem durchaus möglich gewesen wäre
Alles klar.


Ein guter Teil der Mannschaften hatte sicherlich eher Grund sich für eine politische Ordnung ins Zeug zu legen, die mit den überkommenen Strukturen des Kaiserreichs schluss machen würde
... und die vor allem mit dem Krieg endlich Schluss machen würde.

Das mag bei den höheren Offizieren anders ausgesehen haben.
Davon ist auszugehen...

Der Punnkt ist aber doch, dass nicht nur Deutschland irgendeine Regierung brauchte, die den Krieg beendete, sondern auch die Entente brauchte einen Verhandlungsparter auf der deutschen Seite, der ihr dafür garantierte, dass ihre Forderungen in eine feste Friedensordnung umgesetzt würden.

Und die Entente hätte als diese Partner weder irgendwelche Reaktionäre, die zurück ins Kaiserreich wollten akzeptiert (mal abgesehen davon, dass auch die deutsche Bevölkerung sich keinen Kaiser als Souverän, kein Zensuswahlrecht etc. mehr hätte überstülpen lassen), noch irgendwelche kommunistischen Umstürzler, die womöglich mit Lenin paktieren und ihre die Arbeiterschaft in den Staaten der Entente aufwiegeln würde.

Und daher konnte nur eine Regierung funktionieren, die den Krieg sofort beendete. Das war der Punkt, auf den sich Reaktionäre, Demokraten und kommunistische Umstürzler einigen konnten, unter dieser Voraussetzung zogen sie für kurze Zeit an einem Strang.

Die Provisorische Regierung oder eine ähnlich zusammengesetzte Regierung konnte vielleicht keine Legitimität aus der Verfassung oder Wahlen beziehen, aber durchaus aus dem Umstand, dass das von der Richtung der Demokratisierung Deutchlands her die einzige Form der Regierung war, die die Entente als Widerpart akzeptiert hätte.
... und für den Moment auch die einzige Form der Regierung, die von Frontsoldaten und Meuterern, von Offizieren und Beamten, von Arbeiter- und Soldatenräten akzeptiert wurde und eben daraus ihre Legitimation bezog.

Nur spricht da im Satz "Gelingt Durchsetzung dieser Punkte nicht, so wäre trotzdem abzuschließen" die Einschätzung, dass es militärisch auch kurzfristig in keinem Fall weitergegangen wäre oder spricht da das Bedürfnis unbedingt und um jeden Preis die Armee zu retten, egal, was es das deutsche Volk kostete?

Aus diesem Satz spricht, dass (aus welchen Motiven auch immer, sei dahingestellt) auch die OHL nicht mehr bereit war, weiterzukämpfen.

Der Krieg war aus.
 
Der durchschnittliche Soldat wusste mit hundertprozentiger Garantie, dass ohne Waffenstillstand die Blockade weitergehen würde.

Womit in dieser Hinsicht der Abschluss oder nicht Abschluss eines Waffenstillstands auf das gleiche hinausgelaufen wären, wo war also die entscheidende Verbesserung durch den Waffenstillstand?
Und warum sprach das dagegen zu versuchen bessere Bedingungen auszuhandeln?

Dass er auf Deine "zumindest-möglicherweise-potentielle"-Gedankenspielchen sein Leben verwettet hätte, glaubst Du doch selber nicht.

Du aber dafür, dass er so scharf darauf war sein Leben darauf zu verwetten, dass die Ententemächte sich die weiterführung der Blockade nur pro forma zusichern ließen (und damit ganz unnötigerweise den Waffenstillstand erschwerten) ohne zu beabsichtigen davon gegebenenfalls auch Gebrauch zu machen?

Und dann wäre die Blockade aufgehoben worden, da gehe ich mit Dir mit. Das wäre natürlich ein gewiefter Plan gewesen, warum ist damals die Reichsregierung nicht nicht darauf gekommen?
SCNR
Wo ist denn der Unterschied ob die Blockade im Zustand des Waffenstillstands oder im Zustand des Krieges weiterbestanden hätte?

Genau das wäre doch der Fall gewesen, wenn Regierung und OHL am 11. November gesagt hätten: "Wir unterzeichnen den Waffenstillstand nicht! Wir pfeifen auf eure Bedingungen und kämpfen mit äußerster Kraft weiter, und dann legen wir einen Friedensplan vor, wie wir ihn uns wünschen!"

Unsinn.
Wenn die Regierung am 11. November der Entente bestellt hätte, dass sie sich außerstande sehe einen Waffenstillstand zu akzeptieren, der nicht einmal die Versorgung der Zivilbevölkerung sicherstellt und einen eentsprrechenden Gegenvorschlag vorglegt hätte, hätte kein Mensch daraus folgern können, dass diese Regierung grundsätzlich nicht zum Frieden bereit gewesen wäre, dann wäre klar gewesen, dass es allenfalls um die Bedingungen gegangen wäre.
Ganz anders bei einer tatsächlichen Offensive, die jegliche friedensabsicht Lügen gestraft hättte.

... Du blendest aus: ... immer weiter nachlassend

Du blendes aus : irrelevant, sofern du dich nicht in spekulative Prognosen für diee Zeit nach dem 11. Novmber einlassen möchtest.

... Du blendest aus: nur noch teilweise

Du blendest aus: Einschätzungen über die Abwehrfähigkeit einzelner Armeen, sind Einschätzungen zur Gesamtlage, keine Spezialeinschätzungen zum Moralthema.
Zu dem Schluss dass es durch die Doppelproblmatik Festungen/Minette am Ende richtig war sich in den Waffenstillstand einzulassen, waren wir ja bereits vor Wochen gekommen, das steht nicht mehr zur Debatte.

... und Du blendest einen weiteren bedeutsamen Faktor aus: Verhandlungen laufen, Waffenstillstand in greifbarer Nähe!
Und du wiederrum blendest aus: Unter Waffenstillstnad wird sich die Masse der Truppen nicht Fortsetzung der Kriegsbedingungen vorgestellt haben (Blockade).

Ich hatte das bisher nicht so verstanden, dass die Truppen keine weitere Motivation benötigten, da die Moral gut genug war, um sie trotz abgeblasenem Waffenstillstand noch motiviert genug zum Weitermachen waren.

Ich sehe jedenfalls nichts, was das Gegenteil belegen würde.
Ich sehe dass du auf auf zeitgenössischen Einschätzungen herumreitest, die die Moral in schlechtem Zustand sahen und daraus spekulative Prognosen ableitest, wie es nach dem 11. November weitergegangen wäre (Zusammebruch).
Nur dass ist deine Interpretation, dessen, wie die Soldaten Auffordrung zum Weitermache und die Ereignisse aufgenommen hätten.
Die ist aber eben kein unanfechtbare Tatsache.

Das weitermachen in Anbetracht der Problematik Festungen/Minette dennosch unter diesen Umständen keinen Sinn ergeben hätte, ist ein anderes Thema.

... und die vor allem mit dem Krieg endlich Schluss machen würde.
Ja, die Frage ist aber, wäre, gesetzt den Fall die Problematik Festungen/Mineette hätte sich in diesem Sinne nicht gestellt, der Weg über den Waffenstillstand der schnellste Weg zum Frieden gewesen?
Oder hätte der Versuch einen förmlichen Waffenstillstand zu überspringen und direkt mit einem Friedensangebot diplomatisch in die Offensive zu gehen, diesen Vorgang evt. bschleunigt?

Und daher konnte nur eine Regierung funktionieren, die den Krieg sofort beendete. Das war der Punkt, auf den sich Reaktionäre, Demokraten und kommunistische Umstürzler einigen konnten, unter dieser Voraussetzung zogen sie für kurze Zeit an einem Strang.

Das sehe ich ein bischen anders.
Ein Einmarsch der Entente hätte die Reaktionäre und die Kommunisten (bzw. Rätebwegung etc.) kaltgestellt.
Insofern diesen hätte klar sein müssen, dass die Entente sie nicht dulden würde, wäre ihnen auch nach einem Zusammenbruch gar nichts anderes übrig geblieben, als in irgendeiner Form eine demokratische Regierung auf den Schild zu heben um einen Friden zu schließen und einen Abzug der Besatzer zu erreichen.

Vor allen Dingen, wären in diesem Fall auch die Reaktionäre und die Kommunisten gezwungen gewesen nicht nur einen Waffenstillstand mitzutragen, sondern auch den tatsächlichenn friedensschluss um ihre eigene Handlungsfreiheit zurück zu gewinnen.

Ein anderer Punkt ist in diesem Zusammenhang noch nicht angsprochen worden: Wäre die Entente eingerückt, hätte das verschärfte Razzien zwecks Einsammeln von Kriegsmaterial bedeutet, was möglicherweise dazu geführt hätte, dass die militanten Gruppen einen erheblichen Teil ihrer Waffen losgeworden wären, ein Teil ihrer Anführer hätte sich auch sicherlich aus Deutschland absetzen müssen, immerhin galten Hindenburg, Ludendorff und Konsorten bei der Entente als Kriegsverbrecher (und das ja durchaus nicht ganz zu unrecht).

Das hätte das politische Machtgefüge Deutschlands wahrscheinlich gründlich verändert und zwar zu Gunsten der demokratischen Kräfte.

... und für den Moment auch die einzige Form der Regierung, die von Frontsoldaten und Meuterern, von Offizieren und Beamten, von Arbeiter- und Soldatenräten akzeptiert wurde und eben daraus ihre Legitimation bezog.
Ob sie diese Regierung für legitim hielten spielt eigentlich keine Rolle, sofern sie nicht in der Lage waren ein Gegenmodell zu präsentieren, dass für die Entente akzeptierbar gewesen wäre.
Nur wie hätte das aussehen sollen?
Kein Soldatenrat, der für kaum mehr als das eigene Regiment sprechen konnte (wenn überhaupt) konnte sich einbilden dass die Entente sich dazu herablassen würde mit ihm zu verhandeln oder sich dazu versteigen könnte sie als Ordnungsmacht anzuerkernnen.
Da hatten die organisierten Parteien, im Besonderen die SPD mit ihrem Massenanhang, gleich ob sie gerade beliebt waren oder nicht eindeutig die besseren Karten, ähnliches mit den Arbeiterräten, die ja in der Regel kaum mehr als vielleicht eine Stadt, bzw. deren Arbeiterschaft repräsentieren konnte und mit den anderen Räten nicht zwangsläufig in den politischen Ansichten übereinstimmte.

Aus diesem Satz spricht, dass (aus welchen Motiven auch immer, sei dahingestellt) auch die OHL nicht mehr bereit war, weiterzukämpfen.

Naja, aber so ganz uninteressant ist das mit den Motiven ja doch nicht, wenn man auf der anderen Seite doch stets (und zurecht) betont dass es der OHL (oder mindestens mal Hindenburg und Ludendorff, über Groeners Position weiß ich in dieser Hinsicht zugegebenermaßen zu wenig) vorrangig um das Ansehen der Armee ging.
Denn setzt man das voraus, wäre ja durchaus zu hinterfragen, inwiefern das möglicherweise ihr Handeln intendierte und ihre Einschätzungen beeinflusste.

Im Übrigen, auch diese Einlassung Hindenburgs, unabhängig davon welche Gründe man dahinter sehen möchte, ist keine spezielle Einlassung in Sachen Truppenmoral.

Der Krieg war aus.

Zweifellos. Aber eben weil der Durchbruch der Entente in Lothringen und damit der Kollaps der Kriegswirtschaft zu befürchten stand, nicht wegen Einlassungen zur Truppenmoral, deren Reaktion auf die Ereignisse und Entwicklung überhaupt nicht absehbar waren.
 
Du blendest aus: Einschätzungen über die Abwehrfähigkeit einzelner Armeen, sind Einschätzungen zur Gesamtlage, keine Spezialeinschätzungen zum Moralthema.
Wir sprachen nicht über Spezialeinschätzungen zum Moralthema, sondern über folgenden "feststellbaren Zustand":
Bedeutet der feststllbare Zustand am 11. November lautet: Truppe stark geschwächt, moral niedrig, versorgung unzureichend, Fähigkeit militärischen Widerstand zu leisten gegeben.

Ich sehe dass du auf auf zeitgenössischen Einschätzungen herumreitest, die die Moral in schlechtem Zustand sahen und
... und diese kontrastiere ich mit Deinem Szenario, das auf die zeitgenössischen Einschätzungen pfeift und die Moral vernachlässigt. Da hast Du Dich leider verrannt, da kann ich Dir leider nicht mehr heraushelfen.

Womit in dieser Hinsicht der Abschluss oder nicht Abschluss eines Waffenstillstands auf das gleiche hinausgelaufen wären, wo war also die entscheidende Verbesserung durch den Waffenstillstand?

...vielleicht steckt diese im Wort Waffenstillstand?

Damit ist eigentlich alles gesagt. Wer man in der Lage ist, den Unterschied zwischen "nach Hause zurückzukehren" und "als Kanonenfutter verheizt werden" zu erkennen, lässt sich auch diese Frage leicht beantworten:

Wo ist denn der Unterschied ob die Blockade im Zustand des Waffenstillstands oder im Zustand des Krieges weiterbestanden hätte?

Und mehr möchte ich dazu auch nicht mehr sagen.
 
Wir sprachen nicht über Spezialeinschätzungen zum Moralthema
Doch, einzig darüber sprechen wir seit ich weiß nicht wie vielen Beiträgen und mir persönlich erschließt sich auch der Sinn dieser Diskussion seit graumer Zeit nicht mehr.

... und diese kontrastiere ich mit Deinem Szenario, das auf die zeitgenössischen Einschätzungen pfeift und die Moral vernachlässigt. Da hast Du Dich leider verrannt, da kann ich Dir leider nicht mehr heraushelfen.

Verrant habe ich mich weiter vorne im Hinblick auf meine Einschätzung zur grundsätzlichen Fähigkeit weiterhin über einen längeren Zeitraum militärischen Wiederstand leisten zu können.
Dass ich mich da verrant habe, hab ich eingesehen, eingeräumt und damit ist das Gesamthema vom Tisch und nach meinem Dafürhalten damit auch der Diskussionsbedarf.

Beim Moralthema haben wir offensichtlich verschiedene Ansichten, deren Unterstellte Konsequenz, da der Versuch einer Fortsetzung des Krieges nicht unternommen wurde, nicht beweisbar sind.
Angesichts des Umstands, dass die ganze Überlegung aber bereits an anderen Problemen scheitert verstehe ich hier ehrlich gesagt auch nicht, worin genau das Problem des Umstands besteht, dass wir uns hierüber offensichtlich nicht einigen können.

Und mehr möchte ich dazu auch nicht mehr sagen.
Wie gesagt, ich kann dazu nur nochmal widerholen, was ich bereits vor Wochen geschrieben habe, ich sehe eigentlich keinen Bedarf das Thema weiter zu erörtern, weil die Grundsätzliche Überlegung schon lange keine Basis mehr hat, ich durchaus weiß, wann ich verloren habe und die Segel streichen muss, weswegen mich dieses Herumreiten auf Detailfragen im Hinblick auf nicht sicher messbarere Parameter (wo befindet sich der kritische Punkt bei der Moral und wann wird er erreicht) eher irritiert.
Von mir aus können wir die Diskussion hier beenden.
Ich habe eingesehen, dass das wie ich mir das vorgestellt habe nicht funktioniert, also hast du dein Ziel ja erreicht, nur was ich mir nicht anhängen lasse sind Unterstellungen in Sachen Dolchstoßlegende zu der ich mich, meine ich recht klar positioniert habe.
 
Das hätte man gar nicht versuchen brauchen, die Vorkriegsgrenzen wären auf der Seite der Entente nicht mehr akzeptiert worden.
Darauf Frankreichs Ansprüche auf die Rückgabe Elsass-Lothrigens zu unterstützen, hatten sich die britische Regierung nach Brest-Litows festgelegt ebenso wie Wilson, der das in seinem 14 Punkte-Plan ausdrücklich zum Ziel erklärt hatte.
Um die Abtretung dessen wäre man nicht herum gekommen, ebenso wenig wie um die Abtretung der Provinz Posen, nachdem man von deutscher Seite her 1916 mit der Ausrufung eines Königreichs Polen die Existenz eines künftigen polnischen Staats bereits von sich aus anerkannt hatte und da man in Sachen Selbstbstimmungsrecht der Völker Wilson wenigstens ein Stück weit entgegen hätte kommen müssen und die Provinz Posen hatte einmal im Gegesatz zu Westpreußen und Schlesien eine deutliche polnische Bevölkerungsmehrheit.
Auch das abzutreten hätte man ohne wenn und aber als Zugeständnis anbieten müssen, die Frage ist, hätte es im Hinblick auf andere Territorien und Einzelfragen vielleicht Spielräume gegeben.

Nein, ein Angebot mit dem etwas hätte erreichen können, hätte einem "Versailles-Light" entsprechen müssen.

Für die Bevölkerung in Großbritannien war die Sicherheit des eigenen Empire, der Seefahrt und der Umstand von Bedeutung, dass man sich regierungsseitig offiziell in den Krieg eingelassen hatte um Belgien zu schützen und zu verteidigen.
Dem hätte man Rechnung tragen müssen. Bedeutet:

- Aufgabe der Kolonien
- Drastische Reduzierung der Hochseeflotte auf vielleicht 10% oder 20% des britischen Bestands, Abtretung oder Abwracken der übrigen Einheiten, längeres einseitiges Moratorium für den Bau weiterer Kriegsschiffe, ggf. Abkommen über die Begrenzung von deren Tonnage.
- Abkommen zur Unterstützung der britischen Bemühungen zur Novellierung des Seerechts.
- Verschrottung sämtlicher U-Boote und Verpflichtung darauf U-Boote als Waffe künftig zu ächten, U-Boote künftig nur noch zu zivilen Zwecken zu unterhalten und sie nicht mehr selbst zu produzieren, sondern nur noch aus dem Ausland (Großbritannien oder Amerika) zu beziehen, um von vorn herein zu gewährleisten, dass sie nicht für Kriegszwecke gebaut und ausgerüstet werden können.
- Vollständige Widerherstellung der territorialen Integrität Belgiens.
- Bereinigung aller durch das deutsche Militär in Belgien angerichteten Schäden.
- Erstattung/Ersatz allen aus Belgien entwendeten Materials.
- Abriss der strategischen (und ökonomisch nutzlosen) Bahnlinien in Richtung der belgischen und luxemburgischen Grenze, um eine künftige Bedrohung von vorn herein auzuschließen.
- Bereitstellung von Geldmitteln zur Widerinstandsetzung und Modernisierung der Festung Lüttich um die Sicherheit Luxemburgs und Belgiens in der Zukunft zu verbessern.
- Aufkommen für durch den Seekrieg verursachte Schäden

Um Amerika und Wilson entgegen zu kommen:

- Erklärung über die Bereitschaft dem Völkerbund beizutreten.
- Akzeptanz der Unabhängigkeit Polens und gemäß dem Selbstbestimmungsrecht der Völker wegen der unbestreitbaren polnischen Bevölkerungsmehrheit Überlassung der Provinz Posen an Polen, unter der Prämisse, der Anerkennung der deutschen Bevölkerungsmehrheit in den übrigen Ostgebieten und derenn Verbleib bei Deutschland.
- Vertrag mit dem neuen polnischen Staat über die Achtung der Rechte der jeweiligen nationalen Minderheiten.
- Völkerrechtlich verbindliche zollfreie Öffnung des Schiffsverkehrs auf der Weichsel und der Elbe, so wie der Häfen von Hamburg und Danzig um dem neuen Polnischen und einem neuen Tschechischen Staat den Zugang zum Welthandel zu ermöglichen.
Auch zollfreier Überland-Transit für polnische Güter nach Danzig.
- Falls erwünscht Verhandlungen über weitergehende Abkommen zur Internationalisierung der europäischen und amerikanischen Wasserwege zum Wohle des freien Handels.
- Entschädigung für die Amerika und seinen Bewohnern durch den U-Boot-Krieg entstandenen Schäden.
- Entmachtung der alten Eliten durch denn Übergang zu einer vollständig parlamentarisierten Regierungsform, sei es im Rahmen einer konstitutionellen Monarchie in Anlehnung an das britische Westminster-System oder die vollständige Beendigung der Monarchie und Übergang zu einer Republik.
- Anerkennung des Selbstbestimmungsrechts der Völker der Donaumonarchie und deren Recht sich aus dem habsburgischen Vielvölkergebilde zu lösen, gleiches im Hinblick auf das Osmanische Reich, vorausgesetzt, die Entente erkennt im Gegenzug auch das Selbstbestimmungsrecht derjenigen Völker an, die sich aus der Konkursmasse des Zarenreichs zu lösen wünschen (im Fall Polen entsprach das ja ohnehin Wilsons Wünschen).

Um Frankreich entgegenn zu kommen:

- Abtretung Elsass-Lothringens
- Das Recht 15 Jahre lang das Saargebiet zu besetzen
- Das Recht 10 Jahre lang den Süden der Rheinprovinz, südlich Koblennz zu besetzen
- Regulierung der in Nordfrankreich durch das deutsche Militär angerichteten Schäden durch das Deutsche Reich
- 10 Jahre lang Bereitstellung erheblicher Kontingente der in Deutschland geförderten Kohle als Energiebasis für den Wiederaufbau, dafür im Gegenzug für die gleiche Dauer das Recht für die deutsche Schwerindustrie zollfrei (aber gegen Bezahlung) Eisenerz aus Lothringen zu beziehen um die Versorgung der Industrie für eine Übergangszeit zu gewährleisten.
- Falls gewünscht Verhandlungen über eine gemeinsame Montan-Wirtschaftszone (Lothingen-Ruhrgebiet) um Künftigen Spaungen wirtschaftspolitisch vorzubeugen.
- Abbau der Kriegswirtchaft, Verschrottung des Kriegsgeräts und Zerschlagung der großen kriegswirschaflichen Unternehmen im Besonderen Krupp um die Verquickung der deutschen Wirtschaft mit dem alten Militarismus aufzulösen.
- Reduzierung des eigenen Heeres auf eine Größe von 250.000 Mann + Marine, verzicht auf Panzer, Flugzeuge für den militärischen Gebrauch, so wie Verzicht auf schwere Artillerie, strenge Regulierung der Anzahl an Maschinengewehren, leichten Geschützen und Kraftfahrzeugen, bei ständigem uneingeschränkten Kontrollrecht durch den Völkerbund auf eine Dauer von 50 Jahren, bei anschließender Verpflichtung, sich an einer Konferenz zur verbindlichen dauerhaften Begrenzung der Landrüstung zu beteiligen.
- Schleifung sämtlicher strategischer Bahnen und aller modernen (historische, praktisch nicht mehr nutbare Baudenkmäler ausgenommen) Festungsanlagen auf einer Breite von 50 Km östlich der neuen gemeinsamen Grenze.
- Verpflichtung dort für die nächsten 25 Jahre keine neuen Befestigungen anzulegen.
- Einseitige Demilitarisierung der Rheinzone für 20 Jahre, Verpflichtung sich danach, falls gewünscht an einer Konferenz über die beidseitige Etablierung einer dauerhaft demilitarisierten Zone zu beteiligen.
- Vertragliche Feststellung einer deutsche Mitverantwortung an diesem Krieg und der alleinigen Agression gegenüber Luxemburg und Belgien.

Das wäre innenpolitisch niemals durchsetzbar gewesen. Das kam den tatsächlichen "Friedensvertrag" von Versailles schon recht nahe.
Immerhin wäre auf Seiten der Alliierten zu berücksichtigen, das die Deutschen noch überall im Land des Feindes standen. Das sinnlose Sterben hätte beendet werden können, viele Menschen hätten nicht mehr sterben müssen. Aber das Ziel war ja eben die bedingungslos Kapitulation, um eben dann den Frieden diktieren zu können. Beides hatte man auch erreicht.

Jedenfalls war dieses Vertragswerk nicht dazu geeignet tatsächlich Frieden und Versöhnung zu erreichen, um späteren Generationen das unendliche Leid eines solchen furchtbaren Krieges zu ersparen.
 
Das wäre innenpolitisch niemals durchsetzbar gewesen. Das kam den tatsächlichen "Friedensvertrag" von Versailles schon recht nahe.

Eigentlich wollte ich das Thema nicht weiter bespielen, insofern ja mittlerweile Einigkeit darüber besteht, dass wahrscheinlich die militärischen Voraussetzungen für eine solche diplomatische Offensive nicht gegeben waren und die Überlegung damit ohnehin obsolet ist.

Ob das tatsächlich durchsetzbar gewesen wäre nicht, kann man sicherlich für fraglich halten, ich hatte das auch nur deswegen skizziert um klar zu machen, dass meine Überlegung nicht auf eine Traumtänzerei hinauslief, die davon ausgegangen wäre, man hätte noch einigermaßen ungeschoren aus diesem Krieg herauskommen können, wenn man sich nur militärisch trotzig gezeigt hätte.
Das würde der Uneinsichtigkeit und Traumtänzerei der Reaktionäre und Extremisten in der Weimarer Zeit entsprechen und den Unterschied dazu klar aufzuzeigen, war mir schon ein wichtiges Anliegen.
Mir ging es im Kern darum zu skizzieren, dass man in jedem Fall, selbst bei einem optimistischen Szenario Verluste in jedem Fall hätte akzeptieren müssen und das nicht nur in homöopathischen Dosen, wenn man sich ernsthafte Hoffnungen hätte machen wollen in den Ländern der Entente tatsächlich die Stimmung gegen die Fortsetzung des Krieges zu drehen.

Aber das Ziel war ja eben die bedingungslos Kapitulation, um eben dann den Frieden diktieren zu können.

Ohne das jetzt speziell auf den 1. Weltkrieg zu beziehen, ich denke, dass kann man im Prinzip auf jede Kriegssituation anwenden:

So lange der jeweilige Feindakteur keine Friedensangebote auf den Tisch legt, die ernsthafte Zugeständnisse im Hiblick auf die eigenen Kriegsziele beeinhalten, ist es relativ einfach großspurig in irgendwelchen Konzepten und in der Propaganda "unconditional surrender" als Kriegsziel auszugeben.
So lange die Gegenseite keine konkretenn Angebote zur Bendigung eines Krieges macht, für deren Ablehnung und die Fortsetzung des Krieges dann irgendjemand die Verantwortung tragen müssten, ist das unproblematisch.

Die Frage ist, je nach Situation, möchte sich ein Entscheidungsträger die Verantwortung für die Weiterführung eines Krieges persönlich aufladen, wenn ein tatsächliches realistisches Friedensangebot auf dem Tisch liegt, dass die eigenen Kernziele in weiten Teilen tatsächlich erfüllen würde.
Ich denke da greift zum einen die persönliche Moral und Veranntwortung, zum anderen wird es in der Bevölkerung und auch in der Truppe immer Stimmen geben, die von Phantasien der vollständigen Unterwerfung nicht so viel halten und darauf bestehen werden, sich ein Angebot, wenn es gemacht wird, mindestens mal anzuhören und eventuell nachzuverhandeln.

Von dem her würde ich persönlich dazu neigen Forderungen nach "bedingungsloser Kapitulation", nicht allzu ernst zu nehmen außer vielleicht im Konstext des 2. Weltkrieges allerdings, da hatte man es mit Verbrecherrgimes zu tun die wirklich alles in der Menschheitsgeschichte bisher gekannte übertrafen und eine andere Qualität darstellten.

Diese Forderung erfüllt in meinen Augen generell vor allem 2 Zwecke:

- Zum einen wirkt sie in einem Konflikt mobilisierend und stellt Entschlossenheit zur Schau, was im Besonderen im Bezug auf die Heimatfront sicherlich seine Bedeutung hat.
- Zum anderen kann sie als Platzhalter dienen, wenn man sich wegen der eigenen Kriegsziele selbst noch nicht sicher ist und das erstmal aushandeln muss oder weil man bestimmte Ziele, die zum eigenen Katalog gehören nicht offen benennen will, weil man fürchtet damit eventuell einen Bündnispartner zu verprellen oder etwas einzufordern, was in der eigenen Bevölkerung eher unpopulär ist.

Insofern ob es bei "bedingungslose Kapitulation" bleibt, wenn die Gegenseite etwas realistisches anbietet, ist, wie ich das sehe, eine ganz andere Frage.
 
Ich stimme dir weitgehend zu. Anzumerken ist noch, das der Notenwechsel mit US Präsident Wilson letzten Endes, seitens der Alliierten, die Deutschen zur bedingungslosen Kapitulation zu zwingen und das haben sie erreicht.
 
Und mehr möchte ich dazu auch nicht mehr sagen.

Da ich gerade die Lebenserinnerungen von Wilhelm Groener (Göttingen 1957) vor mir liegen habe, möchte ich zumindest noch einige Zitate loswerden:

Als Groener Ende Oktober 1914 Ludendorffs Nachfolge antrat, war die Situation bereits so, dass militärisch bestenfalls ein Rückzug hinter den Rhein noch eine realistische Option war:

"Zu operieren gab es bei meiner Ankunft in Spa [am 30. Oktober morgens] nichts mehr. Das Heer konnte nichts mehr ändern, der Rückzug mußte, so gut oder so schlecht er ging, durchgeführt werden, und ich bin überzeugt, daß dieser Rückzug ohne Schwierigkeiten in der Weise vor sich gegangen wäre, daß man hinter dem Rhein den Widerstand hätte aufbauen können, wenn nicht die Revolution in der Heimat ausgebrochen wäre." (S. 441)

"Wenn nach dem Kriege Stimmen laut wurden, die meinten, das Heer hätte sich noch Monate, sei es in der - nicht ausgebauten - Antwerpen-Maas-Stellung, sei es weiter rückwärts, halten können, so muß ich das als einen Wunschtraum bezeichnen." (S. 467)

Stellvertretend für die Einschätzung der Frontoffiziere zitiert er ein Schreiben des Generalmajors Löffler, der die 192. Infanterie-Division führte, vom 5. November:

"Die Widerstandskraft der Truppe geht zu Ende. Sie kennen mich genug, um zu wissen, daß ich kein Schwarzseher bin. Meine Division hat seit Anfang Mai nicht einen Tag Ruhe gehabt. [...] Der Zeitpunkt des Umkippens rückt aber bedenklich näher. Es handelt sich bis dahin nicht mehr um Wochen. Schließlich kommt eine Zeit, wo jede Einwirkung an der Abspannung scheitert. In diesen Zustand treten wir ein.
Ich halte es für ausgeschlossen, daß sich ein grundsätzlicher Umschwung durchsetzen läßt, selbst in einer Zeit von Waffenstillstand oder sonstiger Ruhe. Die Gesamtverhältnisse und ihre zwangsläufige Entwicklung lassen das nicht zu." (S. 457)
 
Zu operieren gab es bei meiner Ankunft in Spa [am 30. Oktober morgens] nichts mehr. Das Heer konnte nichts mehr ändern, der Rückzug mußte, so gut oder so schlecht er ging, durchgeführt werden, und ich bin überzeugt, daß dieser Rückzug ohne Schwierigkeiten in der Weise vor sich gegangen wäre, daß man hinter dem Rhein den Widerstand hätte aufbauen können

Nur das ein Rückzug hinter den Rhein auf vom Standpunkt der Kriegswirtschaft her wohl keine gangbare Option gewesen wäre, die sich länger hätte durchhalten lassen.

Wenn nach dem Kriege Stimmen laut wurden, die meinten, das Heer hätte sich noch Monate, sei es in der - nicht ausgebauten - Antwerpen-Maas-Stellung, sei es weiter rückwärts, halten können, so muß ich das als einen Wunschtraum bezeichnen.

Ohne intakte Festungswerke in Lothringen als Rückzugslinie wäre das sicherlich nicht zu halten gewesen.
 
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