Arminius = Siegfried ?

Und nun kommt die Geschichte:

Kannte man um 1100 Tacitus?

Etwa hundert Jahre nach diesem für die Römer traumatischen Ereignis beschrieb der römische Geschichtsschreiber Publius Cornelius Tacitus (55 bis 120 nach Christus) in seinem Geschichtswerk „Annales” die Umstände der römischen Niederlage. Es ist einer der wenigen Berichte aus der Antike über die Germanen und deren Kampf gegen die Römer. In den folgenden Jahrhunderten geriet das Werk des Tacitus jedoch in Vergessenheit. Im Mittelalter erinnerte sich kaum jemand an diesen Autor. Damit verschwand auch Arminius im Dunkel der Geschichte.

Ein "Handschriftenjäger” besuchte im Jahr 1507 das Kloster Corvey an der Weser und übernachtete dort. Als er am nächsten Morgen seine Reise fortsetzte hatte er 44 Pergamente in seinem Gepäck, die eigentlich den Corveyer Mönchen gehörten. Es war die einzige noch erhaltene Abschrift der „Annales” des römischen Geschichtsschreibers Tacitus. Der Mann hatte die Pergamentrollen gestohlen. Wer dieser Mensch war, weiß man heute nicht. Auf jeden Fall taucht die Handschrift aus Corvey ein Jahr später in Rom auf.
Als Besitzer wird Giovanni Angelo Arcimboldi genannt, Jurist in Diensten des Papstes. Für 500 Golddukaten verkaufte Arcimboldi die wertvolle Handschrift einige Jahre später an Papst Leo X. in Rom.

Das spricht eigentlich gegen den über Tacitus vermittelten Ruhm des Arminius. Dass es außer diesem Bericht überhaupt keine Schriftzeugnisse gibt, stimmt mich skeptisch. Denn es wurden ja durchaus Weltchroniken geschrieben, aber z.B. weiß Gregor von Tours von diesem Mann in aller Munde nichts.

Wenn ich das recht sehe, weiß vor 1500 kein Schriftsteller etwas von Arminius, so dass man sich auf eine neben der Schriftlichkeit enherlaufende mündliche Überlieferung berufen muss, die nirgends ihren Niederschlag gefunden haben soll. Sehr sehr sehr mystische Spekulation.
 
fingalo schrieb:
Und nun kommt die Geschichte:

Kannte man um 1100 Tacitus?

Etwa hundert Jahre nach diesem für die Römer traumatischen Ereignis beschrieb der römische Geschichtsschreiber Publius Cornelius Tacitus (55 bis 120 nach Christus) in seinem Geschichtswerk „Annales” die Umstände der römischen Niederlage. Es ist einer der wenigen Berichte aus der Antike über die Germanen und deren Kampf gegen die Römer. In den folgenden Jahrhunderten geriet das Werk des Tacitus jedoch in Vergessenheit. Im Mittelalter erinnerte sich kaum jemand an diesen Autor. Damit verschwand auch Arminius im Dunkel der Geschichte.

Ein "Handschriftenjäger” besuchte im Jahr 1507 das Kloster Corvey an der Weser und übernachtete dort. Als er am nächsten Morgen seine Reise fortsetzte hatte er 44 Pergamente in seinem Gepäck, die eigentlich den Corveyer Mönchen gehörten. Es war die einzige noch erhaltene Abschrift der „Annales” des römischen Geschichtsschreibers Tacitus. (...)

Das spricht eigentlich gegen den über Tacitus vermittelten Ruhm des Arminius. Dass es außer diesem Bericht überhaupt keine Schriftzeugnisse gibt, stimmt mich skeptisch. Denn es wurden ja durchaus Weltchroniken geschrieben, aber z.B. weiß Gregor von Tours von diesem Mann in aller Munde nichts.

Wenn ich das recht sehe, weiß vor 1500 kein Schriftsteller etwas von Arminius, so dass man sich auf eine neben der Schriftlichkeit enherlaufende mündliche Überlieferung berufen muss, die nirgends ihren Niederschlag gefunden haben soll. Sehr sehr sehr mystische Spekulation.

Entschuldige, aber offensichtlich konntest Du den Argumenten Trajans nicht folgen. Also noch einmal: Das NL ist die durch 1100-jährige mündliche Überlieferung, Verschleifung und Überprägung verfremdete Geschichte des Arminius und des Stammes der Cherusker. Diese Geschichte wurde um 100 n.Chr., als Tacitus seine Annalen schrieb, noch in weitgehend reiner Form weitergetragen. Im Verlauf der folgenden 1100 Jahre kam es jedoch, bedingt durch die im germanischen Kulturkreis übliche mündliche Form der Überlieferung, zu oben genannten Veränderungen des Urstoffs. Den (römischen) Namen Arminius kannte man in jenen Jahrhunderten in Germanien nicht mehr, da im Sagenstoff der Cheruskerfürst unter seinem germanischen Namen (der sehr wahrscheinlich mit "Segi-" oder "Sigi-" begonnen hat, erscheint.) Um 1200 wurde dieser durch jahrhundertelange mündliche Überlieferung und somit durch Überprägung verfremdete Inhalt schlussendlich niedergeschrieben (ohne dass dessen historischer Hintergrund dem Verfasser bekannt war).
Es ist keineswegs so, dass uns die Figur des Arminius erst durch die Auffindung der Annalen des Tacitus bekannt ist. Arminius taucht sowohl bei Florus, Velleius Paterculus, Strabon und Casssius Dio auf. Tacitus berichtet jedoch als einziger vom "teutoburgiensi saltu" sowie Einzelheiten von den Feldzügen des Germanicus 14-16 n.Chr.
Wie dem auch sei, Arminius ist bereits zu Lebzeiten und in den folgenden hundertfünfzig Jahren in die (feindliche) römische Geschichtsschreibung eingegangen. Anzunehmen, dass sein Leben und Schicksal in der germanischen Überlieferung unberücksichtigt blieb (obwohl Tacitus dieses ausdrücklich erwähnt) ist eher unwahrscheinlich. Die Ereignisse der Jahre 9-16 n.Chr. sind für die Historie Innergermaniens von so herausragender Bedeutung gewesen, dass sie noch nach 1200 Jahren in Sagenform erhalten war, ohne dass man im Mittelalter Kenntnis über den historischen Kern hatte, da ein Abgleich mit einer Parallelüberlieferung fehlte. Dieser Abgleich mit einer (historisch zuverlässigeren) schriftlichen Überlieferung wurde erst zu Beginn des 16. Jahrunderts durch die Entdeckung der Annalen des Tacitus in Corvey möglich.
Gruß
Cato
 
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Trajan schrieb:

(B) Siegfried liebt die Tochter des benachbarten Cheruskerfürsten Segestes, von den Römern wird sie später Thusnelda genannt. Selbige ist aber schon einem Chattenfürstensohn versprochen. In der Folge entbrennt hier eine höchst ungewöhnliche superromantische Liebesgeschichte.
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Würde mich mal interessieren, wo steht, dass Thusnelda einem Chatten versprochen gewesen sei.
Außerdem wenn Thusnelda thursinhiltjaim ethymologischen Sinne auf Germanischen gelautet hätte, warum heißt dann die Burgunderprinzessin im Nibelungenlied Kriemhild und nicht Thursenhild ???
 
fingalo schrieb:
Wenn ich das recht sehe, weiß vor 1500 kein Schriftsteller etwas von Arminius, so dass man sich auf eine neben der Schriftlichkeit enherlaufende mündliche Überlieferung berufen muss, die nirgends ihren Niederschlag gefunden haben soll. Sehr sehr sehr mystische Spekulation.

Hi fingalo, genauso ist es. Die NL sind ja dieser Niederschlag der mündlichen Überlieferung, wie User Cato auch schon ausführte. Alles andere wäre, wie Du richtig sagst, eine sehr sehr mystische Spekulation.

Aragorn schrieb:
Würde mich mal interessieren, wo steht, dass Thusnelda einem Chatten versprochen gewesen sei.
Außerdem wenn Thusnelda thursinhiltja im ethymologischen Sinne auf Germanischen gelautet hätte, warum heißt dann die Burgunderprinzessin im Nibelungenlied Kriemhild und nicht Thursenhild ?

Also Tacitus schreibt (ann, I,55) "...Auch wuchs sein Hass, weil Arminius seine Tochter, die mit einem anderen verlobt war, entführt hatte...." und später zum Tode des Arminius (ann, II, 88) "...ein Brief des Chattenfürsten Adgandestrius verlesen wurde, in dem er den Tod des Arminius versprach, wenn ihm zur Durchführung des Mordes Gift geschickt werde...".

Wenn ich mich jetzt recht entsinne: Walter Böckmann führt in seinem Buch "Als die Adler sanken" (1984) sehr einleuchtend aus, das man von einem Chattenfürstenspross als diesen Verlobten ausgehen kann. Es war wohl die übliche Heiratspolitik, hier mit den südwestlichen Nachbarn und Verbündeten Chatten.

Zum Ursprung des Namen Thusnelda habe ich noch nicht allzuviel gefunden, ihr Vater war Segestes und ihre Mutter hies wohl Sighild, und damit wäre deine Interpretation thursinhiltja ganz passend. Thusnelda ist jedenfalls nur der latinisierte Name. Der Stamm "hilt-" im keltischen besagt ja soviel ich weiss dasselbe wie "wild". Sie war also eine wilde Hilde und ihr Heim war auf der Burg ihres Vaters, hinter der sich heute noch der Ort Hildesheim verbirgt. Klingt bescheuert trivial, aber liegt nahe dran: (Zitat Wikipedia) ....An der Stelle, wo der uralte West-Ost-Handelsweg Hellweg die Innerste querte, bestand vermutlich schon in vorfränkischer Zeit eine Siedlung und ein Heiligtum. Nach der Unterwerfung der Sachsen durch Karl den Grossen wurde im Rahmen der Christianisierung im Jahre 815 das Bistum Hildesheim gegründet ...... (Zitat Ende) und das Dreieck Hameln - Hildesheim - Hannover beschreibt gut den Kernbereich des Cheruskerlandes. Südwestlich von Hildesheim findet sich heute noch der kleine Ort Segeste.

Beste Grüsse, Trajan.
 
Trajan schrieb:
Also Tacitus schreibt (ann, I,55) "...Auch wuchs sein Hass, weil Arminius seine Tochter, die mit einem anderen verlobt war, entführt hatte...." und später zum Tode des Arminius (ann, II, 88) "...ein Brief des Chattenfürsten Adgandestrius verlesen wurde, in dem er den Tod des Arminius versprach, wenn ihm zur Durchführung des Mordes Gift geschickt werde...".

Wenn ich mich jetzt recht entsinne: Walter Böckmann führt in seinem Buch "Als die Adler sanken" (1984) sehr einleuchtend aus, das man von einem Chattenfürstenspross als diesen Verlobten ausgehen kann. Es war wohl die übliche Heiratspolitik, hier mit den südwestlichen Nachbarn und Verbündeten Chatten..

Das klingt plausibel und mag vielleicht auch so gewesen sein, bewiesen ist aber überhaupt nichts. Zwar war Flavus mit einer Tochter eines Chattenfürsten verheiratet, das muss aber bei Thusnelda nicht unbedingt der Fall gewesen sein. Zur damaligen Zeit wird es Gang und Gäbe gewesen sein, dass eine Tochter des Fürsten eines Stammes mit dem Sohn aus der Herrscherfamilie eines benachbarten Stammes vermählt wurde. Gerade die Erhaltung eines gewissen Friedenszustand zwischen den Stämme dürfte dabei eine wichtige Rolle gespielt haben. Dass aber Thusnelda einem Chatten versprochen war ist und bleibt Spekulation solange nicht das Gegenteil durch schriftliche oder etwaige andere Funde bewiesen wurde. Sie hätte aber genauso gut einem Marser oder einem Langobarden versprochen sein können.

Trajan schrieb:
Zum Ursprung des Namen Thusnelda habe ich noch nicht allzuviel gefunden, ihr Vater war Segestes und ihre Mutter hies wohl Sighild, und damit wäre deine Interpretation thursinhiltja ganz passend. Thusnelda ist jedenfalls nur der latinisierte Name. Der Stamm "hilt-" im keltischen besagt ja soviel ich weiss dasselbe wie "wild". Sie war also eine wilde Hilde und ihr Heim war auf der Burg ihres Vaters, hinter der sich heute noch der Ort Hildesheim verbirgt. Klingt bescheuert trivial, aber liegt nahe dran: (Zitat Wikipedia) ....An der Stelle, wo der uralte West-Ost-Handelsweg Hellweg die Innerste querte, bestand vermutlich schon in vorfränkischer Zeit eine Siedlung und ein Heiligtum. Nach der Unterwerfung der Sachsen durch Karl den Grossen wurde im Rahmen der Christianisierung im Jahre 815 das Bistum Hildesheim gegründet ...... (Zitat Ende) und das Dreieck Hameln - Hildesheim - Hannover beschreibt gut den Kernbereich des Cheruskerlandes. Südwestlich von Hildesheim findet sich heute noch der kleine Ort Segeste.
Beste Grüsse, Trajan.

Mag sein, dass die Cherusker in dem beschriebenen Gebiet siedelten, aber ich dachte immer, dass Thusneldas Name als germanisch und nicht etwa als keltisch interpretiert wurde. Soviel ichweiß heißt Thursinhiltja etwa
Riesenkampf . Dass ihre Mutter Sighild gehießen haben soll, bleibt auch Spekulation, er ist weder aus antiken noch sonstigen Quellen bekannt. Arminius Mutter hätte genausogut Sighild heißen können, alleine durch Vergleiche zu den Cognomen der cehruskischen stirps regia wird man dabei nicht weiterkommen. Ich zweifle außerdem auch daran, dass Hildesheim nach Segestes Frau benannt sein soll, dafür gibt es keinerlei Anhaltspunkte, man muss also kritisch an die Sache herangehen, das gilt im Übrigen auch für Wikipedia. Man sollte sich nicht schon wieder auf die Pfade unser aller Freundes Friebe begeben!!!

Gruß
Aragorn
 
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Trajan schrieb:
Zum Ursprung des Namen Thusnelda habe ich noch nicht allzuviel gefunden, ihr Vater war Segestes und ihre Mutter hies wohl Sighild, und damit wäre deine Interpretation thursinhiltja ganz passend. Thusnelda ist jedenfalls nur der latinisierte Name. Der Stamm "hilt-" im keltischen besagt ja soviel ich weiss dasselbe wie "wild". Sie war also eine wilde Hilde und ihr Heim war auf der Burg ihres Vaters, hinter der sich heute noch der Ort Hildesheim verbirgt.
...und das Dreieck Hameln - Hildesheim - Hannover beschreibt gut den Kernbereich des Cheruskerlandes. Südwestlich von Hildesheim findet sich heute noch der kleine Ort Segeste.

Beste Grüsse, Trajan.

In vielen Punkten stimme ich Deinen Ausführungen zu:hoch: , aber daß die Stadt Hildesheim der Sitz des Segestes gewesen sein soll, das sehe ich nicht.

Wenn man Tacitus seine Ausführungen über den Chattenfeldzug des Germanicus liest, so steht dort geschrieben, daß Germanicus mit 4Legionen und einer großen Anzahl Bundesgenossen in das Land der Chatten zieht. Nach erfolgreicher Zerstörung erfährt er auf dem Rückweg, daß die Burg des Segestes belagert wird. Daraufhin hielt Germanicus es für lohnend nochmals kehrtzumachen und Segestes aus seiner Belagerung zu befreien. Das kann niemals im Kerngebiet des Cheruskerlandes(Hameln-Hannover-Hildesheim) gewesen sein, da es ansonsten schon zu einer großen Schlacht mit Arminius gekommen wäre.
Arminius hat sich höchstwahrscheinlich nicht an der Belagerung der Segestes-Burg beteiligt. Vielmehr ließ er die Burg durch seine Truppen belagern. Als nun 4Legionen auftauchten, mußten die Belagerer sich zurückziehen. Als Arminius von diesem Geschehen erfuhr, wurde er noch wilder und rief die Cherusker zum Kampf (sein bis dahin römerfreundlicher Oheim Inguiomerus trat zu ihm über). Germanicus konnte es nicht wagen mit nur 4Legionen in die "Höhle des Löwen" zu ziehen. Daher vermute ich die Burg des Segestes in nicht allzugroßer Entfernung zum Chattengebiet und nicht in Hildesheim.
Germanicus war in seiner Vorgehensweise immer auf Vorsicht bedacht. Leichtsinnige Aktionen gab es bei ihm nicht. Daher wird er sich nicht weit in das Cheruskergebiet hineingetraut haben.
So jetzt weiter mit dem Thema.....
 
Lieber Cherusker,

ich glaube auch, dass die Burg des Segestes in der Nähe des Chattengebietes zu suchen ist. Anderseits 4 Legionen, das ist schon etwas, damit hätte er jederzeit einen Kampf mit Arminius wagen können.
 
Aragon schrieb:
...ist und bleibt Spekulation solange...

Hallo Aragon,

ja Spekulation ist so ziemlich der häufigste Vorwurf den sich die Diskuttanten hier gegenseitig anlasten. Nur, was soll dass heissen ? Mehr als 90 % aller historischer Literatur besteht aus Spekulationen. Schliesslich gibt es, insbesondere in der Altertumwissenschaft, zwar viele Anhaltspunkte aber kaum Fixpunkte. Fixpunkte sind zum Beispiel archäologische Ausgrabungen und deren Befunde oder seltene Urkundsbeweise.

Aber die sogenannten Quellen, heissen sie nun Caesar, Tacitus oder wie auch immer, sind ja selbst Spekulationen: Auch deren Einlassungen mangelt es an Fixpunkten, d.h. quasi unbestreitbaren Fakten und bestehen aus ihren spezifischen Rezeptionen und Interpretationen und der Rest aus Hörensagen.
Die Praxis heisst doch, dass zwischen ganz ganz wenigen Fixpunkten eine Reihe von Anhaltspunkten existieren und dazwischen vom Autor ein hoffentlich logisches Netz aufgespannt wird.

Du hast also immer die Wahl zwischen verschiedenen Spekulationen unterschiedlichen Wahrscheinlichkeitsgrades. Positve Beweise im strengen Sinne existieren für historische Interpretationen so gut wie nie. Selbst für die neuere Geschichte, z.B. WWII, streiten sich die Leute wie die Kesselflicker obwohl da vergleichsweise reichlich Urkundsbeweise existieren. Du kannst also höchstens im Popperschen und Occamschen Sinne Falsifizierbarkeits- und Einfachheitsregeln anwenden.

Im Klartext, man muss i.d.R. lediglich zwischen haltlosen und haltbaren Spekulationen unterscheiden können, aber Spekulationen unterschiedlichen Grades sind sie immer !

Bei jeder Spekulation muss ich mich also fragen: (a) wieviele positive/negative Anhaltspunkte hat sie ? (b) ist sie einfach, liegt sie auf der Hand ? (c) kann sie falsifiziert werden, wenn ja wie ?
Wenn ich da jetzt z.B. den Friebe nehme, so will ich (a) nicht weiter behandeln weils zu weit führt, aber (b) sie liegt überhaupt nicht auf der Hand, weil sein Varusschlachtplatz viel zu weit östlich liegt und dies (c) aus den Quellen auch hervorgeht und ebenso durch Kalkriese widerlegt ist. Trotzdem werden einige unentwegt anderer Meinung sein, da kann ich halt auch nichts machen.

Aragon schrieb:
...dass Thusneldas Name als germanisch und nicht etwa als keltisch interpretiert ...

Zunächst ist der Name Thusnelda einfach nur eine latinisierte Form eines wie auch immer lautenden Namens. Die Römer und Kelten unterschieden doch nur wer links- oder rechtsrheinisch war. Die eine Seite war Gallien, die andere Germanien, im keltischen soviel ich gelesen habe "walhisk" und "thiudisk" entsprechend. Die Sprachen links und rechts des Rheines unterschieden sich nur dialektartig, waren aber beide keltisch. Möglicherweise hiess sie für die Römer also einfach nur "DIE Germanin" nach dem keltischen Wort thiudisk->thusk->thusnelda.

Aragon schrieb:
...dass Hildesheim nach Segestes Frau benannt ...

Na eben nicht nach seiner Frau, sondern nach der viel bedeutenderen Tochter Thusnelda, die imho eben z.B. so ähnlich wie Sighild hiess. Vielleicht aber auch als Beinamen, denn das Wortteil "hild-" bedeutet soviel wie "wild". Arminius hin und Siegfried her, er war allemal ein ganz besonderer Mann und er wird sich auch eine ganz besondere Frau ausgesucht haben, zumal er so aufreibend dramatisch um sie kämpfen musste: Sie wird schon eine rechte "Wilde" Schönheit, eben eine Hilde gewesen, sein.

Beste Grüsse, Trajan.

 
Cherusker schrieb:
....In vielen Punkten stimme ich Deinen Ausführungen zu , aber daß die Stadt Hildesheim der Sitz des Segestes gewesen sein soll, das sehe ich nicht....


Sei gegrüsst Cherusker,

das sehe ich ganz ähnlich, Hildesheim liegt nämlich einige Kilometer nördlich davon. Südlich findest Du den Hildesheimer Wald und an dessen Südrand den Ort Segeste (13 km Luftlinie südl Hildesheim), 6 km weiter südlich dann den kleinen Ort Irmenseul (sprich Arminiussäule, obgleich das Thema Irminsul wieder einen ganzen Thread füllen würde). Der Hildesheimer Wald selbst ist durchzogen von Hügelgräbern und Spuren germanischer Besiedlung, eine grosse Wallburg z.B. am nördlichen Ende des Hildesheimerwaldes. Am westlichen Rand des heutigen Hildesheim findet sich der Galgenberg, der Fundort des berühmten Hildesheimersilberfundes. Von Segeste aus sind es Luftlinie 38 km bis zur heutigen Grenze von Hessen, die den Chatten entstammen. Die exakten damaligen Grenzen sind allerdings unbekannt, aber dass in der Gegend des heutigen Hildesheim cheruskisches Kernland ist, ist weitgehend anerkannt.

Cherusker schrieb:
....Germanicus konnte es nicht wagen mit nur 4Legionen in die "Höhle des Löwen" zu ziehen. Daher vermute ich die Burg des Segestes in nicht allzugroßer Entfernung zum Chattengebiet und nicht in Hildesheim.
Germanicus war in seiner Vorgehensweise immer auf Vorsicht bedacht. Leichtsinnige Aktionen gab es bei ihm nicht. Daher wird er sich nicht weit in das Cheruskergebiet hineingetraut haben.....

Ja, Arminius und Germanicus waren beide gewiefte Militärgenies, aber sie waren beide auch junge, fast gleichaltrige Männer, beide Adelssprosse mit Ansprüchen auf einen Thron, beide wollten genau diesen Anspruch durch einen erfolgreichen Krieg unterstreichen, beide hatten starke Frauen (Germanicus die Agrippa, sie hatten neun Kinder, auch Caligula gehörte dazu), beide kamen vermutlich durch ihre bucklige Verwandschaft ums Leben, bei beiden könnte laut Tacitus Gift im Spiel gewesen sein, beide starben viel zu früh. Und beide waren geradezu besessen und alles andere als feige. Ich vermute dass er dass Glück des Tüchtigen hatte und Arminius sozusagen auf dem falschen Fuss erwischte indem er unerwartet zwei Tagesmärsche tief in cheruskisches Gebiet eindrang. Mit 4 Legionen sicherlich kein Himmelfahrtskommando.

Das Segestes hier in der Gegend seine Burg hatte, halte ich für sehr wahrscheinlich, wo allerdings Arminius seinen Sitz hatte, diese Frage zu klären halte ich für noch viel interessanter.

Bis denn, Schönes Wochenende und beste Grüsse, Trajan.
 

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Cato schrieb:
Entschuldige, aber offensichtlich konntest Du den Argumenten Trajans nicht folgen.
Tschuldige, aber ich glaube, du hast meine Kritik nicht veratanden.

Cato schrieb:
Also noch einmal: Das NL ist die durch 1100-jährige mündliche Überlieferung, Verschleifung und Überprägung verfremdete Geschichte des Arminius und des Stammes der Cherusker.
Eben: 1100 Jahre in aller Munde. In der Zeit wurde viel geschrieben. Inkeinem Text taucht er auf. Das ist erklärungsbedürftig.

Cato schrieb:
Die Ereignisse der Jahre 9-16 n.Chr. sind für die Historie Innergermaniens von so herausragender Bedeutung gewesen, dass sie noch nach 1200 Jahren in Sagenform erhalten war, ohne dass man im Mittelalter Kenntnis über den historischen Kern hatte, da ein Abgleich mit einer Parallelüberlieferung fehlte. Dieser Abgleich mit einer (historisch zuverlässigeren) schriftlichen Überlieferung wurde erst zu Beginn des 16. Jahrunderts durch die Entdeckung der Annalen des Tacitus in Corvey möglich.
Und das ist der klassische Zirkelschluss in Reinkultur: Die 1100 jährige schriftlose Überlieferung wird durch das NL bewiesen. Und dass das NL Arminius meint, wird auf die 1100-jährige orale Überlieferung zurückgeführt.
Viele bedeutende Menschen haben geliebt, viele sind in diesem Zusammenhang ermordet worden.
Und auf meine Zielrichtung gehst Du nicht ein, die ich in meinem Beispiel mit dem Kirschbaumholz am Riemenschneider-Altar zum Ausdruck bringen wollte.
 
Trajan schrieb:
Hi fingalo, genauso ist es. Die NL sind ja dieser Niederschlag der mündlichen Überlieferung, wie User Cato auch schon ausführte. Alles andere wäre, wie Du richtig sagst, eine sehr sehr mystische Spekulation.
Und das ist für mich ein Zirkelschluss: Das NL muss auf Arminius zurückgeführt werden: Also mündliche Überlieferung über 1100 Jahre. Ist das wahrscheinlich und denkbar, ohne Schriftzeugnis, wo doch so viel in der Zwischenzeit geschrieben wurde? Aber klar doch! Das NL ist der Beweis!
 
Trajan schrieb:
...Die Praxis heisst doch, dass zwischen ganz ganz wenigen Fixpunkten eine Reihe von Anhaltspunkten existieren und dazwischen vom Autor ein hoffentlich logisches Netz aufgespannt wird. ...

Im Klartext, man muss i.d.R. lediglich zwischen haltlosen und haltbaren Spekulationen unterscheiden können, aber Spekulationen unterschiedlichen Grades sind sie immer !

Bei jeder Spekulation muss ich mich also fragen: (a) wieviele positive/negative Anhaltspunkte hat sie ? (b) ist sie einfach, liegt sie auf der Hand ? (c) kann sie falsifiziert werden, wenn ja wie ?
Eben, und da liegt eine 1000-jährige rein orale Überlieferung parallel zu einer Schriftkultur ohne irgendwo einen schriftlichen Niederschlag unterwegs eben nicht auf der Hand. Es wurde bislang keine Parallele aufgezeigt.
 
Trajan schrieb:
ja Spekulation ist so ziemlich der häufigste Vorwurf den sich die Diskuttanten hier gegenseitig anlasten. Nur, was soll dass heissen ? Mehr als 90 % aller historischer Literatur besteht aus Spekulationen. Schliesslich gibt es, insbesondere in der Altertumwissenschaft, zwar viele Anhaltspunkte aber kaum Fixpunkte. Fixpunkte sind zum Beispiel archäologische Ausgrabungen und deren Befunde oder seltene Urkundsbeweise.

Die Praxis heisst doch, dass zwischen ganz ganz wenigen Fixpunkten eine Reihe von Anhaltspunkten existieren und dazwischen vom Autor ein hoffentlich logisches Netz aufgespannt wird.

Du hast also immer die Wahl zwischen verschiedenen Spekulationen unterschiedlichen Wahrscheinlichkeitsgrades. Positve Beweise im strengen Sinne existieren für historische Interpretationen so gut wie nie. Im Klartext, man muss i.d.R. lediglich zwischen haltlosen und haltbaren Spekulationen unterscheiden können, aber Spekulationen unterschiedlichen Grades sind sie immer !

Aha, d.h. heißt also, dass man über nicht existierende Fakten in den Geschichtswissenschaften einfach nur spekulieren sollte und weil sie nicht existieren, muss man eben fiktiv etwas einfügen, damit aus der reinen Spekulation ein scheinbar fundiertes Ereignis wird. Aber ich denke, dass man so nur einen Holzweg beschreitet, der nicht zum Ziel führt, also schlussendlich das geschichtliche Ereignis und deren epochaler Zusammenhang nicht als Verkettung, nicht als Ganzes begreift, sondern nach beliebigem Gusto unhaltbare Dinge in geschichtliche Begebenheiten hineininterpretiert. Wenn Thuselda also mit einem Chatten vermählt worden sein soll, was ja deiner Auffassung entspricht aber leider in keinem antiken Bericht zu finden ist, so kannst du das unmöglich "geschichtlich" nennen, sondern eher eine Fiktion, wenn du willst auch eine "Trajanische Fiktion". Leider deckt man so nicht die Geschichte auf, sondern lässt sie zum Märchen verkommen. Und die Differenzen zwischen Geschichte und Märchen sind doch mehr als fundamental.

Trajan schrieb:
Zunächst ist der Name Thusnelda einfach nur eine latinisierte Form eines wie auch immer lautenden Namens. Die Römer und Kelten unterschieden doch nur wer links- oder rechtsrheinisch war. Die eine Seite war Gallien, die andere Germanien, im keltischen soviel ich gelesen habe "walhisk" und "thiudisk" entsprechend. Die Sprachen links und rechts des Rheines unterschieden sich nur dialektartig, waren aber beide keltisch. Möglicherweise hiess sie für die Römer also einfach nur "DIE Germanin" nach dem keltischen Wort thiudisk->thusk->thusnelda.

"Walhisk" und "Thiudisk" sind Begriffe aus der Zeit der fränkischen Expansion in die romanisierte Gallia und stehen im Zusammenhang mit de Herausbildung eines ost- und eines west-fränkischen Königstum Jahrhunderte später. Um sie von den Gallo-Romanen des Westfrankenreichs abzugrenzen bezeichnete man die Bevölkerung in Austrien (Ostfranken) als thiudisk, was aus dem germanischen, und nicht wie du behauptest aus dem keltischen, stammt. Es bedeutet soviel wie "volksprachlich", d.h. also im Gegensatz zum Vulgärlatein mit gallischen Einflüssen, dass zu diesem Zeitpunkt in der Gallia gesprochen wurde.
Rechts des Rheins wurde meines Wissens nach wohl mehrheitlich germanisch gesprochen, selbst links des Rheins waren ubische, sugambrische und batavische Dialekte, also germanisch, zu hören. Würde mich interessieren woher du die These hast, dass zur Zeit des Arminius auch rechts des Rheins keltisch gesprochen wurde,die These klingt ebenso absurd wie die über den Nordwestblock.

Trajan schrieb:
Na eben nicht nach seiner Frau, sondern nach der viel bedeutenderen Tochter Thusnelda, die imho eben z.B. so ähnlich wie Sighild hiess. Vielleicht aber auch als Beinamen, denn das Wortteil "hild-" bedeutet soviel wie "wild". Arminius hin und Siegfried her, er war allemal ein ganz besonderer Mann und er wird sich auch eine ganz besondere Frau ausgesucht haben, zumal er so aufreibend dramatisch um sie kämpfen musste: Sie wird schon eine rechte "Wilde" Schönheit, eben eine Hilde gewesen, sein.

Tja, soviel zur Fiktion, die du ja scheinabr als untrennbar von geschichtlichen Fakten ansiehst. Das "hild" aus dem keltischen kommt, halt ich wie gesagt auch für zweifelhaft. Es gibt unzählige germanische Frauen - und Männernamen, die die Silbe "hild", bedeutet soviel wie "kampf", beinhalten und sprechen für sich, es sei denn du willst der germanischen Sprache und deren Sprechern sämtliche Grundlagen einer Existenz entziehen.
 
Trajan schrieb:
....und alles andere als feige. Ich vermute dass er dass Glück des Tüchtigen hatte und Arminius sozusagen auf dem falschen Fuss erwischte indem er unerwartet zwei Tagesmärsche tief in cheruskisches Gebiet eindrang. Mit 4 Legionen sicherlich kein Himmelfahrtskommando.

Das Segestes hier in der Gegend seine Burg hatte, halte ich für sehr wahrscheinlich, wo allerdings Arminius seinen Sitz hatte, diese Frage zu klären halte ich für noch viel interessanter.

Bis denn, Schönes Wochenende und beste Grüsse, Trajan.

Das widerspricht den Beschreibungen des Tacitus. Selbst bei seinen Chatteneinfall, bei dem die Flüsse und Bäche Niedrigwasser führten, ließ Germanicus L.Apronius zur Herstellung von Wegen und Flußübergängen zurück, da er mit einem höheren Wasserstand beim Rückzug rechnete. Das bedeutet für mich, daß Germanicus auch mit einem evtl. überstürzten möglichen Rückzug aus dem Chattengebiet rechnete. und immer Vorsicht walten ließ (siehe Besuch des Varusschlachtfeldes mit einem vorauseilenden Caecina, mit 6Legionen zum Entsatz von Aliso,...).
Und 4Legionen waren für Arminius nicht unüberwindbar, wie er wenige Zeit später an den "Langen Brücken" bewies. Und Arminius hatte er nicht auf den "falschen Fuß" erwischt, da Arminius mit den anderen 4Legionen des Caecina beschäftigt war. Dadurch konnten die Cherusker den Chatten nicht zu Hilfe eilen. Caecina wandte hier eine Hinhalte-Taktik an und tauchte mal hier mal dort auf. Wenn jetzt die Möglichkeit bestanden hätte, Germanicus direkt anzugreifen, dann hätte Arminius die Chance genutzt.
Deswegen gehe ich weiterhin davon aus, daß das Gebiet des Segestes sehr nah am Chattengebiet war, sodaß Germanicus kein Risiko einging.

Die Hildesheimer Gegend kenne ich und es ist wohl das Stammgebiet der Cherusker, also die "Höhle des Löwen". Aber der Fund des Silberschatzes auf dem Galgenberg legt für mich eher die Vermutung nahe, daß dort eher das Gebiet des Arminius war und die Sippschaft in den späteren innercheruskischen Unruhen den Schatz vergrub (in irgendeiner Sage NL oder Edda steht doch geschrieben, daß der Schatz in einem Berg versteckt wurde und nicht im Rhein.....das NL ist sowieso ziemlich ungenau, wie ich bereits in einem Text beschrieb).

Auf heutige Ortsnamen gebe ich nicht viel. Die Orte haben wesentlich später ihre Namen bekommen. Und angeblich soll in dem einen Ort eine fränkische Abteilung von heidnischen Sachsen überfallen worden sein, die ihre Irminsul wieder zurückerobern wollten (also viele Sagen und Moritaten....:rofl: ).
 
fingalo schrieb:
Eben: 1100 Jahre in aller Munde. In der Zeit wurde viel geschrieben. Inkeinem Text taucht er auf. Das ist erklärungsbedürftig.


Hallo fingalo,
um diesen Punkt zu erörtern, ziehen wir ganz einfach ein anderes Beispiel heran: Die Sage vom Rattenfänger von Hameln.
Am 26.Juni 1284 hat sich in der Stadt Hameln ein Ereignis zugetragen, das als Sage vom wundersamen Mann, der erst die Ratten und dann die Kinder aus der Stadt führte, in die deutsche Literatur einging. Erst mehr als 500 (!) Jahre später hielten es die Brüder Grimm für notwendig, die Geschichte in schriftlicher Form festzuhalten. Zu diesem Zeitpunkt war das historische Ereignis durch mündliche Überlieferung bereits derart verfremdet, dass sich heute die Wissenschaft nicht darüber im klaren ist, ob es sich um einen Kreuzzugsaufruf, die Ostkolonisation, eine Pestepedemie, die Tanzwut oder was auch immer gehandelt hat. Dass es einen historischen Kern der Sage geben muss, geht aus einer einzigen urkundlichen Erwähnung hervor. Gäbe es diese nicht, könnte man einfach behaupten, die Brüder Grimm hätten die Geschichte vom Rattenfänger als gesellschaftskritische Fabel ersonnen.
Du wirst mir darin zustimmen, dass in der Zeit von 1284 bis 1818 sehr, sehr viel schriftlich festgehalten wurde, nur eben nicht die Geschichte vom Rattenfänger, die zu eine der bekanntesten deutschen Sagen wurde (eine Ausnahme ist eine kurze Erwähnung im frühen 15.Jh.).
Nun dürfte es niemanden mehr verwundern, dass die Geschichte des Arminius über 1200 Jahre mündlich weitergetragen wurde, bis im Hochmittelalter ihre schriftliche Niederlegung stattfand. Diese These lässt sich durch zahlreiche Argumente zwar stützen, aufgrund der unzureichenden Quellenlage aber wohl niemals endgültig beweisen.
 
Cato schrieb:
Am 26.Juni 1284 hat sich in der Stadt Hameln ein Ereignis zugetragen, das als Sage vom wundersamen Mann, der erst die Ratten und dann die Kinder aus der Stadt führte, in die deutsche Literatur einging. Erst mehr als 500 (!) Jahre später hielten es die Brüder Grimm für notwendig, die Geschichte in schriftlicher Form festzuhalten.

Stimmt das? Hier lese ich z. B.:

Die Geschichte vom Rattenfänger von Hameln ist in einer Fassung aus der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts erstmals überliefert. Von den Gebrüdern Grimm wurde sie schließlich in die zwischen 1816 und 1818 erschienene Sammlung Deutsche Sagen aufgenommen, was wesentlich zu deren Verbreitung beitrug.

http://home.arcor.de/joergel01/rattenfaenger/ratmythos.html
 
Cato schrieb:
Hallo fingalo,
um diesen Punkt zu erörtern, ziehen wir ganz einfach ein anderes Beispiel heran: Die Sage vom Rattenfänger von Hameln. ...

Abgesehen von dem Hinweis hyokkoses möchte ich auch noch darauf hinweisen, dass ein Lokalhistörchen durchaus der schreibenden Zunft entgangen sein kann, nicht aber ein Volksheld! Außerdem weisen die verschiedenen Erklärungsmodelle darauf hin, dass der Mann von 1284 gar nichtmehr Gegenstand der Geschichte ist, sondern allenfalls noch Ursache für die Gestaltung einer Fabel. Der Rattenfänger von Hameln ist eben nicht der Mann von 1284, so wie Siegfried Arminius sein soll. Denn die Erklärungen, "ob es sich um einen Kreuzzugsaufruf, die Ostkolonisation, eine Pestepedemie, die Tanzwut oder was auch immer gehandelt hat", lassen eine einwandfreie Zuordnung zu einer bestimmten Person mit einer bestimmten Tat gar nicht zu.
Dass irgendwelche Versatzstücke in der mündlichen Erzählung eine hohe Lebensdauer haben, habe ich ja nie bestritten. Dabei spielen insbesondere Namen eine große Rolle. Sie halten sich merkwürdigerweise am längsten, wie die etymologische Untersuchung von Götternamen gezeigt hat.
Ich habe das ja schon geschrieben
http://www.geschichtsforum.de/showpost.php?p=138151&postcount=87
und will es nicht wiederholen.
 
fingalo schrieb:
Abgesehen von dem Hinweis hyokkoses möchte ich auch noch darauf hinweisen, dass ein Lokalhistörchen durchaus der schreibenden Zunft entgangen sein kann, nicht aber ein Volksheld! .....

Da glaube ich bis Du auf dem Holzweg. Bis zur Zeit Karl des Großen hat es in Sachsen keine schriftlichen Quellen gegeben. Die Sachsen und die vorherigen germanischen Stämme haben ihre Geschichte nicht schriftlich fixiert, sondern mündlich weitergegeben.
Und Karl der Große hatte bestimmt kein Interesse einen heidnischen Helden, der sich gegen eine Großmacht aus dem Westen behauptet hat, hochleben zulassen. Im Gegenteil er versuchte alle heidnischen Rituale usw.... zu unterdrücken.
Erst im Mittelalter war der christliche Glaube so gestärkt, daß auch heidnische Geschichten, die christianisiert wurden, weitergegeben werden konnten. Da wurde dann auch das NL niedergeschrieben.

P.S.
Jetzt stellt sich die Frage: welche Sage ist bekannter? Die vom Rattenfänger oder die NL? Und zwar nicht nur in Deutschland....:grübel: :winke:
Das Ereignis, das in Hameln stattgefunden hat, war schon außergewöhnlich und wurde auch schriftlich fixiert (die Ratten kamen später hinzu....).
 
Cherusker schrieb:
Da glaube ich bis Du auf dem Holzweg. Bis zur Zeit Karl des Großen hat es in Sachsen keine schriftlichen Quellen gegeben. Die Sachsen und die vorherigen germanischen Stämme haben ihre Geschichte nicht schriftlich fixiert, sondern mündlich weitergegeben.
Und Karl der Große hatte bestimmt kein Interesse einen heidnischen Helden, der sich gegen eine Großmacht aus dem Westen behauptet hat, hochleben zulassen. Im Gegenteil er versuchte alle heidnischen Rituale usw.... zu unterdrücken.
Erst im Mittelalter war der christliche Glaube so gestärkt, daß auch heidnische Geschichten, die christianisiert wurden, weitergegeben werden konnten. Da wurde dann auch das NL niedergeschrieben.
Gregor von Tours war nicht Hofschreiber KdG.

Cherusker schrieb:
Jetzt stellt sich die Frage: welche Sage ist bekannter? Die vom Rattenfänger oder die NL?
Heute ist das NL bekannter, weils als Dichtung aufgeschrieben wurde.
Die Frage ist falsch gestellt. Sie müsste lauten: Arminius oder der Rattenfänger im 12. Jh. in Hameln. Und da tippe ich mal für Hameln: Der Rattenfänger und nicht Arminius.

Cherusker schrieb:
Das Ereignis, das in Hameln stattgefunden hat, war schon außergewöhnlich und wurde auch schriftlich fixiert (die Ratten kamen später hinzu....).
Na ja, im 15. Jh. "erwähnt", wie Cato schreibt. Für Hameln vielleicht außergewöhnlich. Als der Kinderkreuzzug gestartet wurde, wurden viele Ortschaften von Kindern entvölkert.
Ein großer Aderlass in einer Bevölkerung bleibt bei den Betroffenen eher und länger haften. Wenn das auch noch der reproduktionsfähige Teil ist, macht sich das noch nach Gemerationen bemerkbar. Und trotzdem ist von der Auswanderung außer der Tatsache der Auswanderung selbst nichts, aber auch gar nichts erhalten geblieben, weder, wer der Werber war, noch welche Familien betroffen waren, noch wohin sie gezogen sind, obgleich die Verbindung zur Heimat sicher nicht abgerissen ist. Und das in wesentlich kürzerer Zeit.
Ist mit Arminius nicht zu vergleichen. Alles ist verschwunden. Aber von Arminius sollen seine Heldentaten schriftlos 1000 Jahre mit mehr Details erhalten geblieben sein?
Und wenn sowas aufgeschrieben wird, dann gibt es aufgrund der Diversifikation der Überlieferung mehrere Fassungen mehrerer Autoren. Aber der NL-Dichter steht allein auf weiter Flur. Auch nach ihm hat sich keiner um den Stoff gekümmert - bis die Manuskripte des Tacitus auftauchten.

Um auf die Metaebene zu gehen: Für Arminius spricht:
1. Je älter, desto ehrwürdiger. Historiker wollen alles im Kern so früh wie möglich ansetzen.
2. Wer zuerst den Meinungsmarkt besetzt, hat es leichter zu überleben. Die Späteren müssen ihn "widerlegen". Wenn man von vornherein auf Richard Löwenherz gesetzt hätte, hätte Arminius keine Chance.

Aber immer noch: Warum Arbeiten über das Material verfassen und den Inhalt nicht beachten? Dass sich der Dichter irgendwelcher Versatzstücke bedient hat, ist ja unbestritten. Aber was ist denn der Inhalt seiner Schilderung? Arminius vor dem Vergessen bewahren? Dafür brauchte er nicht jede Menge Zeitbezüge ausführlich einzuflechten, schon gar nicht über mehrere Strophen isländischen Bäuerinnen sizilianische Kleider anzudichten. Und das ist keine Überlieferung sondern stammt vom Dichter selbst; den die beschriebene Mode war zur Zeit der Abfassung des NL in Sizilien gerade up to date.
 
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