Der Erste Weltkrieg und seine Bedeutung in der heutigen Zeit.

Russland hatte am Abend (fast schon in der Nacht) des 29. Juli die Teilmobilmachung befohlen, aber nur wenig später, am morgen des 31. Juli dann auch doch die Generalmobilmachung.

Da unterschlägst du so ein Bisschen den Umstand, dass Wien bereits am 28. Juli Serbien den Krieg erklärt hatte.

Selbst dieser Schritt von Seiten Wiens, der über die Vereinbarung bei Mobilmachung eines der Dreibundpartner aktiv zu werden deutlich hinausging, führte nicht automatisch zur vollständigen Mobilmachung Russlands, sondern nur zu einer Teilmobilmachung und im Hinblick auf Frankreich hatte es keine unmittelbaren Folgen.

Die Mobilmachung Frankreichs wurde um 15 Uhr am 1. August beschlossen, noch kurz vor der deutschen Mobilmachung und der deutschen Kriegserklärung an Russland.

Allerdings, nachdem Deutschland Vermittlungsversuche blockiert und zu verstehen gegeben hatte, dass es auf Eskalation aus war, zumal Moltke und Falkenhayn ja bereits vorher inoffizielle Maßnahmen zur Mobilisierungsvorbereitung verfügt hatten und entsprechende Gerüchte kursierten.

Vermutlich hätte es den Krieg auch nicht verhindert, wenn es bei der russischen Teilmobilmachung geblieben wäre,

Schon deswegen nicht, weil bereits diese Berlin mächtig unter Druck setzte, weil so etwas in den Planungen nicht vorgesehen war.

Ist allerdings für die Frage ob da im Juli 14 ein Automatismus griff, der im Französisch-Russischen Zweibundvertrag so angelegt war, nicht von Bedeutung.

Es ist ja durchaus nicht so, als wäre es von Österreichischer Seite her bei Mobilisierung geblieben und als wäre Frankreich sofort auf den Zug aufgesprungen, das passierte erst als sich abzeichnete, dass Berlin für eine friedliche Lösung der Krise und ein mäßigendes Einwirken auf Wien nicht zu haben war und als bereits Gerüchte über die deutsche Mobilmachung kursierten (teilweise berichteten ja wohl selbst einige Zeitungen davon).
 
Da unterschlägst du so ein Bisschen den Umstand, dass Wien bereits am 28. Juli Serbien den Krieg erklärt hatte.

Nun ja, Österreich hatte Serbien den Krieg erklärt; nicht Russland. Und wenn ich jetzt ohne die Literatur zu konsultieren mit korrekt erinnere, hatte Russland "technische" Problem mit seiner Teilmobilmachung gegen ÖU; ging nämlich gar nicht. Es lief dann halt auf eine volle Mobilmachung hinaus.

Betrachten wir doch einmal die Lage für Russland Ende Juli.

Das Deutsche Reich, genauer Wilhelm, trat in die von Zar Nikolaus am 28.Juli angeregte Vermittlung ein.

Poincare sagte den Russen schon einmal vorsorglich definitive Unterstützung zu; Bündnisfall war zwar nicht gegeben, das Russland nicht bedroht wurde und auch nicht angegriffen werden sollte, aber egal.

Wilhelm II. wollte seit Kenntnis der serbischen Antwortnote Wien beschwichtigen, er sah keinen Grund mehr für den Krieg, und die Russen begannen mit der Mobilmachung. Wilhelm erreichte eine kurzzeitige Unterbrechung der Mobilmachung.

Und was taten Sasonow, Suchomlinow und Januschkewitsch? Es wurde sich massiv darum gekümmert, das schnellstens wieder die Mobilmachung in Gang gesetzt wird und das wurde auch bei Zaren erreicht. Im Prinzip war man zu jenem Zeitpunkt gar nicht mehr so weit von einer Lösung entfernt.
 
Allerdings, nachdem Deutschland Vermittlungsversuche blockiert und zu verstehen gegeben hatte, dass es auf Eskalation aus war, zumal Moltke und Falkenhayn ja bereits vorher inoffizielle Maßnahmen zur Mobilisierungsvorbereitung verfügt hatten und entsprechende Gerüchte kursierten.

Du meinst die Konferenz, in der Deutschland problemlos majorisiert werden konnte?

In Deutschland wurde erst ab dem 01.August mobil gemacht. Moltke und Falkenhayn waren Kriegstreiber in der Endphase der Krise; volle Zustimmung.
 
Die Staatsmänner Russlands und Frankreich wollten wohl für jede nur denkbare und undenkbare Maßnahme über entsprechende Abmachungen verfügen.

Womit sie jedenfalls mal etwas weitsichtiger Agierten, als die Dreibundpartner (die völlig schwammige Kompensationsklausel, du weißt, worauf ich hinaus will).

Italien zählte aber der Jahrhundertwende schon nicht mehr richtig dazu. Und es hatte es 1896 in Adua bis auf die Knochen blamiert. Also ja, Italien kann man getrost vergessen. Russland hat sich 1914 nun auch nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Die Frage ist, wie sich die Österreicher geschlagen hätten, wenn sie, so wie es der Aufmarschplan eigentlich vorgesehen hatte, geschlagen hätte.

Ich denke, dass man nicht darüber zu diskutieren braucht, dass die Österreicher, so lange die Dinge in Russland einigermaßen vernünftig gingen, 1905 folgend einmal abgesehen (aber das konnte 1894 als der Vertrag geschlossen wurde nicht vorweggenommen werden) kaum eine Chance gehabt hätten im Alleingang einen erfolgreichen Krieg gegen Russland zu führen.
Vielleicht wäre das weniger katastrophal ausgegangen, aber die Wahrscheinlichkeit, dass Wien ohne Berliner Rückendeckung einen Angriff auf Russland versucht hätte, wird man für recht gering halten dürfen.

Die französischen und russischen Staatsmänner trauten Deutschland jede Schlechtigkeit zu

Die Französischen ja, aber bei den Russischen sehe ich das offengestanden nicht, jedenfalls mal nicht vor 1908.
(und komm mir bitte nicht mit Gortschakow und seinen Einlassungen zu Bismarck, sind mir bekannt).

Deutschland und Österreich waren in ihrer Abmachung deutlich zurückhaltender und beschränkten sich auf einen konkreten russischen Angriff. Es ist m.E. nach ein erheblicher Unterschied.

Meiner Meinung nach nicht so unbedingt, es hielt Deutschland einfach die Option offen sich von der Wiener Balkanpolitik abzusetzen.

Ansonsten, denke ich, muss man der Verschiedenartigkeit des Machtgefüges Rechnung tragen:

Deutschland war die stärkste Landmacht Europas, danach Frankreich, Russland (über die Reihenfolge der Beiden kann man streiten), Österreich-Ungarn und Italien, letztere zwei deutlich abgeschlagen.

Daraus geht hervor, dass Russland und Frankreich, so lange es nicht dezidiert gegen Deutschland ging auf sich selbst gestellt einigermaßen hadlungsfähig waren, Österreich-Ungarn und Italien dagegen deutlich weniger.

Entsprechend ist die Vorstellung, dass wenn Östrreich-Ungarn oder Italien aus der eigentlich schwächeren Position heraus Krieg sucht offiziell oder inoffiziell Berlin bereit war, das mindestens zu decken, nicht ganz von der Hand zu weisen.

Für Deutschland kam noch das Problem der Mittellage hinzu.
Dadurch, dass es sowohl an Frankreich, als auch an Russland grenzte, konnte eine deutsche Mobilmachung natürlich zu beiden Seiten hin provokant wirken, auch wenn sie nur gegen eine der beiden Seiten gerichtet war.
So gesehen bstand natürlich erhebliche Eskalationsgefahr, wenn sich Deutschland verpflichtete bereits deutlich vor Ausbruch eines Krieges zu mobilisieren, zumal es über das Mobilisationstempo einen etwaigen Forsprung im Besonderen Russlands ausgleichen konnte.

Ich denke diese Faktoren sollte man berüksichtigen, wenn man erklären möchte, warum die beiden Bündnisse verschieden strukturiert waren.
 
Die strategische Bedrohung war doch schon 1902 mit dem Bündnis zwischen Italien und Frankreich erledigt.

Welches Bündnis? Wenn du von dem damaligen Neutralitätspakt sprichst, natürlich, der lag theeoretisch auf dem Tisch, aber wer konnte so genau wissen, was der wert war?
Italien hatte 1902 die französischen Kredite sicher gerne genommen, aber dass es sich sklavisch an diese Neutralitätsvereinbarung gehalten hätte, wenn es Aussicht gehabt hätte, sich durch anderes Handeln Korsika und Tunis zu holen, halte ich für spekulativ.

Dem könnte ich jetzt entgegenhalten, dass es theoretisch auch mit Deutschland und Österreich verbündet war, was es 1915 nicht daran hinderte sich von der Entente mit Territorien ködern zu lassen.
Warum hätte das nicht auch andersherum funktionieren sollen, wenn sich die Gelegenheit geboten hätte?

Ich habe die Inhalte des Bündnisses referiert und nicht die Wahrscheinlich ob und wann die genannten Fälle eventuell eintreten

Du hast nicht nur die Inhalte referiert, sondern dich auch zu einer Wertung eingelassen, welches du nun für defensiver angelegt hältst und dieser Wertung habe ich widersprochen.

Der Dreibund wurde 1882 begründet und zu jenem Zeitpunkt war noch keine Rede von einem russisch-französischen Bündnis. Zu jener Zeit war das Zarenreich noch mit Deutschland und Österreich-Ungarn verbunden.
Wenn ein eventueller französischer Angriff soo unwahrscheinlich gewesen war, weshalb hat Bismarck denn so viel Wert darauf gelegt, das Wien und Berlin mit Rom so eine Vereinbarung abschließen?

Wie ich Bismarck verstehe hat er vor allem das Bündnis mit Österreich gesucht um Frankreich keinen Partner für eine Revanche zu geben, was für den Moment klug und auf Dauer verheerend war.
Italien musste sich dazu irgendwie verhalten und wegen der eigenen Probleme mit Frankreich kam das sicher nicht ungelegen.

Ob Frankreich 1882 ein alleiniges Vorgehen gegen Italien gewagt hätte, dass sie dahingestellt, gegen Deutschland wohl kaum.

So wie ich den Dreibung und überhaupt den vorherigen Zweibund verstehe ging es mehr darum Österreich als potentiellen Partner Frankreichs durch Bündnis auszuschalten als einer konkreten allein von Frankreich ausgehenden Bedrohung entgegen zu wirken.

Allerdings, da du bereits erwähnt hattest, dass die französisch-russische Kooperation hier noch nicht bestand, sollten wir an dieser Stelle vielleicht einmal darüber reden, inwiefern der fortgesetzte Bestand des Dreibunds obwohl der sicherheitspolitisch wahrscheinlich nicht notwendig gewesen wäre unter der Berücksichtigung der demographischen und industriellen Entwicklung Deutschlands die Bildung eines Gegenblock geradezu heraufbeschwor und welche Aktien damit Deutschland und ganz konkret Bismarck, möglicherweise an der zerfahrenen bündnispolitischen Situation der folgenden Zeit hatte?
 
Die Französischen ja, aber bei den Russischen sehe ich das offengestanden nicht, jedenfalls mal nicht vor 1908.
bauten die Nowogeorgiewsk (Modlin), Iwangorod (Deblin), Warszawa, Zegrze, Militärzentrale in Legionowo zwischen Nowogeorgiewsk, Zegrze, Warszawa, Łomża, Ossowiecz, Pułtusk weil się ihren Nachbarn deutsches Reich für einen Landstrich voller Gänseblümchen, die von Friedenstäubchen abgeerntet werden, hielten? ;)
Die Rüstungsspirale in Europa setzte in der 1. hälfte des 19. Jh. ein und verstärkte sich ab der Brisanzkrise.
 
bauten die Nowogeorgiewsk (Modlin), Iwangorod (Deblin), Warszawa, Zegrze, Militärzentrale in Legionowo zwischen Nowogeorgiewsk, Zegrze, Warszawa, Łomża, Ossowiecz, Pułtusk weil się ihren Nachbarn deutsches Reich für einen Landstrich voller Gänseblümchen, die von Friedenstäubchen abgeerntet werden, hielten?

Habe ich behauptet, dass man von russischer Seite her Deutschland für Friedenstäubchen gehalten hätte?
Natürlich musste man als militärischer Partner Frankreichs mit der Möglichkeit eines Krieges gegen Deutschland rechnen und Grenzverlauf und Mobilisierungsgeschwindigkeiten Rechnung tragen, darum geht es nicht.

Ich sage lediglich, dass ich in der Russischen Politik nicht das gleiche Maß an Misstrauen gegenüber Deutschland sehe, wie das auf französischer Seite her der Fall war, außer vielleicht bei den Panslawisten.
 
Ich sage lediglich, dass ich in der Russischen Politik nicht das gleiche Maß an Misstrauen gegenüber Deutschland sehe, wie das auf französischer Seite her der Fall war, außer vielleicht bei den Panslawisten.
einigen wir uns doch einfach auf die Menge von Misstrauen auf russischer Seite, die in den Jahren ca 1850-1908 zum Bau der erwähnten Festungen führte :) und ja, das ist kein ganz so großes Misstrauen wie jenes, dass zum "eisernen Riegel" auf französischer Seite geführt hatte (verständlicherweise, denn Russland hatte 1870/71 nicht die französischen Erfahrungen gemacht, aber sich bei deutschen Militäringenieuren etliches know how geholt)
 
Meiner Meinung nach nicht so unbedingt, es hielt Deutschland einfach die Option offen sich von der Wiener Balkanpolitik abzusetzen.

Das war so gewollt. Das lag auch genau in der Intention Bismarcks. Wien wollte sich ja auch nicht zu einer Beistandspflicht für einen Angriff Frankreichs verstehen.

(und komm mir bitte nicht mit Gortschakow und seinen Einlassungen zu Bismarck, sind mir bekannt).

Ich darf also Gortschakow nicht bemühen; hatte ich gar nicht vor. Aber das geht in einer Diskussion eigentlich überhaupt nicht, das du mir sagst, was ich nicht nennen soll.
Übrigens gab es auch eine Zeit, in der sich Bismarck und Gortschakow gut verstanden haben. Das ging so weit, das Gortschakow seinen Sohn zu Bismarck in die "Schule" geschickt hatte und Gortschakow Junior bei Familie Bismarck sehr warm aufgenommen wurde.
Ab dem Zeitpunkt, wo der Zweierverband unter Dach und Fach war, die Ära Giers zu Ende war, änderte sich das sukzessive.

Wie ich Bismarck verstehe hat er vor allem das Bündnis mit Österreich gesucht um Frankreich keinen Partner für eine Revanche zu geben, was für den Moment klug und auf Dauer verheerend war.

Das hast du Bismarck falsch verstanden.

Ob Frankreich 1882 ein alleiniges Vorgehen gegen Italien gewagt hätte, dass sie dahingestellt, gegen Deutschland wohl kaum.

Waldersee berichtet nach einem Besuch in Paris, das war 1878, das ab 1882 mit einem Revanchekrieg zu rechnen sei. Leider wird er in seinen Erinnerungen nicht sehr präzise.
Jedenfalls hatte die französische Armee schon 1878 gute Fortschritte der Erholung gemacht gehabt.
Ob die Franzosen gegen Italien marschiert wären; sicher nicht als der Dreibund in Kraft trat. Auch den französischen Staatsmännern ist nicht entgangen, das da was im Busch war. Vor der Begründung des Dreibundes und einen für die Großmächte akzeptablen Anlass, wäre das keine Unmöglichkeit. Die französische Armee war stärker als die italienische.

So wie ich den Dreibung und überhaupt den vorherigen Zweibund verstehe ging es mehr darum Österreich als potentiellen Partner Frankreichs durch Bündnis auszuschalten als einer konkreten allein von Frankreich ausgehenden Bedrohung entgegen zu wirken.

Nein. Nochmal, bei Zweibund ging es in der Abmachung mit Österreich mit Sperrspitze gegen Russland. Grund dafür habe ich schon erwähnt. Eher sollte Russland gemäß Bismarck wieder an die beiden Monarchien herangezogen werden.
Andrassy wollte mit Russland auch wegen 1849 sehr gern "abrechnen". Nur, das klappte nicht.
Im zweiten Teil ging es um Frankreich. Österreich war bezüglich eines französischen Angriffes gegen Deutschland zur Neutralität verpflichtet. Immerhin hatte man so den Rücken frei, aber die Beziehung entwickelte sich so, das an ein Zusammengehen Österreich mit Frankreich gar nicht mehr gedacht wurde.

Allerdings, da du bereits erwähnt hattest, dass die französisch-russische Kooperation hier noch nicht bestand, sollten wir an dieser Stelle vielleicht einmal darüber reden, inwiefern der fortgesetzte Bestand des Dreibunds obwohl der sicherheitspolitisch wahrscheinlich nicht notwendig gewesen wäre unter der Berücksichtigung der demographischen und industriellen Entwicklung Deutschlands die Bildung eines Gegenblock geradezu heraufbeschwor und welche Aktien damit Deutschland und ganz konkret Bismarck, möglicherweise an der zerfahrenen bündnispolitischen Situation der folgenden Zeit hatte?

Aha, Deutschland, genauer dessen industrielle Leistungsfähigkeit und demographische Entwicklung, hatte also diese "unnatürliche" Bündnis zwischen französischer Republik und russischer Monarchie ins Leben gerufen. Das ist eine steile These. Deutschland ist mal wieder schuld. Kernig.
Die Gründe für das russisch-französische Bündnis hatte ich schon genannt.

Bismarck wollte den Rückversicherungsvertrag definitiv verlängern; nur wurde er in zwangsweise Ruhestand versetzt. Natürlich gab es Unstimmigkeit wegen so einiger Fragen, aber sowohl Giers und Bismarck als auch der Wilhelm und Alexander, wollten die Abmachung verlängern. Warum haben die Russen sich wohl noch bis in den Sommer 1890 hinein bemüht, dies zustande zu bringen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Habe ich behauptet, dass man von russischer Seite her Deutschland für Friedenstäubchen gehalten hätte?

Deswegen hatte sie ja auch immer eine nicht unbeträchtliche Anzahl am Truppen an der Grenze ihres Verbündeten. Das hat für so einigen Unmut bei den Deutschen gesorgt.

Ich sage lediglich, dass ich in der Russischen Politik nicht das gleiche Maß an Misstrauen gegenüber Deutschland sehe, wie das auf französischer Seite her der Fall war, außer vielleicht bei den Panslawisten.

Die Panslawisten hatten zufällig so einige Einfluss. Katkow war einer von Ihnen; der konnte schreiben und gegen Deutschland hetzten was das Zeug hält; Stress bekam er deshalb nicht.

Lamsdorff, der Gehilfe Giers, war später, als er selbst Außenminister war, kein Freund Deutschlands mehr. Er, sicher auch andere, haben Deutschland es übel genommen, das der Rückversicherungsvertrag von Berlin nicht verlängert worden war.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Waldersee berichtet nach einem Besuch in Paris, das war 1878, das ab 1882 mit einem Revanchekrieg zu rechnen sei. Leider wird er in seinen Erinnerungen nicht sehr präzise.

Eine kleine Ergänzung: Am 12.Oktober 1879 hatte Moltke und Waldersee eine Audienz bei Wilhelm I. Gesprächsthema waren die Kriegsaussichten gegen Frankreich.
 
Österreich war bezüglich eines französischen Angriffes gegen Deutschland zur Neutralität verpflichtet. Immerhin hatte man so den Rücken frei, aber die Beziehung entwickelte sich so, das an ein Zusammengehen Österreich mit Frankreich gar nicht mehr gedacht wurde.

Auch hier einer Nachtrag:

Nach der Besetzung Bosniens und der Herzegowina, den Ohrfeigenbrief waren Berlin und Wien ohnehin weiter zusammengerückt. Petersburg gefiel die Besetzung der osmanischen Provinzen ganz sicher nicht. Gortschakow zitiere ich nicht; ist ja nicht erwünscht.
 
Wien wollte sich ja auch nicht zu einer Beistandspflicht für einen Angriff Frankreichs verstehen.

Wäre angesichts der Kräftepotentiale Deutschlands und Frankreichs auch nicht notwendig gewesen, zumal die sich im Zeitablauf ja noch reichlich auseinander entwickelten.
Auf der anderen Seite unterstreicht doch gerade aber die Tatsache, dass Bismarck bereit war dieses Bündnis auch ohne dezidierte Beistandspflicht Österreichs im Falle eines nur von Frankreich vorgetragenen Angriffs einzugehen doch, dass es gerade nicht um französische Revanchepotentiale ging, sondern darum Paris die Option zu verbauen zusammen mit Wien ein gegen Deutschland gerichtetes Bündnis auf die Beine zu stellen.

Denn wenn Bismarck vor der französischen Militärmacht allein wirklich Angst gehabt hätte, hätte er diese Bedingungen nicht akzeptiert und auf österreichische Beistandspflicht bestanden.

Ich darf also Gortschakow nicht bemühen
Du darfst natürlich bemühen wen du willst, mir geht es einfach nur darum, dass die deutsch-russischen Beziehungen ja nicht 1878 stehenblieben.

Das hast du Bismarck falsch verstanden.

Wenn ich Bismarck da falsch verstanden habe, warum ging er deiner Meinung nach das Bündnis mit Österreich ein, wenn er es nicht zum Beistand gegen Frankreich (allein) verpflichten konnte?

Das würde wenig Sinn ergeben.

Waldersee berichtet nach einem Besuch in Paris, das war 1878, das ab 1882 mit einem Revanchekrieg zu rechnen sei. Leider wird er in seinen Erinnerungen nicht sehr präzise.

Der selbe Waldersee der gerne mit seinen Präventivkriegsideen den 1. Weltkrieg schon ein Bisschen früher herbeigeführt hätte?
Nen bisschen fragwürdiger Gewährsmann, für die Stimmung in Paris.

Jedenfalls hatte die französische Armee schon 1878 gute Fortschritte der Erholung gemacht gehabt.

Das schon, aber wie sieht es mit der internationalen Lage aus?

Im St. Petersburg und London hat man der Reichseinigung sicherlich keinen Beifall geklatscht, aber handfeste Unterstützung für ein Revanche-Projekt hätte Frankreich da nicht zu erwarten gehabt.
Die Macht auf die Frankreich am Ehesten hätte setzen können, wäre Österreich gewesen (weswegen Bismarck diese Bündnisoption für Frankreich blockieren musste).

Sicher, Frankreich erhohlte sich finanziell und militärisch, es war aber auch zu diesem Zeitpunkt schon klar, dass mehr als militärische Parität mit Deutschland für Frankreich nicht drinn sein würde, somit ein Krieg im Alleingang ein ganz erhebliches Risiko gewesen wäre, der wenn er fehlgegangen wäre die Großmachtstellung hätte kosten können und zwar vollständig, zumal Italien, dass schon 2 mal Profieur einer Anlehnung an Berlin war, eine völlig unberechenbare Größe darstellen musste

Die Lage war für Frankreich für eine Revanchenahme nicht günstig, wenn es nicht Österreich dafür gewinnen und Deutschland in einen Zweifrontenkrieg verwickeln und gleichzeitig Italien ruhig halten konnte.

Ob die Franzosen gegen Italien marschiert wären; sicher nicht als der Dreibund in Kraft trat.

Und hochwahrscheinlich nicht ohne dem, weil das die französischen Truppen in Italien gebunden hätte und gleichzeitig Deutschland hätte herausfordern können, Frankreich erneut zurecht zu stutzen und wenn Deutschland da Bündnis oder nicht, einem angegriffenen Italien zur Hilfe geeilt, Frankreich also der Agressor gewesen wäre hätten weder London noch St. Petersburg einen Finger gerührt um Frankreich zu helfen.

Nein. Nochmal, bei Zweibund ging es in der Abmachung mit Österreich mit Sperrspitze gegen Russland.

De facto war das von Wiener Seite her die conditio um ein Bündnis mit Deutschland einzugehen.
Ich denke man sollte sich aber die Frage stellen, ob der Zweibund geschlossen wurde, weil Bismarck unbedingt ein antirussisches Bündnis wollte oder ob er aus der Einsicht geschlossen wurde, weil klar sein musste, dass sich Österreich durch die Russischen Aktionen am Balkan dermaßen in der Defensive sah, dass zu erwarten war, dass falls kein Bündnis mit Deutschland zustande kommt, es sich Paris an den Hals werfen würde, zumal beide potentielle Sicherheitsinteressen im Bezug auf Italien verband und möglicherweise Revancheinteressen im Bezug auf Deutschland.

Österreich war bezüglich eines französischen Angriffes gegen Deutschland zur Neutralität verpflichtet. Immerhin hatte man so den Rücken frei

Und das ist der eigentliche Grund für den Zweibund, jedenfalls von Berliner Seite her.

aber die Beziehung entwickelte sich so, das an ein Zusammengehen Österreich mit Frankreich gar nicht mehr gedacht wurde.

An ein Zusammengehen mit Österreich war von französischer Seite selbstredend nicht mehr zu denken, weil die Hauptmotivation dafür die Perspektive auf ein antideutsches Bündnis gewesen wäre, mit Italien konnte Frankreich wenn es darauf ankam alleine fertig werden.
Diese Perspektive war natürlich mit dem Zweibund entfallen und das ist der eigentliche Wert des Zweibunds für Berlin gewesen, weder die einseitige militärische Sicherung gegen Frankreich noch die Eindämmung von Russlands Balkaninteressen, letzteres ist für Wien wichtig gewesen, aber nicht für Berlin.

Aha, Deutschland, genauer dessen industrielle Leistungsfähigkeit und demographische Entwicklung, hatte also diese "unnatürliche" Bündnis zwischen französischer Republik und russischer Monarchie ins Leben gerufen

Deutschlands demographischer Zuwachs und seine zunehmende industrielle Leistungsfähigkeit mussten das Gewicht zwischen beiden sukzessive zu Gunsten Deutschlands und gegen Frankreich verschieben.

Die normale Reaktion die Paris darauf hätte zeigen können, wäre zu versuchen einen Block mit Italien und oder Österreich gegen Deutschland aufzubauen um dessen Vormacht einzuhegen.
Das war allerdings durch den Dreibund, der ein Vorgehen Österreichs oder Italiens gegen Deutschland ausschloss unmöglich und erhöhte wegen der Italienischen Territorial- und Kolonialwünsche noch den Handlungsdruck auf Frankreich, weil der Dreibund so wie er war für Frankreich immer die Perspektive eines Zweifrontenkrieges gegen Deutschland und Italien beeinhalten musste, den es totsicher krachend verloren hätte.

Warum meinst du denn, lässt sich Frankreich die Zusicherung der italienischen Neutralität 1902 so viel kosten, obwohl klar war, dass Italien allein Frankreich ohnehin nichts anhaben konnte?
Weil die italienischen Territorialwünsche das Gefahrenpotential eines Krieges mit dem militärisch überlegenen Deutschland in sich trugen, darum.

Und aus genau dem gleichen Grund bleib Paris in dieser Kostellation auch gar nichts anderes übrig, als in Peterspurg Klinken putzen zu gehen und sich die russische Landmacht als Rückversicherung zu verpflichten.

Hätte man das in Paris bei dieser Konstellation nicht versucht, wäre das wohl sicherheitspolitisch eine Harakiri-Aktion gewesen.
Der Effektivste Weg diese Blockbildung zu vermeiden, wäre von deutscher Seite her gewesen der Entwicklung Rechnung zu tragen, den auf Paris lastetenden Druck zu registrieren und durch Abbau der Beziehungen zu den Dreibundpartnern sukzessive die Machtpotentiale in Europa auszugleichen.

Das hätte das russich-französische Bündnis und die ganze unseelige Blockbildung nämlich ziemlich sicher vermieden.
 
Der selbe Waldersee der gerne mit seinen Präventivkriegsideen den 1. Weltkrieg schon ein Bisschen früher herbeigeführt hätte?
Nen bisschen fragwürdiger Gewährsmann, für die Stimmung in Paris.

Diese merkwürdige Gewährsmann war nach dem Krieg im Auftrage Bismarcks diplomatischer Geschäftsträger in Paris. Er hatte dort eine Anzahl hochkarätiger Kontakte geschlossen, auf die er bei seinem Besuch 1879 zugreifen konnte.

Ja, es ist der Waldersee der in den 80ziger ein Präventivkrieg gegen Frankreich lostreten wollte. Deshalb hat er Jahre zuvor nicht per se dummes Zeug erzählt.
 
De facto war das von Wiener Seite her die conditio um ein Bündnis mit Deutschland einzugehen.
Ich denke man sollte sich aber die Frage stellen, ob der Zweibund geschlossen wurde, weil Bismarck unbedingt ein antirussisches Bündnis wollte oder ob er aus der Einsicht geschlossen wurde, weil klar sein musste, dass sich Österreich durch die Russischen Aktionen am Balkan dermaßen in der Defensive sah, dass zu erwarten war, dass falls kein Bündnis mit Deutschland zustande kommt, es sich Paris an den Hals werfen würde, zumal beide potentielle Sicherheitsinteressen im Bezug auf Italien verband und möglicherweise Revancheinteressen im Bezug auf Deutschland.

Grundsätzlich war es Bismarcks Absicht nicht zwischen Wien und Petersburg optieren zu müssen. Wichtig war aus seiner Sicht, das er immer der "Makler " war, das sowohl Russland und Österreich ihn als Mittler benötigten. Auch ließ Bismarck sich nicht von Wien das Leitseil um den Hals werfen.
Andrassy hatte nicht die geringste Absicht sich Paris an den Hals zu werfen. Seine Absichten gingen dahin, eine Achse aus Wien, London und Berlin gegen Russland zu schmieden. Das war aber mit Bismarck nicht zu machen.
 
Deutschlands demographischer Zuwachs und seine zunehmende industrielle Leistungsfähigkeit mussten das Gewicht zwischen beiden sukzessive zu Gunsten Deutschlands und gegen Frankreich verschieben.

Die normale Reaktion die Paris darauf hätte zeigen können, wäre zu versuchen einen Block mit Italien und oder Österreich gegen Deutschland aufzubauen um dessen Vormacht einzuhegen.
Das war allerdings durch den Dreibund, der ein Vorgehen Österreichs oder Italiens gegen Deutschland ausschloss unmöglich und erhöhte wegen der Italienischen Territorial- und Kolonialwünsche noch den Handlungsdruck auf Frankreich, weil der Dreibund so wie er war für Frankreich immer die Perspektive eines Zweifrontenkrieges gegen Deutschland und Italien beeinhalten musste, den es totsicher krachend verloren hätte.

Frankreich galt in den 70zigern und auch 80zigern gemeinhin noch nicht als bündnisfähig. Mit Italien waren die Interessengegensätze zu groß. Und wie schon ausgeführt, Andrassy hatte an Paris kein Interesse.
 
Diese merkwürdige Gewährsmann war nach dem Krieg im Auftrage Bismarcks diplomatischer Geschäftsträger in Paris. Er hatte dort eine Anzahl hochkarätiger Kontakte geschlossen, auf die er bei seinem Besuch 1879 zugreifen konnte.

Ja, es ist der Waldersee der in den 80ziger ein Präventivkrieg gegen Frankreich lostreten wollte. Deshalb hat er Jahre zuvor nicht per se dummes Zeug erzählt.

Du wirst doch aber zugeben müssen, dass jemandem in dessen politische Konzeption ein Krieg gegen Frankreich möglicherweise damals schon passte, nicht ganz unverdächtig ist, die Sache dramatischer dargestellt zu haben, als sie war, im Besonderen, wenn es an Klarheit und Belegen mangelt?

Das ergibt sich nicht aus der von mir gelesenen Literatur. Und da kommt einiges zusammen.

Nun, fragen wir mal anders:

Wenn Bismarcks oberstes Ziel war nicht zwischen Wien und St. Petersbrug optieren zu müssen, warum war er dann bereit sich mit Österreich in ein Bündnis einzulassen, wohl wissend, dass Wien das nutzen würde, seine Balkaninteressen voran zu treiben?

Du hast insofern recht, dass sich Bismarck nicht in der Form das "Leitseil" umwerfen ließ, wie seine Nachfolger das taten, dennoch hielt er für Wien die Illusion aufrecht eben doch für Wien gegen Petersburg optiert zu haben, was er mit dem Rückversicherungsvertrag gegenüber St. Petersburg unter der Hand relativierte.

Warum aber, wenn diese Wahl nicht in seinem Interesse war, ließ er Wien glauben, er hätte sie getroffen und sich für Österreich entschieden, anstatt auf die Ausräumung der Gegensätze hin zu arbeiten?

Die logische Antwort darauf lautet:

Weil er befürchtete, dass Wien das nicht hinnehmen und sich jemand anderen als Partner suchen würde, was nach Lage der Dinge nur Frankreich sein konnte.

Ohne dem macht die ganze Scharade mit Zweibundvertrag und Rückversicherungsvertrag und der gleichzeitige Wunsch nicht optieren zu wollen, bei Vorspiegelung, als hätte er optiert, überhaupt keinen Sinn.
 
Der volkwirtschaftliche Gesamtvergleich fiel klar due Gunsten Deutschlands aus, dessen Industrialisierungsniveau um rund 30% höher lag als das Frankreichs. In der Landwirtschaft war der Ertrag pro Hektar Deutschlands um 40% höher als der Frankreichs.
Gibt es eine Quelle ?
Vor allem für den Ertrag pro Hektar ?
 
Zurück
Oben