Anton Wilhelm Amo

In manchen Dialekten der Deutschschweiz wird das weiblich Schwein, die Sau, als "Moore" oder "More" benannt.
Natürlich gibt es damit zahlreiche Schimpfwörter und Redewendungen, die gelegentlich auch in den anderen Dialekten benutzt werden.
Da es für das Schweizerdeutsch keine wirklichen Rechtschreibregeln gibt, wird z.b. das Wort für "Schweinerei", die "Moorerei" mal so oder als "Mohrerei" geschrieben. Letzteres kann dann schon mal kritisiert bzw. korrigiert werden.
So eine «Morerei», oder: Wenn Schimpfwörter Schwein haben | Nau.ch
Darin steht, dass das Wort früher nur für schwarze Exemplare dieser Tiere verwendet worden sein soll. Keine Ahnung, ob das stimmt, aber es ist unvorstellbar, dass die Sau in dieser Form demnächst aus dem schweizerdeutschen Vokabular verschwindet. Die mit "h" geschriebene vermutlich schon, auch wenn es irgendwie unlogisch ist.
 
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Ein paar Gedanken dazu …
Das Wort "Mohr" taucht im allgemeinen Sprachschatz kaum mehr auf und gehört auch nicht zum gewöhnlichen Vokabular des Deutschunterrichts, deswegen ist es zweifelhaft, ob "weite Teile der Menschen in Deutschland mit subsaharaafrikanischem Hintergrund" diesen Begriff überhaupt kennen, geschweige denn eine Meinung dazu haben. Die Umbenennung ging denn auch auf die grüne Bezirksverordnetenfraktion zurück, nicht auf Beschwerden aus weiten Teilen der migrantischen Bevölkerung.

Mitglieder der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung wie James Baldwin oder Martin Luther King in den 1960er Jahren, auch Abolitionisten des 19. Jahrhunderts wie Frederick Douglass haben noch ganz selbstverständlich von "Negroe-Emancipation" gesprochen, ohne dass der Begriff "Neger" rassistisch belastet war. Kein Mensch hat bei Mohrenköpfen, Negerküssen schlechtes im Sinn gehabt, dass der Neger im deutschen Sprachgebrauch in Verruf geraten ist, hängt viel mehr damit zusammen, dass es gewisse Vorstellungen gab, davon, was die Nazis meinten, wenn sie von "Neger-Rassen", "Neger-Musik", "Vernegerung", "vertierten Senegal-Negern" sprachen.

Seit den 1970ern wurde "Neger" als rassistisch angesehen, und es wurde durch "Schwarzer" ersetzt. Aber an sich war die ursprüngliche Bedeutung semantische Bedeutung von "Neger" und "Schwarzer" die gleiche, und im 19. Jahrhundert und noch in den 1960er Jahren war der Begriff wertneutral und wurde von Angehörigen der afroamerikanischen Gemeinschaft ganz selbstverständlich und ohne jede negative Wertung verwendet.

"Mohr" ist ein absolut altertümliches Wort, genau wie der Aar oder Lenz, nur im historischen Kontext, etwa der "Hofmohr", oder "Kammermohr" oder eben als Mohrrübe, Möhre, "Mohrenkopf" oder, die Älteren werden ihn noch kennen: den Sarotti-Mohr als Werbefigur für Schokolade.

Schon Ende des 19. Jahrhunderts war der Begriff altertümlich und praktisch kaum noch existent im Sprachgebrauch, außer im historisierenden Kontext von Theater, Oper und Operette, denken wir an Othello, den "Mohr von Venedig" von Venedig oder die Figur des Zanga in Franz Grillparzers "Der Traum ein Leben" oder Mozarts Opern Alla Turca.

Es lässt sich trefflich darüber streiten, ob Mohr rassistisch konotiert ist oder nicht.


Darüber, könnte man trefflich streiten, wenn es ehrliche Debatten wären. Wenn es nicht fast immer um läppische Nichtigkeiten ginge, wenn es dabei nicht um "Moral signaling" "Damnatio memoriae ginge, und wenn man Rassismus nicht immer wieder mit Rassismus bekämpfen würde.

Auch Rassismus unter umgekehrten Vorzeichen ist rassistisch. Irgendwo im Westen, ich glaube in Dortmund gab oder gibt es eine Ausstellung, in der ein Safer Space eingerichtet wurde, und der Zugang an einem Tag nur für "POC" gilt. Viele rechte You-Tuber haben das natürlich kritisiert, haben das als Rassismus gegen Weiße interpretiert.

Ich bin der Meinung, dass das tatsächlich rassistisch ist. Aber es ist rassistisch gegen alle Menschen. Es unterstellt Menschen, dass sie feindlich eingestellt sind gegen Menschen anderer Hautfarbe. Es unterstellt, dass sie unter sich sein wollen und dieses Safe Spaces bedürfen, es spielt Menschen gegeneinander aus, indem einige Zugang haben, andere nicht. Wie auch regelt man das in der Praxis? Wie schwarz oder weiß muss man denn sein? Wie verfährt man mit "Mischehen" oder Mischlingen? Kann das sein, dass da Hautfarbe zum Kriterium zur Bewertung von Menschen verwendet wird?

Hat irgendjemand Safe Spaces gefordert oder hat man das paternalistisch so eingerichtet, weil man glaubt, dass Menschen Safer Spaces bedürfen, weil sie Menschen anderer Hautfarbe schwer ertragen können?

Warum differenziert man nicht einfach zwischen Menschen, die die Ausstellung sehen wollen und solchen die auf Krawall gebürstet sind? Für Letztere braucht es keine Safe Spaces, ein kräftiger Türsteher und eine Hausordnung würden vollkommen genügen.

Haarfarbe, Augenfarbe, Schuhgröße- das sind keine Kriterien zur Bewertung von Menschen, welcher halbwegs vernünftige Mensch würde auch die Summe seiner Existenz so zusammenfassen, zu sagen: Ich bin ein Weißer/ Schwarzer" wenn man solche Marginalien so ungeheuer aufbläst, wenn man Hautfarbe eine solche Bedeutung zubilligt, bekämpft man keinen Rassismus, bringt im Gegenteil Menschen gegeneinander auf.
 
Es gibt, denke ich, schon einen Grund dafür, dass das Wort Neger schon im 19. und frühen 20. Jahrhundert tendenziell negativ konnotiert war (wenn auch nicht immer sein musste), der Mohr dagegen nicht. Wenn ich mich nicht irrre, war das so: Mohr war im Deutschen das gebräuchliche Wort, als man mit ihm den exotischen Nachbarn und Einzelgänger meinte, den es irgendwie ins christliche Europa verschlagen hatte, wie der heilige Mauritius, Othello oder eben Amo. Das war so vielleicht bis ins 18. Jaghrundert. Das Wort Neger setzte sich durch, als die Vorstellung vom dunkelhäutigen Afrikaner immer mehr von den afrikanischen Sklaven in Amerika und dann den von Europäern beherrschten Eingeborenen in Afrika geprägt wurde. Das waren dann nicht mehr interessante Einzelgänger, sondern Leute, die einer als defizitär eingeschätzten Menschengruppe angehörten.
Vor Jahren hab ich mir mal in deutschen Textkorpora angeschaut, wie sich die Worthäufigkeit von Mohr und Neger mit der Zeit veränderte, das Ergebnis habe ich aber nicht mehr im Kopf.
 
Am 23. August 2025 wurde die Mohrenstraße in Berlin-Mitte in Anton-Wilhelm-Amo-Straße umbenannt. Grund für diese Namensänderung war es, den Begriff "Mohr" als Bestandteil eines Straßennamens zu ersetzen, da dieser Begriff allgemein als rassistisch konnotiert gilt. Ich möchte an dieser Stelle nicht erörtern, ob diese Einstufung zu recht besteht. Mir persönlich reicht es, daß weite Teile der Menschen in Deutschland mit subsaharaafrikanischem Hintergrund diesen Begriff als rassistisch empfinden.

Anton Wilhelm Amo gilt als erster afrodeutscher Akademiker, er gehörte dem Volk der Nzema im heutigen Ghana an, und kam 1707, noch als Kind, in Begleitung des Sergeanten Christian Bodel auf einem Schiff der Niederländisch-Westindischen Kompanie nach Amsterdam. Von dort kam er an den Hof des Herzogs von Braunschweig-Wolfenbüttel. Am 29. Juli 1708 wurde Amo in der Schlosskapelle Salzdahlum in Wolfenbüttel evangelisch getauft. Seine Taufpaten und Namensgeber waren Herzog Anton Ulrich und dessen Sohn August Wilhelm. Einige Forscher vermuten, dass Amo von 1717 bis 1721 die Ritterakademie Rudolph-Antoniana in Wolfenbüttel besuchte. Im Juni 1727 schrieb Amo sich an der hallischen Universität für Philosophie ein. Im November 1729 hielt er eine Disputation über das Thema De iure Maurorum in Europa. Am 2. September 1730 immatrikulierte er sich an der Philosophischen Fakultät der Universität Wittenberg und erhielt den akademischen Grad eines Magisters der Philosophie, was ihm erlaubte, Vorlesungen anzubieten.

Nach einer erfolgreichen akademischen Laufbahn als Dozent und Autor verließ Amo auf eigenen Wunsch Ende 1746 Deutschland und kehrte nach Ghana zurück, wo er im April 1747 eintraf. Dort lebten noch sein Vater und eine seiner Schwestern. Amo genoss in Afrika in der Folge offenbar Ansehen als Eremit und Wahrsager. Amo lebte zunächst als Einsiedler in Axim und später im Fort San Sebastian bei Shama. Sein genaues Todesjahr ist nicht bekannt, auf seinem Grabstein vor dem Fort Shama steht das Sterbejahr 1784.

Dies ist in der Tat eine interessante Laufbahn, und Amo erscheint deswegen auch als würdiger Namensgeber für eine Straße als Nachfolger der "Mohrenstraße". Hier jedoch beginnen die Schwierigkeiten. Bisher wurde angenommen, Amo sei als Sklave an den Hof nach Braunschweig-Wolfenbüttel gekommen. Dokumente aus dem Bestand der „Zweiten Westindischen Compagnie“ der Niederlande, die sich heute im Nationaal Archief in Den Haag befinden, und über die der Historiker und Sklavereiforscher Michael Zeuske in der "Berliner Zeitung" schreibt, legen jedoch nahe, daß Anton Wilhelm Amo gar kein Sklave war. Stattdessen gehörte er nach Zeuske „zur Elite einer politischen Gemeinschaft, die Sklaven hielt und Kriegsgefangene sowie Sklaven an die verbündeten Niederländer lieferte und verkaufte“. Wenn Zeuske mit seiner Analyse der vorhandenen Dokumente recht hat, war Amo kein Opfer, das durch den Sklavenhandel nach Deutschland kam, sondern Angehöriger der afrikanischen Elite, die selbst Sklaven hielt, und durch den Sklavenhandel, unter anderem mit den Niederlanden, reich geworden war.

Zeuske schreibt:

„Die Analyse der Dokumente erlaubt es uns festzuhalten, dass weder der junge Amo noch der Amo am Hof in Wolfenbüttel jemals Sklave gewesen ist. Der Vertrag von 1706 erlaubt es im Gegenteil, von Amo als Mitglied einer indigenen Sklavenjäger- und Sklavenhalter-Gemeinschaft zu sprechen“.

Dies ist insofern von Bedeutung, daß nach dem Berliner Straßengesetz die Benennung von Straßen nach Personen, Orten oder Ereignissen, die mit dem Kolonialismus oder der Sklaverei zusammenhängen, unzulässig ist. Wenn Amo also kein Sklave war, sondern im Gegenteil Angehöriger der afrikanischen Elite, die selbst Sklaven hielt, mit Sklaven Handel trieb, könnte die Umbenennung der "Mohrenstraße" in "Anton-Wilhelm-Amo-Straße" unrechtmäßig gewesen sein. Ich selbst bin gespannt, wie diese Causa weitergeht, vielleicht werden in Zukunft noch weitere Dokumente gefunden, die Aufschluß darüber geben, wer Anton Wilhelm Amo wirklich war. In diesem Beitrag ging es mir nur darum, darzustellen, wie der Stand der Dinge momentan ist (soweit mir dies zugänglich ist), ich selbst kann keinerlei Urteil in dieser Sache abgeben. Ich möchte weiterhin betonen, daß ich die Umbenennung von Straßen, deren Name eindeutig rassistisch konnotiert ist, richtig finde. Inwieweit Anton Wilhelm Amo der richtige Namenspatron für die ehemalige "Mohrenstraße" war, wird sich zeigen.

Eigentlich ist ja ein bisschen schade, dass dabei die Persönlichkeit Anton Wilhelm Amo so ein bisschen auf der Strecke bleibt. Amo selbst hat zumindest, soweit es sich klären lässt, sich nicht selbst an Sklavenhandel beteiligt, er hat dazu kein Kapital bereit gestellt, nicht die Sklaverei gefördert oder davon profitiert, und er hat den Titel eines Magister Artium erworben.

Für seine Vorfahren kann er ja nichts. Eine bekannte amerikanische Abolitionistin, Angelina Grimké stammte aus einer der reichsten Familien von South Carolina, wenn bei den Grimkés ein Familienmitglied den Salzstreuer brauchte, hat man ein Familienmitglied oder den Tischnachbarn, sondern einen Sklaven bemüht. Jedes Kind bekam zum 12. Geburtstag einen Sklaven. Angelina und ihre Schwester hat die Behandlung der Sklaven abgestoßen, sie wurde aus christlicher Überzeugung Abolitionistin, und sie hat dafür auf all ihre Privilegien verzichtet, wurde eine starke Abolitionistin, konnte sich in South Carolina nicht mehr blicken lassen. Anfangs sorgte sie sich noch mehr um das Seelenheil der Sklavenhalter, und sie konnte in der eigenen Familie beobachten, dass den meisten grenzenlose Macht über Sklaven nicht gut tat.

Der Familie Beckford gehörte halb Jamaika, samt einem Großteil der schwarzen Menschen, die auf Jamaika lebten und atmeten. Ein späterer Beckford, der als Jugendlicher Klavierstunden bei Mozart hatte, wurde ebenfalls später Abolitionist.

Der Verfasser des Chorals "Amazing Grace" war ein knallharter Sklavenhändler, die Erfahrung eines Sturms und einer Seenot führten dazu, dass er sein Geschäft aufgab, und Abolitionist wurde.

Die Abstammung aus einer Sklavenhalter oder Sklavenjäger-Dynastie allein-das diskreditiert Amo nicht.
Von den Gründungsvätern der USA stammten viele aus Sklavenhalter-Familien oder hielten wie Jefferson und Washington selbst Sklaven. Jefferson hatte Kinder mit einer Sklavin, Sally Hemmings und ihre Kinder waren die einzigen Sklaven, die er freiließ. Schon Jeffersons Schwiegervater hatte Beziehungen zu Sklavinnen unterhalten. Frederick Douglass, der bekannte Abolitionist war mit großer Wahrscheinlichkeit der leibliche Sohn seines Herrn Aaron Anthony. Der britische Premierminister Gladstone stammte aus einer schottischen Reeder-Familie, von denen einige im Sklavenhandel aktiv waren. Das diskreditiert aber William Gladstone nicht und auch nicht die Gründerväter der USA.

Denen war durchaus bewusst, dass die Unabhängigkeitserklärung und die Institution der Sklaverei ein großer Widerspruch war.
 
„Die Analyse der Dokumente erlaubt es uns festzuhalten, dass weder der junge Amo noch der Amo am Hof in Wolfenbüttel jemals Sklave gewesen ist. Der Vertrag von 1706 erlaubt es im Gegenteil, von Amo als Mitglied einer indigenen Sklavenjäger- und Sklavenhalter-Gemeinschaft zu sprechen“.

Dies ist insofern von Bedeutung, daß nach dem Berliner Straßengesetz die Benennung von Straßen nach Personen, Orten oder Ereignissen, die mit dem Kolonialismus oder der Sklaverei zusammenhängen, unzulässig ist. Wenn Amo also kein Sklave war, sondern im Gegenteil Angehöriger der afrikanischen Elite, die selbst Sklaven hielt, mit Sklaven Handel trieb, könnte die Umbenennung der "Mohrenstraße" in "Anton-Wilhelm-Amo-Straße" unrechtmäßig gewesen sein.
Das kann man tatsächlich in Medien lesen, meiner Meinung nach, wie Scorpio ja erläutert hat, eine abwegige Sicht der Dinge, und, möchte ich sagen, eine bösartige. Diesmal von "rechts".
 
@Clemens64

Ob die Umbenennung der "Mohrenstraße" in "Anton-Wilhelm-Amo-Straße" unrechtmäßig gewesen ist, ist tatsächlich keineswegs sicher. Ich finde es allerdings übertrieben, derartige Überlegungen als "abwegig", "bösartig" oder "rechts" zu bezeichnen. An Namensgeber einer Straße sind tatsächlich, und zu recht, einige Anforderungen zu stellen. Wenn Anton Wilhelm Amos aber persönlich keine Sklaven besessen hat, und nicht am Sklavenhandel beteiligt war, sehe ich keinen Grund, warum er nicht weiterhin Namenspatron der ehemaligen "Mohrenstraße" sein sollte. Und bislang gibt es keine Hinweise darauf, daß er am Sklavenhandel beteiligt war, oder persönlich Sklaven besessen hätte, mir sind jedenfalls keine solchen Hinweise bekannt.
 
@Scorpio

Ja, ich finde auch, daß Anton Wilhelm Amo eine sehr interessante Persönlichkeit war. Er hat sicherlich einen interessanten Lebensweg, und als Akademiker auch einige Verdienste errungen. Wie bedeutend er letztendlich war, kann ich allerdings nicht beurteilen.
 
@Clemens64

Ob die Umbenennung der "Mohrenstraße" in "Anton-Wilhelm-Amo-Straße" unrechtmäßig gewesen ist, ist tatsächlich keineswegs sicher. Ich finde es allerdings übertrieben, derartige Überlegungen als "abwegig", "bösartig" oder "rechts" zu bezeichnen. An Namensgeber einer Straße sind tatsächlich, und zu recht, einige Anforderungen zu stellen. Wenn Anton Wilhelm Amos aber persönlich keine Sklaven besessen hat, und nicht am Sklavenhandel beteiligt war, sehe ich keinen Grund, warum er nicht weiterhin Namenspatron der ehemaligen "Mohrenstraße" sein sollte. Und bislang gibt es keine Hinweise darauf, daß er am Sklavenhandel beteiligt war, oder persönlich Sklaven besessen hätte, mir sind jedenfalls keine solchen Hinweise bekannt.
Nicht nur Dir, niemandem! Wer so tut, als wäre das anders, verdreht die Tatsachen. Man will halt die Umbenennung diskreditieren.
(Übrigens, nur nebenbei: Meiner unmaßgeblichen Meinung nach ist die Umbenennung der Mohrenstraße ein Quatsch, dass man dann auf Amo gekommen ist, ist aber wieder gut.)
 
@Clemens64

Ich denke auch, daß es bei dieser Namensgebung bleiben wird, und halte persönlich Anton Wilhelm Amo auch für einen geeigneten Namenspatron. Allerdings hielt ich es für vorschnell Amo als Sklaven und Opfer des Sklavenhandels zu bezeichnen, denn es gab schon vor dem Auffinden der neuen Dokumente durch den Historiker Michael Zeuske starke Hinweise darauf, daß dem nicht so war. Darauf hinzuweisen war auch der Grund für meinen ursprünglichen Beitrag.
 
Da bin ich nicht so gut informiert: Wurde denn bei der Debatte über die Straßenumbenennung behauptet, er sei Sklave gewesen? Bis vor kurzem hat man es, wie du ja auch schreibst, halt nicht richtig gewusst.
 
@Clemens64

Doch, darum drehte sich zum Teil diese Debatte, die ja schon seit Jahren läuft. In diesem Artikel bei welt.de bezieht sich Michael Zeuske auch auf diesen Aspekt:


Michael Zeuske ist auch nicht Irgendwer, sondern der deutsche Experte für globale und atlantische Sklaverei, Senior-Professor des Center for Dependency und Slavery Studies der Universität Bonn, ein anerkannter Forscher und Autor einer Vielzahl von Werken zu diesem Themenkomplex.
 
Ok, aber in den "FAQ zur Umbenennung der 'Mohrenstraße'" des Instituts für Europäische Ethnologie (der Humboldt-Uni) steht nicht, dass die Befürworter der Umbenennung behauptet hätten, Amo sei Sklave gewesen.
 
zum Begriff "Mohr"

ein Satz aus dem Interview:
Aber es hat keine Relevanz, wie es gemeint war oder wie Historiker das einordnen, sondern wie sich die betroffene Menschengruppe dabei fühlt.

Ich finde, dass es sehr wohl Relevanz hat, wie Historiker das einordnen, weil seriöse Historiker sich zumindest an wissenschaftliche Definitionen von Rassismus halten, sich auf einem Gebiet bewegen, wo Worte und Definitionen noch eine Bedeutung haben.

Betroffene Menschengruppen sind ja kein monolithischer Block mit identischen Gefühlen und Empfindungen und einer Einheitsmeinung, und es macht sich ja auch keiner wirklich die Mühe, diese alle zu befragen.

Wenn man sich völlig auf Gefühle und Empfindungen verlässt, dann verlässt man das Gebiet empirischer Forschung und begibt sich auf das Terrain des Aktionismus. Da hat man eben auch das Dilemma, dass sich immer auch Leute finden werden, die die Opferrolle einnehmen, die beleidigt, gekränkt, diskriminiert sein wollen und stellvertretend für eine ganze Gruppe von Menschen sprechen wollen.
 
In diesem Artikel bei welt.de bezieht sich Michael Zeuske auch auf diesen Aspekt:
Dies ist die englische Übersetzung aus dem Niederländischen eines der beiden Dokumente, auf die sich Zeuske bezieht:
The Request of Anton Wilhelm Amo, born in Axim, lying on the coast of Africa, was read, stating that he, the supplicant, was brought to this country in the year 1707 by a certain Bodel, who at that time was a ser-geant in the service of the Company on that coast; that he was taken by the same Bodel to Braunschweig, where the latter met his death; that he, the supplicant, thereafter came into the service of the Duke of Braunschweig, upon whose death he, the supplicant, was advised to return to Guinea but could find no opportunity to do so, and therefore petitions to be allowed to make the transit thereto in the first Company ship that departs or now stands ready. After deliberating on which, it has been found good to grant the suppliant to be allowed to make the transit to Guinea, as a passenger free of transport fees, in the Company ship that stands ready, the galley Catharina.
aus: Anton Wilhelm Amo's Philosophical Dissertations on Mind and Body, Justin E. H. Smith, Stephen Menn, 2020

Auf Deutsch:
Das Gesuch von Anton Wilhelm Amo, geboren in Axim an der afrikanischen Küste, wurde gelesen. Darin heißt es, dass er, der Bittsteller, im Jahr 1707 von einem gewissen Bodel, der zu dieser Zeit Sergeant im Dienst der Kompanie an dieser Küste war, in dieses Land gebracht wurde; dass er von eben diesem Bodel nach Braunschweig gebracht wurde, wo letzterer starb; dass er, der Bittsteller, danach in den Dienst des Herzogs von Braunschweig trat, nach dessen Tod ihm, dem Bittsteller, geraten wurde, nach Guinea zurückzukehren, er aber keine Gelegenheit dazu fand und daher darum bat, die Überfahrt dorthin mit dem ersten Schiff der Kompanie antreten zu dürfen, das abfährt oder bereitsteht. Nach reiflicher Überlegung wurde es für gut befunden, dem Bittsteller die Überfahrt nach Guinea als Passagier ohne Beförderungsgebühren mit dem bereitstehenden Schiff der Kompanie, der Catharina, zu gestatten.

Aus dem Artikel der Welt:
„Welcher Sklave oder ehemalige Sklave, späterer Philosophie-Professor hin oder her, konnte darum bitten, ohne etwas zu bezahlen von Europa nach Westafrika per Schiff transportiert zu werden? Richtig: keiner – völlig unmöglich“, schreibt Zeuske. Er argumentiert, dass die WIC gewusst haben muss, dass Amo auch in Afrika zur Elite gehörte. Dementsprechend privilegiert sei er behandelt worden.

Ist es völlig ausgeschlossen, dass sich die WIC anderweitig verpflichtet sah, den inzwischen studierten und Niederländisch sprechenden Amo ohne Bezahlung in sein Heimatland zu transportieren? Schlechtes Gewissen? Vermeidung von schlechter Presse?
 
Ich kenne mich (auch) da nicht aus: Gab es in den Niederlanden selbst, oder auf dem Gebiet des Reichs, um 1700 überhaupt den rechtlichen Status eines Sklaven?
Kann ich mir irgendwie nicht vorstellen.
 
Ist es völlig ausgeschlossen, dass sich die WIC anderweitig verpflichtet sah, den inzwischen studierten und Niederländisch sprechenden Amo ohne Bezahlung in sein Heimatland zu transportieren? Schlechtes Gewissen? Vermeidung von schlechter Presse?
Ist denn ausgeschlossen, dass es eine andere Art von Gegenleistung gab?

Möglicherweise würde sich Amo ja geeignet haben um in Westafrika selbst, irgendwelche Aufgaben für die Niederländer im Kontakt mit den Afrikanischen Akteuren zu übernehmen?

Ich kenne mich (auch) da nicht aus: Gab es in den Niederlanden selbst, oder auf dem Gebiet des Reichs, um 1700 überhaupt den rechtlichen Status eines Sklaven?
Sklaverei war sicherlich nicht unbedingt üblich, aber warum hätte ein solcher rechtlicher Status nicht existieren sollen?

Die Vorstellung, das persönliche Freiheit ein allgemeines menschliches Recht sei, war da noch 100-50 Jahre in der Zukunft.
 
Sklaverei war sicherlich nicht unbedingt üblich, aber warum hätte ein solcher rechtlicher Status nicht existieren sollen?
Obwohl Jacobus Capitein (1717-1747) meinte, dass es in den Niederlanden keine Sklaverei gäbe und er sich als ehemaliger Sklave wie ein freier Mann betrachtete, wird in einem Gesetz von 1776, dem "Plakaat concerneerde de vryheid der Slaaven" die Freiheit von Sklaven aus den Kolonien als "nicht in allen Hinsichten zutreffend" erklärt.

Bisher ging man in der Forschung davon aus, dass es nach dem Prinzip der free-soil keine Sklaverei in den Niederlanden gegeben habe, das werde jedoch, u.a. wegen dieses Plakaats zunehmend in Frage gestellt.
Geschichte der Sklaverei in der Niederländischen Republik, Julia Holzmann, 2022
 
Ist denn ausgeschlossen, dass es eine andere Art von Gegenleistung gab?
Nein, natürlich nicht. Ich frage mich bloß, wie mit solcher Absolutheit betitelt werden kann: "Sklave ist falsch".
Selbst wenn man davon ausgeht, dass er aus einer Familie von Sklavenhändlern stammte und in die Niederlande geschickt wurde, ist sein weiterer Weg nach Braunschweig nicht klar. War das in Absprache mit seiner Familie?
Er wäre nicht der einzige Sohn eines Sklavenhändlers, der unterwegs zu seiner Ausbildung verkauft wurde.
 
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