Es geht doch nicht um die Kriegsschuld in diesem Thread - die haben ohnehin alle! Zum Kriegführen gehören immer mehr - und keiner der europäischen Staaten hat nur einen Finger gerührt um den Ausbruch zu verhindern, man hat so lange gezündelt bis es brannte! Weder Wien noch St. Petersburg, weder Berlin, Paris noch London haben einen Versuch unternommenm, den nach dem Attentat von Sarajewo Richtung Krieg losfahrenden Zug zu stoppen. Obwohl Sie fast 6 Wochen dazu Zeit gehabt hätten - aber in diesem 6 Wochen gings ja um das höchste Gut für Dummköpfe, um die "Ehre des Vaterlands" und dafür opfert man halt lieber alles als nur ein Jota nachzugeben und als "Schwächling" dazustehen.
(Sie haben aus dieser Lektion gelernt, 25 Jahre später hat man ja alles versucht um einen Krieg zu verhindern nur dann gab es eben den Ungeist der Führung des Dritten Reiches der umbedingt einen solchen wollte).
Aber trotzdem, unser Thema ist hier die Reformierbarkeit der Monarchie und die finde ich war durchaus gegeben. Der "Mährische Ausgleich" war ein Schritt in die richtige Richtung, zwei wesentliche Punkte hätten aber durchgeführt werden müssen um den Vielvölkerstaat in das 20. Jhdt. zu führen:
Eine teilweise Rücknahme des Ausgleichs mit Ungarn 1867:
Die ungarische Reichshälfte war deutlich rückständiger als die österreichische. Während diesseits der Leitha ab 1907 (oder 08, bin ich mir jetzt nicht sicher) das allgemeine, gleiche (Männer-)Wahlrecht herrschte gab es im ungarischen Reichsteil nur das alte Zensuswahlrecht (wer reicher ist dessen Stimme zählte mehr).
Die Regierung in Budapest führte auch - ganz im Gegensatz zur Wiener Regierung - eine strenge Magyarisierungspolitik und unterdrückte die nichtungarischen Minderheiten (Slowaken, Deutschsprachige, Kroaten, Rumänen und Ruthenen).
Eine Verfassungsreform die die Dominanz der Aristokratie zurückdrängt in Richtung parlamentarische Monarchie:
Dieses Problem gabs auch im Hohenzollern-Reich. Die Aristokratie erfuhr im Verhältnis zu ihrer wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Stellung eine krasse Überbewertung sowohl in der politischen als auch militärischen Führung.
Die im Wiener Parlament (dem sog. Reichsrat) vertretenen Parteien - nach der Wahlrechtsfeform durchaus bürgerliche Parteien im modernen Sinn - waren alle (von ein paar wenigen radikalen Deutschnationalen und Jungtschechen abgesehen) staats- als auch kaisertreu eingestellt. Sowohl das bürgerliche Zentrum als auch die Sozialdemokratie (wenn auch in nationale Lager aufgeteilt) wollten zwar eine Reform dieses Staates, den Wunsch nach vollständiger Auflösung findet man aber vor 1914 nicht.
(Und man darf auch eine Tatsache nicht vergessen - Österreich-Ungarn war bis in den Oktober 1918 hinein ein funktionierender Staat.)
Franz Josef war zu alt für eine solche durchgreifende Reform, er hat mit seinen 84 Jahren die er beim Kriegsausbruch hatte einfach nicht mehr alles mitgekriegt was so rund um ihn vorging. Franz Ferdinand hingegen hätte meiner Ansicht nach einerseits zu sehr polarisiert, andererseits auch wohl kaum Macht abgegeben.
Wäre Kaiser Karl hingegen in Friedenszeiten an die Macht gekommen hätte es eine Chance geben können. Trotz seines persönlichen Anstands (den ich ihm zugestehe) war er ein eher schwacher Mensch. Ich glaube (das ist aber meine Spekulation) er hätte sich als Monarch in einem konstitutionell-parlamentarischen System mit einer Verantwortungsverschiebung Richtung Reichsrat durchaus wohlgefühlt und wäre diesen Weg vielleicht auch gegangen.
von einer Tatsache bin ich aber auf jeden Fall überzeugt- Europa und die Welt braucht solche Vielvölkerstaaten wie es Österreich-Ungarn war und die EU heute ist (hoffentlich wird). Es gibt kaum fruchtbareren Boden für Kultur, Zivilisation und Toleranz als solch gründlich durchmischten!