Dazu möchte ich Günter Neumann, Kleinasien, in: Günter Neumann und Jürgen Untermann (Hrsg.), Die Sprachen im römischen Reich der Kaiserzeit, Köln/Bonn 1980, S. 172 zitieren:
Im einzelnen läßt sich feststellen: Die letzten Zeugnisse phrygischer Sprache versiegen im 5. Jahrhundert n. Chr., für das Pisidische gibt es einen Einzelfund aus der römischen Kaiserzeit, für das Galatische läßt sich im 1. und 2. Jahrhundert n. Chr. ein deutlicher Rückgang, jedoch kein völliges Verschwinden feststellen (Hieronymus schreibt noch im 4. Jahrhundert, die Galater sprächen außer dem allgemein üblichen Griechisch noch eine eigene Sprache).
Mit Vorsicht zu genießen sind Hinweise in der patristischen Literatur, wo noch im 5. und 6. nachchristlichen Jahrhundert vom Mysischen, Isaurischen, Lykaonischen und Kappadokischen gesprochen wird. Handelt es sich um das Fortbestehen einzelner Sprachinseln oder um die lokalen Dialekte der Koine, die sich in der Zwischenzeit entwickelt haben und in denen möglicherweise einzelne nichtgriechische Wörter (zwei davon sind bezeugt) fortlebten?
Ich habe mir das mal genauer angeguckt und muß dir Recht geben. Es scheint so als ob die kleinasiatischen Sprachen im Verlauf des ersten nachchristlichen Jahrtausends ausstarben.
Kleinasien war durch die Völkerwanderung im Vergleich zum Balkan unberührt. Dennoch wirkten sich die Zerfallserscheinungen des Reiches auch hier aus. Wie überall im Reich florierten die Domänen der Großgrundbesitzer, während die unteren Schichten zunehmend verarmten. Wie überall im Reich findet man auch hier das Phänomen der Landflucht.
Ab 610 gingen jedoch die Perser gegen den Osten des Reiches und Kleinasien vor, allerdings verschähen sie dabei weitgehend Kleinasien, das wirtschaftlich nicht so bedeutend war wie Syrien oder Ägypten. Ab den 630er fallen in schöner Regelmäßigkeit die Araber in Kleinasien ein und überwintern dort sogar. Erst mit Basileios um 1000 kommt es in Kleinasien zu einer Konsolidierung. Doch bereits 1071 siegen die Seldschuken bei Manzikert. Es kommt in der Folge zur Errichtung des Sultanats Nikaia, das aber recht schnell zerfällt. Die Rückeroberung dieser Gebiete wird weitgehend von lokalen Gruppen geführt und war somit vom Reich weitgehend unabhängig. Trotzdem hielten sich auch hiernach noch mehrere seldschukische Kleinreiche. In der Folge kam es immer wieder zu Einwanderungen turkmenischer Stämme.
Insgesamt kann man Kleinasien in zwei größere Bereiche einteilen, einen reicheren Küstenstreifen, der allerdings unter den Seldschukeneinfällen ebenfalls zu Leiden hatte und eine kärglichere, zu nur wenig mehr als Weidefläche dienende Hochebene. Dies war für die Einwanderer ein hervorragender Ansiedlungsraum.
Im Zuge des ersten Kreuzzuges kam es zu weiteren Rückeroberungen, doch schon im 12. Jhd. herrschten in Konstantinopel wieder Wirren. Der dritte Kreuzzug führte letztlich sogar zur Eroberung Konstantinopels durch die Kreuzritter und zur Errichtung des Lateinischen Kaiserreiches. Im 13. Jhd war Kleinasien dann weitgehend sich selbst überlassen, da die Bedrohung im Westen als schwerwiegender erachtet wurde. 1258 erfolgt dann der Mongoleneinbruch, der große Kontingente türkischer Gruppen nach Westkleinasien verdrängte. Im 14.Jhd war Kleinasien weitgehend verödet. Die christlichen Vorbewohner sahen sich zur Flucht in den Westen genötigt oder aber zu einem Arrangement mit den Türken.
Für mich bedeutet dies, daß in der letzen Hälfte des 1. Jtsd. bereits Kleinasien unter Einfällen zu Leiden hatte, die das Land in Mitleidenschaft zogen, zusätzlich zu den politisch-gesellschaftlichen Problemen des römischen Reiches. Mit Mantzikert gehen weite Teile Kleinasiens dann an türkische Gruppen verloren, die im Hochland ideale Verhältnisse vorfinden. Vom Reich wird Kleinasien nicht besonders unterstützt, so daß letztlich die Rückeroberung durch lokale Einheiten, Kleinasien von Konstantinopel entfremdete. Die Eroberung Konstantinopels, die Kreuzzüge und die "Fremdherrschaft" der Lateiner scheinen diese Entfremdung nur noch gefördert zu haben. Mit den Mongolen ersteht Kleinasien eine neue, gemeinsame Bedrohung, die zudem große türkische Kontingente nach Westen drückt. Die frühere griechische bzw. griechisch-sprachige Bevölkerung wird in diesen rund 300 Jahren von den Türken assimiliert oder läßt sich assimilieren, da sie dem Westen entfremdet wurde. Sie sahen eine größere Chance auf eine bessere Zukunft bei den Türken. Es ist daher nicht nötig einen großen Zustrom von Turkstämmen zu vermuten oder eine massenhafte Auswanderung, auch wenn es Auswanderungen gegeben hat. Ein wichtiger Punkt ist hierbei wohl auch, daß doch wohl vielfach gerade die Eliten ihr Heil im Westen suchten und mit ihrem Abwandern die Assimilierung der Restbevölkerung zusätzlich beschleunigten.