Attila, der Hunne

Es scheint so, als ob die neuere Forschung das Hunnische inzwischen ziemlich eindeutig als Turksprache klassifiziert. Dieser Ansicht ist z.B. István Bóna, Professor der Ur- u. Frühgeschichte an der Universität Budapest. Er schreibt:

Im Gegensatz dazu Gottfried Schramm in "ein Damm bricht" [1997]:

1. Die sprachliche Spur der Hunnen
Dem Turkologen Gerhard Doerfer verdanken wir die Einsicht, daß die Sprache der Führungsethnie des europäischen Hunnenreiches im 4. und 5. Jh. n. Chr. nicht, wie meist und zunächst auch von mir angenommen, den altaischen Idiomen zugehörte. Keine noch heute existierende Sprache setzt, wie wir als wahrscheinlich endgültige Lösung einer vielumstrittenen Frage hinnehmen müssen, das Hunnische fort oder steht mit ihm in einem nur irgendwie zu erhärtenden Verwandtschaftsverhältnis. Dieses Negativergebnis scheint mir allen früheren Stellungnahmen zum gleichen Problem darin überlegen zu sein, daß es aus einer sehr gründlichen Vorüberlegung heraus entwickelt ist. Sorgfältig wurde bedacht, welche Irrtümer in einem Bereich mit wenig festen Anhalten naheliegen und wie man ihnen durch methodische Achtsamkeit entgehen kann. Ein besonders typischer Fehler: man erklärt die Trümmer von unbekannten Sprachen aus irgendwelchen bekannten Idiomen, obwohl sich in einfachen Kontrol-lexperimenten zeigen läßt, daß ein paar Namen und Sprachbrocken, wenn man will, aus jeder beliebigen Zunge gedeutet werden können, aus dem Eskimoischen ebenso gut wie aus dem Baskischen.


Dem von ihm beschriebenen Fehler scheint so mancher Sprachwissenschaftler anheim zu fallen....
 
Das ist ein interessanter Hinweis zu/von Schramm, wobei mich so ein Kontrollexperiment im Einzelnen auch interessieren würde.
 
Im Gegensatz dazu Gottfried Schramm in "ein Damm bricht" [1997]:

@ Stilicho: Eine interessante Information! :winke:

Da zeigt sich erneut die unter Historikern und Sprachwissenschaftlern bis heute umstrittene Herkunft der hunnischen Sprache. Der von mir weiter oben zitierte Istvan Bona spricht sich für ein türkisches Idiom aus, belegt das auch, und sagt damit das genaue Gegenteil vom dir zitierten Turkologen Gerhard Doerfer bzw. Gottfried Schramm. Allerdinsg vermeiden die beiden eine konkrete Aussage darüber, welche Sprache die Hunnen (oder der hunnische Stammeskern) nach ihrer Meinung gesprochen haben.

Ich bin nach wie vor der Meinung, dass es sich um eine altaische Sprache gehandelt haben muss, geht man einmal von den Namen und Titeln des führenden hunnischen Adels aus. Einschränkend hierzu allerdings ein Zitat aus dem Wiki-Artikel "Hunnische Sprache":

Die Antwort ist, dass wir diese Sprache oder Sprachen - abgesehen von Eigennamen, einigen Titeln und ganz vereinzelt in anderssprachigen Texten überlieferten Wörtern - nicht kennen. Dabei ist bekannt, dass gerade in der sog. Völkerwanderungszeit Namen und Titulaturen durch verschiedene ethnische Gruppen gewandert sind, so dass sie keinerlei Aufschluss über genetische Beziehungen eines kaum greifbaren linguistischen Phänomens - der "hunnischen" Sprache - geben können. (Vergleichbar ist die Situation bei der "awarischen Sprache".)
Hunnische Sprache ? Wikipedia

Der hier schon öfter zitierte Sprachwissenschaftler Harald Haarmann hält eine türkische Herkunft des Hunnischen für erwisen:

Obwohl sprachliche Zeugen des Hunnischen äußerst spärlich sind und sich fast ausschließlich auf Namensmaterial beschränken, lässt sich dennoch mit Sicherheit feststellen, dass das Hunnische eine sehr frühe individuelle Sprachvariante des türkischen Sprachzweigs der altaischen Sprachfamilie war - die älteste bekannte türkische Einzelsprache,

(Harald Haarmann, Lexikon der untergegangenen Sprachen, München 2002, S. 94)
 
Zuletzt bearbeitet:
Die Frage ist natürlich, ob man mit Haarmann, der kein Turkologe ist und dessen Werk zu einem Großteil eben nicht an das wissenschaftliche Fachpublikum, sondern an ein Laienpublikum gerichtet ist - was seine fachlichen Leistungen nicht schmälert -, hier die abschließend beurteilende Instanz sein kann, zumal wir von ihm ja kein Argument lesen.
 
Die Frage ist natürlich, ob man mit Haarmann, der kein Turkologe ist und dessen Werk zu einem Großteil eben nicht an das wissenschaftliche Fachpublikum, sondern an ein Laienpublikum gerichtet ist - was seine fachlichen Leistungen nicht schmälert -, hier die abschließend beurteilende Instanz sein kann, zumal wir von ihm ja kein Argument lesen.

Haarmann ist oft problematisch. Bei ihm gibt es nie ein "möglicherweise" oder "vielleicht", sondern nur absolute Sicherheit. Und das zu allen Sprachen dieser Welt, lebenden, ausgestorbenen und auch gänzlich unbekannten.
Besonders unangenehm wird es, wenn er Fachkollegen, die abweichende oder gegenteilige Meinungen vertreten, nicht mit Argumenten, sondern nur mit Spott und Hohn gegenüber tritt. Das stößt einem bei der Lektüre wirklich übel auf, wie etwa in seinem aktuellen Buch über die Donauzivilisation, deren Zuordnung ja durchaus nicht unumstritten ist.
 
Die Frage ist natürlich, ob man mit Haarmann, der kein Turkologe ist und dessen Werk zu einem Großteil eben nicht an das wissenschaftliche Fachpublikum, sondern an ein Laienpublikum gerichtet ist - was seine fachlichen Leistungen nicht schmälert -, hier die abschließend beurteilende Instanz sein kann, zumal wir von ihm ja kein Argument lesen.

Es ist ja offensichtlich, dass die Herkunft der hunnischen Sprache in der Forschung umstritten ist, was die bereits zitierten Istvan Bona, Gerhard Doerfer und Harald Haarmann deutlich zeigen, eine Liste, die sich sicherlich fortsetzen ließe. Gegenwärtig gibt es drei Hypothesen zur Identität des Hunnischen:

1. Die türkische Hypothese

2. Die proto-mongolische Hypothese

3. Die Hypothese einer unbekannten und erloschenen Sprache.

Da in den vergangenen Jahrzehnten jeder hunnische Sprachrest mehrfach gewendet und interpretiert wurde, ist es unwahrscheinlich, dass in der Forschung jemals Einigkeit erzielt werden kann.
 
Haarmann ist oft problematisch. Bei ihm gibt es nie ein "möglicherweise" oder "vielleicht", sondern nur absolute Sicherheit. Und das zu allen Sprachen dieser Welt, lebenden, ausgestorbenen und auch gänzlich unbekannten.
Besonders unangenehm wird es, wenn er Fachkollegen, die abweichende oder gegenteilige Meinungen vertreten, nicht mit Argumenten, sondern nur mit Spott und Hohn gegenüber tritt. Das stößt einem bei der Lektüre wirklich übel auf, wie etwa in seinem aktuellen Buch über die Donauzivilisation, deren Zuordnung ja durchaus nicht unumstritten ist.
Da ist er leider nicht der einzige. Bei manchen Autoren lässt sich fragen, was das noch mit Forschung zu tun haben soll. Behauptungen nur der Selbstherrlichkeit wegen stehen der Wahrheitsfindung nur im Wege, und können einem den Appetit auf Geschichte gründlich verderben.

Zum Phänomen Attila der Superhunne möchte ich nur noch hinzufügen, dass die Erklärung der Ähnlichkeit des Namens mit angeblich Gotischem sich an sehr dünne Fäden krallt, und dass das filigrane Konstrukt eigentlich nur durch ihre Beständigkeit fasziniert.

Andererseits weiß man auch vom Gefüge der sog. ‘Turksprachen’ jämmerlich wenig.(sie werden aber zu den altaischen Sprachen gezählt...) Doch immerhin wissen wir zumindest, dass Attila ein aus Osten hereingestürmter Hunnenführer war, wodurch die Annahme, sein Name stamme aus einer altaischen Sprache, auch ohne Sprachakrobatik nachvollziehbar ist.
 
Zum Phänomen [...] möchte ich nur noch hinzufügen, dass die Erklärung der Ähnlichkeit des Namens mit angeblich Gotischem sich an sehr dünne Fäden krallt, und dass das filigrane Konstrukt eigentlich nur durch ihre Beständigkeit fasziniert.
Positiv belegt ist die gotische Form Atta für Vater und das gotische Diminutivsuffix -ila (Wulfila, Totila, Badila). Das sind alles andere als "dünne Fäden" oder ein "filigranes Konstrukt", zumal wir historisch überliefert haben, dass Gotisch im hunnischen Großverband, der ja ethnisch nicht auf die Hunnen beschränkt war sondern eine ganze Reihe ostgermanischer Gruppen umfasste, neben Latein und dem eigentlichen Hunnischen eine der linguae francae war.
Sowohl durch die linguistische gotische Überlieferung als auch durch die lateinische und griechische historische Überlieferung ist daher die gotische Namenserkärung linguistisch sehr viel näher liegend, als eine türkische, die morphologisch, so wie uns der Name vorliegt, einfach nicht passend ist. Hätte der Name eine türkische Form gehabt, wäre er nämlich als Namenssuffix eine lateinische oder griechische Endung, explizit ein grammatisches Morphem mit dem eindeutigen Marker maskuline Person zu erwarten. Also *Etilus/*Etilos.
Heißt das jetzt, dass der Name unbedingt gotischer bzw. ostgermanischer Herkunft gewesen sein muss? Nein. Aber es ist äußerst wahrscheinlich und alle bisher geäußerten Alternativen sind eher unwahrscheinlich.
 
Zuletzt bearbeitet:
El Quijote, versteh mich nicht falsch: ich will hier nichts erstreiten. Auch liegt mir Attila keineswegs persönlich irgendwie am Herzen, ganz im Gegenteil eigentlich; Europa wäre ganz gut ohne ihn ausgekommen. Es geht mir lediglich um die einseitige Betrachtungsweise.

So wehre ich mich gegen die Hinstellung türkischer Linguisten mit anderer Meinung als “Nationalisten”, während Grimms romantisch germanisierenden Fantastereien Glaubwürdigkeit geschenkt wird. Dass das heutige Türkisch recht wenig mit dem Alttürkischen zu tun hat, wissen wir (warum also nur hier nach Suffixen suchen?). Dass die Türken aber einen besseren Zugang zum Alttürkischen haben, sollten wir ihnen zugestehen. Auch den Ungarn darf mehr Vertrauen geschenkt werden - immerhin haben sie min. 300 Wörter, die mit dem Türkischen verwandt sind, und ihre Grammatik steht altaischen Sprachen sehr nah. Bezweifle stark, dass Grimm die leiseste Ahnung von diesen Sprachen hatte.

Vielleicht sollte ich nochmals auf das ‘Etelgebiet’ hinweisen, das von Konstantin VII. mit “Atalkuzu” bezeichnet wurde, wobei “-kuzu” ein Possessivsuffix ist, gleich “-köz” im ung. “Etelköz”. Heute wird sogar vermutet, dass “Etel”, bzw. “Atil”, “Etil” wahrscheinlich irgendwann mal schlicht “Fluss” bedeutet hatte, oder zumindest eine Abwandlung des Wortes darstellt, sodass “Vaterland” u.ä. Übersetzungen eher wegfallen.

Attila wird im Ungarischen übrigens eindeutig als “Atilla” ausgesprochen und auf türkisch auch dementsprechend geschrieben, muss aber deswegen nicht gleich zum “Väterchen” gemacht werden. Ja, mit dem Suffix “-a” hab’ ich noch etwas Mühe... :D
 
Zuletzt bearbeitet:
Es geht mir lediglich um die einseitige Betrachtungsweise.

Ob Attila nun wirklich von dem Kompositum Atta + ila herkommt, sei mal dahingestellt. Aber die Feststellung, dass dem so sei, ist keine einseitige, sondern eine vernünftige Betrachtungsweise. Fakten sind entweder welche, oder eben nicht. Man kann ihnen aber nicht Einseitigkeit vorwerfen. Sowohl morphologisch als auch historisch spricht jedenfalls vieles für eine gotische Herkunft dieses Namens und wenig dagegen.

So wehre ich mich gegen die Hinstellung türkischer Linguisten mit anderer Meinung als “Nationalisten”, während Grimms romantisch germanisierenden Fantastereien Glaubwürdigkeit geschenkt wird.

Das ist es ja gerade: Grimm hat sich damals auf Fakten gestützt, die bis heute gelten, nicht auf Phantastereien, wie du ihm vorwirfst. Niemand hat aber deswegen versucht, aus Attila etwa einen Germanen zu machen und ihn völkisch zu vereinnahmen.

Dass das heutige Türkisch recht wenig mit dem Alttürkischen zu tun hat, wissen wir (warum also nur hier nach Suffixen suchen?).Dass die Türken aber einen besseren Zugang zum Alttürkischen haben, sollten wir ihnen zugestehen. Auch den Ungarn darf mehr Vertrauen geschenkt werden - immerhin haben sie min. 300 Wörter, die mit dem Türkischen verwandt sind, und ihre Grammatik steht altaischen Sprachen sehr nah. Bezweifle stark, dass Grimm die leiseste Ahnung von diesen Sprachen hatte.

Darauf kommt es weniger an, als auf die harten Fakten, von denen lese ich bisher wenig. Historisch und morphologisch jedenfalls, auch vom lateinischen und griechischen Standpunkt aus, die kaum ein nichtetymologisches -a angehängt hätten, um eine männliche Person zu kennzeichnen, sondern ein -us/-os, habe ich bisher kein überzeugendes Argument gelesen.

Vielleicht sollte ich nochmals auf das ‘Etelgebiet’ hinweisen, das von Konstantin VII. mit “Atalkuzu” bezeichnet wurde, wobei “-kuzu” ein Possessivsuffix ist, gleich “-köz” im ung. “Etelköz”. Heute wird sogar vermutet, dass “Etel”, bzw. “Atil”, “Etil” wahrscheinlich irgendwann mal schlicht “Fluss” bedeutet hatte, oder zumindest eine Abwandlung des Wortes darstellt, sodass “Vaterland” u.ä. Übersetzungen eher wegfallen.
Nun soll der arme Mann also 'Fluss' geheißen haben?

Attila wird im Ungarischen übrigens eindeutig als “Atilla” ausgesprochen

Ich kann mir nun schwer vorstellen, was das heißen soll, dass Attila im Magyarischen "Atilla" ausgesprochen werden soll. Nach welchen phonetischen Kriterien wird er "Atilla" ausgesprochen? Und vor allem: Wieso sollte das irgendeine Bedeutung für die Frage haben, aus welcher Sprache der Name stammt, schließlich wurden die Hunnen erst im hohen Mittelalter zunächst durch die lateinische Christenheit mit den Magyaren gleichgesetzt (daher der Name Ungarn) und haben die hunnische Geschichte dann schließlich, selber christianisiert, für sich vereinnahmt und damit eben auch Namen wie Attila und Ildiko.
 
Ich kann mir nun schwer vorstellen, was das heißen soll, dass Attila im Magyarischen "Atilla" ausgesprochen werden soll. Nach welchen phonetischen Kriterien wird er "Atilla" ausgesprochen?
Eben, das ist es ja, nach gar keinen - während der Ungar schreibt wie er spricht, ist “Attila” die ganz große Ausnahme.


Und vor allem: Wieso sollte das irgendeine Bedeutung für die Frage haben, aus welcher Sprache der Name stammt, schließlich wurden die Hunnen erst im hohen Mittelalter zunächst durch die lateinische Christenheit mit den Magyaren gleichgesetzt (daher der Name Ungarn) und haben die hunnische Geschichte dann schließlich, selber christianisiert, für sich vereinnahmt und damit eben auch Namen wie Attila und Ildiko.
Gut, das ist eine allgemein übliche Annahme. Doch wie erklärst Du den Trieb der Ungarn um 1190(!), sich die hunnische Geschichte anzueignen?


Darauf kommt es weniger an, als auf die harten Fakten, von denen lese ich bisher wenig. Historisch und morphologisch jedenfalls, auch vom lateinischen und griechischen Standpunkt aus, die kaum ein nichtetymologisches -a angehängt hätten, um eine männliche Person zu kennzeichnen, sondern ein -us/-os, habe ich bisher kein überzeugendes Argument gelesen.
Harte Fakten gibt es tatsächlich wenige, wenn es um die altaische Sprachen geht (werde aber bez. der Endung “-a” noch etwas suchen). Waren ja auch alte Sprachen, die auch die griechische und die lateinische Sprache mit Sicherheit befruchtet haben...


Nun soll der arme Mann also 'Fluss' geheißen haben?
Eher weniger :D Vielleicht aber als einer der aus jenem Gebiet kommt.
 
Eben, das ist es ja, nach gar keinen - während der Ungar schreibt wie er spricht, ist “Attila” die ganz große Ausnahme.

Du bleibst immer noch sehr wage.

Gut, das ist eine allgemein übliche Annahme. Doch wie erklärst Du den Trieb der Ungarn um 1190(!), sich die hunnische Geschichte anzueignen?

Die Hunnen waren ein mächtiges Reitervolk, welches - aus Sicht des Mittelmeerraumes - irgendwo aus dem Nordosten kam. Das war so ziemlich alles, was die mittelalterlichen Historiographen Lateineuropas aus den antiken Quellen über die Hunnen wussten. Nun kamen aber im 9. Jahrhundert plötzlich die Magyaren und wurden zu einer neuen Bedrohung Lateineuropas.
Die Magyaren waren ebenfalls ein Reitervolk, welches irgendwo aus dem Nordosten kam.
Im Mittelalter war es aber üblich, dass man sich an den vorliegenden Quellen bediente, wenn man etwas beschreiben wollte: Man wusste von den Magyaren, dass sie, wie die Hunnen ein Reitervolk aus dem Nordosten waren, aus mittelalterlicher Sicht war es nur folgerichtig, beide Gruppen zu verbinden. Es gab, wie Hans-Werner Götz in Geschichtsschreibung und Geschichtsbewusstsein im hohen Mittelalter schreibt, kein ausgeprägtes Zeitbewusstsein, was zu solchen anachronistischen Behauptungen führte.
Die Ungarn selbst konnten natürlich, nach ihrer Christianisierung von der Verbindung der hunnisch-ungarischen Geschichte ableiten, dass sie schon immer ein mächtiges Volk waren und schon einmal bis nach Frankreich (Kézai Simonleitet sogar Hispanien vom ungarischen Adelstitel íspan ab und verlegt die katalaunischen Felder bei Orléans, nach Katalonien), vorgedrungen waren, was natürlich auch eine Legitimation beinhaltet: wir sind in die von uns schon einmal eroberten Länder zurückgekehrt.

Eher weniger :D Vielleicht aber als einer der aus jenem Gebiet kommt.

Namen haben ja eine Funktion. Zunächst einmal, dass wir jemanden ansprechen können, über ein "hey du" hinaus. Namen können aber auch sprechend sein, das ist uns ein wenig verloren gegangen. Sie sollen aber vor allem ein Alleinstellungsmerkmal sein. Wenn man aber nun annimmt, dass Attila nach dem Gebiet, aus dem er kam benannt wurde, dann wäre das ziemlich dämlich, weil so ziemlich sein ganzes näheres Umfeld aus diesem Gebiet gekommen wäre. Das macht es ziemlich schwierig mit dem Alleinstellungsmerkmal.
 
Du bleibst immer noch sehr wage.
Was bleibt mir anderes übrig, denn die Ausnahme ist nicht durch phonetische Regeln zu erklären. Eine Erklärung sähe ich z.B. darin, dass der Name zwar aus dem Osten stammt, die Schreibweise hingegen von den schreibwütigen Germanen übernommen worden war. Ein bisschen Ping Pong also..


Die Hunnen waren ein mächtiges Reitervolk, welches - aus Sicht des Mittelmeerraumes - irgendwo aus dem Nordosten kam. Das war so ziemlich alles, was die mittelalterlichen Historiographen Lateineuropas aus den antiken Quellen über die Hunnen wussten. Nun kamen aber im 9. Jahrhundert plötzlich die Magyaren und wurden zu einer neuen Bedrohung Lateineuropas.
Die Magyaren waren ebenfalls ein Reitervolk, welches irgendwo aus dem Nordosten kam.
Im Mittelalter war es aber üblich, dass man sich an den vorliegenden Quellen bediente, wenn man etwas beschreiben wollte: Man wusste von den Magyaren, dass sie, wie die Hunnen ein Reitervolk aus dem Nordosten waren, aus mittelalterlicher Sicht war es nur folgerichtig, beide Gruppen zu verbinden. Es gab, wie Hans-Werner Götz in Geschichtsschreibung und Geschichtsbewusstsein im hohen Mittelalter schreibt, kein ausgeprägtes Zeitbewusstsein, was zu solchen anachronistischen Behauptungen führte.
Die Ungarn selbst konnten natürlich, nach ihrer Christianisierung von der Verbindung der hunnisch-ungarischen Geschichte ableiten, dass sie schon immer ein mächtiges Volk waren und schon einmal bis nach Frankreich (Kézai Simonleitet sogar Hispanien vom ungarischen Adelstitel íspan ab und verlegt die katalaunischen Felder bei Orléans, nach Katalonien), vorgedrungen waren, was natürlich auch eine Legitimation beinhaltet: wir sind in die von uns schon einmal eroberten Länder zurückgekehrt.
Das mit der “Legitimation” find ich ganz gut - einigermaßen einleuchtend, wobei das Königreich bereits seit zwei Jahrhunderten durch den Papst legitimiert war, was auch von Otto III. unterstützt wurde. Nationalstolz hingegen würde ich mit Bedacht diagnostizieren, denn eigentlich immer sofort zur Hand, um die Geschichtsschreibung eines anderen Volkes durch den Kakao zu ziehen. Etwas skeptisch bin ich auch gegenüber der eigenen Trennung der Hunnen von den Ungarn durch die jüngste ung. Geschichtsschreibung. Erscheint mir zu radikal und auch die neuerdings sorgfältig gezogene Linie zwischen altaischen und uralischen Sprachen - fast ein bisschen ein sich abgrenzen Wollen... Aber das ist eine andere, sensible Geschichte.


Namen haben ja eine Funktion. Zunächst einmal, dass wir jemanden ansprechen können, über ein "hey du" hinaus. Namen können aber auch sprechend sein, das ist uns ein wenig verloren gegangen. Sie sollen aber vor allem ein Alleinstellungsmerkmal sein. Wenn man aber nun annimmt, dass Attila nach dem Gebiet, aus dem er kam benannt wurde, dann wäre das ziemlich dämlich, weil so ziemlich sein ganzes näheres Umfeld aus diesem Gebiet gekommen wäre.
Na ja, so dämlich wär’s eigentlich nicht, falls den Namen nur Adlige tragen durften.
 
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Was bleibt mir anderes übrig, denn die Ausnahme ist nicht durch phonetische Regeln zu erklären. Eine Erklärung sähe ich z.B. darin, dass der Name zwar aus dem Osten stammt, die Schreibweise hingegen von den schreibwütigen Germanen übernommen worden war. Ein bisschen Ping Pong also..
es mag kein Beweis im strengen Sinne sein, aber wenn es einen großen polnische Komponisten mit nichtpolnischem Namen geben konnte, dann konnte es auch einen großen Hunnenkönig geben, der eben keinen hunnischen Namen trug ;) - womit ich freilich nicht sagen will, dass Chopi und Attila viel gemeinsam hätten.
...wenn die zahlreichen Sprecher gotischer Sprachen schreibwütig waren, was bleibt uns dann für ein schmückendes Beiwort für die altgriech. und lateinische Sprache? :)

bzgl. der Ungarn: ist es nicht gelegentlich so, dass man nach einer Landnahme Traditionen zusammenschustert (primordiale Tat, Anschluß an ältere Traditionen usw.)? Die pannonische Tiefebene war bis zur Ankunft der Ungarn durchaus ein Sammelbecken (Gepiden, Goten, Hunnen, Awaren usw.) - dass sich die mittelalterlichen Ungarn dann die prominenteste, mächtigste Herkunft andichteten, erscheint mir ganz den Regeln solcher Traditionserfindungen zu folgen -- und sagt nichts über den Namen Attila.
 
es mag kein Beweis im strengen Sinne sein, aber wenn es einen großen polnische Komponisten mit nichtpolnischem Namen geben konnte, dann konnte es auch einen großen Hunnenkönig geben, der eben keinen hunnischen Namen trug ;) - womit ich freilich nicht sagen will, dass Chopi und Attila viel gemeinsam hätten.
Genau, Chopi war ja einer der kreativsten Polen, während sich Atti nur im Morden, Rauben und im Erpressen hervorgetan hatte. Trotzdem wollen alle Atti und lassen Chopin den Polen...


...wenn die zahlreichen Sprecher gotischer Sprachen schreibwütig waren, was bleibt uns dann für ein schmückendes Beiwort für die altgriech. und lateinische Sprache? :)
Schreibwut war auch mehr im Vergleich zu den Ungarn gemeint, die sich wahrscheinlich mit Runen begnügten. Römer und Griechen würd’ ich in dieser Beziehung zu den Selbstverliebten zählen, die ihre Gedanken als unbedingt erhaltenswert einstuften. ;)


bzgl. der Ungarn: ist es nicht gelegentlich so, dass man nach einer Landnahme Traditionen zusammenschustert (primordiale Tat, Anschluß an ältere Traditionen usw.)? Die pannonische Tiefebene war bis zur Ankunft der Ungarn durchaus ein Sammelbecken (Gepiden, Goten, Hunnen, Awaren usw.) - dass sich die mittelalterlichen Ungarn dann die prominenteste, mächtigste Herkunft andichteten, erscheint mir ganz den Regeln solcher Traditionserfindungen zu folgen -- und sagt nichts über den Namen Attila.
Ja, das Multiple Choice in Pannonia stellte tatsächlich ein paar Optionen. Die Frage ist nur, ob eine gewählt worden war, oder ob nicht die liebe Nachwelt hier was unterstellen will. Hat aber mit Attila nur insofern zu tun, dass es dem Namen die zum “tz”-Basteln so wichtige zwei “t” in Frage stellt, bzw. sie als ‘Einlateinisierung’ entlarven könnte.
 
So wehre ich mich gegen die Hinstellung türkischer Linguisten mit anderer Meinung als “Nationalisten”,

Auf den hier diskutierten Sachverhalt trifft das kaum zu. Die türkische Hypothese in bezug auf die Herkunft der hunnischen Sprache ist auch bei seriösen Sprachwissenschaftlern und Historikern verbreitet.

Dass das heutige Türkisch recht wenig mit dem Alttürkischen zu tun hat, wissen wir

Eher ist das Gegenteil der Fall, schaut man sich einmal wichtige Grundwörter im Alttürkischen, Türkischen, Turkmenischen, Usbekischen oder Uigurischen an. Sichtbar wird dabei ebenfalls die enge Verwandtschaft der Turksprachen untereinander.

Auch den Ungarn darf mehr Vertrauen geschenkt werden - immerhin haben sie min. 300 Wörter, die mit dem Türkischen verwandt sind, und ihre Grammatik steht altaischen Sprachen sehr nah. Bezweifle stark, dass Grimm die leiseste Ahnung von diesen Sprachen hatte.

Die große Zahl türkischer Lehnwörter im Ungarischen ist nicht verwunderlich. Immerhin waren die Ungarn auf ihrer Wanderung vom südlichen Ural ins Karpatenbecken längere Zeit Nachbarn und teilweise Unterworfene turkstämmiger Nomadenvölker, von denen sie bis zu 400 Lehnwörter übernahmen. Weitere kommen aus nach Ungarn eingewanderten Gruppen von Petschenegen und Kumanen hinzu.
 
Die große Zahl türkischer Lehnwörter im Ungarischen ist nicht verwunderlich. Immerhin waren die Ungarn auf ihrer Wanderung vom südlichen Ural ins Karpatenbecken längere Zeit Nachbarn und teilweise Unterworfene turkstämmiger Nomadenvölker, von denen sie bis zu 400 Lehnwörter übernahmen. Weitere kommen aus nach Ungarn eingewanderten Gruppen von Petschenegen und Kumanen hinzu.
Gut, wenn ich den Wortschatz eines heutigen einfachen New Yorkers anschaue, der mit einem Wortschatz von 500 Wörtern durchs Leben geht, sind das doch eine Menge, um sie einfach nur als “Lehnwörter” zu klassifizieren.
 
Gut, wenn ich den Wortschatz eines heutigen einfachen New Yorkers anschaue, der mit einem Wortschatz von 500 Wörtern durchs Leben geht, sind das doch eine Menge, um sie einfach nur als “Lehnwörter” zu klassifizieren.

Diese Zahlt türkischer Wörter im Ungarischen gilt in der Sprachwissenschaft als Lehnwortbestand. Ungarisch wird dadurch nicht zu einer türkischen Sprache. Ebenso hat auch das Türkische eine große Zahl von Lehnwörterm aus dem Persischen und Arabischen aufgenommen, ohne dass dadurch Türkisch ein persischer Dialekt würde.
 
Gut, wenn ich den Wortschatz eines heutigen einfachen New Yorkers anschaue, der mit einem Wortschatz von 500 Wörtern durchs Leben geht, sind das doch eine Menge, um sie einfach nur als “Lehnwörter” zu klassifizieren.
kennst du einen Ungarn aus dem Mittelalter, der nur die ca. 300 Lehnwörter beim sprechen benutzt hatte oder einen ungarischen Text aus dem Mittelalter, der nur aus diesen ca. 300 Lehnwörtern besteht? :grübel:
 
kennst du einen Ungarn aus dem Mittelalter, der nur die ca. 300 Lehnwörter beim sprechen benutzt hatte oder einen ungarischen Text aus dem Mittelalter, der nur aus diesen ca. 300 Lehnwörtern besteht? :grübel:
Wäre schwierig. Andererseits nehm’ ich an – auch wenn ich diese Liste nicht kenne – , dass es sich um einfachste Wörter handelt, die mit Sicherheit nicht als zur frühen Neuzeit übernommen gelten können.

Man darf aber auch annehmen, dass einfach gestrickte New Yorker mit wenig Wortschatz durchaus die gleichen Wörter verwenden. Warum hätte der wandernde Ungar damals viel intellektueller sein sollen und einen großen rezeptiven Wortschatz durch die Steppen mit sich geschleppt? Und wie kann ich aus einer Sprache so viele Wörter übernehmen, wenn ich sie nicht brauche? Wie groß kann ein Wortschatz, sagen wir im Domgebiet um 700 n.Chr. gewesen sein?
 
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