jschmidt
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Ursi hat diesen Thread geöffnet - vielen Dank! :winke:
Mod an: Hab ein eigenes Thema daraus gemacht. Schema zur Quellenkritik findet man hier:
http://www.geschichtsforum.de/f82/schema-zur-quellenkritik-34009/
Mod aus
Ich würde nämlich gern einige Fragen, die in der etwas ungebärdigen Diskusssion in http://www.geschichtsforum.de/f30/historizit-t-jesu-von-nazareth-16041/ bisher stehen geblieben sind, angehen bzw. ins Allgemeine zerren. Beispiele:
Mit solchen und anderen sinnvollen Fragen [1] haben es ja nicht nur Historiker, sondern auch Philologen und anderes Gezücht zu tun.
Die dankenswerterweise verlinkte historicum.net: Einführung gibt zum Stichwort sehr wichtige Hinweise, besonders dort wo es um "innere Quellenkritik" geht, und hier wieder ist die Frage nach Tendenz bzw. Intention bzw. Interesse von großer Bedeutung.
Zum Problem der Quantifizierung: So wie vier Augen mehr sehen als zwei, könnte man sagen, dass zwei Zeugen (Quellen, Belege) zu ein und demselben Sachverhalt stärkeres Gewicht haben als einer. Zu dieser trivialen These lassen sich genau so triviale Bedingungen formulieren, z.B.: (a) Die Sehkraft/Wahrnehmungsfähigkeit beider muss annähernd gleichstark sein, und (b) beide Zeugen müssen - um sinnvoll "addiert" werden zu können - voneinander unabhängig sein [2].
zu a) Einem Zeugen, der seine Glaubwürdigkeit bei anderen Gelegenheiten unter Beweis gestellt hat, wird man jedoch eher glauben als zwei anderen, denen schon mal vermeidbare Fehler oder gar Falschaussagen nachgewiesen wurden.
zu b) Es nützt nichts, wenn ein Zeuge A von einem Zeugen B zitiert wird [3] - das ist halt nur "Hörensagen".
Es leuchtet ein, und so habe ich tela verstanden, dass es keinen (quantitativen) Algorithmus geben kann, der zur Beantwortung der Frage, wann etwas als bezeugt im Sinne von gesichert gilt, anwendbar wäre - es ist stets eine Einzelfallprüfung notwendig. [4]
Ein anderes potentielles Problem: "zeitliche und örtliche Nähe zum Geschehen". Liegt A, der ganz nah dabei dabei und anschließend eine "Reportage" schreibt, prinzipiell richtiger als der entferntere B? Oder besteht bei A eine höhere Wahrscheinlichkeit, persönlich involviert zu sein? Ist es nützlich, mehr Zeit zur Verfügung zu haben, über Tatsachenbehauptungen reflektieren zu können?
Ein Haken an der Sache ist sicherlich gerade bei geisteswissenschaftlichen Sachverhalten, die sich der experimentellen Reproduzierbarkeit entziehen, der erreichbare Grad von "Sicherheit". Für Freizeitzwecke - wozu ich dieses Forum rechnen muss - bin ich in der Regel zu Zugeständnissen bereit, wenn mehr nach Lage der Dinge nicht erreichbar ist [5]; den Vorwurf der Beliebigkeit [6] nehme ich insoweit in Kauf. Anders ausgedrückt: Ich halte die Darstellung eines Sachverhalts so lange für plausibel (und bin bereit, auf seiner Grundlage weiter zu diskutieren), bis diese Darstellung ganz oder teilweise falsifiziert worden ist. Andere mögen das anders handhaben.
Wo endet die Beliebigkeit im "richtigen Leben"? Sicher dort, wo an die Klärung der WAHR-FALSCH-Alternative handfeste Konsequenzen sozialer, rechtlicher usw. Art geknüpft werden.
So weit erstmal. Ich bitte um Vergebung, wenn meine Betrachtungsweise trivial erscheint. Aber die professionellen Quellenkritiker können mich ja gern ergänzen/verbessern.
[1] Als nicht sinnvolle Frage sehe ich an, wie man die Nichtexistenz von Etwas beweisen kann. Das ist nach meinen Dafürhalten logisch unmöglich und sollte deswegen weder unternommen noch gefordert werden.
[2] Den neuerdings vielzierten Topos der "Schwarmintelligenz" lasse ich mal beiseite.
[3] Oder wenn das Zeugnis A über soundsoviele Stationen die Dignität der Wikipedia bekommt.
[4] Aber auch insoweit keine Regel ohne Ausnahme: Es gehört zur Philosophie dieses Forums, dass Tatsachenbehauptungen/Thesen, die aus einer bestimmten Ecke kommen (Stichwort: "Revisionismus"), ungeprüft abgelehnt werden dürfen.
[5] Siehe http://www.geschichtsforum.de/515391-post1130.html
[6] Wie in http://www.geschichtsforum.de/374648-post301.html
Mod an: Hab ein eigenes Thema daraus gemacht. Schema zur Quellenkritik findet man hier:
http://www.geschichtsforum.de/f82/schema-zur-quellenkritik-34009/
Mod aus
Ich würde nämlich gern einige Fragen, die in der etwas ungebärdigen Diskusssion in http://www.geschichtsforum.de/f30/historizit-t-jesu-von-nazareth-16041/ bisher stehen geblieben sind, angehen bzw. ins Allgemeine zerren. Beispiele:
...ist eine Person [A], die besser bezeugt ist als jetzt historisch? Und muss jede historische Person [X] so gut bezeugt sein, wie die von ... [A] um als historisch durchgehen zu können? Gibt es eine bestimmte Anzahl von Bezeugungen, ab der eine Person [X] sicher historisch ist?
Mit solchen und anderen sinnvollen Fragen [1] haben es ja nicht nur Historiker, sondern auch Philologen und anderes Gezücht zu tun.
Die dankenswerterweise verlinkte historicum.net: Einführung gibt zum Stichwort sehr wichtige Hinweise, besonders dort wo es um "innere Quellenkritik" geht, und hier wieder ist die Frage nach Tendenz bzw. Intention bzw. Interesse von großer Bedeutung.
Zum Problem der Quantifizierung: So wie vier Augen mehr sehen als zwei, könnte man sagen, dass zwei Zeugen (Quellen, Belege) zu ein und demselben Sachverhalt stärkeres Gewicht haben als einer. Zu dieser trivialen These lassen sich genau so triviale Bedingungen formulieren, z.B.: (a) Die Sehkraft/Wahrnehmungsfähigkeit beider muss annähernd gleichstark sein, und (b) beide Zeugen müssen - um sinnvoll "addiert" werden zu können - voneinander unabhängig sein [2].
zu a) Einem Zeugen, der seine Glaubwürdigkeit bei anderen Gelegenheiten unter Beweis gestellt hat, wird man jedoch eher glauben als zwei anderen, denen schon mal vermeidbare Fehler oder gar Falschaussagen nachgewiesen wurden.
zu b) Es nützt nichts, wenn ein Zeuge A von einem Zeugen B zitiert wird [3] - das ist halt nur "Hörensagen".
Es leuchtet ein, und so habe ich tela verstanden, dass es keinen (quantitativen) Algorithmus geben kann, der zur Beantwortung der Frage, wann etwas als bezeugt im Sinne von gesichert gilt, anwendbar wäre - es ist stets eine Einzelfallprüfung notwendig. [4]
Ein anderes potentielles Problem: "zeitliche und örtliche Nähe zum Geschehen". Liegt A, der ganz nah dabei dabei und anschließend eine "Reportage" schreibt, prinzipiell richtiger als der entferntere B? Oder besteht bei A eine höhere Wahrscheinlichkeit, persönlich involviert zu sein? Ist es nützlich, mehr Zeit zur Verfügung zu haben, über Tatsachenbehauptungen reflektieren zu können?
Ein Haken an der Sache ist sicherlich gerade bei geisteswissenschaftlichen Sachverhalten, die sich der experimentellen Reproduzierbarkeit entziehen, der erreichbare Grad von "Sicherheit". Für Freizeitzwecke - wozu ich dieses Forum rechnen muss - bin ich in der Regel zu Zugeständnissen bereit, wenn mehr nach Lage der Dinge nicht erreichbar ist [5]; den Vorwurf der Beliebigkeit [6] nehme ich insoweit in Kauf. Anders ausgedrückt: Ich halte die Darstellung eines Sachverhalts so lange für plausibel (und bin bereit, auf seiner Grundlage weiter zu diskutieren), bis diese Darstellung ganz oder teilweise falsifiziert worden ist. Andere mögen das anders handhaben.
Wo endet die Beliebigkeit im "richtigen Leben"? Sicher dort, wo an die Klärung der WAHR-FALSCH-Alternative handfeste Konsequenzen sozialer, rechtlicher usw. Art geknüpft werden.
So weit erstmal. Ich bitte um Vergebung, wenn meine Betrachtungsweise trivial erscheint. Aber die professionellen Quellenkritiker können mich ja gern ergänzen/verbessern.
[1] Als nicht sinnvolle Frage sehe ich an, wie man die Nichtexistenz von Etwas beweisen kann. Das ist nach meinen Dafürhalten logisch unmöglich und sollte deswegen weder unternommen noch gefordert werden.
[2] Den neuerdings vielzierten Topos der "Schwarmintelligenz" lasse ich mal beiseite.
[3] Oder wenn das Zeugnis A über soundsoviele Stationen die Dignität der Wikipedia bekommt.
[4] Aber auch insoweit keine Regel ohne Ausnahme: Es gehört zur Philosophie dieses Forums, dass Tatsachenbehauptungen/Thesen, die aus einer bestimmten Ecke kommen (Stichwort: "Revisionismus"), ungeprüft abgelehnt werden dürfen.
[5] Siehe http://www.geschichtsforum.de/515391-post1130.html
[6] Wie in http://www.geschichtsforum.de/374648-post301.html
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