Der Erste Weltkrieg und seine Bedeutung in der heutigen Zeit.

Bei den Friedensverhandlungen in Versailles trat Kanada als eigenständiger Staat auf und trat 1919 unabhängig von GB dem Völkerbund bei.

Kanada war allerdings vor dem 1. Weltkrieg als eigenständiger Staat so weit mir bekannt nicht in Erscheinung getreten und die vollständige Unabhängigkeit kommt dann auch erst mit dem Statut von Westminster 1931.

Das Kanada dem Völkerbund beitrat hat in diesem Sinne nicht viel zu bedeuten, auch Britisch-Indien gehörte zu den Gründungsmitgliedern des Völkerbunds und war dort separat vom Vereinigten Königreich vertreten, eine Unabhängigkeit Indiens anno 1920 lässt sich daraus allerdings nicht herleiten.

GB konnte kein kanadisches Territorium den USA als Kompensation anbieten, da Kanada seit 1867 Dominion mit Selbstverwaltung war. Das wäre völkerrechtlich nur bei Labrador und Newfoundland möglich gewesen, die offiziell noch britische Kolonien waren.

Selbstverständlich hätte es das gekonnt. Es konnte ja z.B. im Londoner Vertrag von 1915 auch Südtirol bis zum Brennner, den Isonzo, Istrien mit Triest und halb Dalmatien der italienischenn Regierung als Kompensation für einen Kriegseintritt auf Seiten der Entente anbieten, gar kein Problem.
Genau so gut, hätte es beschließen können eine US-Amerikanische Besatzung Kanadas als Sicherheit für Kredite zu sanktionieren und zu billigen, ebenso wie eine Inkorporation Kanadas oder Teilen davon in die Vereinigten Staaten im Falle des Ausfalls der Rückzahlungen.

Da war ja der Krieg von 1812-14 zwischen GB und den USA. Beide Seiten waren der Ansicht, sie hätten gesiegt, und beide glaubten sie seien im Recht.
Aus diesem Grund und wegen einer potentillen Landverbindung nach Alaska, hatte ich Kanada als Beispiel für Verhandlungsmasse einfach mal in den Raum gestellt, ohne mich daran jetzt explizit hochziehen zu wollen.


Letztendlich ging es mir ja nur um die Verdeutlichung, was die USA an Schritten zur Absicherung der amerikanischen Kredite hätten unternehmen können und warum die Vorstellung, dass die USA vorrangig deswegen in den Krieg gezogen wären, einfach Unsinn ist.
Mal abgesehen davon, dass der Kriegseintritt durch die Notwendigkeit erstmal eine entsprechende Armee aufzustellen, erst einmal eine massive finannzielle Belastung darstellte.
 
Belgrad wollte keinen Krieg.
Belgrad wollte die Diplomatische Lösung unter Abwendung der ärgsten Wiener Forderungen und auch wenn man Serbien sicherlich einen Teil der Verantwortung für den Krieg zumessen darf, wahrscheinlich hätte sich bei dieser Lage eine diplomatische Lösung durchaus auch im Sinne Wiens realisieren lassen.

Ja! Zu jenem Zeitpunkt, also im Juli 1914, konnte Belgrad gewiss keinen Krieg gebrauchen. Man musste sich erst von den Balkankriegen erholen und die territorialen und Bevölkerungszuwächse verarbeiten. Es war klar, dass das dauern würde. Aber die serbische Regierung hatte einfach zu wenig getan, um Wien klar und unmissverständlich vor dem geplanten Mordanschlag zu warnen.
 
Ja! Zu jenem Zeitpunkt, also im Juli 1914, konnte Belgrad gewiss keinen Krieg gebrauchen. Man musste sich erst von den Balkankriegen erholen und die territorialen und Bevölkerungszuwächse verarbeiten. Es war klar, dass das dauern würde. Aber die serbische Regierung hatte einfach zu wenig getan, um Wien klar und unmissverständlich vor dem geplanten Mordanschlag zu warnen.

Der serbische Staat hat generell zu wenig getan um radikale, großserbische und auf die slawischen Teile des Westbalkans* gerichtete Bewegungen in ihrer Aktionsfähigkeit einzuschränken.
Nicht nur im Hinblick auf den europäischen Frieden, sondern auch im Hinblick darauf, dass die Regierung politisch das Heft des Handelns behielt und sich nicht von entsprechenden "pressure groups" treiben ließ.

In dieser Hinsicht frage ich mich im Übrigen auch schon seit längerem ob man eine Beteiligung österreichischer Beamter an der Untersuchung tatsächlich deswegen ablehnte, weil man das für einen Eingriff in die eigene Souveränität hielt** oder aber (sofern wir etwaige Befürchtungen über Enthüllungen der Zusammenhänge von klandestinen Gruppe und Staatsaparat hier einmal ausklammern) ob es für die serbische Regierung auch deswegen innenpolitisch für nicht hinnehmbar gehalten wurde, weil man damit im Grunde genommen den Offenbarungseid geleistet hätte, einzugestehen, die eigenen Stellen nicht im Griff und die Gewalt im eigenen Staat nicht in den eigenen Händen zu haben, sondern sie teilweise in der Gewalt klandestiner Gruppen zu vermuten und auswärtiger Hilfe zu bedürfen um sie sich zurück zu holen.

Das hielte ich wenn man sich den Wortlaut der Wiener Forderung anschaut, die einigen Interpretationsspielraum ließ für eine durchaus plausible Erklärung für die Zurückweisung, wobei dann Sorge um die eigene Souveränität (die Wiens Forderung nicht unbedingt infrage stellte) vorgschoben gewesen wäre.

Insgesamt kannn man aber Belgrad, denke ich nicht den Vorwurf mache, es habe im Juli 1914 unbedingt Krieg mit Österreich-Ungarn gewollt.



*"Pan-Jugoslawisch" kann man eigentlich nicht sagen, denn das hätte auch Bulgarien einschließen müssen, woran die entsprechenden Protagonisten allerdings in der Regel nicht einmal im Traum dachten.
**Die Wiener Forderung belief sich ja jediglich auf der Beteiligung eines Österreichischen Beamten an den Untersuchungen ohne konkrete Forderungen auf Kompetenzen innerhalb der Ermittlungen abseits einer Beobachterrolle zu erheben, wenn ich nicht schwer irre.
 
Was mich verblüfft, ist, das @Ayman hier so steile Thesen fast unwidersprochen, @Shinigami und @Stradivari einmal ausgenommen, aufstellen kann,...

Shinigami, Stradivari und auch du habt ja einen guten Job gemacht, da gab es nichts hinzuzufügen...
Im Ernst, ich habe ja schon viel revionistischen Scheiss zu WW I und II gelesen, aber dass jemand den "Dolchstoß" für wahr verkaufen will, war mir neu.
Da braucht man dann eigentlich nicht weiter diskutieren, und das unehrenhafte Verhalten der OHL zum Kriegsende bringt mich ohnehin nur in Rage.

Gruß, muheijo
 
Kanada war allerdings vor dem 1. Weltkrieg als eigenständiger Staat so weit mir bekannt nicht in Erscheinung getreten und die vollständige Unabhängigkeit kommt dann auch erst mit dem Statut von Westminster 1931.

Das Kanada dem Völkerbund beitrat hat in diesem Sinne nicht viel zu bedeuten, auch Britisch-Indien gehörte zu den Gründungsmitgliedern des Völkerbunds und war dort separat vom Vereinigten Königreich vertreten, eine Unabhängigkeit Indiens anno 1920 lässt sich daraus allerdings nicht herleiten.



Selbstverständlich hätte es das gekonnt. Es konnte ja z.B. im Londoner Vertrag von 1915 auch Südtirol bis zum Brennner, den Isonzo, Istrien mit Triest und halb Dalmatien der italienischenn Regierung als Kompensation für einen Kriegseintritt auf Seiten der Entente anbieten, gar kein Problem.
Genau so gut, hätte es beschließen können eine US-Amerikanische Besatzung Kanadas als Sicherheit für Kredite zu sanktionieren und zu billigen, ebenso wie eine Inkorporation Kanadas oder Teilen davon in die Vereinigten Staaten im Falle des Ausfalls der Rückzahlungen.


Aus diesem Grund und wegen einer potentillen Landverbindung nach Alaska, hatte ich Kanada als Beispiel für Verhandlungsmasse einfach mal in den Raum gestellt, ohne mich daran jetzt explizit hochziehen zu wollen.


Letztendlich ging es mir ja nur um die Verdeutlichung, was die USA an Schritten zur Absicherung der amerikanischen Kredite hätten unternehmen können und warum die Vorstellung, dass die USA vorrangig deswegen in den Krieg gezogen wären, einfach Unsinn ist.
Mal abgesehen davon, dass der Kriegseintritt durch die Notwendigkeit erstmal eine entsprechende Armee aufzustellen, erst einmal eine massive finannzielle Belastung darstellte.

Ich will mich auch nicht daran hochziehen, ich geh ja mit dem Tenor deiner Beiträge völlig mit. Nur bei Kanada fiel es mir auf, weil ich mich damit und auch mit dem zwiespältigen Nachbarschaftsverhältnis zu den USA mal beschäftigt habe.

In Kanada haben sich die Briten schon bemüht Rücksicht auf einheimische Befindlichkeiten zu nehmen, damit sich so etwas wie in den USA nicht wiederholt. Franko-Kanadier konnten Sprache und Religion behalten, und es gelang sie einzubinden. Der Krieg von 1812-14 trug zur Bildung eines kanadischen Bewusstseins bei. Im Verhältnis zu den USA gab es aber den ein oder anderen Punkt, wo das kanadische Bewusstsein sensibilisiert war: Das war zum einen die Amerikanische Revolution und eben der Krieg von 1812-14.

Der Unabhängigkeitskrieg war auch ein amerikanischer Bürgerkrieg gewesen, und Loyalisten aus Virginia und den Carolinas, waren nach dem Krieg vor allem nach Kanada ausgewandert. Der Krieg von 1812-14 galt in Kanada als Versuch einer amerikanische Invasion.

Kanada (damals Ontario, Quebec, Nova Scotia und New Brunswick wurden 1867 Dominion, und die übrigen Territories wurden nach und nach inkorporiert, zuletzt (?) 1949 New Foundland und Labrador. Das war durchaus ganz ähnlich wie mit den US-Gebieten, die als US-Territories verwaltet wurden, ehe sie nominell Bundesstaaten der USA wurden.

Die Dominions besaßen im Grunde völlige staatliche Souveränität, lediglich in der Außenpolitik hatte GB noch mitzureden.

Wieweit die einzelnen "Territories" wie Yukon bereits inkorporiert waren, weiß ich nicht genau. Zumindest Neupfundland war dem Namen nach noch britische Kolonie. Auf jeden Fall aber hatten die Briten allen Grund, Kanada nicht unnötig zu brüskieren.

Kanada war ein absolut loyaler Bündnispartner. Kanada war lange vor Australien, Neuseeland und der Südafrikanischen Union Dominion geworden. Die kanadischen Truppen gehörten zu den besten und loyalsten des Empire. Soweit ich weiß, gab es in Kanada keine allgemeine Wehrpflicht. Die kanadischen Truppen, die GB unterstützten, waren Freiwillige, und als das GB und sein Empire in Bedrängnis gerieten, hat Kanada in beiden Weltkriegen keinen Moment gezögert, dem Mutterland zu Hilfe zu eilen.


Kanadier haben sich im Weltkrieg mehrfach ausgezeichnet. An der Somme, im Artois und in Flandern hatten Kanadier bei Vimy Ridge und Paschendaele maßgeblich zum Erfolg beigetragen.


Um Italien auf ihre(r) Seite zu halten bzw. zu ziehen, waren die Alliierten wie die Österreicher und Deutschen zu Kompensationen bereit. Österreicher erklärte sich schließlich bereit, große Teile des Trentinos an Italien abzutreten, und die Deutschland n war laut einer Geheimklausel bereit, Österreich für die Abtretung Welsch-Tirols mit einem Teil Schlesiens zu entschädigen.

Wäre das bekanntgeworden, hätte das sicher auch die Gemüter erregt. Dazu kam es aber nicht, die Italiener schlossen sich den Alliierten an, die ihnen das ganze Trentino, Istrien und Dalmatien versprachen.

Die allerdings auch erst mal erobert werden mussten. Auch Rumänien versuchten die Alliierten mit in Aussicht gestellten Kompensationen zum Kriegseintritt auf alliierter Seite zu bewegen, in diesem Fall ging es um das Banat und Siebenbürgen. Auch hier ging es um Provinzen, die erst erobert werden mussten. Bei Österreich-Ungarn ging es um einen Kriegsgegner, und bei Italien und Rumänien um potenzielle Alliierte, die mit österreichischen Gebieten kompensiert werden sollten.

Kanada aber war ja kein Kriegsgegner, sondern ein Verbündeter. Dazu noch ein überaus loyaler und zuverlässiger Bundesgenosse, die kanadischen Truppen gehörten zu den besten und loyalsten des Empire.

Da hätten die Briten doch allen Grund gehabt, Kanada nicht unnötig zu brüskieren.
 
Man könnte vielleicht noch hinzufügen, dass die USA letztlich auch nur einen Bruchteil - ich glaube so um die 15% - der interalliierten Schulden zurückbekpmmen hat. Hätten die Briten dafür eine territoriale Kompensation leisten müssen, wäre diese auch so fällig geworden. 1934 erließ der Kongress sogar ein Gesetz, das staatliche Kredite an alle Länder untersagte, die ihre bisherigen Schulden nicht zurückzahlten. Es scheint aber keine Versuche gegeben zu haben, kanadische oder britische Territorien dafür einzufordern.
 
Man könnte vielleicht noch hinzufügen, dass die USA letztlich auch nur einen Bruchteil - ich glaube so um die 15% - der interalliierten Schulden zurückbekpmmen hat.

Wovon allerdigs der größte Teil auf die britischen Kredite enntfallen dürfte, insofern eine Rückzahlung der russischen Kredite, die annzuerkennen sich die Sowjetunion weigerte, komplett ausfiel und Frankreich durch den Wiederaufbau zunächst mal anderweitig beschäftigt war, während bei anderen Schuldnern, wie Italien Industrieleistung un Zahlungsfähigkeit ohnehin nicht in dem Maße gegeben waren.

Hätten die Briten dafür eine territoriale Kompensation leisten müssen, wäre diese auch so fällig geworden.

Dazu hätte entsprechendes natürlich vereinbart werden müssen und es hätte vorausgesetzt die beim Privatsektor angehäuften britischen Schulden in Staatliche zu überführen, sonst hätte es dazu natürlich auch keine Handhabe gegebe.

Ich stelle einfach nur fest, dass wenn die Vereinigten Staaten 1916 oder 1917 in Sorge über die Rückzahlbarkeit der Kredite gewesen wären, sie die Möglichkeit gehabt hätten, die Entente-Mächte aufzufordern ihre bstehenden Kredite erst einmal mit substanziellen Sicherheiten zu unterlegen, bei Stopp der Ausfuhr weiterer Kriegsgüter, wenn das nicht passierte.
Dann hätten die Ententemächte die Wahl gehabt das entweder zu tun, oder aber sie wären nicht umhingekommen den Krieg zu liquidieren, was das Anhäufen weiterer Verschuldung gestoppt und die Erhohlung der zivilen Wirtschaft durch ein oder zwei Kriegsjahre weniger sicherlich begünstigt hätte und damit auch die Möglichkeit bestehende Kredite zurück zu zahlen.

Wäre es Washington vorrangig um die amerikanischen Investitionen gegangen, wäre die Einforderung entsprechender Sicherheiten und die Drohung mit dem Stopp der Ausfuhr weiterer Rüstungsgüter das viel plausiblere weil weniger kostspielige Mittel gewesen, als eine eigene Beteiligung am Krieg.

Ohne jetzt kontrafaktisch wegen Kanada weiter diskutieren zu wollen, wären die karibischen Inseln im Besitz der Entente-Mächte, gegebenenfalls auch Belize und Bermuda, möglicherweise auch Französisch- oder Britisch Guayana oder eben die China-Konzessionen und pazifischen Besitzungen der Entente-Mächte aus Sicht der USA sicherlich eine nicht uninteressante Verhandlungsmasse gewesen.


Wenn man sich im zweiten Weltkrieg im Zusammenahang mit dem "Destroyer-for-Bases-Agreement" die Verpachtung von Konzessionen auf denn britischen Antillen, inklusive des Rechts für die USA sie als Militärstützpunkte zu nutzen anschaut, erscheint mir weder die Möglichkeit einer solchen Absicherung noch ein denkbares amerikanisches Interesse daran soooo weit hergeholt.
 
Wäre es Washington vorrangig um die amerikanischen Investitionen gegangen, wäre die Einforderung entsprechender Sicherheiten und die Drohung mit dem Stopp der Ausfuhr weiterer Rüstungsgüter das viel plausiblere weil weniger kostspielige Mittel gewesen, als eine eigene Beteiligung am Krieg.

Ohne jetzt kontrafaktisch wegen Kanada weiter diskutieren zu wollen, wären die karibischen Inseln im Besitz der Entente-Mächte, gegebenenfalls auch Belize und Bermuda, möglicherweise auch Französisch- oder Britisch Guayana oder eben die China-Konzessionen und pazifischen Besitzungen der Entente-Mächte aus Sicht der USA sicherlich eine nicht uninteressante Verhandlungsmasse gewesen.

Das ist möglich, ja. Die Briten hätten sich vermutlich leichter getan, einzelne Stützpunkte oder im höchsten Notfall vorwiegend von Einheimischen bewohnte Kronkolonien aufzugeben als ihre Dominions. Du hast aber natürlich zu Recht angemerkt, dass es für die Frage des amerikanischen Kriegseintritts nicht unbedingt darauf ankommt, was gegebenenfalls als Sicherheit hätte dienen können.
 
Wer am lautesten geschrien hatte "wir sind verloren", das war Ludendorff, und sich nach dem Krieg hinzustellen, und zu behaupten, dass das deutsche Heer im "Felde unbesiegt" geblieben sei und in Wirklichkeit den Krieg gewonnen hätte, wenn Novemberverbrecher es nicht verraten hätten, war eine Lüge, und zwar eine sehr dreiste Lüge.

Dann spiele ich jetzt mal ein Bisschen den "advocatus diaboli".


Ich denke, dass man die "Dolchstoßlegende" etwas differenzierter in ihren Einzelaspekten betrachten müsste.
Für mich zerfällt die ganze Konstruktion mehr oder weniger in 3 Kernbehauptungen:

- a) Die Heimat/diverse Gruppen aus dem zivilen Bereich wären dem Heer in den Rücken gefallen und hätten die Kriegsanstrengungen sabotiert.
- b) Die Armee sei im Feld unbesiegt gewesen.
- c) Der Abbruch des Krieges in dieser Weise und zu diesem Zeitpunkt (und damit auch das Hanndeln der Revolutionäre und der zivilen Regierung) habe einen unnötig nachteiligen Frieden herbeigeführt.


Zum Thema a) wird man sagen können, das daran kein wahres Wort ist, insofern Ludendorff und Hindenburg als Chefs der OHL selbst auf Grund der militärischen Lage zu der Einsicht gekommen waren, dass der Krieg verloren oder jedenfalls nicht mehr zu gewinnen sei und man daher auf einen Friedensschluss hinarbeiten müsste.
Wenn ich mich recht entsinne hatte vor Hindenburg und Ludendorff auch bereits v. Falkenhayn als Chef der 2. OHL festgestellt, dass ein militärischer Gesamtsieg Deutschlands unwahrscheinlich sei.
Insofern würde ich hier noch weiter gehen wollen als nur Ludendorffs Handeln heranzuziehen, sondern behaupten, dass die Stimmung im Militär auch vorher schon durchaus pessimistische Züge aufwies.

Allerdings die beiden anderen Pukte wird man mMn diskutieren können.

Die Behauptug b) dass das Heer im Feld unbesiegt gewesen sei, halte ich im Kern für richtig. Den Westmächten war es ab Sommer 1918 glungen in Teilen die deutschen Stellungen zu durchbrechen und einiges an Terrain in Nordfrannkreich zurück zu erobern, allerdings gelang es deutschen Seite, wenn auch unter erheblichenn territorialen Einbußen die Lage einigermaßen zu stabilisieren, der von Ludenndorff befürchtete Zusammenbruch der Westfront blieb aus.
Das Heer war sicherlich nicht mehr dazu im Stande einen militärischen Sieg zu erreichen und es wäre bei Forführung des Krieges mit einiger Wahrscheinlichkeit bis Sommer oder Herbst 1919 tatsächlich endgültig zusammengebrochen, allerdings zum Zeitpunkt des Waffenstillstands war es durchaus noch kampffähig und durchaus noch in der Lage einen beträchtlichen Teil der besetzten Gebiete im Westen zu halten.

Insofern erscheint es mir persönlich etwas schwierig die Behauptung man sei militärisch nicht besiegt gewesen, als reine demagogische Lüge abzutun.

Ich würde mich eher in die Formel einlassen wollen, dass das Heer zwar tatsächlich unbesiegt war, diesen Umstand allerdings weniger einer eigenen Überlegenheit über den Gegner verdankte, als dem Umstand, dass die zivile Regierung rechtzeitig das Ende der Kampfhandlungnn herbeiführte, mit dem Nebeneffekt, dass dem Heer die perspektivisch absehbare militärische Niederlage erspart blieb.


Auch bei der Behauptung c) sehe ich durchaus ein gewisses Maß an Diskussionsspielraum, ob die zivile Regierung mit dem Abschluss des Waffenstillstands von Compièngne tatsächlich alles richtig machte oder ob sie durch anderes Handeln möglicherweise einen vorteilhafteren Frieden hätte erreichen können.

Bei der Aufnahme von Verhandlungen wegen eines Waffenstillstands, kann man sicherlich Ludendorffs militärische Befürchtungen als Initialzündung dafür betrachten, dass das in dieser Situation zustande kam.
Die Tatsächliche Annahme der endgültigen Waffenstillstandsbedingungen steht für mich allerdings auf einem anderen Blatt.

Ludendorff kam mit seiner Forderung zum Waffenstillstand und seinen Befürchtungen zum Zusammenbruch der Westfront am 29. September an.
Insofern wird man behaupten können, dass die zivile Regierung bei dem grundsätzlichen Ansinnen den Krieg zu beenden den militärischen Experten folgte und ihnen keinesfalls in den Rücken fiel.
Allerdings, der Waffenstillstand selbst trat erst am 11. November in Kraft und bis dahin hätte man Zeit gehabt sich zu überlegen, ob die abverlangten Waffenstillstandsbedingungen tatsächlich mit einer militärischen Notlage korrespondierten, die Annahme unumgänglich machte.

Ludendorffs am 29. September geäußerte Befürchtung eines Zusammenbruchs des Westheeres hatte sich als Fehlprognose erwiesen, die Westfront musste zwar zurückgenommen werden, blieb aber intakt, die Lage satbilisierte sich (wenn auch durchaus auf prekärem Niveau) außerdem rückte der Winter näher, in dem Witterungsbedingt mit größeren Offensiven der Westmächte nicht zu rechnen war.
Wahrscheinlich hätte man sich auch ohne Waffenstillstand zumindest in den Winter retten können und der hätte einige Monate Zeit gegeben noch einmal neue Stellungen auszubauen und sich von den Truppen etwas Ruhe zu gönnen, was die Widerstandsfähigkeit jedenfalls für Kurze Zeit nochmal erhöht hätte.

Man wäre nicht darum herum gekommen den Krieg abzuwickeln und man wäre auch sicherlich nicht darum herum gekommen einen Verlustfrieden zu schließen, allerdings wenn man sich ohne einen formalen Waffenstillstand und die damit verbundene Aufgabe eines erheblichen Teils der eigenen Waffen und der besetzten Territorien im Westen nebst Elsass-Lothringen in den Winter gerettet hätte, hätte man drei bis vier Monate Zeit gehabt selbst einen Friedensplan vorzulegen, den der Weltöffentlichkeit bekannt zu machen und durch eigene diplomatische Initiative Druck auf die Regierungen der Entente aufzubauen.

Wenn man im Rahmen dessen vor allem den Vorstellungen der Briten und Amerikaner entgegengekommen und den Franzosen wenigstens Elsass-Lothringen angeboten hätte, hätte man möglicherweise einen milderen Frieden schließen können.
Insofern halte ich die Unterstellung übereiltes Handeln der provisorischen Regierung habe zu nachteiligen Bedingungen geführt mindestens für diskutierbar.

Ich würde mich mit Hinblick darauf, dass sich militärisch wahrscheinlich in den Winter hätte retten könen, mindestens so weit gehen wollen, zu behaupten, dass man damit die Gelegenheit diplomatisch die Initiative zu übernehmen verpasst hat.
Ob man tatsächlich einen milderen Frieden hätte erreichen können, liegt dann natürlich im Bereich des Spekulativen.

Sicherlich ist es unangemessen die damals handelnden Personen der zivilen Regierung und die Revolutionäre als "Novemberverbrecher" zu bezeichnen oder ihnen verschwörerische Absichten anzudichten, allerdings würde ich durchaus ernstzunehmende Gründe sehen, es vom militärischen, wie politischen Standpunkt aus als fehler zu betrachten, sich zu diesem Zeitpunkt in einen Waffenstillstand zu solchen Bedingungen eingelassen zu haben.

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Lange Rede, kurzer Sinn, bei der Thematik "Dolchstoßlegende" wird mir persönlich in der Regel zu viel an verschiedenen Implikationen in einen Topf geworfen.
 
Mackensen führt am 23.01.1919 in einem Privatbrief aus:

"Nicht die Truppen der Entente haben uns besiegt, sondern Deutschlands ärgster Feind, das eigene Volk in seiner Eigenart, hat den Zusammenbruch herbeigeführt." (Schwarzmüller, Mackensen)

Die Dolchstoßlegende gehört zu den Phantasmagorien derer, die sich auf der Flucht vor der Realität befanden. Die Umdeutung der Kapitulation wurde zu einer gar nicht zu unterschätzenden Lüge der deutschen Gesellschaft nach dem Ersten Weltkrieg. Ihr sozialpsychologische Bedeutung kann gar nicht hoch genug veranschlagt werden. Der Sturz, die Demütigungen wurden als so tief empfunden, das die Ergebnisse der Geschichte nicht angenommen werden konnten.

Gustav Stresemann hat in seiner Dankesrede in Oslo anlässlich des erhaltenen Nobelpreise sich zur sozialpsychologischen Abwehrhaltung einer an Erfolg und Herrschaft gewöhnten Nation gegen die Niederlage geäußert:

"Wenn man die Erfahrungen und Empfindungen der ersten Nachkriegszeit analysieren will, darf man wohl sagen [...] dass das Aussprechen des Friedensgedankens dem Sieger leichter ist, als dem der die Niederlage erlitten hat. Für den Unterlegenen bedeutet der dagegen das Sichabfinden mit der Stellung, die ihm geblieben. Auf einem Wege, den man neben den anderen geht, zurückbleiben, neidlos den anderen den Vortritt lassen, ist schwer für den einzelnen Menschen, schwer für ein ganzes Volk. Aber in einer halbhundertjährigen Entwicklung glauben, auf der Höhe angekommen zu sein, und von der Höhe herabstürzen, ist weit schmerzlicher für die menschliche Seele. Die Psychologie eines Volkes, die das erlebt, ist nicht so einfach zu begreifen und nicht so einfach umzugestalten, wie viele glauben" (Stresemann am 29.06.27 in Oslo).

Max von Baden übernahm das Amt des Reichskanzlers von seinem Vorgänger Hertling am 03.Oktober 1918. Am gleichen Tage, ohne jede Vorbereitung der Bevölkerung, setzte Max, nicht ganz freiwillig, nach einem Gespräch mit Hindenburg seine Unterschrift unter das Waffenstillstandsgesuch. Das Volk erfuhr erst am 04.Oktober durch dem Reichsanzeiger das es einen neuen Reichskanzler hatte. Das Waffenstillstandsgesuch war sicher überstürzt. Ludendorff und Hindenburg waren dabei sich aus Verantwortung zu stehlen und das möglichst schnell.
 
Max von Baden übernahm das Amt des Reichskanzlers von seinem Vorgänger Hertling am 03.Oktober 1918. Am gleichen Tage, ohne jede Vorbereitung der Bevölkerung, setzte Max, nicht ganz freiwillig, nach einem Gespräch mit Hindenburg seine Unterschrift unter das Waffenstillstandsgesuch. Das Volk erfuhr erst am 04.Oktober durch dem Reichsanzeiger das es einen neuen Reichskanzler hatte. Das Waffenstillstandsgesuch war sicher überstürzt. Ludendorff und Hindenburg waren dabei sich aus Verantwortung zu stehlen und das möglichst schnell.

Der Ansicht, dass das Waffenstillstandsgesuch an und für sich überstürzt gewesen wäre, würde ich persönlich nicht folgen wollen.
Insofern Ludendorff als der de facto militärisch Verantwortliche eine Krise und den Zusammenbruch der Westfront befürchtete, wäre es meiner Ansicht nach fahrlässig gewesen nicht augenblicklich in einen diplomatischen Austausch mit der Entente wegen der Herbeiführung eines Waffenstillstands herbeizuführen, denn Ludendorff hätte mit seiner Befürchtung ja durchaus recht haben können.
Nur mit dem Waffenstillstandsgesuch selbst verpflichtet sich Deutschland ja auch zu nichts, dass seine Fähigkeit Krieg zu führen von vorn herein entscheidend behindert hätte, dazu verpflichtete sich Deutschland erst durch die endgültige Unterzeichnung des Waffenstillstandsabkommens am Morgen des 11. November.

Insofern zwischen Ludendorffs Nevernzusammenbruch und der Unterzeichnung des Waffenstillstandsabkommens aber fast anderthalb Monate Zeit liegen, hätte die inzwischen amtierende provisorische Regierung durchaus registrieren können, dass Ludendorffs Befürchtungen eines umittelbar bevorstehenden Zusammenbruchs des Westheeres insofern übertrieben waren, als dass dieses Heer sich durchaus noch in der Lage zeigte sich unter Leistung hinhaltenden Widerstands einigermaßen geordnet zurück zu ziehen.

Insofern es bereits stramm auf Mitte November zuging, damit die Kriegssaison für 1918 mehr oder weniger zu Ende war und man im Grunde genommen vor Ende März-April 1919 keine erneute Großoffensive der Entente mehr fürchten musste, weil Witterungs- und Bodenverhältnisse das extrem erschwert bis verunmöglicht hätten, stellt sich die Frage ob man überhaupt zu diesem Zeitpunkt einen Waffestillstand schließen musste, in längstens einem Monat hätten ohnehin alle größeren Offensivaktionen eingestellt werden müssen, insofern läuft die Frage ob ein Waffenstillstand notwendig war, im Prinzip auf die Frage hinaus, ob man dem Westheer zutraute die in ihrer Intensität ohnehin allmählich nachlassende Offensive der Entente noch 2-4 Wochen lang abzuwehren.

Ich denke, dass man darauf durchaus hätte spekulieren können und dann hätte man de facto 3-4 Monate nicht Waffenstillstand, aber wenigstens Angriffstillstand gehabt, die man diplomatisch hätte nutzen können.


Insofern würde ich sagen, dass man den letztendlichen Abschluss dieses Waffenstillstands möglicherweise für voreilig halten kann, das Gesuch um Aufnahme von Waffenstillstandsverhandlungen im Oktober halte ich demgegenüber für richtig.
Zumal wenn Ludendorff recht gehabt hätte und die Westfront wie ein Kartenhaus zusammengebrochen wäre, die Entennte-Mächte im Oktober und November noch genügend Zeit gehabt hätten , bis an die Reichsgrenze und darüber hinaus vorzustoßen.
Nachdem der aber ausgeblieben war, man den Oktober und fast den halben November bereits glücklich überstaden hatte und der rettende Winter im Prinzip nahte, hätte man sich durchaus überlegen können ob es notwendig war die Waffen niederzulegen und alle Faustpfänder aus der Hand zu nehmen, nur um Druck von der Westfront zu nehmen, der zwei oder drei Wochen später in dieser Form wahrscheinlich von ganz allein nachgelassen hätte, weil Witterungs- und Bodenverhältnisse keine Großoffensiven mehr erlaubten.
 
Ich würde mich eher in die Formel einlassen wollen, dass das Heer zwar tatsächlich unbesiegt war, diesen Umstand allerdings weniger einer eigenen Überlegenheit über den Gegner verdankte, als dem Umstand, dass die zivile Regierung rechtzeitig das Ende der Kampfhandlungnn herbeiführte, mit dem Nebeneffekt, dass dem Heer die perspektivisch absehbare militärische Niederlage erspart blieb.

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Die deutsche Armee hatte zumindest während des ganzen Krieges keine dramatische, demütigende Niederlage erlitten, kein Tannenberg, Gorlice oder Caporetto. Es hatte im 1. Weltkrieg nicht den Fall gegeben, dass wie bei Stalingrad oder Tunis ganze Armeen hatten kapitulieren müssen.

Verheerende Niederlagen hatten nur die Verbündeten erlitten, und deutsche Einheiten hatten 1916 in Wolhynien und Galizien die Ostfront stabilisiert, nachdem es zeitweise nach einem Zusammenbruch der Ostfront aussah. Man hatte Ende 1916 Rumänien vernichtend geschlagen und ihm den Frieden diktiert, Man hatte schließlich Russland geschlagen.

1917 hatte Deutschland während seine Verbündeten Österreich-Ungarn, Bulgarien und die Türkei schon deutlich angeschlagen waren, alle Offensiven an der Westfront abgewehrt. Die Briten hatten einige Anfangserfolge im Artois bei Arras errungen, die Offensive blieb aber stecken wie Haigs Lieblingsprojekt der Flandernoffensive, Frankreichs größte Offensive seit Kriegsbeginn war ein noch größeres Debakel, es gab nicht mal einen Anfangserfolg, und um wenigstens den zu garantieren, hatte Nivelle Reserven auf Reserven in den Kampf geworfen-das Resultat waren Meutereien und Militärstreiks, die französische Armee fiel als offensive Truppe bis Oktober 1917 aus. 1917, als die 3. Flandernschlacht schon in Dreck und Blut erstickt war hatten die Briten mit der neuen Waffe, mit den Tanks angegriffen. Ein Durchbruch wurde bei Cambrai erzielt, die Glocken von St. Pauls läuteten den Sieg ein-doch die Briten hatten sich zu früh gefreut, wie das Glockengeläut der Deutschen nach der Einnahme von Fort Douaumont war der Jubel verfrüht. Mit einer Gegenoffensive eroberten die Deutschen fast das gesamte Gelände zurück.

Russland war als Gegner neutralisiert, ebenso Rumänien, und auch Italien war bei Caporetto vernichtend geschlagen worden. Die deutsche Armee, obwohl seit langem zahlenmäßig unterlegen, hatte allen Offensiven der Alliierten standgehalten. An Manpower und auch an Material waren die Deutschen unterlegen, es mangelte an Sprit, Gummi, Ersatzteilen, und allem Möglichen. Ein Großteil der deutschen Soldaten war seit langem unterernährt. Was an Verpflegung an die Truppe ausgegeben wurde, das war im Grunde eine Frechheit.

Es ist die Vermutung nicht ganz abwegig, dass keine alliierte Armee mit solchen Hungerrationen solange durchgehalten hätte. Immerhin Russland war als Kriegsgegner ausgeschieden. Zahlenmäßig waren die Deutschen im Frühjahr 1918 erstmals zahlenmäßig leicht überlegen.

Die letzte Chance lag darin, eine militärische Entscheidung zu erzwingen, bevor sich die Überlegenheit der Amerikaner auswirken musste.

Bei St. Quentin wurde ein Durchbruch erzielt, die Deutsch stießen mehr, als 60 Kilometer vor. Doch am Ende war alles vergebens gewesen. Vier Jahre hatte die Bevölkerung den Gürtel enger und immer enger schnallen müssen. Es gab Truppenteile die nach dem Motto "Und jetzt erst recht" fanatisch weiter kämpften. Nach dem Durchbruch bei Amiens hatten sich die deutschen Truppen überall geordnet zurückgezogen. Es gab beim Rückzug keinerlei Auflösungserscheinungen wie sie sich beim Rückzug der Italiener vom Isonzo zum Tagliamento und Piave gezeigt hatten.

Italien war 1917 geschlagen, aber es war nicht besiegt. Das zaristische Russland hatte zulange Krieg geführt.

Das hatte auch Deutschland, seine Armee war im Weltkrieg bis zuletzt schlagkräftig. Die Truppe war diszipliniert und hatte sich geordnet zurückgezogen. Der 2. Weltkrieg hatte 1944 Formen angenommen, wo Widerstand geradezu aberwitzig schien, eine Exekution eher, als ein Kampf.
Im 1. Weltkrieg hatte die deutsche Armee nicht die Waffen strecken müssen vor den Gegnern, es musste das Heer nicht kapitulieren, es gab kein Stalingrad, kein Tunis.

Die Deutschen hatten keine demütigende Niederlage während des ganzen Krieges erlitten. Die französische Armee könnte man als moralischen Sieger der Schlacht von Verdun bezeichnen. Der "Sieger" hatte aber höhere Verluste, und der Sieg bestand darin, dass man sich gegen die Deutschen behauptet hatte. Deutschland hatte die Gegner alle geschlagen, Briten, Franzosen, Russen und Italiener, es hatte sie alle mehrfach geschlagen, aber es hatte nicht geschafft, sie zu besiegen.

Im Frühling und Sommer 1918 hatten die deutschen Armeen noch ein letztes Mal diese fatale Kraft gezeigt. Man hatte die Front durchbrochen, war 60 Kilometer vormarschiert, und am Ende war doch alles umsonst! Die Armee hatte sich geordnet zurückgezogen, die Armee war nach wie vor diszipliniert und motiviert. Sie hielten die Stellung, aber die meisten sahen zu, dass sie sich dabei nicht den Heldentod holten. Jahrelang hatte man Soldaten wie Zivilisten immer wieder erzählt, dass diese Anleihe, diese Offensive endgültig die letzte war.

Nachdem die letzten Anstrengungen trotz aller Teilerfolge nicht das gewünschte Ergebnis zeigten, war der Truppe neue und immer neue Belastungen nicht mehr zuzumuten.

Österreich-Ungarns letzte Offensive am Piave war gescheitert, die Völker der Monarchie strebten auseinander, Bulgarien und die Türkei waren stehend K. O.


Der 1. Weltkrieg wurde durch Ermattungs- und Abnutzungserscheinungen gewonnen. Deutschland war (noch) nicht besetzt. Bei Kriegsende standen die deutschen Armeen noch immer tief in Feindesland. Die deutsche Armee war in dem Sinne "nicht geschlagen" da sie noch Widerstand leisten konnte, sie hatte nicht vor einer überlegenen Armee kapituliert, sie hatte sich geordnet zurückgezogen.
Deutschlands Wehrkraft war noch weitgehend intakt.



Deutschland war aber dennoch besiegt. Die deutsche Armee war nicht mehr in der Lage, irgendwie das Gesetz des Handelns zu bestimmen, ihre Kraftquellen versiegten, und Deutschlands Verbündete waren völlig erschöpft.

Wie Sun Tzu gesagt hätte: Es war der Schatz verbraucht, die Begeisterung gedämpft, die Kampfkraft ermattet. Deutschland war besiegt wie ein Schachspieler, dessen Gegner kurz vor einer Damenumwandlung steht.


Das war den Soldaten an der Front auch mehrheitlich bewusst.
 
Geht nicht die Bedeutung des Ersten Weltkriegs in der heutigen Zeit ein wenig unter?

Oder sagen wir die Bedeutung in folgender Zeit?
Die Ermordung Kennedys am 22. November 1963 hätte das "Nukleare Sarajevo" werden können und es spricht viel dafür, dass sich die zwei Supermächte dessen bewusst waren.

Wie auch immer,
der Mearsheimer hat dazu eine politische Theorie (offensiver Realismus) die er auf verschiedene Ereignisse in der Geschichte anwendet um die Verwendbarkeit der Theorie zu prüfen.
Es würde zu weit gehen das Gedankengebäude darzustellen, welches für das Jahr 1905 versagt, wie Mearsheimer einräumt.
Denn das DR hat eben nicht Frankreich angegriffen, wie es nach der Theorie der er anhängt, hätte wahrscheinlich sein müssen.
Ansonsten aber scheint das Muster ganz gut zu passen, mithin mit Unsicherheiten anwendbar. So die Darstellung.
Ein Grundmuster auf der Bühne der Großmächte besteht in der Anarchie.
D. h. nichts anderes als keine darüberliegende Hierarchie-Ebene existiert.
Man kann eben nicht die 110 (911) anrufen wenn man überfallen wird, sondern trägt selbst Vorsorge.

Nun gibt es verschiedene Konstellationen der Beziehungen zwischen den Mächten mit verschieden großen Wahrscheinlichkeiten eines Kriegs zwischen Großmächten.

1. Ausgeglichene Bipolare Welt (Kalter Krieg).
2. Ausgeglichene multipolare Welt.
3. Unausgeglichene multipolare Welt.

Szenario 3 hat nach M. die höchste Wahrscheinlichkeit eines großen Kriegs und war 1914 gegeben.
(Szenario 1 die geringste.)

Wo sind wir heute? Szenario 3 wie 1914?

Mearsheimer, John J. (2014): The tragedy of great power politics. Updated edition. New York, London: W.W. Norton & Company (The Norton series in world politics).
 
Die deutsche Armee hatte zumindest während des ganzen Krieges keine dramatische, demütigende Niederlage erlitten, kein Tannenberg, Gorlice oder Caporetto. Es hatte im 1. Weltkrieg nicht den Fall gegeben, dass wie bei Stalingrad oder Tunis ganze Armeen hatten kapitulieren müssen.

Ich würde weitergehen und den Durchbruch der Entente im Sommer/Herbst an der Westfront durchaus für mit der Durchbruchsschlacht von Gorlice-Tarnów vergleichbar halten und es auch durchaus als dementsprechende Niederlage ansehen.
Nur nach Gorlice-Tarnów, so schmerzhaft das für die Russen war, war eben noch lange nicht Schluss.

Russland hatte nach Gorlice-Tarnów Polen und Litauen, mehr oder minder endgültig verloren, konnte den Krieg aber durchaus noch eine Zeit lang fortsetzen und in einer vergleichbaren Lage sehe ich eigentlich Deutschland Ende 1918, mit dem Untrschied, dass bei der Materialüberlegenheit der Entente, die hier voll zum Einsatz kommen konte, während Russland immer davon profitierte, dass Deutschland auch im Westen und Österreich-Ungarn auch im Süden kämpfen musste, allerdings das Zeitfenster in dem Gegenwehr noch möglich war kleiner ausfiel, als dass für Russland.

Man hatte in Belgien und frankreich nach Maßstäben des 1. Weltkriegs gewaltige Geländeverluste erlitten, die man nicht zurückgewinnen konnte, aber völlig am Ende, dass man nicht mehr in der Lage gewesen wäre Widerstand zu leisten, war man noch nicht, auch wenn sicherlich die Zeit davon lief.
 
Ein Grundmuster auf der Bühne der Großmächte besteht in der Anarchie.
D. h. nichts anderes als keine darüberliegende Hierarchie-Ebene existiert.

Dieser Annahme würde ich insofern widersprechen, als dass mit der Großmachtskonferenz und ihrem Schiedsspruch Europa durchaus eine höhere Hierarchieebene kannte, als die Interessen und Entscheidungen der einzelnen Großmacht.

Das Problem würde ich eher darin sehen, dass die Blockbildung unter den Großmächten, die Großmachtskonferenz als Schiedsinstanz blockierte, bzw. zu dem Bestreben führte diese, wann immer möglich für die eigenen Interessen zu monopolisieren und immer dannn zu missachten, wenn die Majorität auf der anderen Seite lag.

So lange es keine festen Bündnisblöcke und sich die beteiligten Mächte bei den Konferenzanlässen dementsprechend flexibel zeigten, funktionierte das ganz gut, weil jeder damit rechnen musste ggf. zurückstecken zu müssen, aber keiner Gefahr lief von einer festen Koalition dauerhaft übervorteilt zu werden.
Mit der Blockbildung fing dises System an schlechter zu fuktionieren, weil die beteiligten Akteeure von dem Moment an nicht mehr nur flexibel ihre eigenen Interessen vertraten, sondern sich zunehmend an die der Verbündeten gebunden fühlten.
Auch das funktionierte noch einigermaßen, so lange Großbritannien mehr oder minder blockfrei war und im Zweifel als Schieedsrichter zwischen dem Deutsch-Österreichisch-Ungarisch-Italienischen und dem Russisch-Französischen Block vermitteln konnte.

Wirklich gefährlich wurde es meines Erachtens nach erst, als sich GB an die Entente band und dem europäischen System sein Schiedsrichter abhanden kam.
So jedenfalls mein Eindruck.

Ich würde mutmaßen, dass im Falle einer multipolaren Welt die Frage ob diese ausgeglichen ist oder nicht für die Wahrscheinlichkeit von Kriegen nicht so entscheidend ist, sondern viel eher die Vernetzung der Großmächte untereinander und ob diese in relativ losen Beziehungen zu einander stehen und vorwiegend ihre eignen Interessen vertreten und damit in keiner Weise wertegebunden oder mit den Interessen anderer rückgekoppelt, dafür aber dementsprechend flexibel sind, oder ob sie sich im immer umfassendere Blockstrukturen einlassen, die zunehmende Reibungspunkte miteinander entwickeln und kein flexibles Auftreten mehr erlauben ohne die Gefahr der eigenen Isolation mit sich zu bringen.
Dieser Überleegung folgend, würde ich einfach mal die steile These in den Raum stellen, dass die multipolare Ordnung Europas im 19. Jahrhundert vor 1879 wahrscheinlich lange sehr stabil hätte weiterexistieeren können, wäre man in Berlin und Wien nicht auf die Idee mit dem Zweibund gekommen und hätte ein entsprechendes Russisch-Französisches Gegenbündnis provoziert.
Es gab vor 1879 in Europa Kriege, aber dadurch, dass die Großmächte sich in keine festen Blockstrukturen eingelassen hatten, konnten zumindest lokalisiert werden.

Die bipolare Ordnung und die Blockstrukturen des kalten Krieges halte ich demgegenüber für viel gefährlicher und bin mir ziemlich sicher, dass diese ohne Nuklearwaffen auf beiden Seiten in den 3. großen Kladderadatsch geführt hätten.
Nicht weil der Stil der Politik agressiver gewesen wäre, sondern weil die Vernetzung in weltweit agierende Bündnissysteme die im krassen Widerspruch zueinander standen, die Entscheidungsfreiheit und Flexibilität der einzelnen Akteure empfindlich einschränken musste.


Wo sind wir heute? Schwer zu sagen. Ich würde meinen auf dem Weg von einem unipolaren in ein multipolares System, wobei ich nicht davon ausgehen würde, dass das allein ohne Berücksichtigung der Fortschritte in der Waffentechnik automatisch mit dem 19. oder beginnenden 20. Jahrhunder vergleichbar wäre, was das Gefahrenpotential künftiger Krieg anbelangt.
Hier würe ich auch sagen, dass möglicherweise ein Vorteil einer solchen multipolaren Ordnung (wenn wir z.B. USA, China, Indien, Europäische Union und Russland mal als mögliche Großakteure ansehen wollen), dass die Großmächte nicht in dem Umfang territorial geballt auftreten was es möglicherweise vereinfacht Konflikte etwas besser auseinander zu halten.
 
@Shinigami

Die "überraschende" militärische Niederlage wirkte nicht nur auf die Soldaten, sondern auch auf die Bevölkerung geradezu traumatisch. Die in dieser Form und Schärfe niemals für möglich gehaltene, schockartig hereinbrechende Tatsache der Niederlage war dermaßen, das am Ende des Krieges die Stimmung der Truppe so schlecht war, dass man letztlich nur noch über ein Offizierskorps ohne Truppe gebot.
Die Bevölkerung aber auch die Truppe hätten vorher auf die bevorstehende Niederlage vorbereitet werden müssen. Noch im Sommer 1918 hatte in Deutschland kein Mensch an einer möglichen Niederlage gedacht. Die Menschen waren eben durch die zensierte Berichterstattung auf einen Sieg eingestimmt.

Die Forderung der OHL vom 29.September nach sofortigen Waffenstillstand innerhalb von 24 Stunden widersprach allen bisher verkündeten Durchhalte- und Siegesparolen, vor allem seit dem Diktatfrieden von Brest Litowsk. Am 13.September wurde klar, das der wichtigste Verbündete wohl demnächst aus dem Kriege ausscheiden würden. Am 15.September brach die Front am Balkan zusammen.

Es wäre an der Zeit gewesen der Truppe und Bevölkerung reinen Wein einzuschenken. Das Waffenstillstandsgesuch, ohne jede Vorbereitung, war katastrophal in seiner Auswirkung.
 
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