@ Muspilli:
Dann gibt es ja die Föderatengräber, die ab der Mitte des 4. Jahrhundert datiert werden. Dazwischen sieht man die fränkische Kolonenzeit, wozu man vielleicht auch archäologische Überlegungen findet. Aber das scheint zur Zeit nicht angesagt zu sein. Woran liegt das eigentlich?
Bei den Föderatengräbern sehe ich das Problem, dass sie, obwohl sie germanische und römische Gegenstände enthalten, nicht zwingend auf bestimmte germanische Ethnien verweisen. Die Föderaten waren zwar in der Regel Franken und Alemannen, konnten aber aufgrund der "Internationalität" des römischen Heers (ist nicht ganz der passende Begrif, weiß jetzt nix besseres) genau so gut aus anderen Völkern Germaniens stammen. Ein klassisches Beispiel ist der Alemannenkönig Vadomar, der nach der Niederlage Karriere im römischen Heer machte, aber im Osten des Reiches kämpfte.
Eine andere Frage ist: Wo müßte man die Ethnogenese eigentlich datierenn? Vor der Mitte des 4. Jahrhunderts doch sicherlich, war dann aber noch nicht abgeschlossen?
Ein ganz schwieriges Problem. Bei den Alemannen sehe ich hier den Forschungsfortschritt etwas weiter, da hier v.a. Steuer für mich glaubwürdig nachweisen konnte, dass die Ethnogenese sich aus Jungmannschaften herleitet, die sich im Dekumatland ansiedelten - anderes Thema. Bei den Franken ist es m.E. deshalb schwieriger, weil:
- sie nach heutiger Ansicht ihre Siedlungsgebiete rechts des Rheins zunächst beibehielten, wenngleich diese sich im 5./6. Jahrhundert zunehmend entvölkerten. Es ist m.E. unmöglich zu sagen, ab wann diese Menschen fränkisch geworden sein sollen.
- ein fränkisches Gemeinwesen im Sinne eines Staates wohl nicht vor Chlodwig existierte. Erst ab da lassen sich spezifisch "fränkische" Punkte ausmachen. Dennoch gibt es hier auch Probleme, gerade z.B. im linguistischen Bereich (Springer zufolge sollen sich das Altsächsische und Altfränkische ähnlicher gewesen sein als das Altsächsische und Angelsächsische). Ich denke, dass sich die Ethnien erst infolge der Staatenbildung herausbildeten. Wenn man z.B. näher betrachtet, bei welchen Stämmen die Historiker glauben, dass sich aus ihnen die Sachsen bzw. Franken herausbildeten, so ergibt sich, dass es sich um Stämme handelte, die im 1. Jahrhundert noch mehr oder weniger benachbart in einem Gebiet lebten. Die Hypothesen sind mannigfaltig, weil die Ethnien in den frühmittelalterlichen Quellen nicht näher beschrieben sind.
Ich bin hier völlig mit Springer der Meinung, dass man das Problem am ehesten von den Adelsfamilien her aufzäumen sollte.
Es ist nämlich durchaus möglich, dass sich das Stammesbewußtsein bei manchen Stämmen noch lange hielt, obwohl sie faktisch Bestandteil des Frankenreiches waren. Dieses Problem sehe ich etwa bei den Chattuariern/Brukterern, die noch bis ins 8. Jahrhundert in den Quellen auftauchten. Näher lässt sich nicht beschreiben, was deren spätere Namen wie "Borchtari" besagen - einfach ein Anachronismus, geografische Einordnung, oder tatsächliche Stammesorganisationen? Ich neige zwar zum Letzteren, aber es gibt wenig Anhaltspunkte.
Meine Ansicht, ab wann fränkische Ethnogenese: ich denke auch, sie setzt irgendwo im 4. Jahrhundert ein, vielleicht mit der Besiedlung Toxandriens.
Gleiches gilt für die Usipeter/Usipier und ich könnte mir letztendlich vorstellen, daß Usipeter und Tenkterer sowie die Teile der Sugambrer, die sich nicht bei der Ansiedlung ins nerbisch-treverische Gebiet beteiligten, eine Art fränkischen Urkern bildeten.
Möglich, letztendlich aus obengenanntem schwer beweisbar. Dazu fällt mir, dass einige Autoren besonders vor 1970 auch die Chatten zum fränkischen Urkern rechneten. Ich denke, man sollte zunächst nicht ins 1. Jahrhundert zurückgehen, sondern sich eher mit dem Problem der sog. "Ripuarier"/Rheinfranken beschäftigen und ergründen, was dieser Begriff eigentlich genau bezeichnen, da es ziemlich klar ist, dass dies die Franken waren, die um 500 am und auch noch jenseits des Rheins lebten.
Genannt werden bei der Bildung der Franken u. a. auch die Ampsivarier und Brukterer, die jeweils noch Ende des 1. Jh. von Rom inaugierte Könige erhielten. Könnte also von ihnen nicht die Königsidee stammen?
Die Königsidee halte ich wirklich für ein Produkt des späten 5. Jahrhunderts. Die Tatsache, dass Chlodwig durch Kaiser Anasthasius legitimiert wurde, dass Theoderich vor ihm "Rex" wurde - hiermit stellte er sich eindeutig in die römische Tradition. Meiner Meinung nach lag es auch sehr stark in der Persönlichkeit des Chlodwig begründet, dass er ein Alleinkönigtum schuf, welches ja nach seinem Tod sofort wieder abgeschafft wurde.
Ich empfehle dir sehr den Ausstellungskatalog "Die Franken - Wegbereiter Europas". Dort äußern sich in zahlreichen Aufsätzen die wichtigsten Experten aus Deutschland und Frankreich zu vielen von dir aufgeworfenen Fragen, wobei zu sagen ist, dass die Ethnogenese der germanischen Stämme ein sehr beliebtes Thema ist.
Weitere Empfehlung:
Siegmund, Frank: Alemannen und Franken. Ein Versuch, aufgrund des archäologischen Fundguts die Siedlungsgebiete der Franken, Alemannen und anderer germanischer Stämme in Deutschland in der Zeit von 450 - 700 abzugrenzen. Zur Ethnogenese wirst du hier aber nichts finden.
Und schließlich noch diesen Aufsatz:
Springer, Matthias: Geschichtsbilder, Urteile und Vorurteile – Franken und Sachsen in den Vorstellungen unserer Zeit und in der Vergangenheit. In: Stiegemann, Christoph/Wemhoff, Matthias: 799. Kunst und Kultur der Karolingerzeit – Karl der Große und Papst Leo III. in Paderborn. Beiträge zum Katalog der Ausstellung Paderborn 1999. Mainz 1999. S. 224 – 233.