1. Was sprach eigentlich für die deutsche Position? Erst dann kann man doch erst kritisieren.
Zu einer Subsumption gehört doch immer auch die Antithese. Daher heißt es sauber arbeiten!
Ich denke doch, dass ich in dem Beitrag auf den du Bezug nimmst durchaus klar gemacht habe, dass ich durchaus anerkenne, dass die deutsche Seite im Juli 1914 gewissen strukturellen Handlungszwängen unterlag, wozu gehörte, dass man im Wettrüsten der Landstreitkräfte gegenüber der Entene zunehmend ins Hintertreffen geraten war und das Faktum der Entente, auch wenn sie kein Militärbünddnis der drei Partner im eigentlichen Sinne war, sicherlich Anlass dazu geben konnte/musste die Wilhelmstraße unter außerordentlichen Druck zu setzen.
Ich wüsste nicht, wo ich mir hier eine unsaubere Betrachtungsweise zu Schulden hätte kommen lassen.
Nur wie gesagt, müsste man sich eben auch anschauen, wo die Handlungszwänge sich herleiteten:
- Kategorisches Festhalten am Bündnis mit Wien, obwohl das mittlerweile mehr Probleme als Nutzen brachte, weil das umgekehrt St. Petersbrug an Paris band.
- Versäumnis des rechtzeitigen Umschwänkens von See- auf Landrüstung
- Versäumnis nicht rechtzeitig auf die russischen Heeresvermehrungen zu reagieren.
- Versäumnis des Generalstabs und des Kriegsministeriums die politische Führung darüber in Kenntnis zu setzen, dass sie nicht in der Lage waren mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln einen Plan für einen möglichen Zweifrontenkrieg zu erstellen, der wirklich tragfähig war.
- Versäumnis der Reichsleitung dafür Sorge zu tragen, die eigene Rüstungswirtschaft so weit als möglich vom Weltmarkt abzukoppeln um den Militärs mehr Planungsspielraum zu geben.
etc. etc.
Da käme einiges zusammen, was man eigentlich mal aufrollen müsste, für mich in der Betrachtung zu wenig Beachtung findet, wenn einfach konstatiert wird, dass Deutschland sich unter Handlungszwängen befand.
Das ist zwar grundsätzlich richtig, allerdings, es war immer deutsche Position die Diskussion über die Kriegschuldfrage nicht nur von der Plattform der Zeit unmittelbar vor Kriegsausbruch betrachten zu wollen, sondern auch die längerfristige Entwicklung in Rechnung zu stellen.
Das sollte man tun, aber nicht nur im Hinblick auf die diplomatisch-politischen Rahmenbedingungen, sondern auch im Hinblick auf die Genese von Handlungszwängen.
2. Man muss bei der ganzen Kritik am Deutschen Reich immer echt aufpassen, dass man nicht versehentlich den nationalistischen Schreihälsen und Kriegstreiber der Entente Seite recht gibt.
Ne.
Die Frage ob man möglicherweise irgendwem in bestimmten Punkten recht geben könnte, der einem aus welchen Gründen auch immer nicht passt, kann keine Prämisse zur objektiven Betrachtung eines Sachverhaltes sein, denn dann geht es darum Recht zu behalten, nicht etwas neutral bewerten zu wollen.
Um es (sinngemäß, das Orriginalzitat müsste ich suchen) mit den Worten Bismarcks zu sagen, der darauf mal auf die Empörung v. Gerlachs über die (damals) Frankreich entgegenkommende Politik des ersteren reagierte:
"Man kann nicht schachspielen, wenn einem die Hälfte der Felder auf dem Spielfeld verboten sind."
Wenn man sich bevor man etwas bewertet die Frage stellt, ob dieses oder jenes sein dürfe und dadurch Bewertungen von Teilaspekten, die eigentlich angebracht wären kategorisch ausschließt, tut man genau das, nämlich den Versuch unternehmen unter Verzicht diverser sich anbietender Optionen zum Ziel zu kommen.
Ausgangspunkt jeder einigermaßen neutralen Betrachtung muss der Grundsatz sein, dass auch der Gegenüber, auch wenn der in Person oder Meinung sonst unsympathisch ist, grundsätzlich Recht haben kann (mindestens Teilweise), sonst kommt dabei nicht eine Bewertung heraus, die für sich beanspruchen kann einigermaßen objektiv zu sein, sondern eine wie auch immer geartete Kampfschrift.
De Grundsatz Geschichte "sine ira et studio" zu betreiben, so weit das möglich ist, gibt es nicht umsonst.