Die Farbherstellung dürfte zum Teil schon recht aufwendig gewesen sein und Orte aufzusuchen, die Teils nur unter schwierigen Bedingungen zu erreichen waren und wo man mitunter nur wenige Minuten Sauerstoff für Kien und Atemluft hatte, das muss schon einen plausiblen Grund gehabt haben.
Hab meinen kleinen Beitrag gestern vor dem Schlafengehen noch schnell hingetippt, um auf die wichtigste Motivation für Darstellungen hinzuweisen, die heute bei all den romantischen Vorstellungen über Höhlenmenschen untergeht.
Unlängst hab ich mich mit der Motivation des aufkommenden Exotismus im 17. Jh. etwas näher auseinandergesetzt; inwiefern es sich um Überheblichkeit, oder um Sehnsucht gehandelt habe, d.h. welche psychologischen Voraussetzungen es für den Exotismus braucht, um schließlich in der darstellenden Kunst implementiert zu werden. Sehr schnell gelangt man zur seit Ende des Mittelalters sich langsam entwickelnden Romantik; also zum Wohlstand, der Träumereien Platz lässt (um mal ihre genauen Ausprägungen beiseite zu lassen).
Erwähne das nur, da ich diese Entwicklung, auch wenn im 20. Jh. von den Weltkriegen unterbrochen, aber sonst ungebrochen sehe. Wir sind mehr als je zuvor von Fiktionen beeinflusst, beschäftigen uns täglich mehrere Stunden mit von anderen Menschen ausgedachten Geschichten, bzw. mit ihren Vorstellungen von Begebenheiten, anstatt in der nüchternen Realität zu bleiben, anstatt ums Überleben kämpfen zu müssen. Das ist zwar einerseits gut so, verschleiert aber den Blick auf vergangene Befindlichkeiten immer mehr.
Die Vorstellung vom Höhlenmenschen, der vor der Jagd, von Pflanzensäften beduselt, unter wilden Tänzen auf gemalte Beutetiere mit seinem Speer einsticht, würde ich ins Bereich jenes Exotismus setzen; also mehr über unseren Zeitgeist als über damalige Befindlichkeiten aussagend.
Zum Vorhandensein von Malereien in tieferen Höhlensystemen:
Erstens müsste man bei jeder einzelnen Höhle die Möglichkeiten der tektonischen Entwicklungen untersuchen, um klare Aussagen über Licht- und Atemluft-Verhältnisse machen zu können. Höhlengänge tendieren, über Jahrtausende verschüttet zu werden. Außerdem wäre da noch die Feuchtigkeit, der wichtigste Feind von Darstellungen. Denkbar ist z.B. auch eine höhere Luftfeuchtigkeit in der Nähe zum Höhlenausgang.
Zudem wäre noch die Möglichkeit der Zerstörung von Malereien in höher gelegenen Gängen. Wenn ich mich als Höhlenbewohnerin vorstelle, die gerade eine neue Höhle bezieht, dann sehe ich meine erste Aufgabe darin, die Graffitis an den Wänden herunterzuwaschen; 1. da ich sie für Schmutz, d.h. für eine Hinterlassenschaft von womöglich anders gesinnten, feindlichen Unbekannten halte. 2. da sie von bereits Verstorbenen stammen könnten, deren Schicksal ich nicht teilen will.
Ein weiterer, heute kaum nachzuvollziehender Aspekt des Wohnens in Höhlen ist, dass die Leute dort aufgewachsen sind und ihre Höhle in- und auswendig kannten. Junge Höhlenmenschen tendierten dazu, den letzten Winkel ihrer Behausung zu erforschen und auch zu markieren; ob dies durch primitive Zeichen, oder durch komplexe Zeichnungen geschah, ist einerlei. Beide Motivationen fürs Malen, sowohl das Markieren, wie auch das Hersehnen von Dingen, sind im Menschen von Natur aus gegeben, d.h. viel naheliegender als kultische Gründe, wobei diese vernünftigerweise nicht auszuschließen sind.
Zum Schluss möchte ich noch auf das unterschiedliche zeichnerische Talent hinweisen: es besteht in erster Linie aus der Fähigkeit, bzw. aus dem Willen, genau zu beobachten. Ein Mensch, der aufmerksam hinschaut, wird besser Zeichnen als einer, der nur auf gewisse Aspekte von Objekten achtet, da er z.B. seine Begierde nicht zügeln kann. Gutes, d.h. wirklichkeitsgetreues Zeichnen erfordert Hingabe, eine Zurücknahme des Triebhaften. Damals, wie auch heute ist also das zeichnerische Talent recht unterschiedlich. Wenn man heute damalige Darstellungen als professionell hinstellt, kann das leicht als Exotismus verstanden werden, d.h. als Verwunderung, dass Menschen damals genauso gute, oder z.T. auch bessere Fähigkeiten haben konnten, wie heute bei uns. Beim zeichnerischen Talent ist, soweit bekannt und soweit man die Mittel in die Betrachtungen einbezieht, keine wirkliche Evolution fassbar (auch wenn sie bei weiterem Zurückdenken irgendwann sicherlich vorhanden gewesen sein muss).
Ach, noch zu den Farben:
Bei der »Farbherstellung« müsste auch von Fall zu Fall untersucht werden, was in der Gegend vorhanden war. Als Kind hab ich manchmal ebenfalls auf Steine gemalt, mich ohne mit Farbherstellung befassen zu müssen; kreidehaltige Steine und Holzkohle sind in der Natur leicht aufzutreiben. Malen kann man außerdem auch mit Pflanzen ganz gut.
Schwarz, sowie Ocker und Sepia, sind recht alte Farben. Ocker war schon im Jungpaläolithikum (in Afrika bereits vorher) bekannt. Organische Farbstoffe, wie Blut und Pflanzensäfte sind ebenfalls naheliegend, auch wenn deren Spuren nicht immer erhalten sind. Heute noch gibt es Maler, die z.B. mit Wein und Tee malen, um von Körpersäften diskret zu schweigen. Man muss die Farbherstellung nicht als Wissenschaft betrachten; eine andere Frage ist ihre Erhaltung, die erst beim Streben nach ewig währender künstlerischer Hinterlassenschaft zur Wissenschaft wurde.