Zum Ende der legio IX Hispana
von Werner Eck
Eines der am heftigsten umstrittenen Probleme der Militärgeschichte der römischen Provinz
Britannien ist das Ende der Legio IX Hispana. Seit dem Ende des 19. Jahrhunderts war es die
feste Meinung der Forschung, der Legion sei zu Beginn der Regierungszeit Hadrians von den
aufständischen Britanniern vernichtet worden. Auch E. Ritterling hielt am Untergang der
Einheit auf der britischen Insel zur Zeit Hadrians fest obwohl er erst mal darauf hinwies, dass
der Zeitpunkt später gewesen sein müsse als 119/120 n. Chr. Denn die Laufbahnen einiger
Senatoren, die als tribuni militum laticlavii legionis IX Hispanae gedient hatten, könnten nicht
in die ersten Jahre Hadrians zurückdatiert werden, ohne die Karrieren in unmöglicher Weise
auszudehnen. Insbesondere die Ämterlaufbahn des L. Novius Crispinus Martialis Saturniuns
könne mit ihren Anfängen nicht schon in frühhadrianische Zeit gesetzt werden. Dieser
Senator kann vielmehr höchstens kurz vor dem Jahre 130 Militärtribun bei der Neunten
Legion gewesen sein. Aber erst E. Birley machte darauf aufmerksam, dass die Annahme
keineswegs unbedingt nötig sein, die IX Hispania sei in Britannien vernichtet worden;
vielmehr sprächen auch manche Gründe dafür, dass sie unter Hadrian aus Britannien
abgezogen und möglicherweise im Osten des Reiches eingesetzt worden sei.
Diese seine Meinung, dass die Legion vielleicht vor ihrem Untergang aus Britannien versetzt
worden sei, wurde vor wenigen Jahren unerwartet durch die Archäologie bestätigt. J. E:
Bogaers konnte nämlich durch den Fund eines Legionsziegels und einer Reibschale mit dem
Namen der legio IX Hispana im Legionslager von Nijmegen sehr wahrscheinlich machen, daß
wohl im zweiten Jahrzehnt des zweiten Jahrhunderts n. Chr. diese Einheit zur Besatzung der
Provinz Germania inferior gehört haben muß. Durch den Weihestein, den ein L. Latinius
Macer, p(rimi)p(ilus) leg(ionis) VIIII Hisp(anae) praef(ectus) castr(orum), dem Apollo in
Aachen gesetzt hatte, wurde dieser Befund weiter bestätigt. Damit ist es völlig
unwahrscheinlich geworden, dass die Legion in der Provinz Britannien ihr Ende gefunden hat.
Trotzdem wird diese Meinung auch noch heute vertreten.
Durch das oben publizierte Militärdiplom aus Obermösien wird jedoch die so lang diskutierte
Frage nach dem Ende der legio IX Hispana einer Lösung ziemlich nahe gebracht. Es ist
nämlich durch den neuen Text der Konsulat des Q. Numisius Iunior genau für den 8. Februar
des Jahres 161 n. Chr. bezeugt. Dieser Senator ist aber bereits durch einige andere Inschriften,
unter denen sich auch ein fast vollständiger Cursus befindet, bekannt. In CIL XI 5670 heißt
es: Ilvir(o) a(ere) a(rgento) f(lando) f(eriundo), trib(uno) mil(itum) leg(ionis) VIIII
Hi(spanae), sodali Titiali (Flaviali), qua(e)st(ori) urb(ano), ae(dili) cur(uli), pr(aetori),
(le)g(ato) Aug(usti) leg(ionis) ( - - -) et leg(ionis) VI Victr(icis). Leider ist nicht überliefert, in
welcher amtlichen Funktion Numisius Iunior zwischen dem Kommando über die Legio VI
Victrix in Britannien und dem Konsulat noch tätig war. Allerdings hat eine Untersuchung der
Senatoren von Vespasian bis einschließlich Hadrian gezeigt (und in dieser Hinsicht
unterscheidet sich das Beförderungssystem während der Regierungszeit des Antoninus Pius,
wie sich zeigen ließe, in keiner Weise), dass diejenigen, die als erstes Amt nach der Prätur ein
Legionskommando bekamen und deren Laufbahn man vollständig kennt, fast ausnahmslos
zwischen Legionslegatur und Konsulat nur noch ein oder zwei Ämter erhielten.
Bei zwei Ausnahmen mit drei zusätzlichen Ämtern handelt es sich um Senatoren, die zwei
Legionen befehligt hatten, d.h. nach der zweiten Legion wurden ihnen ebenfalls nur noch
zwei Ämter übertragen. Man kann also mit aller Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass
Mumisius Iunior zwischen Prätur und Konsulat insgesamt drei oder vier Ämter verwaltete,
somit eine prätorische Dienstzeit von nicht mehr als etwa 10 Jahren hatte. Er müsste also etwa
mit 40 Jarhen zum Konsulat gekommen sein, da seine Laufbahn insgesamt keinerlei
Anzeichen für eine zeitliche Verzögerung erkennen lässt, vielmehr durch das
Münzmeisteramt und die kurlische Ädilität
1 eine gewisse Förderung durch den Kaiser sehr
wahrscheinlich ist. Auch das doppelte Legionskommando, bei einer Einheit, deren Namen
nicht erhalten ist, und bei der legio VI Victrix, die in Britannien lag, kann einen Hinweis auf
die zeitliche Fixierung der prätorischen Laufbahn und damit für den Beginn des Cursus
geben. Der Befehl über zwei Legionen nacheinander lässt fast stets auf eine besonders
kritische Situation schließen, in der ein erfahrener Legat mit dem Befehl über eine Einheit
betraut wurde.
Unter Pius sind in Britannien während der Statthalterschaft des Q. Lollius Urbicus zwischen
139 und 142 schwere Unruhen bekannt, in deren Verlauf der Kaiser zum zweiten Mal zum
Imperator akklamiert wurde. Daß aber Numisius Iunior bereits damals Legat der VI Victrix
gewesen wäre dagegen spricht völlig die Art der Laufbahn, die bei ihm vorliegt und auf deren
wahrscheinliche Entwicklung eben hingewiesen wurde. Nun sind aber gerade in den letzten
Regierungsjahren des Antoniunus Pius heftige Kämpfe in Britannien zu vermuten, so dass
unter dem Legaten Cn. Iulius Verus Vexillationen der germanischen Legionen eingesetzt
werden mussten. Cn. Iulius Verus war seit etwas 154/155 konsularer Statthalter von
Britannien.
Diese Unruhen können die Ursache gewesen sein, Numisius Iunior, der sich schon bei einer
anderen Legion bewährt hatte, das Kommando über die legio VI Victrix anzuvertrauen.
Danach dürfte er vielleicht nur noch ein Amt vor dem Konsulat erhalten haben, am ehesten
eine prätorische kaiserliche Statthalterschaft oder die praefectura aerari Saturni. Den Posten
eines triumvir monetalis hat Numisius mit etwa 18 bis 20 Jahren eingenommen, und
anschließend, wohl kaum vor dem 20. Lebensjahr, wurde er tribunus laticlavius der IX
Hispania, also nicht vor etwas 140/141. Da E. Birley aber auch nachweisen konnte, dass ein
Legionstribunat häufig bis zu 3 Jahren dauerte, ist es zusätzlich gesichert, dass Numisius auf
jeden Fall unter Antonius Pius Tribun bei der IX Hispania gewesen ist. Damit hat die Legion
aber zu Beginn der Regierungszeit dieses Kaisers noch existiert und kann nicht etwas im
Judenkrieg Hadrians vernichtet worden sein.
Fragt man sich nun, wann die Legion ihren Untergang gefunden haben kann, so scheiden m.
E. die Regierungsjahre des Antonius Pius aus. Denn obwohl unter ihm an zahlreichen
Punkten des Reiches gekämpft wurde, insbesondere in Britannien und Mauretanien, verbieten
es doch die Nachrichten über die militärischen Unternehmungen zwischen 138 und 161 n.
Chr., die Vernichtung einer ganzen Legion zu vermuten. So bleibt als die wahrscheinlichste
und nunmehr noch mehr gesicherte Lösung der Vorschlag E. Birleys, die legio IX Hispania
sei vielleicht mit der Legion identisch, die nach dem Zeugnis des Cassius Dio (71,2,1)
unmittelbar zu Beginn der Regierungszeit Mark Aurels von dem Partherkönig Vologaeses in
Elegeia am Euphrat mit allen Offizieren und dem Statthalter von Kappadokien, Sedatius
Severianus, vernichtet worden war. Dann muß aber auch geschlossen werden, dass die
Provinz Kappadokien zumindest für einige Zeit unter Antoniunus Pius eine Besatzung von 3
Legionen hatte. Ob etwas bereits die Einfälle der Alanen unter der Statthalterschaft des L.
Flavius Arrianus oder erst die Drohung der Parther am Ende von Pius’ Lebenszeit die
Verlegung erforderlich machten, muß eine offene Frage bleiben.