Deutsch-Dänischer Krieg 1864 und Großbritannien

Als preußische Truppen in Verfolgung der Dänen am 19.Februar 186 Kolding besetzten, reagiert London sehr empfindlich.

Was sehr verständlich ist, weil die Stadt eine logische Basis für eine Invasion der dänischen Inseln darstellen konnte und spätestens wenn das ernsthaft unternommen worden wäre, wäre es für London wegen des Ostsee-Zugangs mit Ansage Schluss mit lustig gewesen.

Die Frage ist, wie dringend sah man in London noch eine Intervention, als absehbar wurde, dass die preußisch-österreichische Koalition nicht beabsichtigte weiter in Richtung Kopenhagen vorzugehen, sondern es im Großen undd ganzen bei der Besetzung der Elbherzogtümer undd Teilen Jütlands belassen ließ ohne im Bereich des Letzteren dauerhafte Eroberungen machen zu wollen?
 
wieder was gelernt! "bewaffnete Vermittlung" war mir neu!

Diese Figur hat, letztendlich schon Metternich 1813 während des Waffenstillstand zwischen Napoléon und der Koalition nach den französischen Siegen bei Dresden und Bauzen bemüht, um Österreich durch offizielle Anerkennung der Vermittlerrolle aus dem französischen Bündnis heraus zu manövrieren und nach eigenem Belieben Druck auf Napoléon oder die Koalition ausüben zu können (de facto dann auf Napoléeon).
 
Was sehr verständlich ist, weil die Stadt eine logische Basis für eine Invasion der dänischen Inseln darstellen konnte und spätestens wenn das ernsthaft unternommen worden wäre, wäre es für London wegen des Ostsee-Zugangs mit Ansage Schluss mit lustig gewesen.

Die Frage ist, wie dringend sah man in London noch eine Intervention, als absehbar wurde, dass die preußisch-österreichische Koalition nicht beabsichtigte weiter in Richtung Kopenhagen vorzugehen, sondern es im Großen undd ganzen bei der Besetzung der Elbherzogtümer undd Teilen Jütlands belassen ließ ohne im Bereich des Letzteren dauerhafte Eroberungen machen zu wollen?

Die Haltung der englischen Regierung kam in Bewegung, als Paris signalisierte an einer Aktion gegen Preußen und Österreich nicht teilnehmen zu wollen. Paris wollte seine Handlungsfreiheit bewahren.

Nach einiger Bedenkzeit kam das englische Kabinett einschließlich Palmerston dann zu der Erkenntnis, dass das Einlaufen der englischen Flotte in die Ostsee politisch und militärisch nicht ohne Risiko sei und ein Erfolg nicht garantiert sei. Am 24.02.1864 wurde das Vorhaben gestrichen.
 
Die Haltung der englischen Regierung kam in Bewegung, als Paris signalisierte an einer Aktion gegen Preußen und Österreich nicht teilnehmen zu wollen. Paris wollte seine Handlungsfreiheit bewahren.

Zum reinen Verständnis, ging man denn eigentlich in London im Besonderen von einer franzsösischen Intervention aus?
Das würde mich einigermaßen überraschen, angesichts der verwandschaftlichen Beziehungen, des Interesses den Zugang zur Ostsee in jedem Fall offen zu halten und der Tatsache, dass Frankreich sich mit dem Mexiko-Abenteuer ein ganzes Stück weit an Wien gebunden hatte und Teile seiner Truppen eben deswegen auch überhaupt nicht verfügbar waren, hätte ich vermutet, dass man in London vor allem auf Russland gesetzt hätte, was eine Intervention betrifft.
 
Vor allem Kiel war auch dem Zarenreich ein Dorn im Auge.

Inwiefern ließ sich im Bezug auf Kiel, dass ja im Gegensatz zu Schleswig unumstritten zum Deutschen Bund gehörte eine Bundesexekution gegen Holstein und Lauenburg angreifen?

Sicherlich hätte die Sängerbrücke darauf pochen können, dass das Territorium nicht preußisch würde (wurde es ja auch nicht unmittelbar), aber was ließ sich gegen den Schrit der Bundesexekution an und für sich vorbringen?

St. Petersburg hatte ja mit seinem Schritt in Olmütz deutlich unterstrichen, dass es auf dem Standpunkt stand die Verhältnisse im Deutschen Bund so erhalten zu wollen, wie sie waren.
Auf den Konventionen und Rechten des Bundes zu bestehen, musste dann aber auch bedeuten das Instrumentarium des Bundes zu seiner eigenen Erhaltung, wozu die Möglichkeit der Bundesexekution gehörte zu akzeptieren.
 
Sicherlich hätte die Sängerbrücke darauf pochen können, dass das Territorium nicht preußisch würde (wurde es ja auch nicht unmittelbar), aber was ließ sich gegen den Schrit der Bundesexekution an und für sich vorbringen?

Die Sängerbrücke betrachtete die Bundesexekution quasi als revolutionär. Der Bundestag hatte den nationalen Leidenschaften nachgegeben und das war aus Sicht der Sängerbrücke sehr verdächtig.

Auch passte Gortschakow die Nichtbeteiligung Preußens und Österreichs an der Bundesexekution gegen Holstein nicht.

Des Weiteren konnte den Russen ein weiterer, auf Sicht, ernsthafter Mitspieler in der Ostsee nicht gefallen.
 
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Zum reinen Verständnis, ging man denn eigentlich in London im Besonderen von einer franzsösischen Intervention aus?
Das würde mich einigermaßen überraschen, angesichts der verwandschaftlichen Beziehungen, des Interesses den Zugang zur Ostsee in jedem Fall offen zu halten und der Tatsache, dass Frankreich sich mit dem Mexiko-Abenteuer ein ganzes Stück weit an Wien gebunden hatte und Teile seiner Truppen eben deswegen auch überhaupt nicht verfügbar waren, hätte ich vermutet, dass man in London vor allem auf Russland gesetzt hätte, was eine Intervention betrifft.

Frankreich wollte die Problematik Ende 1863 auf dem Wege eine Konferenz aus der Welt schaffen, doch das hatte London abgelehnt. Auch brachte Paris ein Plebiszit ins Spiel, welches aber weder für Russland noch für Österreich, beides Vielvölkerreiche, deren verschiedenen Nationalitäten "auf dumme Gedanken kommen könnten" akzeptabel gewesen war. Hier hatte Napoleon III. keine Rücksicht auf Wien genommen.

Im März 1864 begann die Preußen, im Einverständnis mit Wien, mit dem systematischen Angriff auf Jütland. Gleich der erste Vorstoß wurde erfolgreich gegen die Linie Fredericia - Vejle geführt.

In der zweiten Märzhälfte gelang es denn die Zustimmung der Mächte für eine Konferenz zu bekommen, die dann am 20.April 1864 beginnen sollte. Die dänische Regierung lehnte allerdings einen Waffenstillstand ab, der die dänische Integrität nicht ausdrücklich anerkannte. Das kam Bismarck durchaus entgegen. Die Halsstarrigkeit der Dänen ermöglichte den Sturm auf die Schanzen von Düppel, der mit einem Sieg der Preußen endete. Dänemark war nun wehrlos. Am 20.April nahmen die preußischen und österreichsichen Truppen erneut die Offensive gegen Jütland auf, welches innerhalb von 10 Tagen, bis auf ein kleines Fleckchen, erobert wurde.
 
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Zur englischen Außenpolitik jener Jahre läßt sich sagen, das England durchaus bemüht war die Beziehungen zu Frankreich zu einer Entente auszubauen; einen Handelsvertrag hatte man schon als Bindemittel abgeschlossen. Hier liegt auch der Grund, weshalb es Gortschakow trotz all seiner Sympathie für Frankreich letzten Endes nicht gelungen ist, eine regelrechte Entente mit Paris zu vereinbaren. Und mit dem polnischen Aufstand, in dem Napoleon III. nach anfänglichen Abwarten Stellung für die Aufständischen bezog.

Neben den imperialen und europäischen Belangen, deren Behandlung eine relative Beständigkeit aufwies, waren die Stränge englischer Außenpolitik beispielsweise das Verhältnis zu den USA und Russland. Bei den USA ging es darum Kanada vor dieser Bedrohung zu schützen und hinsichtlich des Zarenreichs ging es eben um Indien.

Der englischen Haltung zur deutschen Frage favorisierte das Einvernehmen zwischen Österreich und Preußen. Was die Engländer sahen, war, wenn Österreich und Preußen ihren geradezu notorischen Dauerstreit ruhen oder sogar beenden und sich zu gemeinsamen Handeln entschlossen, waren die Staaten des "Dritten Deutschlands" einfach nicht mehr in der Lage und wohl auch willens sich dem entgegenzustellen. Mitteleuropa benötigte eine neue Ordnung und hier war mit Bismarck zu rechnen. Schon Lord Loftus hatte am 01.Juni 1861 betont, das eine Berufung Bismarcks ins Amt des Ministerpräsidenten für England allgemein und für eine englische-preußische Allianz nicht gerade als günstig einzuschätzen sei. Warnende Stimmen wie die des englischen Gesandten in Hannover Sir Henry Howard prognostizierten im Januar 1864 das der Dänemarkkonflikt nur der Auftakt zu einer Umgestaltung der bestehenden Ordnung sei und daher seiner Regierung riet, tatkräftig gegen Preußen vorzugehen.
 
Die Sängerbrücke betrachtete die Bundesexekution quasi als revolutionär. Der Bundestag hatte den nationalen Leidenschaften nachgegeben und das war aus Sicht der Sängerbrücke sehr verdächtig.

Inwiefern hatte er nationalen Leidenschaften nachgegeben? Das hatten Österreich und Preußen als sie über die Grenzen des Bundes ausgriffen und Schleswig in ihren Forderungskatalog mit einbezogen, aber der Bundestag hatte mit dem Beschluss der Bundesexekution gegen Holstein und Lauenburg doch lediglich einen Schritt zur Wahrung besetehender Rechte des Bundes an diesen Territorien auf Basis der Bundesakte unternommen?

Des Weiteren konnte den Russen ein weiterer, auf Sicht, ernsthafter Mitspieler in der Ostsee nicht gefallen.

Sofern dies Preußen betraf, lag diese Macht doch längst an der Ostsee und dem Schutz der russischen Küsten selbst, wäre es doch eher entgegen gekommen, wenn Einheiten der bis dato ohnehin bescheidenen preußischen Flotte aus Stettin und Danzig abgezogen und weiter nach Westen verlegt worden wären?

Davon ab, dass Preußen das Potential zu einer ernsthaften Seemacht zu werden, zu diesem Zeitpunkt doch überhaupt nicht hatte.
Die Dauerrivalität mit Österreich und Frankreichs Drängen richtung Rhein setzte nach wie vor voraus die Militärausgaben bei der Landmacht zu konzentrieren und auch sonst fehlte es Peußen ja vollkommen an bedeutenden Häfen und Werftkapazitäten.

Das stellte doch für Russland selbst mit Kiel zunächst mal keine ernsthafte maritime Bedrohung dar.

Ich sehe eigentlich nur einen Grund, Preußen auf jeden Fall aus den Elbherzogtümern heraushalten zu wollen und das wäre der, das Besitzungen in diesem Raum wegen einer Landverbinddung die preußischen Wünsche vor allem Hannover zu schlucken vergrößern musste um damit sein Staatsgebiet im Norden zu verbinden.



Frankreich wollte die Problematik Ende 1863 auf dem Wege eine Konferenz aus der Welt schaffen, doch das hatte London abgelehnt. Auch brachte Paris ein Plebiszit ins Spiel, welches aber weder für Russland noch für Österreich, beides Vielvölkerreiche, deren verschiedenen Nationalitäten "auf dumme Gedanken kommen könnten" akzeptabel gewesen war. Hier hatte Napoleon III. keine Rücksicht auf Wien genommen.

Naja, hatte er damit keine Rücksicht genommen oder vor allem die Basis dafür geschaffen französische Zurückhaltung zu rechtfertigen?
Auf diese Weise ließ sich jedenfalls argumentieren, dass man von französischer Seite alles mögliche getan habe um das in friedlicher Weise zu lösen und dass man wegen Mexiko gerade nicht zur bewaffneten Intervention schreiten konnte, musste ja durchaus auch plausibel erscheinen.

Von dem her wäre für mich da die Frage, ob sich aus diesem Schritt tatsächlich irgendeine Form von Rücksichtslosigkeit gegen Wien ableiten lässt, oder ob es sich um einen reinen Alibi-Schritt handelte (im Wissen dass beidde Vorschläge sowiso abgelehnt würden, weil eine Konferenz das Londoner Protokoll infrage gestellt hätte und Österreich und Russland ein Plebiszit ohnehin ablehnen würden) um im Falle eines Krieges gerade nicht mit Wien brechen zu müssen?

Zur englischen Außenpolitik jener Jahre läßt sich sagen, das England durchaus bemüht war die Beziehungen zu Frankreich zu einer Entente auszubauen [...]

Neben den imperialen und europäischen Belangen, deren Behandlung eine relative Beständigkeit aufwies, waren die Stränge englischer Außenpolitik beispielsweise das Verhältnis zu den USA und Russland. Bei den USA ging es darum Kanada vor dieser Bedrohung zu schützen und hinsichtlich des Zarenreichs ging es eben um Indien.

Mir ist natürlich klar, dass London grundsätzlich eher ein Zusammengehen mit Paris, als mit St. Petersburg favorisierte.
Mir geht es nicht um Bündnisfragen, sondern um die vollständig isolierte Frage einer Intervention im konkreten Fall von 1864.

Wenn man nämlich in London vor allem auf Paris als die Macht auf dem Kontinent, mit deren Intervention am ehesten zu rechnen gewesen wäre, gesetzt hätte (nicht als die Macht mit der man am ehesten zusammengehen wollte, sondern, die am ehesten bereit wäre zu intervenieren), würde mich das das zwingen den Grad der Annäherungswünsche Napoléons an Wien, den ich regelmäßig unterstelle zu überdenken und da nochmal nachzuhaken, ob ich da vielleicht etwas zu viel hinein interpretiere.

So wie ich die Sache bisher angesehen habe, war unter den gegebenen Bedingungen eine französische Intervention extrem unwahrscheinlich, sofern man Frankreich keine Territorien am Rhein oder in der Wallonie in Aussicht gestellt hätte und die Frage einer ernstzunehmenden Intervention dieses Vorgehens gänzlich von der Haltung St. Petersburgs abhängig.

Deswegen überracht es mich sehr, wenn London seine Intervention vom Mitziehen Frankreichs mehr oder minder abhängig gemacht hätte, es sei denn, man hätte in London bereits zuvor vertraulich Informationen dahingehend gehabt, dass Russland sich keinesfalls daran beteiligen werde.

Daher die Frage.
 
Inwiefern hatte er nationalen Leidenschaften nachgegeben? Das hatten Österreich und Preußen als sie über die Grenzen des Bundes ausgriffen und Schleswig in ihren Forderungskatalog mit einbezogen, aber der Bundestag hatte mit dem Beschluss der Bundesexekution gegen Holstein und Lauenburg doch lediglich einen Schritt zur Wahrung besetehender Rechte des Bundes an diesen Territorien auf Basis der Bundesakte unternommen?

Die nationalen Leidenschaften die sich seit der Bekanntgabe der neuen Dänischen Verfassung zeigten, die eine eigene Verfassung für die Herzogtümer forderten und auch die Eingliederung Schleswigs in den Deutschen Bund und letzten Endes in einen deutschen Nationalstaat verlangten.
Bismarck und Rechberg hingegen stellten sich ganz konservativ zunächst auf den Boden der Londoner Protokolle von 1851.

Sofern dies Preußen betraf, lag diese Macht doch längst an der Ostsee und dem Schutz der russischen Küsten selbst, wäre es doch eher entgegen gekommen, wenn Einheiten der bis dato ohnehin bescheidenen preußischen Flotte aus Stettin und Danzig abgezogen und weiter nach Westen verlegt worden wären?

Davon ab, dass Preußen das Potential zu einer ernsthaften Seemacht zu werden, zu diesem Zeitpunkt doch überhaupt nicht hatte.
Die Dauerrivalität mit Österreich und Frankreichs Drängen richtung Rhein setzte nach wie vor voraus die Militärausgaben bei der Landmacht zu konzentrieren und auch sonst fehlte es Peußen ja vollkommen an bedeutenden Häfen und Werftkapazitäten.

Es war Petersburg klar, das Preußen einen Kriegshafen in der Kieler Bucht anlegen und einen Kanal zwischen Ost- und Nordsee bauen wollte. Damit war zusätzlich, nach dem die dänische Integrität schwer gelitten hatte, das europäische Gleichgewicht im Norden noch weiter beeinträchtigt. In einem Memo Gortschakows an Alexander II. heißt es dazu, "Natürlich erkannte das kaiserlich Kabinett die Bedeutsamkeit jener Änderungen, die in das Gleichgewicht der Seestreitkräfte im nördlichen Europa eingebracht wurden." (1) Natürlich war Petersburg sich darüber bewusst., das so ein Prozess dauern würde, aber es war klar, das es Realität werden würde.


Mir geht es nicht um Bündnisfragen, sondern um die vollständig isolierte Frage einer Intervention im konkreten Fall von 1864.

Palmerston und Russel wollten mit Paris gemeinsame Sache mit Napoleon III. machen; doch dieser sperrte sich.
Der französische Außenminister Drouyn deutete am 07.02.1864 gegenüber den peußischen Botschafter in Paris an, Preußen solle doch Schleswig und Holstein behalten und sich gleichzeitig weiter arrondieren. Frankreich würde sich hierfür mit einer Rektifikation der Grenze von 1814 begnügen. (2) Ebenfalls versuchte Douyn Goltz die skandinavische Union schmackhaft zu machen. "Sie würde auf eine innige Verbindung mit Preußen und Norddeutschland angewiesen sein und uns in die Lage setzten.....mit jenem Länderkomplex eine achtungsgebietende Seemacht zu werden, was den Tendenzen der französischen Politik vollkommen entspreche." Damit hatte Douyn seine Karten gewissermaßen aufgedeckt.

Das Programm ähnelte den von Eugenie von einem Jahr zuvor, welches sie den österreichischen Botschafter in Paris Metternich unterbreitet hatte.

Auch Eugenie dachte an die skandinavische Union, an eine skandinavische und preußische Flotte in der Ostsee, die sicher als Bedrohung in Petersburg wahrgenommen werden würde und wollte könne man im Trüben fischen gehen und Kompensationen fordern. Auch ließ sich eine skandinavische Union/Preußen auch gegen England richten; soweit Eugenie.

(1) Primakov und Iwanow, Kancler A.M. Gorcakov, S.314 f
(2) Buchner, Die deutsch-französische Tragödie 1848-1864
 
Die nationalen Leidenschaften die sich seit der Bekanntgabe der neuen Dänischen Verfassung zeigten, die eine eigene Verfassung für die Herzogtümer forderten und auch die Eingliederung Schleswigs in den Deutschen Bund und letzten Endes in einen deutschen Nationalstaat verlangten.

Tatsächlich "nationale Leidenschaften" kamen doch viel mehr in dem Ansinnen einer neuen Verfassung für Dänemark unter Einbeziehung Schleswigs zum Ausdruck als in Forderungen Schleswig in den Deutschen Bund zu inkorporieren, zumal der Schritt dder Bunesexekution gegen Holstein und Lauenburg die schleswigschen Verhältnisse doch gar nicht unmittelbar betraf?
Und ein deutscher Nationalstaat stand auch nicht unmittelbar auf dem Programm, zumal Petersburg doch klar war, dass mindestens Österreich den nicht wollen konnte und man sich betreffs Verhindderung dessen stets auf Wien und wohl auch Paris verlassen können würde.

Damit war zusätzlich, nach dem die dänische Integrität schwer gelitten hatte,

Das hatte sie ja gerade nicht, wenn man den vorherigen Status von Schleswig, Holstein und Lauenburg, als nicht unmittelbar zum dänischen Staat gehörend betrachtet.

Es war Petersburg klar, das Preußen einen Kriegshafen in der Kieler Bucht anlegen und einen Kanal zwischen Ost- und Nordsee bauen wollte.

Das möglicherweise schon, aber die damit verbundenen Implikationen halte ich für vollkommen überzogen, zumal aus der russischen Perspektive.
Dass dass das vor allem England gegen den Strich ging, wenn Preußen einen direkten Zugang zur Nordsee erhielt, dass halte ich für nachvollziehbar, aber die Zugewinnung eines einzigen Kriegshafens für Preußen, sollte für Russland doch verschmerzbar gewesen sein, immerhin verfügte es mit St. Petersburg, Helsinki, Turku, Reval/Tallin und Riga noch immer über mehr nennenswerte Stützpunkte, selbst wenn Preußen neben Stettin und Danzig noch Kiel dazu gewann.
Zumal wie gesagt es St. Petersburg doch mehr als klar sein musste, dass Preußen weder Werfen noch Ressourcen für eine großangelegte Flotte zur Verfügung hatte.

Wäre es Preußen nicht gelungen Holstein zu gewinnen und dort Kiel auszubauen, es hätte genau so z.B. Strahlsund ausbauen oder mit einem der anderen deutschen Staaten Verträge über Flottenstationierungsrechte z.B. in Rostock, Wismar oder Lübeck abschließen können.

Inwiefern war da jetzt Kiel etwas besonderes?

Es musste doch St. Petersburg klar sein, dass Großbritannien als führende Seemacht niemals erlauben würde, dass Berlin den Sund unter seine Kontrolle bringt und das Preußen nie die Kapazitäten haben würde GB auf diesem Gebiet ernsthaft herausfordern zu können.

Rein quantitativ war der Ausbau von Kiel nicht bedeutender als der jedes anderen Hafens.

Palmerston und Russel wollten mit Paris gemeinsame Sache mit Napoleon III. machen; doch dieser sperrte sich.
Der französische Außenminister Drouyn deutete am 07.02.1864 gegenüber den peußischen Botschafter in Paris an, Preußen solle doch Schleswig und Holstein behalten und sich gleichzeitig weiter arrondieren. Frankreich würde sich hierfür mit einer Rektifikation der Grenze von 1814 begnügen.

"Rektifikation der Grenze von 1814" hätte allerdings neben preußischen Abtretungen im Saargebiet einen französischen Anspruch auf Landau impliziert, womit de facto der Status Bayerischen Territoriums verhandelt worden wäre.

Wie stellte sich Drouyn eine preußische Zustimmung dazu vor ohne damit den gesamten Deutschen Bund infrage zu stellen?


Hatte man von englischer Seite vorher in St. Petersburg sondiert und sich über Interventionsmöglichkeiten in der Schleswig-Holsteinischen Angelegenheit ausgetauscht?
 
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Tatsächlich "nationale Leidenschaften" kamen doch viel mehr in dem Ansinnen einer neuen Verfassung für Dänemark unter Einbeziehung Schleswigs zum Ausdruck als in Forderungen Schleswig in den Deutschen Bund zu inkorporieren, zumal der Schritt dder Bunesexekution gegen Holstein und Lauenburg die schleswigschen Verhältnisse doch gar nicht unmittelbar betraf?
Und ein deutscher Nationalstaat stand auch nicht unmittelbar auf dem Programm, zumal Petersburg doch klar war, dass mindestens Österreich den nicht wollen konnte und man sich betreffs Verhindderung dessen stets auf Wien und wohl auch Paris verlassen können würde.

Die nationalen Leidenschaften gab es auf beiden Seiten. Die deutsche stand der dänischen in nichts nach.

Das hatte sie ja gerade nicht, wenn man den vorherigen Status von Schleswig, Holstein und Lauenburg, als nicht unmittelbar zum dänischen Staat gehörend betrachtet.

Das haben die Dänen möglicherweise anders betrachtet. Das ganz Agieren der dänischen liberalen Regierung läßt sich ohnehin kaum rational erklären.

Das möglicherweise schon, aber die damit verbundenen Implikationen halte ich für vollkommen überzogen, zumal aus der russischen Perspektive.

Das kann durchaus sein. Gortschakow übertrieb auch ganz gerne mal. Jedenfalls war die Sängerbrücke alles andere als begeistert. Und weshalb, das habe ich schon weiter oben geschrieben. Die Russen sahen schon das Gespenst einer Kooperation der Skandinavier und Preussen, welches wirtschaftlich und irgendwann auch militärische Folgen zeitigen könnte.

Wie stellte sich Drouyn eine preußische Zustimmung dazu vor ohne damit den gesamten Deutschen Bund infrage zu stellen?

Drouyn, so glaube ich, stellte sich herzlich wenig vor. Jedenfalls hatte das Ansinnen keine Chance auf Realisierung.
Der Deutsche Bund, das hat ja gerade der Krieg von 1864 gezeigt, knirschte in allen Ecken. Gerechnet werden musste ab sofort mit Bismarck.

Hatte man von englischer Seite vorher in St. Petersburg sondiert und sich über Interventionsmöglichkeiten in der Schleswig-Holsteinischen Angelegenheit ausgetauscht?

Ja, das hatte man. Aber Gortschakow und Alexander eierten herum. Sie wollten nicht aktiv eingreifen. Und da Frankreich ein gemeinsames Vorgehen ablehnte, war der englische Gedanke hinfällig und das Zarenreich musste nicht Farbe bekennen.
 
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Die nationalen Leidenschaften gab es auf beiden Seiten. Die deutsche stand der dänischen in nichts nach.

Ich bin ehrlich gesagt noch immer der Meinung, dass der Wunsch einer Inkorporation Schleswigs in den Deutschen Bund doch noch ein etwas anderes Kaliber ist, als eine veritable Annexion Schleswigs durch Dänemark, denn nichts anderes wäre die Ausdehnung der neuen dänischen Verfassung auf Schleswig ja gewesen.

Eine bloße Inkorporation hätte demgegenüber der grundsätzlichen schleswigschen Eigenständigkeit ja nicht entgegen gestanden.

Das haben die Dänen möglicherweise anders betrachtet. Das ganz Agieren der dänischen liberalen Regierung läßt sich ohnehin kaum rational erklären.

Aber die Frage ist doch nicht, wie die Dänen das betrachtet haben, sondern wie es international wahrgenommen wurde und da würde ich meinen war der Umstand dass die Elbherzogtümer nicht unmittelbar zum dänischen Staat gehörten doch Konsens.

Die Russen sahen schon das Gespenst einer Kooperation der Skandinavier und Preussen, welches wirtschaftlich und irgendwann auch militärische Folgen zeitigen könnte.

Sahen die Russen oder sah Gortscharkow?
Denn eigentlich ist die Annahme dass gerade Dänemark wenn sein Einfluss zu Gunsten Preußens verkleinert würde, sich Berlin an den Hals werfen würde doch ziemlich unrealistisch, es sei denn man geht von irgendwelchen gruseligen "Germanentum vs. Slawentum"- Vorstellungen aus aber wenn man von denen ohnehin ausginge, machte es eigentlich keinen Unterschied, welche "Germanen" gerade in Kiel saßen.

Ja, das hatte man. Aber Gortschakow und Alexander eierten herum. Sie wollten nicht aktiv eingreifen. Und da Frankreich ein gemeinsames Vorgehen ablehnte, war der englische Gedanke hinfällig und das Zarenreich musste nicht Farbe bekennen.

Ah, das beantwortet meine Frage.
 
Aber die Frage ist doch nicht, wie die Dänen das betrachtet haben, sondern wie es international wahrgenommen wurde und da würde ich meinen war der Umstand dass die Elbherzogtümer nicht unmittelbar zum dänischen Staat gehörten doch Konsens.

Konsens war aber auch, das es Dänemark war, welches gegen das Völkerrecht verstoßen hatte.

Sicher, Dänemark genoss in London und in Petersburg Sympathien. England war kurzzeitig durchaus willen einzugreifen; aber eben nicht allein.
Und es war auch Dänemark welches auf der Konferenz in London sich absolut halsstarrig gab. Damit taten sie sich keinen Gefallen. In Kopenhagen war man der Meinung, die drei verbliebenen Großmächte sollten es für Dänemark richten und so trat man auch auf; sehr zum eigenen Schaden. In London hätte man einen milderen Frieden erreicht als später in Wien, wo mal allein Berlin und Wien gegenüberstand. Übereinstimmend äußerten sich die Staatsmänner in London und Petersburg, das Dänemark nunmehr selber Schuld habe.
 
Eine Note Lord Russels vom 20.Januar 1864 enthielt den drohenden Hinweis auf die Unausbleiblichkeit internationaler kriegerischer Verwicklungen. Gleichzeitig bemühte sich London in Paris und Petersburg um Sukkurs.

Bismarck, Alte Friedrichsruherausgabe, GW Band 4
 
@Shinigami

Ich habe einen weiteren Beleg gefunden:

Unter dem Datum des 23.Februar 1864 schrieb der preußische Botschafter in London Bernstorff an Bismarck, das die angebliche Absendung einer österreichischen Flotte in den Norden, die Dänen griffen deutsche Schiffe an, in London für große Aufregung sorgt. Infolgedessen wurde die Kanalflotte von Lissabon zurückgerufen, die in 10 Tagen erwartet wird. Diese wird nach Kopenhagen entsendet, einerseits um den Dänen die englische Sympathie zu zeigen und andererseits die österreichische Flotte, auch gewaltsam, zu stoppen.
Des Weiteren führte Bernstorff aus, das der englische Botschafter Paget in Kopenhagen darüber informiert hat, das man nicht an Unterhandlungen denke, solange nicht Schleswig zurückerobert sein würde.
 
@Shinigami

Ein weiterer Hinweis:

Der Bevollmächtigte des Deutschen Bundes für die geplante Konferenz in London Beust beantragte diese um fünf Tage zu verschieben. Russel war darüber erbost, da er den Verdacht hatte, das die Preußen vor beginn der Konferenz noch Düppel nehmen wollten. Und das war das tatsächlichen Anliegen Russels, eben zu verhindern, das die preußeischen Truppen vor Beginn der Konferenz Düppel nehmen. Russel schrieb am 18.April an die Königin und schlug vor, gemeinsam mit Frankreich, Russland und Schweden Maßregeln zu treffen, um die englische Flotte in die Ostsee zu schicken.
 
@Shinigami

Ein weiterer Fund.

Am 25.April 1864 wurde auf der Konferenz in London über einen Waffenstillstand gesprochen. Die Dänen, den das Wasser eigentlich schon bis zum Halse reichte, wollten sich nur auf einer Waffenruhe zu Lande einlassen. Ihre Kaperei und schlecht bis gar nicht funktionierende Blockade der deutschen Ostseehäfen wollten sie fortsetzten. Unterstützt wurden die Dänen hierbei von England. Für Preußen und Österreich war verständlicherweise so eine Idee nicht annehmbar. Russel liebäugelte schon wieder mit der englischen Flotte, die in die Ostsee einlaufen sollte, um den Forderungen Nachdruck zu verleihen. Er schrieb an Palmerston am 25.04.1864: " The question ist suspension of arms with blockade or without. It ist not a point to break off upons; but I think wie must send our fleet to the Baltic, if Russia refuses to the reasonable request of Denmark to have the blockade remain."

Wie bewertest du nun die englische Haltung?
 
Ob hier noch mal etwas kommt? :D

Bismarcks hatte über ein Gespräch mit Gortschakow und dem Zaren vom 11./13.Juni 1864 folgendes zu Papier gebracht:

„In der anderthalbstündigen Audienz, welche mir gestern Abend Kaiser Alexander gewährte, trat alsbald der sehr dringende auf Erhaltung des europäischen Friedens gerichtete Wunsch Seiner Majestät hervor sowie die Überzeugung welche durch Berichte des Baron Brunnow (Vertreter Russlands auf der Londoner Konferenz; Anmerkung von mir) motiviert ward, daß die Erhaltung des Friedens vor allem, ja fast allein in Preußens Händen läge. Der Kaiser war der Ansicht, daß es zu diesem Behufe empfehlen werde, wenn Preußen im Falles des Mißlingens weiterer Waffenstillstandsverhandlungen sich an der Okkupation der bereits besetzten Landesteile genügen ließe, die Nachteile erneuter Blockade ruhig ertrüge, vor allem aber weiteren, namentlich auf Fünen gerichtete Unternehmungen entsage. […]

Ich bemerkte, daß wir das Gefährliche und Traurige eines allgemeinen Krieges in keiner Weise verkennen, daß es aber Übel gäbe, die noch schlimmer seien als der Krieg, und daß ich zu diesen einen solchen Abschluß des dänisches Streites rechnen müßte, der die Deutschen in Schleswig ungedeckt ließe und dadurch für Seine Majestät meinen allergnädigsten Herrn, für sein tapferes Heer und die preußische Nation eine Demütigung herbeiführen, hierdurch aber eine starke Waffe in die Hände der Revolutionspartei liefern würde….“

Dänen#mark, unterstützt von London und Petersburg, forderte das beispielsweise der Kieler Hafen nicht zu einen Militärhafen ausgebaut und auch nicht befestigt werden dürfe. Gleiche galt für den beabsichtigten Bau des Kanals.


Bismarck, Alte Friedrichsruherausgabe, Band 4, S. 459
 
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