Soweit ich persönlich das damals mit bekommen habe, sympathisierte die DDR-Führung mit der RAF bzw. explizit mit Ulrike Meinhof, vor allem weil sie für die Probleme der Palästinenser stimmte, ergo (so DDR-Führungsphilosophie) gegen Israel war.
Ob die „DDR-Führung“ mit der Meinhof „sympathisierte“ ist fraglich und würde zudem die Fragen aufwerfen, wer damit im Politbüro eigentlich gemeint sein könnte. Dass Milke den Aussteigern in der DDR „politisches Asyl“ gewährte, ist dann vermutlich nur vor dem Hintergrund des „Kalten Krieges“ und der „Spielchen“ der Geheimdienste realpolitisch zu erklären (vgl. Sontheimer-Link). Zudem wäre die Frage nach rivalisierenden Zielhierarchien zu beantworten, vor die die DDR-Führung in den achtziger Jahren massiv stand und das RAF-Thema leicht als bedeutungslos für die DDR zu erkennen ist.
RAF-Mitglieder in der DDR: Untergetaucht im sozialistischen Exil - SPIEGEL ONLINE
Unabhängig davon birgt die Unterstützung von „Widerstandsbewegungen“ für Diktaturen das Problem, dass die Frage des „Widerstandsrechts“ schnell als philosophisches Problem in der Wirkung eines Bumerangs sich der DDR "aufdrängt" hätte. Insofern war es für die politische Linie der DDR wichtig, Befreiungsbewegungen als anti-koloniale Bewegung zu interpretieren und sie somit in einen determininierten historischen Kontext der "Dritten Welt" zu stellen.
In diesem Kontext mutet es bemerkenswert an, dass Reese-Schäfer die Thesen von Habermas: „Die Scheinrevolution und ihre Kinder“ zitiert und auf die Auswirkungen der Diskussion in der BRD und auf die Auswirkungen für die Wende in der DDR hinweist.[6, S. 120] Die Konsequenz aus der Militanz der RAF war die bewußte politische Aktion, die – weitgehend – auf Gewaltfreiheit zunächst im Rahmen der politischen Partizipation in der BRD (im Westen allgemein) setzte. Und dieser Aspekt wurde auch in den Formen des Widerstands durch die „Montagsdemonstrationen“-Bewegung in der DDR erfolgreich aufgegriffen.
Die RAF – inklusive der gewaltbereiteren Teile der APO - hatte vor allem eines für die sich formierenden Neuen Sozialen Bewegungen deutlich gemacht, dass „sie ihre eigene Machtposition bis an die Grenze lächerlicher Potenzphantasien“ überschätzt hatte. [2, S. 158] Und die Herausforderung der Staatsmacht nur durch symbolische Formen des Widerstands erfolgreich sein kann.
…. dass ihrer Meinung nach die BRD früher oder später sowieso kommunistisch werde, eine Rückzahlung sich also dadurch erübrigen würde.
Mit dieser Sichtweise ist Dir offensichtlich die Zeitachse ein wenig durcheinander gekommen. Für die achtziger Jahren dürfte eine derartige Sicht eher als Realsatire gelten.
Zutreffend ist, dass Ulbricht noch 1969 von der Vorstellung ausging, dass die DDR zwischen 1977 und 1980 wirtschaftlich zur BRD aufschließen hätte können, so eine Aussage zu Schürer (Leiter der staatlichen Planungskommision). [3, Pos. 1513] Allerdings und das steht nur im „Kleingedruckten“, dass dieses Ziel nur durch ein extrem hohes Reinvestment von ca. 22 bis 30 Prozent des BSP zu erreichen gewesen wäre. Die Folge wären ein noch massiverer Konsumverzicht der Bürger der DDR gewesen, da dieses Ziel sonst nicht zu finanzieren gewesen wäre.
Für die Zeit in den achtziger Jahren stimmt diese Aussage absolut nicht mehr und die Realpolitik von Honecker und Mittag orientierte sich vor allem an den massiv zunehmenden wirtschaftlichen Problemen. Die daraus entstehenden zentralen Eckpunkte der Politik von Honecker waren zum einen der Versuch einer höheren Eigenständigkeit der Außen- und Wirtschaftpolitik gegenüber Moskau. Und zum anderen die Annäherung an den Westen bzw. an die BRD [4, S. 258-301].
In den achtzigern hatte sich diese Situation dramatisch verschlechtert und die DDR war nicht mehr in der Lage aus ihrem eigenen erwirtschafteten BSP weitere Steigerungen der Produktivität zu generieren, so Adomeit. [1, 168] Und aus dieser Situation heraus resultierte die zunehmende Abhängigkeit von Krediten aus dem Westen. Diese wurden massiv bereits im Oktober 1979 im Rahmen einer Sitzung des kompletten SED-Politbüros in Ost-Berlin von Brezhnev kritisiert, der Honecker vorwarf, die DDR in den Bankrott zu führen. [1, S. 169]
Hinter dem Rücken von Moskau waren es Honecker, Mittag und Schalck, die einen deutlichen wirtschaftlichen Annäherungskurs an den Westen führen, so die Aussage von F-J. Strauß (Erinnerungen, S. 524]
Die Begründung durch Honecker und Co. hätte somit eher sein müssen, dass man nicht gedacht hätte, die Schulden zurück zu zahlen, da man ohnehin über kurz oder lang eine wirtschaftliche Vereinigung unter kapitalistischem Vorzeichen durchführen würde.
1.Adomeit, Hannes (1998): Imperial overstretch: Germany in Soviet policy from Stalin to Gorbachev. An analysis based on new archival evidence, memoirs, and interviews. 1. Aufl. Baden-Baden: Nomos
2.Habermas, Jürgen (1968): Die Scheinrevolution und ihre Kinder. Sechs Thesen über Taktik, Ziele und Situationsanalysen der oppositionellen Jugend. In: Horst Baier (Hg.): Studenten in Opposition. Beiträge zur Soziologie der deutschen Hochschule. Güterloh: Bertelsmann Universitätsverlag, S. 151–160.
3.Kopstein, Jeffrey (2009): The Politics of Economic Decline in East Germany, 1945-1989. Chapel Hill: The University of North Carolina Press.
4.Malycha, Andreas; Winters, Peter Jochen (2009): Die SED. Geschichte einer deutschen Partei. München: Beck
6. Reese-Schäfer, Walter (2001): Jürgen Habermas. 3., vollständig überarb. Aufl. Frankfurt a.M.: Campus (Campus Einführungen).