Auch auf die Gefahr hin, als "Wessi" von euch eine aufs Maul zu kriegen:
Ich habe in einer historischen Arbeit gelesen, dass die Lebensmittelpreise für Grundnahrungsmittel in der DDR künstlich niedrig gehalten wurde. Sie sollen sogar so niedrig gewesen sein, dass der Lebensmittelhandel selbst für eine Planwirtschaft zum Verlustgeschäft wurde. Stimmt das?
Hallo, melde mich höflichst zurück - habe ausgetrotzt!
Zum Zitat oben: Das stimmt leider. Die billigen - preiswert ist der falsche Ausdruck - also die billigen Grundnahrungsmittel wie Brot, Milch und dergl. wurden oft verfüttert.
Das trieb unsägliche Blüten: In den 70er/80er arbeitete ich in der DDR in der Landwirtschaft (LPG) als Melker in einer Großviehanlage. Da fiel oft Milch an, die nicht verkauft werden durfte, weil sie hygienisch nicht einwandfrei oder mit Medikamenten versetzt oder einfach blutig war. Diese Milch konnte aber bedenkenlos z.B. an Geflügel oder Hausschweine verfüttert werden. Und wir konnten diese auch kostenlos mit heimnehmen. Soweit, so gut.
Plötzlich kam die Geschäftsleitung auf die Idee für die Futtermilch Geld zu verlangen, um die Bilanz aufzubessern. Und der Preis war höher als der staatlich gestützte Einzelhandelspreis für hochwertige Trinkmilch wohlgemerkt!
Was war das Ende vom Lied? Die Milch als Futtermittel wurde in den Ausguss geschüttet, keiner wollte für Milch von kranken Kühen mehr bezahlen. Und wer dennoch auf Milchfutter angewiesen war, kaufte die gute billige Milch im "Konsum".
Bitte diesen Absatz noch mal lesen,
wenn das Ungewöhnliche nicht gleich bewusst wird.
Ein anderes Beispiel: Ein Geflügelzüchter in unserem Dorf hatte als Liebhaber eine besonders kleine Hühnerrasse, die auch entsprechend kleine Eier legte. Etwa Wachteleier groß. Die konnte man zwar gut essen, aber ansonsten hätte man sie nicht verkaufen können, der Größe (Kleine) wegen. Nun war es in der DDR aber so, wer als "Kleintierzüchter" Produkte wie Eier, Fleisch oder Felle an den Einzelhandel ablieferte, erhielt diese nicht nur finanziell vergütet, sondern obendrein noch Berechtigungsscheine zum Erwerb von Getreide, Kleie oder sonstigen Futtermitteln. So erlebte ich es einmal, dass dieser Geflügelzüchter die kleinen Eier seiner Zwerghühner an den dörflichen Einzelhandelsladen ablieferte, das Geld (Einkaufspreis = wenig) und ganz wichtig - die Bezugsscheine - erhielt.
Und dann das Erstaunliche: Dieser Herr kaufte im nächsten Atemzug seine gerade verkauften eigenen Hühnereier als Kunde wieder zurück, natürlich zum viel höherem Verkaufspreis. Sinn des ganzen war nur der Erhalt der Futterbezugsscheine. Ist es nicht klar, dass der Hühnerhalter bald auf die Fütterung der billigeren und leichter zu erhaltenen Grundnahrungsmittel zurückgegriffen hat?
Noch eine Stilblüte: In der DDR wurde Kaninchenfleisch vom Halter aufgekauft - 7.- DDR Mark für das Kilo Lebendgewicht. Ein lukratives Geschäft, das auch ich betrieben habe. Warum nicht! Aber 7 Mark fürs Lebendgewicht! Wenn man ein Kaninchen schlachtet, dann teilen sich Abfall mit Balg und edler Teil jeweils zur Hälfte. Nun ich habe nicht weiter darüber nachgedacht, brachte doch ein 4 Kg schwerer Rammler steuerfrei 28.- Mark. Einen Bruchteil davon brauchte der Kunde im Einzelhandel zu bezahlen, wenn er denn Kaninchenfleisch bekam. Es ging die Mär um, dass es nach Frankreich exportiert wurde.
Nur so viel noch dazu: Wer so wirtschaftet musste doch eines Tages Pleite gehen - oder?
MfG