Warum gehst Du immer davon aus, dass die Menschen der Urgeschichte zu zeitlich und regional abweichenden Entwicklungen unfähig gewesen seien? In historisch besser bekannter Zeit gab es auch nicht eurasienweit nur einen kulturellen und gesellschaftlichen Einheitsbrei, also warum soll das unbedingt in der Prähistorie der Fall gewesen sein?.
Du hast vergessen, dass ich den Mangel an Höhlenmalerei in China klar betont habe, was zeigt, dass ich keinen globalen ´Einheitsbrei´ zugrunde lege. Tatsache ist aber doch - und ich darf diesen Begriff hier guten Gewissens verwenden -, dass das Schamanentum ein globales - oder wie man auch sagt: ubiquitäres - kulturelles Phänomen ist. Wir finden es in Europa, in Sibirien, im Fernen Osten, in Australien und in Nord- und Südamerika.
Bei den chilenischen Mapuche-Indianern z.B. ist der Schamane (machi) regulär
weiblich. Sollte doch ein Mann diese Rolle ausüben, dann nur ein
Homosexueller in Frauenkleidung (ein machi weye). Mir kann keiner sagen, dass die Regel der exklusiven Weiblichkeit von Mapuche-Schamanen
nicht ursprünglich ist (also nicht auf prähistorische Anfänge zurückgeht), sondern irgendwann mal eingeführt wurde, weil es mit den Männern nicht so toll klappte oder warum auch immer. Bei den Kaata in Bolivien gibt es mehr Schamaninnen als Schamanen.
Im übrigen haben Schamaninnen in allen indianischen Kulturen neben männlichen Kollegen ein gutes, wenn auch manchmal untergeordnetes Standing.
Man kann also mit Fug und Recht transkontinental von einer auf die andere Kultur (hypothetische) Schlüsse ziehen. Es gibt natürlich Unterschiede, aber auch wesentliche Gemeinsamkeiten (z.B. Drogengebrauch als initiatorisches Medium - und wo dieser nicht belegbar ist, kann er analog erschlossen werden, siehe die Schamanismustheorie von
David Lewis-Williams u.a.). Signifikant ist z.B. das Erscheinen ähnlicher geometrischer Muster bei Höhlenmalereien in Europa, Afrika und Südamerika.
Was Du hier wieder einmal als "Tatsache" verkaufst, sind bloße Mutmaßungen. Weder in Dodona noch in Delphi gibt es handfeste Belege für einen ursprünglicheren Kult von Dione bzw. Gaia..
Die Indizien sprechen in der Summe eine klare Sprache zugunsten meiner Argumentation. Zwei Beispiele von so vielen: Äschylus hat in den ´Eumeniden´ (1-8) die Reihe der Gottheiten, die in Delphi angerufen wurden, chronologisch so aufgelistet:
Gaia - Themis - Phoebe - Apoll, wobei er die Übernahme durch Apollo als friedlichen Vorgang schildert, während Pindar in Fragm. 55 die
Übernahme des Gaia-Orakels durch Apoll als aggressiven Akt darstellt. Beide Autoren stützen also klar meine Argumentation. Herodot behauptet zwar, Dodona sei als Zeus-Orakel gegründet worden, schildert diese Gründung aber als eine Initiative zweier
ägyptischer Frauen, was meine (und natürlich auch Snows) Argumentation der Ursprünglichkeit des weiblichen Schamanentums unterstützt.
Was die Gründung als Zeus-Orakel betrifft, kann sich Herodot durchaus geirrt haben. Laut Dodona-Ausgräber S.I. Dakaris (´Archaeological Guide to Dodona ´, 1971) weist die früheste Ausgrabungsschicht auf einen Eichenkult und die nächste Schicht auf einen
Gaia-Kult (incl. Orakel) in Dodona hin. Der
Zeuskult, so Dakaris, ist in einer späteren dritten Schicht nachweisbar, die in das 13. Jh. BCE datiert wird. Dione kann als Zeus-kompatible Variante der Gaia interpretiert werden.
Was den Orakelkult in Didyma angeht, lässt sich Apoll wie in Delphi durch
Priesterinnen kontaktieren, was gleichfalls auf einen ursprünglich weiblichen Orakelkult an diesem Ort hinweist - und ebenfalls Snows Hypothese (indirekt) stützt. ´Didyma´ leitet sich möglicherweise von einem der Namen der Göttin Kybele her (`Dindymene´). Dass der Herakult in Olympia mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit älter ist als der dortige Zeuskult, ist ein offenes Geheimnis.
Leider veranlasst Dich Dein (Vor-)Verständnis der weiblichen Rolle in der Antike und der Prähistorie dazu, alles, was ihm zuwiderläuft, entsprechend hinzubiegen und umzudeuten und "Tatsachen" als Belege vorzubringen, die keine sind.
Und das sagt einer, der die Tatsache der Unterdrückung der Frau in der griechischen Antike bestreitet...