Alexander der Große = Homosexuell
Meiner Ansicht nach ist der Versuch, Alexanders sexuelle Neigung eindeutig zu bestimmen, ausschließlich in Wertvorstellungen begründet, die es zu der Zeit Alexanders im hellenistischen Einflussbereich nicht gab.
Religiöse Intoleranzen, vergleichbar mit denen des Christentums, des Islams, oder des jüdischen Monotheismus, waren bei den griechischen Völkern meines Wissens nach nicht bekannt.
Der griechische Götterglaube kannte zudem nicht viele allgemein gültige Verbote oder Gebote, so wie sie der Gott des Alten Testamentes bereits Adam und Eva auferlegt haben soll (Stichwort: "Apfel").
Man begriff sich zu dieser Zeit dadurch als "religiöse Kultur-Gemeinschaft", dass man zu den gleichen Göttern betete, die gleichen Orakel besuchte, während man sich in "Mikro-Zellen", den Städten (Polis) und Stadtstaaten organisierte, und voneinander höchstens durch Schutzbündnisse oder Handelsabkommen abhängig war.
Eine auch nur in Ansätzen homogene griechische Föderation gab es bis zur Zeit Philipps des II. nicht (Hellenischer Bund).
Der Unterschied des griechischen Polytheismus zum jüdischen, christlichen, und islamischen Monotheismus sollte meiner Meinung nach darin zu suchen sein, dass die griechischen Götter eindeutige "Funktionen" hatten, aufgrund derer man sie gezielt anrief - während die drei letztgenannten "monotheistischen" Religionen einen Gott verkünden, der den Menschen sagt, was zu tun ist.
Was letztendlich "wider die Natur" oder verboten ist, ist in der jüdischen, christlichen und islamischen Glaubensanschauung sicherlich jeweils auch in bestimmten Zwecken begründet zu sehen.
Während im Buch Moses der Prophet bereits seinen Anhängern während des Zuges durch die Wüste verbot, dass Männern Männern und Menschen Tieren "beiwohnen" sollten (These: Weil ansonsten aufgrund sinkender Geburtenzahlen tatsächlich während einer 40 Jahre währenden "Wanderung" die Anzahl seiner gläubigen Anhängerschaft gefährdet gewesen wäre), ist der Kontext in allen drei großen monotheistischen Religionen darin zu sehen, dass jeweils "Gott der einzige Gott" ist (Fakt).
Jede andere Verkündigung von etwas, dass dieser Gott (und damit gleichzeitig derjenige, der für ihn jeweils gerade verkündet) nicht wollte, war zu unterlassen.
So heißt es in den 10 Geboten (die durch Moses empfangen wurden): "Ich bin der Herr, Dein Gott. Du darfst keine anderen Götter neben mir haben", und im Islamischen Glaubensbekenntnis "Allah ist mein Gott, und Mohammed ist mein Prophet".
Letztendlich nimmt als gemeinsamer Nenner der Glaube Einfluss auf die Lebensführung jedes Individuums einer Glaubensgemeinschaft.
Es ist außerdem meiner Ansicht nach unwahrscheinlich, dass die jeweiligen Religionsstifter keine Ahnung von anderen Religionen zu und vor ihrer Zeit hatten.
Abraham lebte in einer Gegend und zu einer Zeit, in der Polytheismus verbreitet war, Moses selber hatte die Erziehung eines ägyptischen Prinzen erfahren, und Mohammed kannte den polytheistischen Glauben, der vor dem Islam in Mekka praktiziert wurde. Jesus erkannte den Zusammenhang zwischen Macht und Religion der judäischen Könige und Hohepriester, und widersprach "den Alten" mit der Botschaft eines gütigen Gottes.
Wie wollte man sich am besten von dem abgrenzen, was man kannte, als wenn nicht dadurch, dass man ein bestimmtes, bekanntes Welt- und Götterbild total reformiert?
Unabhängig von jeder Intention und religiösen Erfahrung, die zu einem Leitbild jeder monotheistischen Religion wurde, sind Regeln und Vorschriften jedoch stets fester Bestandteil dieser Religion.
Die Abgrenzung der Anhänger einer durch klare Regeln eingegrenzten Religion zu allen anderen Religionen schafft nun zusätzlich ein Gefühl der moralischen Zusammengehörigkeit, eine besondere eigene Kultur, für die "ein Gott" - und dessen ausdrückliche Regeln - zuständig ist. Man vertraute auf Regeln, die aus "einer Hand empfangen wurden". Um als Bestandteil dieser besonderen Zusammengehörigkeit zu gelten, prägten sich - nicht zuletzt auch aus der Furcht vor Verfolgungen aus den eigenen Reihen - die Leitbilder, Verbote und Gebote der Religionen tief in die Gesellschaft und somit das Individuum ein.
Man glaubte - oder man wurde hart durch die überwachenden Instanzen gestraft, was dann jeweils dem "Gottesurteil" , der "Heiligen Inquisition" "Hexenverbrennung" oder "Schari'a" zugeschrieben wurde.
Anders hingegen scheint es - objektiv und ohne die moralischen und religiösen Wertvorstellungen heutiger Religionen anzuwenden - bei dem mythologischen Polytheismus der Griechen zu sein.
Homer erzählt in Ilias und Odysee, dass die griechischen Götter beobachteten, und eingriffen, wann, wo und wie sie es wollten. Mehrfach wird berichtet, dass Hera oder Zeus oder ein beliebiger Gott eifersüchtig waren, wenn man sie nicht verehrte. Die Götter verhielten sich im Grunde wie Menschen, hatten einen eigenen Willen, und reagierten situationsbezogen, weil sie es konnten - sie waren spürbare Götter mit Stärken und Schwächen, die in der Vorstellungskraft eines jeden existieren konnten, und deren Prädikate man sich zu eigen machen konnte.
Die Götter der alten Griechen verhielten sich wie Menschen, die jedoch jeweils über besondere Zuständigkeiten, Fähigkeiten und Eigenschaften verfügten. Dies machte es den Menschen jedoch wahrscheinlich einfacher, an sie zu glauben, denn sie mussten nicht an eine abstrakte Existenz einer einzigen nicht sichtbaren Macht glauben, die sich durch die Natur oder durch Worte eines Propheten manifestiert.
Götter und ihre Handlungen machten die Natur erst verständlich, indem man die natürlichen Ereignisse mit Geschichten über die Handlungen von Göttern erklärte, und weitergab.
Orakel gaben den Willen der Götter bekannt. Diese Götter begleiteten die "alten Griechen" somit während des gesamten Tagesablaufs, denn bei der Vielzahl der göttlichen "Funktionen" war bestimmt zu jeder Zeit für jeden Menschen etwas dabei, um das er sich kurz bei einem dafür zuständigen Gott bedanken, oder für das er bitten konnte - ohne dabei den Willen eines jeden von Ihnen berücksichtigen zu müssen, oder befürchten zu müssen, in die "Zuständigkeit" eines konkurierenden Gottes zu geraten.
Es war auch wahrscheinlich einfacher, an mehrere konkurrierende Götter zu glauben als an einen einzigen, allmächtigen, der mit einer Geste alles gab - jedoch auch alles wieder nehmen konnte.
Wertvorstellungen in Hinsicht auf eine eindeutige sexuelle Orientierung des Mannes hingegen gehörten augenscheinlich nicht zu Vorschriften, die die griechischen Götter (oder vielmehr deren Priesterschaft) ihren Gläubigen machten.
Eine moralische oder religiöse Prägung, wie sie gläubige Juden, Christen oder Moslems erfahren, war niemals Gegenstand der hellenistischen Gesellschaft im Altertum.
Ich vermute daher, dass diese Gesellschaft so viele der - heutzutage als "modern" verstandenen - Ideen wie "Demokratie", "Medizin", "Mathematik" etc. entwickeln konnten, weil diese Gesellschaft kein Dogma oder abstrakt erscheinende Doktrinen kannte. Die daraus resultierenden Entwicklungen in allen Bereichen kennzeichnen die griechisch-hellenistische Kultur in einer besonderen Weise.
Beipiel 1: Da die Thora und die daraus abgeleitete Rechtssprechung (z. B. der Talmud) die Unversehrtheit und Vollkommenheit des menschlichen Körpers auch nach dem Tot forderte, konnte sich in einer streng gläubigen jüdischen Gesellschaft niemals eine anatomische Wissenschaft mit Kenntnis der Heilung von Krankheiten innerer Organe etablieren.
Andererseits beurteilten die Rabbiner ein kosheres Schlachttier auch anhand der Vollständigkeit und Unversehrtheit seiner inneren Organe, so dass ein hohes Maß an Lebensmittelhygiene gewährleistet war. Die Spezialisierung durch Vorschriften der Religion nahm einen anderen Weg.
Beispiel 2: Da der Koran und die daraus abgeleitete Rechtsprechung die Darstellung Gottes und seines Ebenbilds, des Menschen, letztendlich verbot, (Verbot von Götzen und Idolen), entwickelte sich die Kunst und Architektur in die Richtung der Perfektionierung calligraphisch-ornamentaler Formen.
Eine gegenständliche Bildhauerei, wie die der Römer oder frühen Griechen, konnte hieraus jedoch nicht entstehen.
Die frühen Griechen orientierten sich wahrscheinlich anstatt auf abstrakt erscheinende Ge- und Verbote auch im Götterglauben an alltäglichen Vorgängen und Notwendigkeiten.
Zum Thema "Homosexualität" passend: Um Nachwuchs zu haben, brauchte es in der vaterrechtlichen Erblinie Frauen, denen die Aufgabe des Gebärens zufiel.
Auf der anderen Seite brauchte es bei den später durch die Mykener eroberten matrilinearen Frauengesellschaften Männer zum Zeugen von Kindern.
Langer Vorrede - kurzer Sinn:
Homosexualität war durch den gänzlich fehlenden religiösen Fokus nichts besonderes im griechischen Kulturkreis - diese Form der Sexualität wurde nicht verurteilt, jedoch auch nicht ausdrücklich gefordert.
Homosexualität war meiner Ansicht nach ebenso latent in dieser Gesellschaft vorhanden, wie in jeder anderen Gesellschaft auch. Nur dadurch, dass man nichts verbotenes oder geächtetes tat, war Homosexualität nichts, dass verheimlich werden musste.
Und Homosexualität hatte eine lange Tradition, auf die sich auch Alexander der Große berufen konnte. Sein Leitbild und Stammvater des Hauses der Argeaden (gleichzeitig Urvater des Stammes der Molosser, dem Alexanders Mutter Olympias angehörte), Achilleus, unterhielt rund 900 Jahre vor Alexanders Geburt eine überlieferte Beziehung zu seinem Neffen Patroklos, die in Homers Ilias rund 400 Jahre vor Alexanders Geburt so ausführlich beschrieben wurde, das man darin romantische Details verstehen konnte.
Alexanders Vater, Philipp II, wurde vor der Thronübernahme Alexanders durch seinen eigenen Leibwächter und Ex-Geliebten Pausanias ermordet, weil dieser (nach Diodor) entweder zutiefst gekränkt oder eifersüchtig auf Philipps neue Frau Kleopatra war.
Der Ritus des Dionysius-Kults, dem Olympias anhing, verlangte ein hemmungsloses "Bachanal" während der Dionysien (Oktober). Enthemmt zu sein, bedeutete meiner Meinung nach bestimmt nicht, trotz fehlender Verbote vor einem bestimmten Geschlecht halt zu machen, wenn man alkoholisiert einmal in Fahrt gekommen war.
In Zuge dieses zeitgenössischen anerkannten Kults eine offene und austauschbare Sexualität erleben zu können, erscheint mir wesentlich wahrscheinlicher, als einen gesellschaftlichen Zwang daraus herzuleiten, Homosexualität zu vermeiden oder zu verstecken.
Auch es ist sehr wahrscheinlich, dass ein Umstand, der von einem anerkannten Heros (Achilleus) überliefert, und von einem akzeptierten Basileus wie Philipp II. praktiziert wurde, nicht auf eine zeitgenössische allgemeine Verachtung gestoßen wäre.
Als König musste man besondere Prädikate und Fähigkeiten haben, die es einem ermöglichten, nicht einem heimtückischen Königsmord anheim zu fallen - konnte der Vater Alexanders die ansonsten eigenverantwortlich lebenden Polis und Oligarchien von einem Bündnis "überzeugen". So mag der Umstand, dass ihm offen Männerliebe angedichtet wurde, auch nicht weiter schädlich gewesen sein.
Um seine Dynastie zu erhalten, heiratete Philipp sieben Frauen, und zeugte fünf "überlieferte" Kinder. Machtpolitisch wäre eine reine Homosexualität nicht zu rechtfertigen gewesen - da jedoch die Erfordernisse der Nachkommenschaft erfüllt waren, war die sonstige sexuelle Vorgehensweise sicherlich völlig egal, und auch, ob nun überwiegend Konkubinen, Lustknaben oder Eunuchen für das private Vergnüge des Tyrannen sorgten.
Die Leitbilder, mit denen Alexander aufwuchs, prägten somit eine bestimmte Weltanschauung definitiv nicht: Das Homosexualität etwas wäre, das man geheim halten musste, wenn man sich in irgendeiner Form bereits profiliert hatte.
Das Homosexualität eine Vorliebe war, die Privatsache jedes einzelnen war, geht für mich auch aus dem Stil der damaligen Geschichtsschreibung hervor:
Sie wird erwähnt, vielleicht in unseriöseren Werken romantisch verklärt, es wird eine besondere Opferbereitschaft homosexueller Paare füreinander dargestellt (Soldaten der "Heiligen Schar" zu Theben), man handelt aus Liebe, tiefem Vertrauen, Eifersucht - nur der Geschlechtsakt, wie oft man es wie mit jemandem trieb, bleibt stets unerwähnt.
Vergleicht man diese Form der Berichterstattung mit unserer heutigen, erkennt man deutlich eines:
Während ein George Michael keine Öffentliche Toilette mehr betreten darf, ohne dass ein Gespann von Paparazzi ihn verfolgen dürfte (um ein Foto homosexueller Handlungen zu schießen) so schien den Griechen (und später den berichtenden römischen Historikern) ein besonderes Verhältnis eines Mannes zu einem anderen Mann zwar erwähnenswert, jedoch nur in einer beiläufigen, neutralen Form - höchstens jedoch als Nebenhandlung.
Während das antike römische Burlesken-Theater sexuelle Handlungen deutlich übertrieben und bewusst zur allgemeinen Belustigung dargestellt hatte, diente eine schriftliche Erwähnung Alexanders besonderer Beziehung zu Männern nicht primär dazu, sich über ihn zu belustigen oder ihn deshalb zu verurteilen.
Es könnte vielmehr beabsichtigt gewesen sein, alle Facetten der historischen Person zu erfassen, um etwa potentielle Gründe für seine Vorgehensweise oder sein eigentliches Wesen darzustellen.
Es gab jedoch nur wenige Erwähnungen in "seriösen" Quellen (Arrian etwa, der sich auf zeitgenössische Quellen wie Aristobulos von Kassandreia oder Ptolemaios bezieht), die einen Schluss auf homosexuelle Handlungen Alexanders zuließen. Um die wichtigsten Ereignisse zu nennen:
Er nannte Hephaistion seinen engsten Freund und Vertrauten, und als dieser starb, wurde Alexander vor Trauer wahnsinnig.
Er küsste den persischen Eunuchen Bagoas während einer Versammlung seiner Heeresführer nach einem Trinkgelage auf den Mund, als diese ihm zuriefen, er solle Bagoas küssen.
Alexander küsste nach der Massenhochzeit von Susa Hephaistion auf den Mund, da er diesen durch die Heirat mit einer Verwandten einer persischen Frau Alexanders in den Rang eines Verwandten erhob.
Für mich steht fest: Selbst wenn Alexander der Große schwule Beziehungen hatte, so werden wesentlich differenziertere Fakten über seine Herrschaft überliefert, als Fakten zu seiner angeblichen Homosexualität.
Selbst wenn er Männer Frauen vorzog: Es schien bereits seine Zeitgenossen nicht sonderlich gestört zu haben, und es scheint heutzutage auch nur diejenigen zu stören, dessen Weltbild und / oder religiöse Anschauung die Homosexualität an sich verurteilen.
Das, was Alexander leistete, um einer geschichtlichen Würdigung gerecht zu werden, leistete er zu seinen Lebzeiten. Damals hatten heutzutage nicht mehr allgemein anwendbare Wertvorstellungen jedoch eine allgemeine Geltung. Eine mögliche Homosexualität Alexanders kann daher heute nicht besser oder schlechter bewertet werden, als damals - anderenfalls verliert man den "neutralen Standpunkt". :winke: