Warum die Schuldfrage ausklammern? Wenn sich unsere Betrachtung vom 1. Weltkrieg ändert, dann auch vom 2. ???
Ich habe nicht gefordert, dass die "Schuldfrage ausgeklammert würde", sondern lediglich festgestellt, dass Clark dass in seinem Werk getan hat.
Wenn du meine persönliche Anschauung zur "Schuldfrage", oder nennen wir es Lieber Frage nach der Verantwortlichkeit hören möchtest, die lautet wie folgt:
Einen Teil der Schuld am 1. Weltkrieg trägt jede handelnde Regierung, die durch ein anderes Handeln diesen Krieg hätte verhindern können.
Das betrifft aus meiner Sicht:
Österreich-Ungarn: Wien hätte sich mit der serbischen Antwort auf das Ultimatum zufrieedengeben und den Rest im Rahmen einer Konferenz verhandeln können, angesichts des Umstands, dass man selbst in St. Petersbrug über das Attentat schockiert war, wären die Chancen, dass Wien seine Interessen auf Diplomatischem Wege hätte durchsetzen können, so schlecht nicht gewesen.
Serbien: Es hätte den Wiener Forderungen unter Protest nachgeben können. Überhaupt hätte es von sich aus Eigeninitiative zur Untersuschung der Angelegenheit an den Tag legen und unmäßigen Österreichisch-Ungarischen Forderungen damit vorbauen können.
Deutschland: Hätte Wien klar machen können, dass man sich wegen der Wiener Balkaninteressen nicht in einen Weltkrieg ziehen lassen würde, was Wien gezwungen hätte auf einen Krieg zu verzichten.
Russland: Hätte Serbien in der Sache die Unterstützung aufkündigen und es damit zwingen können auf die Österreichischen Forderungen einzugehen.
Frankreich hätte Russland die Unterstützung für diese Schritte eintiehen und damit St. Petersbrug zwingen können mäßigend auf Belgrad einzuwirken oder sich ganz heraus zu halten.
Alle diese Akteure hätten, ohne dass es noch das Eingreifen eines anderen Bedurft hätte, diesen Krieg durch Eigeninitiative verhindern können, wenn sie bereit gewesen wären die politischen Preis dafür zu bezahlen, nämlich an Einfluss auf dem Balkan zu verlieren (Österreich-Ungarn, Serbien Russland) oder einen Verbündeten zu verlieren (Frankreich/Deutschland).
Wie man Verantwortung unter diesen Akteuren nun gewichten möchte, da kann man viel diskutieren. Letztendlich gab es aber mindestens 5 Akteure, die die Notbremse hätten ziehen können, wozu keiner bereit war.
Über die Rolle Großbritanniens kann man streiten, weil hier nicht klar ist, on GB ein derartiges Gewicht in diesem Konflikt hatte, dass es einen der beiden Blöcke wirklich zum Einlenken hätte zwingen können, einfach weil es GB an Landstreitkräften fehlte um auf dem Kontinent kurzfristig ein sehr starker Faktor zu sein.
Vor Gericht würde man das Handeln aller genannten Akteure außer vielleeicht GB als "grob fahrlässiges Handeln/Unterlassen" einstufen, weil keiner von denen den Weltkrieg wirklich wollte, aber auch wirklich keiner Schritte unternahm um dem auszuweichen.
Stattdessen versuchte man wechselseitig über Eskalation den Gegner aus dem Konflikt herauszubluffen.
Ich für meinen Teil sehe keinen Sinn in der Suche eines "Hauptschuldigen", um ehrlich zu sein.
Mich interessiert eher wie man so etwas in Zukunft vermeiden kann.
Warum sich dadurch in irgendeiner Form dadurch Betrachtungen des 2. Weltkriegs ändern sollten, ist mir schleierhaft.
Beim 2. Weltkrieg liegt dergestalt eine völlig andere Situation vor, als dass es sich um eine eindeutige deutsche Agression handelt, die von deutscher Seite über Jahre vorbereitet worden war und die im Grunde genommen auch schon im Märt 1938 mit dem militärischen Übergriff auf Österreich begann.
Das ist alles eindeutig dokumentiert und Anlass das oder die weiteren damit verbundenen Verbrechen in irgendeiner Form in Zweifel zu ziehen gibt es nicht.
Im Hinblick auf den 1. Weltkrieg sieht das von der Quellenlage aber einmal etwas anders aus, weil es dazu keine der "Hoßbach-Niederschrift" oder dem "Schmundt-Protokoll" vergleichbaren Dokumente gibt, die belegen würden, dass die politische Leitung des Kaiserreiches auf einen solchen Krieg tatsächlich längerfristig hingearbeitet hätte.
Man wird konstatieren können, dass die deutsche Position im Juli 1914 so aussah, dass man einen begrenzten Krieg auf dem Balkan zwischen Österreich-Ungarn und Serbien wollte um das als Hebel zu verwenden einen Keil zwischen Frankreich und Russland zu treiben um damit die Entente zu sprengen.
Den großen Krieg wollte man eigentlich nicht und war darauf auch nicht vorbereitet, tragischer Weise aber eben auch nicht bereit einen Rückzieher zu machen, als offenkundig wurde, dass man Frankreich nicht vom Tisch bluffen konnte.
Wäre es nach dem gegangen, was die deutsche Regierung im Juli 1914 wollte, hätte Frankreich zurückgezogen, damit Russland isoliert, was Russland gezwungen hätte Serbien fallen zu lassen und Österreich-Ungarn ermöglicht hätte mit Serbien anzustellen, was es wollte, ohne das Deutschland selbst über Mobilisierung hinausgehend aktiv hätte eingreifen müssen.
Das Ergebnis wäre eine Stärkung Österreich-Ungarns auf dem Balkan gewesen und idealer Weise das Ende der Französisch-Russischen Allianz, weil für Russland dieses Bündnis, wenn Frankreich sich weigerte dessen Balkanpolitik mitzutragen, wertlos geworden wäre.
Das sind die begrenzten Ziele auf die Berlin im Juli 1914 kurzfristig abzielte und das ist eine völlig andere Situation als die Politik, die Hitler seit 1935 kontinuierlich betrieb und vorbereitete.