Einkreisung des Deutschen Reiches?

Wenn man sich mit Krisen-Vergleichen dennoch beschäftigen will, sollte man zunächst mit einem gesicherten Konsens in der Diskussion starten, dass heißt, eine Krise inhaltlich ausdiskutieren, was bislang im Forum auch einige Male recht weitgehend gelungen ist.
Da spricht nichts dagegen. Sicher sind die meisten Krisen hier schon ausdiskutiert worden, da könnte man sich ja dann drauf beziehen.

Man könnte aber auch die Ansicht vertreten, alle anderen Großmächte waren in der Lage, solche zT massiven imperialisitischen Streitpunkte mindestens temporär (GB/RUS) und irgendwann zu regeln, nur das Deutsche Reich war zu solchen Einsichten nicht in der Lage.
Jepp, im Falle Russlands gings immerhin mit 3 von 6 diplomatisch und ohne Krieg. ;)
Das ist nun wirklich ein bisschen einfach dargestellt.

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Was aber haben die USA mit der Auskreisung oder der, deiner Meinung nach, Einkreisung des Deutschen Reiches zu tun?...
Auch Faschoda hat in der Sache nichts mit der Auskreisung des Deutschen Reiches zu tun.
Nichts, aber es ging darum aufzuzeigen, ob die deutsche Diplomatie anders (aggressiver) als die andere Staaten gewesen ist oder nicht. Also aggressiver als die der USA im direkten Vergleich.
In Faschoda sieht man die britische und französische Diplomatie, wie sie in einem Streit um eine Kolonie vorgeht - Vergleichsmaterial zu einem deutschen Vorgehen in ähnlicher Lage.

Weshalb solle er sich nun seiner vorteilhaften Lage berauben und mit dem Deutschen Reich verbünden?
Weshalb sollte er sich überhaupt mit dem DR verbünden? Ein Bündnis hat aus meiner Sicht nur Zweck, wenn gleichlaufende Interessen vorhanden sind. Natürlich könnte GB ein Bündnis auch aus taktischen Erwägungen eingehen, um Russland gegen das DR aufzubringen, aber das wird dann eh nicht lange halten, sobald sein Zweck erreicht ist.

Auch hier ein paar Anmerkungen. Beide Mächte haben aber kurz darauf im Sudanvertrag ihre Interessengebiete abgesteckt.
Richtig, aber in ähnlich hoffnungsloser Lage für die Deutschen, gab es auch zwischen dem DR und GB ähnliche Abkommen, das schon genannte Samoa um ein Beispiel zu nennen.

Wir können nur die internationale Krisensitutationen herausgreifen, an denen das Deutsche Reich beteligt war und sich so letzten Endes, eben nach einer Serie von Krisen, sich aus dem Kreis der Welt bzw. Großmächte, also Großbritannien, Frankreich und Russland, ausgekreist hat.
Das würde ich nicht so sehen, man könnte es natürlich so versuchen. Dann wird es aber wohl mit der Vergleichbarkeit schwieriger, aber Versuch macht kluch. Vielleicht sollte man das Verfahren einfach mal an irgendeiner Krise testen, ob das überhaupt Sinn macht.
Also den entsprechende Thread hier als Grundlage nehmen für das Verhalten der "Angeklagten" und einen Vergleich ziehen.

Vorschläge für ein geeignetes "Vergleichsobjekt"?
 
Das würde ich nicht so sehen, man könnte es natürlich so versuchen. Dann wird es aber wohl mit der Vergleichbarkeit schwieriger, aber Versuch macht kluch. Vielleicht sollte man das Verfahren einfach mal an irgendeiner Krise testen, ob das überhaupt Sinn macht.
Also den entsprechende Thread hier als Grundlage nehmen für das Verhalten der "Angeklagten" und einen Vergleich ziehen.

Vorschläge für ein geeignetes "Vergleichsobjekt"?

Es geht ja auch gar nicht um Vergleichbarkeit. Es geht ausschließlich darum, auf welche Art und Weise, also welche Handlungen, Verhaltensweisen, Vorgehensweisenet.etc. ,das Deutsche Reich sich ausgekreist hat.

Ich habe mich in den obigen Beiträgen bemüht, dies entsprechend darzulegen.

Deine angedachte Herangehensweise halte ich aus dem genannten Grund nicht für geeignet.
 
Zuletzt bearbeitet:
Das liegt im Auge des jeweiligen Betrachters.:winke:

Dann zeige bitte auf, auf welche Art und Weise deiner Meinung nach das Deutsche Reich eingekreist wurde. Ich habe ja schon meine Meinung samt Argumenten ausführlich dargelegt.
 
@El Mercenario

Na, dann gehe ich jetzt davon aus, das du dich meiner Sichtweise angeschlossen hast.:winke:
 
Achso, ich dachte, es geht ausschließlich darum, auf welche Art und Weise das Deutsche Reich eingekreist wurde. ;)
Viel interessanter als die Frage nach dem Masterplan (wann, von wem, wie dokumentiert? - dazu ist eigentlich bislang wenig aus den Verträgen FRA/GB/RUS abgeleitet worden :winke: ) ist die Untersuchung der Perzeption der Einkreisung im Deutschen Reich, bzw. die Einkreisungsphobien in der politischen Führung.

Ist denn der bemerkenswerte, wechselnde Schwerpunkt der deutschen Einkreisungsdebatte 1911/14 (nicht: 1907!) angesprochen worden (der "Initiator" der Einkreisung wechselt von Frankreich auf Rußland), wie er bei Raithel [*] behauptet wird? Ist diese deutsche Einkreisungsdebatte überhaupt oder wenigstens im Ansatz mal kritisch untersucht und gewürdigt worden, oder ist das eine unbestrittene Lücke und evt. ein Desiderat der Forschung?



[*] Raithel, Thomas : Das "Wunder" der inneren Einheit - Studien zur deutschen und französischen Öffentlichkeit bei Beginn des Ersten Weltkrieges, Pariser Historische Studien 45
 
@Turgot
Wovon du ausgehst, bleibt ganz dir überlassen. ;)

Aufzeigen wie das DR eingekreist wurde, ist halt viel aufwendiger als umgekehrt, da muss ich ja nur aus der einschlägigen Literatur abschreiben.

Die militärischen Absprachen mit Frankreich wurden ja schon genannt. Der Burenkrieg, der Angriff auf Transvaal als dessen Schutzmacht sich die Deutschen verstanden. Die Absprache von GB und Frankreich, den Vertrag von Algeciras zu brechen und das DR zu übertölpeln. Die Weigerung Frankreichs die deutsche Westgrenze anzuerkennen. Die Zusicherung militärischer Unterstützung von Russlands an Serbien. Die "Sabotage" der Bagdadbahn durch GB und Frankreich. Die Kündigung des Björko-Vertrages. Gibt schon das ein oder andere, aber das jetzt en detail hier aufzulisten bin ich zu faul. ^v^
 
El Mercenario schrieb:
Aufzeigen wie das DR eingekreist wurde, ist halt viel aufwendiger als umgekehrt, da muss ich ja nur aus der einschlägigen Literatur abschreiben.

Welche Literatur meinst due denn genau? Rauh und Co.?

Ich habe ja auch enigen Aufwand betrieben, um meine These zu unermauern.

El Mercenario schrieb:
Die militärischen Absprachen mit Frankreich wurden ja schon genannt. Der Burenkrieg, der Angriff auf Transvaal als dessen Schutzmacht sich die Deutschen verstanden. Die Absprache von GB und Frankreich, den Vertrag von Algeciras zu brechen und das DR zu übertölpeln. Die Weigerung Frankreichs die deutsche Westgrenze anzuerkennen. Die Zusicherung militärischer Unterstützung von Russlands an Serbien. Die "Sabotage" der Bagdadbahn durch GB und Frankreich. Die Kündigung des Björko-Vertrages. Gibt schon das ein oder andere, aber das jetzt en detail hier aufzulisten bin ich zu faul. ^v^

Das deutsche Vorgehen in Transvaal, wo es deutsche wirtschaftliche Interessen zu schützen galt, war diplomatisch betrachtet, nicht gerade sonderlich glücklich.

Die Marokkokrisen wurden doch in erster Linie vom Deutschen Reich hochgekocht. Formal betrachtet war man zwar durchaus im recht, aber das diplomatische Agieren des Deutschen Reiches war wenig dazu geeigent, dem Gegenüber eine Möglichkeit zu geben, sich ohne Gesichtsverlust zurückzuziehen. Und genau darauf hatte es das Deutsche Reich doch abgesehen. Frankreich sollte in der 2. Marokkokrise gedemütigt werden.

Schade, das du nicht en detail deine These begründen möchtest.
 
Die militärischen Absprachen mit Frankreich wurden ja schon genannt. Der Burenkrieg, der Angriff auf Transvaal als dessen Schutzmacht sich die Deutschen verstanden. Die Absprache von GB und Frankreich, den Vertrag von Algeciras zu brechen und das DR zu übertölpeln. Die Weigerung Frankreichs die deutsche Westgrenze anzuerkennen. Die Zusicherung militärischer Unterstützung von Russlands an Serbien. Die "Sabotage" der Bagdadbahn durch GB und Frankreich. Die Kündigung des Björko-Vertrages.

Eine Rückfrage zum Verständnis: sollen das Beispiele oder Stufen der Einkreisung sein?

Zur Perzeption der Enikreisung in der Politik des Deutschen Reiches: ist hier ein Bruch in 1907 festzustellen?
 
El Mercenario schrieb:
Die militärischen Absprachen mit Frankreich wurden ja schon genannt.

Die Voraussetzungen, damit diese in Kraft treten, wurden ja auch schon genannt.


El Mercenario schrieb:
Der Burenkrieg...

Den Burenkrieg wertest du als eine britische Maßnahme zur Einkreisung des Deutschen Reiches? :confused:


Kurz zu Elsaß-Lothringen. Wann begann dann deiner Meinung die angebliche Einkreisung des Deutschens Reiches? Und spielte zu jenem Zeitpunkt dann die Annektionsfrage in der französchen Außenpolitik überhaupt noch so eine bedeutende Rolle? Wurde diese Thematik nicht vielmehr wieder mit Beginn des Ersten Weltkrieges auf die französische Agenda geetzt?
 
Zuletzt bearbeitet:
El Mercenario schrieb:
Der Burenkrieg, der Angriff auf Transvaal als dessen Schutzmacht sich die Deutschen verstanden. Die Absprache von GB und Frankreich, den Vertrag von Algeciras zu brechen und das DR zu übertölpeln. Die Weigerung Frankreichs die deutsche Westgrenze anzuerkennen. Die Zusicherung militärischer Unterstützung von Russlands an Serbien. Die "Sabotage" der Bagdadbahn durch GB und Frankreich. Die Kündigung des Björko-Vertrages.

Nochmals nachgehakt. Könntest du bitte den Burenkrieg bitte einmal als britische Maßnahme zur Einkreisung des Deutschen Reiches erläutern. Ich kann das nämlich nicht nachvollziehen. Es ist doch vielmehr so, dass Großbritannien durch den Burenkrieg sehr angreifbar wurde. Das sah denn so aus, das sich zwar die deutsche Presse ätzend über die Kriegsführung der Briten herzog, die britische Presse entsprechend reagierte, aber Russen und Franzosen beließen es nicht bei verbalen Entgleisungen, nein sie schritten zur Tat. Als Stichpunkte mögen hier zunächst Nordafrika und Afghanistan genügen. Was das allerdings mit der Einkreisung des Deutschen Reich zu tun haben sollte……….


Die Faschodakrise 1898 hat die Franzosen garantiert die Westgrenze vergessen lassen, man war doch zu sehr mit dem außenpolitischen Alltagsgeschäft, und das hatte es bekanntermaßen in sich, zu tun.
 
Ein paar wenige Worte zur Bagdadbahn. Kurze Zeit nach Beendigung der Venezuelakrise, in der es ja den USA, massiv flankiert von der britischen Presse, gelungen ist, Großbritannien von der Seite des Deutschen Reiches "abzuspalten", ergab sich eine andere Chance.

Es ging um die Bagdadbahn, der Landowne und Balfour durchaus positiv gesonnen gegenüberstanden. Sie erblicken hie eine reale Möglichkeit den Drang der Russen in Richtung Persischen Golf zu begegnen. Die Anatolische Eisenbahn, die über die entsprechende Konzession verfügte, benötige aber dringend Kapital. Dies sollte u.a. auch in der Londoner City aufgetrieben werden. Die Deutschen und Briten wurden sich auch in der Frage der Anteile einig. Nur dann bekam die britische Presse von der Sache Wind und trat eine massive Pressekampagne gegen eine solche Vereinbarung los. Selbst die Times, die noch ein Jahr zuvor den Bau der Bahnlinie begrüßt hatte, reihte sich in der Phalanx der "pöbelenden" Kritiker ein. Die Kritk richtete sich nicht so sehr gegen das Deutsche Reich, sonder man sah so eine Vereinbarung vielmehr als Hindernis mit dem Zarenreich zu einem Arrangement zu kommen. Jedenfalls zeigten sich Lansdowne und Balfour diesen Trommelfeuer nicht gewachsen und gaben öffentlich den Rückzug von diesem Projekt bekannt. Verlierer war das Deutsche Reich, aber von einer Einkreisungsmaßnahme kann hier nicht die Rede sein.
 
Ein paar wenige Worte zur Bagdadbahn. ...
Es ging um die Bagdadbahn, der Landowne und Balfour durchaus positiv gesonnen gegenüberstanden. Sie erblicken hie eine reale Möglichkeit den Drang der Russen in Richtung Persischen Golf zu begegnen. Die Anatolische Eisenbahn, die über die entsprechende Konzession verfügte, benötige aber dringend Kapital.

Die russische Sensibilität in Bezug auf den Bau, auch wenn sich zwischenzeitlich möglicherweise eine Akzeptanz einstellte, war sehr hoch.

Schöllgen (S. 152) stimmt einer alten Analyse von Wolf zu: "It was not that a German railroad was objectionable to Russia, it was a railroad in Turkey that the Russians wished to block"

Damit war der Bahnbau und die einhergehende Konsolidierung des Osmanischen Reiches angesprochen, die aus russischer Sicht wegen der armenischen Frage nicht gewünscht war. Zudem konsolidierte die Eisenbahn evt. die britische Position in Südpersien (die Mitte war quasi "neutralisiert" zwischen GB/RUS, der Norden unter russischem Einfluss).
 
1896 hatte Großbritannien ja bekanntermaßen die Mittelmeerentente verlassen gehabt. Da das Deutsche Reich ja zu diesem Zeitpunkt nicht mehr mit Petersburg verbunden war, was in London ja bekannt war, war so eine Bindung aus Sicht Großbritanniens nicht mehr notwendig.


Interessant in diesem Kontext ist, dass diese Übereinkunft wenige Jahre später, nach Marokko Teil 1, durch einen Vertrag zwischen Großbritannien, Frankreich und Spanien quasi ersetzt wurde. Bemerkenswert ist dabei, dass der Gültigkeitsbereich sich nur auf das westliche Mittelmeer, also unter Aussparung der Meerengen, beschränkte.



Die Sängerbrücke hatte sich dann über die offensichtliche Einkreisung Berlins darüber sogar in Paris beschwert. Iswolski ließ in Berlin mitteilen, dass dies nur ein weiteres Glied in der Kette sei, die Großbritannien um Deutschland lege. (1) Was mag Iswolski bloß mit dieser Informationsübermittlung bezweckt haben?, denn das von einer bewußten Einkreisung nicht die Rede sein konnte, wird ihm wohl auch klar gewesen sein.
(1) GP XXV/1, Nr.8544, S.60-62
 
Die Sängerbrücke hatte sich dann über die offensichtliche Einkreisung Berlins darüber sogar in Paris beschwert. Iswolski ließ in Berlin mitteilen, dass dies nur ein weiteres Glied in der Kette sei, die Großbritannien um Deutschland lege. (1) Was mag Iswolski bloß mit dieser Informationsübermittlung bezweckt haben?, denn das von einer bewußten Einkreisung nicht die Rede sein konnte, wird ihm wohl auch klar gewesen sein.

Ich vermute mal, die Dardanellen wurden wegen der frischen Achse Paris-Pertersburg ausgespart. Das hätte Frankreich angesichts des noch zarten Pflänzchens nicht mitgehen können.

Auf das schwache Spanien hatte das Deutsche Reich unverändert ein Auge, auch um Frankreich im Rücken beschäftigen zu können.

Londons Interesse war sicher Gibraltar: die Marine hatte zu dieser Zeit für den Ernstfall FRA/RUS die Segel im Mittelmeer gestrichen (Position im Kriegsfall unhaltbar), Gibraltar wurde als nicht haltbar eingestuft, wenn es vom Land aus durch Spanien bedroht würde. Die Einigung machte doch aus Sicht Londons viel Sinn, um angesichts der fortschreitenden frz. Expansion in Nordafrika den Zugang zum Mittelmeer offenzuhalten (während die Dardanellen ein Problem der Auseinandersetzung mit Russland darstellten).

Hast du die Kerninhalte dieser Vereinbarung irgendwo gefunden?
 
silesia schrieb:
Hast du die Kerninhalte dieser Vereinbarung irgendwo gefunden?

GB hatte eigentlich lediglich eine Vereinbarung mit Spanien, Stichwort Gibraltar, im Sinn, aber die Franzosen sind, wie das kam, weiß ich auch nicht, mit an Bord gekommen und wollten eine weitreichendere Abmachung, die den Status Quo im westlichen Mittelmeer festschreibt. Mehr weiß ich leider auch nicht, nur das Frankreich und Großbritannien zu dieser Abmachung schon gepresst haben.

Auf das schwache Spanien hatte das Deutsche Reich unverändert ein Auge, auch um Frankreich im Rücken beschäftigen zu können.

So weit ich mich recht entsinne, war das Reich gerade dabei, eine Telegraphenleitung zu den Kanaren zu bauen.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ich vermute mal, die Dardanellen wurden wegen der frischen Achse Paris-Pertersburg ausgespart. Das hätte Frankreich angesichts des noch zarten Pflänzchens nicht mitgehen können

Die Achse existierte aber zu jenem Zeitpunkt schon über ein Jahrzehnt. So zart war also das Pflänzchen nicht mehr.:D

Ich könnte mir gut vorstellen, das Grey hier ein Signal in Richtung Petersburg senden wollte, denn er hat Russland mehrfach seine Bereitschaft zu einer Vereinbarung mitgeteilt gehabt.
 
Die Achse existierte aber zu jenem Zeitpunkt schon über ein Jahrzehnt. So zart war also das Pflänzchen nicht mehr.:D

Sorry, ein Fehlgriff. Ich hatte 5 Jahre gerechnet. :pfeif:

Ich könnte mir gut vorstellen, das Grey hier ein Signal in Richtung Petersburg senden wollte, denn er hat Russland mehrfach seine Bereitschaft zu einer Vereinbarung mitgeteilt gehabt.

Ansatzpunkte dafür habe ich in der englischen Literatur nicht gefunden. Dort (zB British Foreign Policy under Grey) wird nur auf ein merkwürdiges Zusammenspiel der Interessen hingewiesen: a) Frankreich sei unverändert beunruhigt gewesen, dass das Deutsche Reich in Spanien diplomatisch wieder Fuß fast und wollte diese Art Einkreisung vermeiden b) Großbritannien bekam Wind von Spaniens Gesprächen mit Frankreich über die Nordküste Marokkos (-> Algericas-Akte) und wollte unbedingt vermeiden, dass eine Großmacht (auch Frankreich) bei der Gibraltar gegenüber liegenden Küste die kontrolle gewinnt.

Eine win/win/Situation: man traf sich in der Mitte und garantierte den status quo.

Mit dem russischen Interessenausgleich wird das mW nirgends in Verbindung gebracht.
 
Mit dem russischen Interessenausgleich wird das mW nirgends in Verbindung gebracht.

Komisch. Irgendwie ergibt dann die Beschränkung auf das westliche Mittelmeer keinen Sinn, wenn, wie im vorliegendem Fall Manövrierungsräume freiwillig in Frage gestellt werden.
 
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Sehe ich nicht so. Wenn GB wirklich an einem Bündnis interessiert ist, das auf gemeinsamen Interessen beruht, dann kann das kein Hindernis sein, im Gegenteil.

Das ist der springende Punkt. War Großbritannien an einem Bündnis mit dem Reich interessiert? Nein! Warum? Es fehlte einfach an einer hinreichenden gemeinsamen Schnittmenge gemeinsamer Interessen.

Schon ein herausragender Diplomat wie Bismarck ist 1879 und 1889 gescheitert. 1879 hatte Disraeli Bismarck wissen lassen, Großbritannien werde Frankreich im Falle eines deutsch russischen Krieges ruhig halten. Bismarck Bemerkung dazu: "Sonst nichts?"

1889 war Salisbury war bereit möglichst demonstrativ mit dem Deutschen Reich bei aktuellen Fragen, die beide Mächte gleichermaßen interessierten, Hand in Hand zu gehen. Das war es dann auch schon.

Das Interessen Großbritanniens an einer Zusammenarbeit mit Berlin, war im wesentlichen mit der losen Mittelmeerentente aus britischer Sicht erreicht. Und das gesprengte Bündnis der drei Kaiserreiche dürfte London sehr erfreut haben.
Dort war in erster Linie Österreich-Ungarn engagiert, Russland auf dem Balkan entgegenzutreten, in zweiter Linie das Deutsche Reich. Und Großbritannien war bestens in der Hinterhand und würde mit seiner Flotte dafür Sorge tragen, das Frankreich nicht auf dumme Gedanken kommt.

London gefiel es ganz ausgezeichnet, das sich Frankreich und Deutschland auf dem Kontinent gegenseitig in Schach hielten.

Die Anordnung der Schachfiguren auf dem Brett der Diplomatie der europäischen Großmächte war genauso wie von Großbritannien gewünscht.

Wäre Bismarcks Absicht eines Bündnisse mit Großbritannien Wirklichkeit geworden, dann wäre Frankreich eingekreist gewesen und das Deutsche Reich hätte den Druck auf seine westliche Grenze verloren. Hätte Bismarck dann Österreich-Ungarn mehr freie Hand für eine offensivere Politik auf dem Balkan gelassen? Auf jeden Fall wäre das Deutsche Reich in der Lage gewesen, bei einen russischen Angriff Österreich-Ungarn mit seiner gesamten militärischen Macht beizuspringen, aber es ist höchstunwahrscheinlich, das Petersburg das riskiert hätte. Aber dadurch, das Deutschland an seiner Westgrenze entlastet wäre, wäre auch gleichzeitig wohl der Expansions- und Aktionsradius Russlands eingeschränkt worden.

Die nachfolgenden Diplomaten in der Ära nach Bismarck hatten längst nicht mehr das Format, um dessen kunstvolle diplomatische Hinterlassenschaft in Stand zu halten.
 
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