Hallo Paul!
Einige haben sich schon zu Deiner Äußeru8ng bezüglich Deutschösterreich geäußert. Ich denke aber, Deine Stellungnahme verdient auch bezüglich anderer Äußerungen eine Antwort.
Paul schrieb:
Hallo Fischhof,
sicherlich hatte Deutschland Mitverantwortung am Ausbruch des 1. Weltkrieges u. Frankreich, Rußland u. Serbien sicherlich auch.
Hier muß ich mich allgemein an viele im Forum wenden. Natürlich nahmen viele Staaten den großen Krieg in Kauf (es mag auffallen, daß ich in bezug auf den Kriegsausbruch lieber die Verwendung des Begriffes "großer Krieg" statt "Weltkrieg" bevorzuge; dies da wir über eine sogenannte "Kriegsschuld" oder "-verantwortung" strechen und ich nach den bisherigen Quellen nur den Willen oder das Inkaufnehmen eines gesamteuropäischen, nicht aber gleich eines Weltkrieges sehe; der Entwickelte sich dann sozusagen aus Eigendynamik).
Ad Serbien: Eine Kriegsschuld Serbiens sehe ich auf jeden Fall gar nicht. Das Attentat - soviel ist heute inzwischen historische Tatsache - wurde von der serbischen Führung weder in Auftrag gegeben, noch gebilligt, noch wußte sie davon. Einzelne Minister und Militärs, die Mitglieder der "Schwarzen Hand" waren, ja. Aber das Kabinett, die politische Führungsspitze oder gar den Staat als Gesamtheit kann man da nicht verantwortlich machen. Zudem kamen die Attentäter Großteils aus Österreich-Ungarn selber und der von Dir erwähnte "deutschösterreichische" Charakter zumindest des cisleithanisch-österreichischen Teiles der Monarchie trug zur Ablehnung der Monarchie durch die anderen Nationalitäten erheblich bei. Also eine Schuld Serbiens aus dem Titel des Attentat besteht nicht. Und das Ultimatum hatte Serbien mit Ausnahme des einen Pünktelchens - wie Karl Kraus ihn nannte - weit über die Schmerzgrenze der Selbstachtung eines Staates angenommen. Serbien tat damit für den Frieden weit mehr, als man von ihm erwarten konnte.
Ad Rußland: Daß Serbien so weit ging, ist sicher auf das Drängen Rußlands zurückzuführen, wo die längste Zeit im Juli nicht die Falken das Sagen hatten. Daß sie dennoch die Möglichkeit eines Krieges nicht ausschlossen und sich darauf vorbereiteten, kann ihnen auch nicht zum Vorwurf gemacht werden. Einen lokalen Kriegs Österreich-Ungarns gegen Serbien schloß Rußland allerdings kathegorisch aus, anders als z.B. Großbritannien. Die "in Belgrad halt"-Variante gab es nicht und das ist die Verantwortung Rußlands. Denn vor die Wahl gestellt, entweder der große Krieg oder der lokale Krieg Ö-U gegen Serbien, entschied sich - sozusagen - Rußland für den großen Krieg. Nach 1908 durfte Serbien nicht nochmals von Rußland im Stich gelassen werden.
Ad Frankreich: Ähnliches gilt für Frankreich. Daß sie an der Seite Rußlands in den Krieg eintreten würden, ohne wenn und aber, war klar. Daß sie aber den Krieg um jeden Preis wollten, ihn förderten und friedenssichernde Verhandlungen hintertrieben, daß kann bisher zumindest nicht nachgewiesen werden.
Ad Deutschland: Genau das trifft aber auf Deutschland zu. Und nicht nur das, ihre Versuche, einen möglichen lokalen Krieg zum großen Krieg auszuweiten sind inzwischen gut dokumentiert.
Ad Österreich-Ungarn: Sie wollten den lokalen Krieg auch auf die Gefahr eines großen Krieges hin. Auch das läßt sich historisch belegen und wird von der historischen Fachwelt (ich war kürzlich auf einem internationalen Kongreß der österreichischen Landesverteidigungsakademie).
Paul schrieb:
(Österreich/Ungarn zähle ich als Deutsch dominierten Staat zu Deutschland, denn die Führung lebte ja in Deutschösterreich).
Wenn Du von deutsch dominiert sprichst, dann wohl bestenfalls nur bezüglich Österreich, nicht dem Partnerteil Ungarn. Denn der war - wenn Du dich in der Literatur etc. kundig machen willst - ungarisch dominiert. Und deutsch dominiert trifft auch bestenfalls in Österreich auf das von Dir (und nach 1918) sogenannte Deutschösterreich zu. Dies ist grosso modo das heutige Österreich, einschließlich der steiermärkischen und kärtnerischen Gebiete des heutigen Sloveniens. In Böhmen hatten zwar die Deutschen große Vorrechte, jedoch dominiert haben sie die Kronländer Böhmen und Mähren schon lange nicht mehr. Galizien war auf jeden Fall polnisch dominiert Teile des Küstenlandes und Dalmatien italienisch. Im Reichsrat hatten die Slaven seit 1907 eine Majorität und Haus und Hof Habsburg war der sogenannten habsburgischen Nationalität. Die Minister waren zwar Großteils deutscher Muttersprache, aber Polen, Kroaten Tschechen und Polen waren auch keine Seltenheit. Schönerer und Konsorten waren radikal deutsch, hatten aber in Wahlen prozentual gesehen selbst in ihren besten Zeiten geringe Teile der Bevölkerung hinter sich. Österreich war halt ein Vielvölkerstaat. Eine politische Abhängigkeit zu Deutschland bestand, aber was Du willst, ist doch etwas die Geschichte von 1938 aus den Augen des GröFaZ betrachten. Humbug!!!
Paul schrieb:
Frankreich hatte eine besondere Verantwortung für die Kriegsfortsetzung ab 1916, als alle anderen schon einen Verständigungsfrieden suchten, während Frankreich auf der Anektion Elsaß-Nortlothringens bestand u. so einen gerechten Frieden unmöglich machte.
Bitte erlasse uns die lächerlichen Friedensangebote der Mittelmächte, die einzig dazu dienen sollten, den USA Sand in die Augen zu streuen. Deutschland wollte einen Siegfrieden bis 1918. Von wirklichem Friedenswillen in Deutschland kann wohl nicht vor September/Oktober 1918 gesprochen werden und dann auch nur, weil nun der Krieg für es wirklich und komplett verloren war.