Partisanenkrieg im Ersten Weltkrieg?

(Lasst mich nicht als Dummer sterben.)
(Klammer auf
@hatl die Hoffnung, dass mir das erspart bleiben könnte, hatte ich kurzfristig auch: nach zahllosen Nachfragen, ob denn Krumeich Revisionist sei, blinkte ein erfreuliches Licht auf:
Man muss das mE sauber auseinander halten: Krumeichs Interesse ist das am historischem Ereignis (->das ob und wie eines möglichen belgischen zivilen Widerstandes, „Franktireure“), am Verständnis der Vorgänge, also ein Verständnis und Interesse als Historiker. Das ist sein Beritt und das ist ok. Die paar flockigen Passagen zum Kriegsrecht würde ich als Ausrutscher im seifigen Untergrund interpretieren, unbeachtlich.
Bzgl. seiner historischen Annäherung an die Ereignisse und dem diesbezüglichen Interesse ist mE nichts zu kritisieren.
immerhin der Krumeich schien damit außerhalb der wilden Verdächtigungen - - aber dann flammte das erneut auf, was meine Hoffnung, nicht dumm sterben zu müssen, zunichte machte: nun sogar in nonchalant unbeanstandetem tagespolitischem Kontext:
Krumeich lobt Keller für sein revisionistisches Werk
Ja, muss man. Weil es in der Gesellschaft einen Rechtsruck gibt, der revisionistische Werke wie die von Spraul und Keller ermöglicht, und einen ausgewiesenen I. Weltkrieg Experten wie Krumeich sagen lässt, dass er – (Zitat aus Der Freitag, Ausgabe 46/2017) – schon früher Zweifel daran gehabt zu haben, dass „die heimtückische Beschießung deutscher Soldaten durch belgische Freischärler so ganz und gar nur eine Phantasmagorie gewesen sein sollte“. Er habe sich dieser Frage jedoch nicht gestellt, da sie „unbequem war und drohte, einen in der internationalen scientific community zu isolieren“.
Aber jetzt, in einer sich verändernden politischen Landschaft, traut auch er sich auszusprechen, was er schon früher (immer?) dachte.
...wenn ein schwertgewaltiger Kreuzritter wie @Dion seine großangelegte Protestantenjagd unterbricht, um dem aktuell akuten Rechtsruck anheimgefallene Historiker zu brandmarken, dann muss an der Sache was dran sein!
...aber wie soll ich Laie das entscheiden können? Vielleicht irrt sich @silesia - aber woher soll ich das wissen?
Klammer zu)
 
...wenn ein schwertgewaltiger Kreuzritter wie @Dion seine großangelegte Protestantenjagd unterbricht, um dem aktuell akuten Rechtsruck anheimgefallene Historiker zu brandmarken, dann muss an der Sache was dran sein!
Einspruch – vor ein paar Monaten oder Jahren wurde ich quasi noch als Katholikenhasser und Protestantenfreund bezeichnet! :D

Außerdem @dekumatland, sei nicht so pessimistisch, schließlich ist Krumeich nur ein Historiker unter vielen und zudem auch ein Mensch, der wohl seine (persönliche oder berufliche) Gründe hatte, den Mund nicht schon vorher aufzumachen.

Seit ein paar Jahrzehnten bin ich der Meinung, dass auch Wissenschaftler nicht immer der reinen Lehre verpflichtet sind, sondern mitunter politischen Einflussnahmen anheimfallen. Das betrifft vor allem Bereiche, die von nationalen Interessen sind. Und Erforschung der Kriege (wie es dazu kam, was da gemacht und nicht gemacht wurde, etc.) ist eine sensible Angelegenheit, denn ist man zu sehr der Wahrheit verpflichtet, kann man schon das Prädikat Nestbeschmutzer erhalten.

Vor allem in den Diktaturen dient die Historie der Rechtfertigung der eigenen Handlungen – siehe jetzt Putin-Russland oder vorher Hitler-Deutschland: Bei beiden sind bzw. waren Historiker vom Rang am Werk, die sich in den Dienst der nationalen Sache stellen bzw. stellten.

Eigentlich können sich Historiker unbefangen nur der Geschichte bis zum Beginn der Neuzeit widmen, obwohl auch in jener Zeit z.B. die Kreuzzüge je nach Religionszugehörigkeit anders beurteilt werden. (Das musste jetzt sein. :D)

Das sollte keine Kritik sein, sondern nur daran erinnern, dass die Interpretation der geschichtlichen Ereignisse politisch sein kann und das vielfach auch war und ist.
 
Das betrifft vor allem Bereiche, die von nationalen Interessen sind. Und Erforschung der Kriege (wie es dazu kam, was da gemacht und nicht gemacht wurde, etc.) ist eine sensible Angelegenheit, denn ist man zu sehr der Wahrheit verpflichtet, kann man schon das Prädikat Nestbeschmutzer erhalten.
auch andere "Prädikate" sind möglich und kommen vor: dem Sönke Neitzel wird sowohl attestiert, endgültig mit dem Narrativ der "sauberen Wehrmacht" aufgeräumt zu haben, als auch dass er Bellizist und Revisionist sei...

aber das nur nebenbei.
 
aber wie soll ich Laie das entscheiden können?
Sapere aude und sich nicht unbedingt auf scheinbare Autoritäten verlassen, könnte helfen.

Hast du denn inzwischen einen Beleg dafür, dass ich hier missverständlich formuliert habe?
wenn wir zurück blättern in der Diskussion, in etliche verlinkte Rezensionen, Interviews schauen:
- Horne/Kramer behaupten nicht, es habe gar keine irregulären Freischärler gegeben, sondern sie ordnen diese als vereinzelt, marginal sozusagen ein
- Keller behauptet, es habe von der belgischen Regierung organisierte große angelegte Aktivitäten dieser Art gegeben, was Horne/Kramer in einem Interview (genüßlich) als Verschwörungstheorie bezeichnen
- diskutiert wurde in Potsdam die Dimension, das Ausmaß der Freischärleraktivitäten
(ich werde das jetzt nicht "beweisen", denn dazu muss man nur hier zurückblättern)
Es ist missverständlich formuliert, wenn du eine Formulierung wie "unterstellte Freischärler" verwendest; ebenso ist es missverständlich, wenn du "Freischärler-Aktivitäten, die er (Krumeich) für eine Tatsache hält" formulierst.
Jetzt, wo inzwischen klar ist, dass Freischärler nicht vereinzelt sein können, sondern sich das Wort von Gruppe/Schar herleitet. Somit werden Horne und Kramer auch einen anderen Begriff benutzt haben als die Krumeichsche Formulierung "massive irreguläre Freischärler-Aktivitäten", die es nach wie vor zu beweisen gilt. So lang dies nicht der Fall ist, kann ich getrost von "unterstellten Freischärlern" reden.
 
Ob uns die Etymologie von "Freischärler / Partisan / Franctireur" weiterhilft, weiß ich nicht.

Ich wollte den Begriff "Freischärler" eigentlich nur vermieden wissen um zu vermeiden, dass die gesamte Diskussion durch das Zusammenfassen legalen und möglicherweis nicht legalen Kampfs in die eine oder andere Richtung geframt wird.
 
Jetzt muss ich auch noch für dich blättern.

"
" [...]Das es in der Tat massive irreguläre Freischärler-Übergriffe gegeben hat. Ich bin von den Ergebnissen dieser Studie in gewisser Weise sehr erschüttert worden, denn sie widersprechen allem, was man sich gewöhnt hatte, für gut und richtig zu halten." Gert Krumreich

Das ist genau der Punkt. Man hat sich daran gewöhnt und es sich mit der deutschen Schuld bequem eingerichtet.
So und jetzt bitte der Beleg, wo ich missverständlich formuliert habe, wenn ich unterstellte Freischärler-Aktivitäten schreibe.

- diskutiert wurde in Potsdam die Dimension, das Ausmaß der Freischärleraktivitäten
Und auch dem widerspreche ich. Dort wurde das Ausmaß, des zivilen Widerstandes in Belgien diskutiert. Die Palette reichte von "bereits im Vorfeld durch die belgische Armee organisierter Widerstand im zivilen Gewand" (Keller sinngemäß) bis zu "spontanen Aktionen einzelner Zivilpersonen" (Horne&Kramer). Einig geworden ist man sich nicht.
Ob uns die Etymologie von "Freischärler / Partisan / Franctireur" weiterhilft, weiß ich nicht.
Ja, die hilft uns weiter. Denn Freischärler setzen einen gewissen Organisationsgrad als Gruppe voraus. Ob man spontanen bewaffneten Widerstand von einzelnen Zivilpersonen unter "Partisanen oder Franctireur-Aktivitäten" subsumieren kann, müsste erst noch diskutiert werden oder aber man bleibt bei "spontaner, bewaffneter Widerstand von Zivilisten" .

Edit:
Ich wollte den Begriff "Freischärler" eigentlich nur vermieden wissen um zu vermeiden, dass die gesamte Diskussion durch das Zusammenfassen legalen und möglicherweis nicht legalen Kampfs in die eine oder andere Richtung geframt wird.
Das ist ein weiterer Hinweis, dass Krumeichs Formulierung bestenfalls unglücklich ist.
 
Zuletzt bearbeitet:
Jetzt muss ich auch noch für dich blättern.
...der Nikolaus wird das deinen guten Taten zurechnen :)

Ich habe auch geblättert und gefunden, es steht in Krumeichs Vorwort zu Kellers Buch:
(...)
Und nun dieses Buch, das zeigt, dass es so einfach nicht zugegangen ist im schreck-
lichen August 1914. Dass es in der Tat massive irreguläre Freischärler-Übergriffe gege-
ben hat. Ich bin von den Ergebnissen dieser Studie in gewisser Weise sehr erschüttert
worden, denn sie widersprachen allem, was man sich gewöhnt hatte, für gut und
richtig zu halten.

Nur ein einziger Zusammenhang sei hier hervorgehoben, weil er in gewisser Weise
auch die eigenen Vorstellungen zu diesem Thema geprägt hat.
So habe ich die bestimmte Erinnerung, dass es mir wie eine intellektuelle Befreiung
erschien, als John Horne und Alan Kramer im Jahre 2001 ihr Buch über die German
Atrocities veröffentlichten. Denn hier wurde zum ersten Mal versucht, bei allem, was
aus der älteren Forschung an Anklagen gegen die deutschen brutalen Soldaten über-
nommen wurde, diese doch auch zu verstehen. Horne und Kramer insistierten sehr
stark auf dem kollektivpsychologischem Phänomen der Franktireur-Psychose, die sie
als eine Art kultureller Tradition im Denken des deutschen Militärs seit den Kämpfen
gegen Gambettas »Volksheere« im Krieg von 1870 lokalisierten. Zu dieser Grundhal-
tung passte dann auch, dass die Soldaten, oft im (Eroberungs)Rausch befangen, jeden
Verdacht auf Heckenschützen sofort mit Gegenangriffen beantworteten und dabei
übersahen, dass oft, allzu oft, die gehörten und gesehenen Schüsse von eigenen Ka-
meraden abgegeben worden waren – friendly fire, wie es so ungewollt ironisch in der
militärischen Fachsprache heißt.
Ich erinnere mich noch, dass mich diese Darstellung trotz aller revoltierenden
Details im Grunde stark beruhigte, denn so richtig böse war in dieser Erzählung nie-
mand mehr. Es war halt Krieg und die immer wieder beschriebene Hitze des August
14, in der nicht allein die Deutschen eigentlich ganz unverständliche Gräuel begingen
(etwa Überfälle auf Sanitätskolonnen), ließ diese aus ihrer spezifisch deutschen Ein-
zigartigkeit zu einem allgemeinen Phänomen eines ideologisierten Volkskrieges auf
allen Seiten verschwimmen.
Ich war in dieser Einschätzung ja keineswegs allein. Mit wenigen Ausnahmen er-
hielt das Buch von Horne und Kramer enthusiastische Rezensionen, es wurde zu ei-
nem immer wieder zitierten Standardwerk. Und es war mir und meinen Mitstreitern
eine Ehre, Alan Kramer für die Darstellung der Hauptergebnisse ihrer Studie auch in
einem Sammelband über das Kriegserlebnis sowie in unserer Enzyklopädie Erster
Weltkrieg Platz zu geben.
Es sei hier gestanden, dass mir ab und an Zweifel kamen, ob es sich so verhalten
hatte und ob die These so ganz stimmen konnte, dass die heimtückische Beschießung
deutscher Soldaten durch belgische Freischärler so ganz und gar nur eine Phantasma-
gorie gewesen sein sollte. Zu häufig stieß man bei der Lektüre der Quellen des August
14 auf klare und eindeutige Erzählungen, etwa von verwundeten Soldaten oder von
Priestern, die einem Soldaten auf seinem Weg in den Tod beistanden, über eben
solche Übergriffe seitens belgischer Zivilisten – oder waren es als Zivilisten getarnte
belgische Soldaten? Ich nahm mir vor, dem irgendwann einmal nachzugehen, und
hatte dann Anderes zu tun, zumal diese Fragestellung äußerst unbequem war und
drohte, einen in der internationalen scientific community zu isolieren.
Es ist sicher nicht von ungefähr, dass Ulrich Kellers Forschung am Rande des eta-
blierten Historiker-Betriebs geschah und – glücklicherweise – überhaupt erst bekannt
wurde, als sie nahezu abgeschlossen war. Der Autor ist Kunsthistoriker, hat in den
USA geforscht und gelehrt, und seine reiche wissenschaftliche Vita enthält alles Mög-
liche, nur keine Publikationen über den Ersten Weltkrieg. Zu diesem kam er erst vor
wenigen Jahren, als er einige – hochinteressante – Beiträge etwa zur Fotogeschichte
der Schlacht von Verdun veröffentlichen konnte. Und das Kriegsfoto als Mittel der
ausufernden Propaganda hat ihn dann irgendwie zu den belgischen Gräueln geführt.
Man kann ihm zu seinem Impetus, einfach mal beim Archiv vorbeizufahren und zu
sehen, was es denn dort an Dokumenten gibt, nur beglückwünschen, genauso wie zu
seiner aus dem historiografischen Konsens heraustretenden Neugier auf die deut-
schen Quellen der Ereignisse.
(...)
(es mag altmodisch sein, aber mir kommt es so vor, als ob man das alles besser überblicken kann, wenn man es in seinem Kontext liest)

zusätzlich interessant https://www.portal-militaergeschichte.de/node/1857 und natürlich der Link zum Symposium (leider beides auf englisch)

Dort wurde das Ausmaß, des zivilen Widerstandes in Belgien diskutiert. Die Palette reichte von "bereits im Vorfeld durch die belgische Armee organisierter Widerstand im zivilen Gewand" (Keller sinngemäß) bis zu "spontanen Aktionen einzelner Zivilpersonen" (Horne&Kramer). Einig geworden ist man sich nicht.
...und in dieser Palette (wie du die englische Zusammenfassung interpretierst) sind explizit "Freischärler" ausgeschlossen?
 
und in dieser Palette (wie du die englische Zusammenfassung interpretierst) sind explizit "Freischärler" ausgeschlossen?
Nein, sind sie nicht. Das hat auch niemand behauptet. (Strohmann!) Aber nicht jede diskutierte Art von Widerstand fällt unter "Freischärler" (siehe Horne&Kramer). Behauptet wurden die "Freischärler" von Keller, Krumeich und inzwischen auch von dir (denn du sagst ja auf dem Symposium sei ausschließlich über Freischärler diskutiert worden und meinst meine Formulierung "unterstellte Freischärler" sei missverständlich.). Diese Formulierung setzt eben voraus, dass es irgendeine Art von Organisation (à la Freikorps oder die Unterstellung die belgische Armee habe ihre Soldaten auf einen Kampf in Zivil vorbereitet) gab und schließt lediglich vereinzelten, spontanen, unorganisierten bewaffneten Widerstand von Zivilisten im Sinne von Horne&Kramer per se aus.
Daher habe ich ja auch das fiktive Beispiel vom Bauern Gaston gebracht - oder meinst du so jemanden könnte man als einen "Freischärler" ansehen.

Wenn man also meint, es habe "belgische Freischärler" 1914 gegeben, ist man in der Bringschuld, eine Freischärlerorganisation nachzuweisen, nicht nur zu vermuten oder zu unterstellen. So lang das nicht der Fall ist, sehe ich nicht, inwiefern meine Formulierung "unterstellte Freischärler" missverständlich ist.
 
Zuletzt bearbeitet:
Diese Formulierung setzt eben voraus, dass es irgendeine Art von Organisation (à la Freikorps oder die Unterstellung die belgische Armee habe ihre Soldaten auf einen Kampf in Zivil vorbereitet) gab und schließt lediglich vereinzelten, spontanen, unorganisierten bewaffneten Widerstand von Zivilisten im Sinne von Horne&Kramer per se aus.
Ich meine, du verwendest die Begriffe irgendwie zu streng und abgegrenzt. Krumeich betont doch, dass er die (setz ein, was du willst), die von der belgischen Regierung gelenkt seien, bezweifelt weil es keine Belege gibt. Aber er hält es für nachgewiesen, dass der belgische "Widerstand" - er verwendet "Freischärler" als Begriff - deutlich umfangreicher war als von Horne/Kramer beziffert.
Wo ist nun das semantische Problem? Sollen wir die englischen Vokabeln verwenden? Dann müssen wir im Interwiev und Summary nachlesen.
 
Ich versuche Begriffe so zu nutzen, wie sie definiert sind. Shinigami hat seine Bedenken zur Verwendung des Begriffs "Freischärler" in diesem Zusammenhang von einer anderen Seite herangebracht. Man sollte von einem renommierten Historiker erwarten können, dass er Begriffe nicht missverständlich verwendet.
Und ich erwarte von dir, wenn ich Begriffe definitionsgemäß verwende, dass du mir dann nicht vorwirfst, ich formuliere missverständlich.
 
Ähnlich bestenfalls missverständlich ist diese Passage Krumeichs im Vorwort, die Dion in diesem Faden auch schon mal gebracht hat:

"Es sei hier gestanden, dass mir ab und an Zweifel kamen, ob es sich so verhalten
hatte und ob die These so ganz stimmen konnte, dass die heimtückische Beschießung
deutscher Soldaten durch belgische Freischärler so ganz und gar nur eine Phantasma-
gorie gewesen sein sollte."

Das ist definitionsgemäß "Heimtücke bezeichnet im deutschen Strafrecht eine Handlung, bei der der Täter die Arglosigkeit des Opfers bewusst ausnutzt, um dieses in einem wehrlosen Zustand zu töten."

Also hatte Krumeich Zweifel daran, dass die tödliche Beschießung von arg- und wehrlosen deutschen Soldaten, die gerade Belgien überfielen, durch belgische "Freischärler" eine reine Phantasmogorie war. Diesen Satz muss man sich echt mal auf der Zunge zergehen lassen - und der Satz steht nicht irgendwo, sondern im Vorwort eines höchst umstrittenen Buches.
 
Ich versuche Begriffe so zu nutzen, wie sie definiert sind. Shinigami hat seine Bedenken zur Verwendung des Begriffs "Freischärler" in diesem Zusammenhang von einer anderen Seite herangebracht. Man sollte von einem renommierten Historiker erwarten können, dass er Begriffe nicht missverständlich verwendet.

Nun spricht Krumeich aber nicht einfach undifferenziert von "Freischärlern", sondern von "irregulären Freischärler-Übergriffen" und macht damit eigentlich recht deutlich klar, dass er sich auf Freischärleraktivitäten jenseits der Grenzen des Zulässigen bezieht, nicht auf Freischärler an und für sich.
 
Nun spricht Krumeich aber nicht einfach undifferenziert von "Freischärlern", sondern von "irregulären Freischärler-Übergriffen" und macht damit eigentlich recht deutlich klar, dass er sich auf Freischärleraktivitäten jenseits der Grenzen des Zulässigen bezieht, nicht auf Freischärler an und für sich.
Nicht im Vorwort. Da steht nur Freischärler (siehe 572). Aber selbst wenn dort "irregulär" stehen würde, bliebe das Problem, dass damit immer impliziert wird, dass es einen gewissen Organisationsgrad zwischen einzelnen Freischärlern geben muss, damit der Begriff auch tatsächlich zutrifft. Spontane Einzelfälle werden damit jedenfalls nicht erfasst.
Und das ist genau das Problem an dieser Begrifflichkeit. Es wird den Belgiern ein wie auch immer organisierter ziviler Widerstand unterstellt.
 
Zuletzt bearbeitet:
Nicht im Vorwort.
Doch, schau dir mal den unterstrichenen Teil im ersten Zitat bei @dekumatland in #168 an.

Da ist bevor von "Freichärlern" gesprochen wird erstmal von "irregulären Freischärler-Übeergriffen" die Rede, was die Sache in meinem Verstännis schon duchaus darauf eingrenzt.

Aber selbst wenn dort "irregulär" stehen würde, bliebe das Problem, dass damit immer impliziert wird, dass es einen gewissen Organisationsgrad zwischen einzelnen Freischärlern geben muss, damit der Begriff auch tatsächlich zutrifft. Spontane Einzelfälle werden damit jedenfalls nicht erfasst.

Was genau meinst du hier mit "spontane Einzelfälle"?
Klar ist, dass damit keine Einzeltäter gemeint sind, insofern die Beteiligung von Einzeltätern aber bei Horne und Kramer nie bestritten worden ist, ist es um diese Frage ja nie gegangen.

Ich weiß nicht, was du dir unter "Organisationsgrad" vorstellst, der mit dem Begriff impliziert wäre? So weit mir bekannt ist nirgendwo definiert, wie viele "Mitglieder" eine "Freischar" denn mindestens haben müsste um als solche gelten zu können, der Begriff impliziert nur, dass es mehr als ein Einzeltäter sein müsste.

Wie gesagt, angesichts des Umstands, dass man Fälle mit mehreren verletzten oder toten Soldaten hat, erscheint es nicht unplausibel dementsprechend auch von mehreren Tätern auszugehen und Absprachen zwischen diesen vorauszusetzen, dass mehrere Personen irgendwo zeitgleich völlig unabhängig von einander auf die Idee kommen die Truppen zu beschießen ist unwahrscheinlich.

Und das ist genau das Problem an dieser Begrifflichkeit. Es wird den Belgiern ein wie auch immer organisierter ziviler Widerstand unterstellt.

Wo wirft Krumeich das "den Belgiern" generalisierend vor?
Er geht davon aus, dass es Gruppen von Widerständlern gab, was im Zweifel auch 3 oder 4 Hanseln bedeuten kann, die sich auf einen gemeinsamen Anführer verständigt haben.
Das an und für sich, ist in meinen Augen nicht falsch.


Dann noch etwas hierzu:

Das ist definitionsgemäß "Heimtücke bezeichnet im deutschen Strafrecht eine Handlung, bei der der Täter die Arglosigkeit des Opfers bewusst ausnutzt, um dieses in einem wehrlosen Zustand zu töten."

Also hatte Krumeich Zweifel daran, dass die tödliche Beschießung von arg- und wehrlosen deutschen Soldaten, die gerade Belgien überfielen, durch belgische "Freischärler" eine reine Phantasmogorie war. Diesen Satz muss man sich echt mal auf der Zunge zergehen lassen - und der Satz steht nicht irgendwo, sondern im Vorwort eines höchst umstrittenen Buches.

Wenn ich dich richtig verstehe setzt du hier voraus, dass Soldaten im Kriegszustand a priori nicht arg- und wehrlos sein können, somit Heimtücke im juristischen Sinne in keinem Fall gegeben sein könnte.
Ich würde dem entgegenhalten wollen, dass wenn unter dem Schutz der Genfer Konventionen oder der HLKO stehende, nicht mehr bewaffnete Armeeangehörige, namentlich Parlamentäre, Sanitätspersonal oder aus dem Kampf ausgschiedene Verwundete von wem auch immer angegriffen werden, das durchaus als Fall von Heimtücke gelten könnte, zumal es ja durchaus Berichte überVorfälle zu geben scheint, in denen eben Sanitätspersoal involviert gewesen sein soll"*

Ich bin mir darüber hinaus auch gar nicht sicher, ob Krumeich hier tatsächlich "Heimtücke" im juristischen Sinne meinte oder ob er den Begriff einfach nur als ausschmückendes Adjektiv verwendet hat.

So oder so, würde ich deine Kritik an der Verwendung dieses Begriffs im Grundsatz teilen, weil man sicherlich davon ausgehen kann, dass ein Großteil der involvierten Soldaten jedenfalls nicht als arg- und wehrlos gelten kann und es sich somit falls im juristischenn Sinne zu verstehen jedenfalls um eine unzulässige Generalisierung handelt.

Im Fall, dass es hier nicht explizit um den juristischen Begriff ging, wäre noch immer zu monieren, dass sich daraus eine unnötige und nicht unbedingt sachdienliche Parteinahme für die deutschen Soldaten ableiten ließe, die sicherlich jedenfalls so nicht sein muss und der Sache einer möglichst nüchternen unpolitischen Betrachtung keinen guten Dienst erweist.

Das ist sicherlich jedenfalls suboptimal und da hätte man von jemandem, der so lange im Geschäft ist mehr Fingerspitzengefühl erwarten dürfen, insofern würde ich dir im Grunsatz zustimmen.

Dions Anwürfe allerdings, Krumeich habe sich de facto mit Keller zwecks rechtsdrehender Geschichtsfälschung verschworen, sind (wie gewohnt) mal wieder deutlich über allem, was man an sinnvoller Kritik anbringen kann, dem ist aus meiner Sicht klar zu widersprechen.





*Wobei ich mich außerstande sehe ein kompetentes Urteil über deren Plausibilität zu fällen.
 
Man sollte von einem renommierten Historiker erwarten können, dass er Begriffe nicht missverständlich verwendet.
...und von ihren Lesern, ihren Rezipienten, sollte man erwarten, dass sie verstehend lesen und nicht willkürlich irgendwas in die Texte hineindeuten, was gar nicht drinsteht. So etwas kommt aber vor, hier ein Exempel:
(...)
Q: The event did, in fact, lead to some media coverage, which was rather unusual for a conference of this relatively modest size. The news magazine Der Spiegel devoted an entire article to the event in which, you, Professor Krumeich, commented in relatively critical tones about your fellow historians. Your critique went in the direction of that for the reason that inner-European harmony could not be disturbed, it has been considered politically inappropriate to examine critically Belgian responsibility for acts which contravened international law. In this context the article alludes to a "conspiracy of silence among historians". Have you received any reaction to this article?

A: Here I have to make clear that Herr Wiegrefe from Der Spiegel did not conduct an interview with me in any shape or form! He only read my foreword of Keller’s book and there picked out what suited him. I have never spoken or written about a "conspiracy of silence". That is his invention. I protested immediately to the editor, but have received no response. In my foreword I wrote that it is difficult to engage with this subject because one risks by a defence of Keller isolation within one’s own academic community. That has been and indeed still is the case. I fear that I have lost friends and created much indignation. The study of history is sometimes a dangerous business.
(...)
zitiert aus https://www.portal-militaergeschichte.de/node/1857

Hat Herr Wiegrefe vom Spiegel da Krumeichs Vorwort missverstanden, missverständlich gedeutet, willentlich missverstanden/gedeutet, fehlgedeutet - wie dem auch sei: "picked out what suited him". Und sowas macht dann die Runde, wird in der Presse "verwertet".

Gar zu oft sind verkürzte Zitate sinnentstellend, oftmals auch absichtlich sinnentstellend - wegen dieser Gefahr hatte ich mir erlaubt anzumerken:
(es mag altmodisch sein, aber mir kommt es so vor, als ob man das alles besser überblicken kann, wenn man es in seinem Kontext liest)
und das zu einem nicht verkürzten Zitat aus dem Vorwort. In diesem Zitat befinden sich die zwei Sätze, die du mit anklägerischem Impetus aus ihrem Zusammenhang herauspickst und dann deine Schlussfolgerungen ziehst, gewürzt mit Worterläuterungen und Belehrungen zum Begriff Heimtücke.

Du echauffierst dich wortgewaltig:
Diesen Satz muss man sich echt mal auf der Zunge zergehen lassen - und der Satz steht nicht irgendwo, sondern im Vorwort eines höchst umstrittenen Buches.
um welchen Satz geht es? um diesen in Krumeichs Vorwort zu Kellers Buch:
(...)Es sei hier gestanden, dass mir ab und an Zweifel kamen, ob es sich so verhalten
hatte und ob die These so ganz stimmen konnte, dass die heimtückische Beschießung
deutscher Soldaten durch belgische Freischärler so ganz und gar nur eine Phantasma-
gorie gewesen sein sollte.
Zu häufig stieß man bei der Lektüre der Quellen des August
14 auf klare und eindeutige Erzählungen, etwa von verwundeten Soldaten oder von
Priestern, die einem Soldaten auf seinem Weg in den Tod beistanden, über eben
solche Übergriffe seitens belgischer Zivilisten – oder waren es als Zivilisten getarnte
belgische Soldaten? (...)
und philologisch sowie argumentativ höchst gewitzt machst du daraus:
Also hatte Krumeich Zweifel daran, dass die tödliche Beschießung von arg- und wehrlosen deutschen Soldaten, die gerade Belgien überfielen, durch belgische "Freischärler" eine reine Phantasmogorie war
...aha... muss ich jetzt die Unterschiede markieren und auflisten? Gibst du redlich und korrekt den Inhalt des Satzes wieder, den man sich deiner Ansicht nach auf der Zunge zergehen lassen muss? Schwadroniert Krumeich von "arg- und wehrlosen (sic) deutschen Soldaten, die gerade Belgien überfielen"??

Was du dabei völlig übersiehst, habe ich im Zitat rot gekennzeichnet. "dass die heimtückische (...) gewesen sein soll" ist keine Aussage von Krumeich, sondern er gibt mit dieser zusammenfassenden Formulierung die These "dass (...)" wieder und teilt mit, dass er Zweifel daran hatte, ob sie "so ganz stimmen konnte" (also Zweifel daran, ob sie 100% zutrifft)

...und du willst mich also in Sachen "missverständlich zitieren / formulieren" maßregeln? Habe ich gar erneut, wie du mir mehrmals unterstellt hast, Strohmänner ins Rennen geschickt? Ziterst du immer korrekt und unter Berücksichtigung des Kontextes?
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich bin mir darüber hinaus auch gar nicht sicher, ob Krumeich hier tatsächlich "Heimtücke" im juristischen Sinne meinte oder ob er den Begriff einfach nur als ausschmückendes Adjektiv verwendet hat.
@Shinigami ich bin mir sehr sicher, dass sich diese Frage gar nicht erst stellt.
Krumeich referiert da (knapp, vereinfacht) eine "These", ein Erklärungsmodell.
 
So weit mir bekannt ist nirgendwo definiert, wie viele "Mitglieder" eine "Freischar" denn mindestens haben müsste um als solche gelten zu können, der Begriff impliziert nur, dass es mehr als ein Einzeltäter sein müsste.
Es geht auch nicht um die Frage wieviele Mitglieder eine "Freischar" haben müsste, um als eine solche zu gelten. Es geht nur darum, ob sich eine Gruppe von belgischen Zivilisten abgesprochen hat, bewaffneten Widerstand zu leisten.

Wie gesagt, angesichts des Umstands, dass man Fälle mit mehreren verletzten oder toten Soldaten hat, erscheint es nicht unplausibel dementsprechend auch von mehreren Tätern auszugehen und Absprachen zwischen diesen vorauszusetzen, dass mehrere Personen irgendwo zeitgleich völlig unabhängig von einander auf die Idee kommen die Truppen zu beschießen ist unwahrscheinlich.
Wie gesagt, angesichts des Umstandes, dass deutsche Truppen gerade Belgien überfielen, erscheint es genauso plausibel, dass mehrere Personen zeitgleich völlig unabhängig voneinander auf die Idee kommen, bewaffneten Widerstand zu leisten, ohne sich untereinander abzusprechen.


Wo wirft Krumeich das "den Belgiern" generalisierend vor?
Er geht davon aus, dass es Gruppen von Widerständlern gab, was im Zweifel auch 3 oder 4 Hanseln bedeuten kann, die sich auf einen gemeinsamen Anführer verständigt haben.
Das an und für sich, ist in meinen Augen nicht falsch.
Er wirft dies den Belgiern vor in dem er den Begriff "Freischärler" nutzt. Und wenn er davon ausgeht, dass sich auch nur 3 oder 4 Hansel auf einen Anführer verständigt haben, ist er in der Bringschuld dies nachzuweisen. So lang dieser Nachweis nicht gelungen ist, bleibt es eine Unterstellung.

und von ihren Lesern, ihren Rezipienten, sollte man erwarten, dass sie verstehend lesen und nicht willkürlich irgendwas in die Texte hineindeuten, was gar nicht drinsteht.
Willkür ist nicht der Fall ist, wenn man verwendete Begriffe definitionsgemäß liest.
Schwadroniert Krumeich von "arg- und wehrlosen (sic) deutschen Soldaten, die gerade Belgien überfielen"
Indem er den Begriff "heimtückisch" nutzt, macht er genau das. Er sagt, an der genannten These könnte ja doch was dran sein.
 
Dions Anwürfe allerdings, Krumeich habe sich de facto mit Keller zwecks rechtsdrehender Geschichtsfälschung verschworen
Viel wichtiger finde ich, dass dieser Faden inzwischen von revisionistischen Behauptungen, wie z.B. die belgische Armee habe ihre Soldaten für einen Krieg in Zivilkleidung vorbereitet und diesen auch ausgeführt, vollkommen abgerückt ist.
 
Ugh
Indem er den Begriff "heimtückisch" nutzt, macht er genau das. Er sagt, an der genannten These könnte ja doch was dran sein.

Genau.

Abgesehen davon zeigt die Verwendung des Begriffs „Heimrücke“ wenig Wissen, wovon man redet, der Begriff ist völlig deplaziert. Kurz zusammengefasst zur „Heimtücke“

Heimtückisch handelt, wer …die Arg- und Wehrlosigkeit des Tatopfers bewusst zur Tötung ausnutzt.

Wesentlich ist dabei, dass der Mörder sein Opfer, das keinen Angriff erwartet, also arglos ist, in einer hilflosen Lage überrascht und dadurch daran hindert, dem Anschlag auf sein Leben zu begegnen oder ihn wenigstens zu erschweren.

Begeht der Täter seine Tat als Opfer einer Erpressung in einer bestehenden Notwehrlage, kann dies – unbeschadet der weiteren Voraussetzungen dieses Rechtfertigungsgrundes – Auswirkungen auf die Beantwortung der Frage heimtückischen Handelns haben. Das Mordmerkmal der Heimtücke ist insoweit einer – auch normativ orientierten – einschränkenden Auslegung zugänglich, die dem Wortsinn des Begriffs der Heimtücke mit dem ihm innewohnenden Element des Tückischen Rechnung zu tragen hat.

Die Beurteilung, ob ein Mensch arglos ist, richtet sich dabei grundsätzlich nach seiner tatsächlichen Einsicht in das Bestehen einer Gefahr; maßgeblich sind hierfür jeweils die Umstände des konkreten Einzelfalls. Ein Erpresser mag in der von ihm gesuchten Konfrontation mit dem Erpressten im Hinblick auf einen etwaigen abwehrenden Gegenangriff des Opfers auf sein Leben regelmäßig dann nicht arglos sein, wenn er in dessen Angesicht im Begriff ist, seine Tat zu vollenden oder zu beenden und damit den endgültigen Rechtsgutsverlust auf Seiten des Erpressten zu bewirken.



Somit ist der Begriff entweder kenntnislos oder polemisierend/emotionalisierend verwendet.
Oder mit Halbwissen? … ->

Ich vermute, er spielt auf das völkerrechtliche Perfidieverbot an.
Das allerdings - Halbwissen - ist nicht einschlägig,
 
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