Ethnogenese und frühe Geschichte der Goten

Hyokkose
Gestatte, dass ich, mit einiger Verspätung, nochmals auf Deinen Beitrag #127 zurück komme. Du schreibst da:
" ... hast Du eigentlich einen Beleg dafür, daß "consilio sedit" "er saß zu Rate" bedeutet? ... ich habe leider kein leistungsfähiges lateinisches Wörterbuch zur Verfügung und kann nur sagen, daß "consilium" auch "Entschluß" heißen kann und "sedere" im Zusammenhang mit einem Entschluß auch die Bedeutung "feststehen" hat."
Mir fällt da auf, dass, wie bei "Mediaetas" jeweils ein seltener Gebrauch verwendet sein soll. Dreimal.
Spätlateinischer Gebrauch in allen Ehren, aber statistisch gesehen ist das unwahrscheinlich.


Ich gestatte gerne, weiß aber nicht recht, wo der Sinn einer erneuten Debatte liegen könnte. Die Möglichkeit einer Übersetzung "medietas"="Hälfte" ist ja ausreichend belegt, für die Möglichkeit einer Übersetzung "consilio sedit"="er saß zu Rate" scheint es keinen Beleg zu geben. Zu beidem habe ich meine Meinung kundgetan, neue Argumente sind seither nicht aufgetaucht, und am Sinn der Jordanes-Erzählung ändert sich ohnedies nichts, welche Übersetzungsmöglichkeit man auch bevorzugen will - so what?


Du schriebst auch:
"Die Idee mit dem Eis hat etwas für sich (wenngleich zugefrorene Gewässer in den Weiten Rußlands sicher reichlich zu finden sind, nicht nur am Asowschen Meer), aber nichts davon steht "exakt" im Text, auch nicht andeutungsweise."

Wie soll ich den Satz in Klammern verstehen?


Genau so, wie er geschrieben steht, ein Formulierungsfehler ist mir nicht unterlaufen:
Zugefrorene Gewässer sind in den Weiten Rußlands sicher reichlich zu finden, nicht nur am Asowschen Meer.
Interpretationsversuche, die am Sinn dieses Satzes vorbei gehen, sind nicht vonnöten.
 
Außerdem wäre es nett, wenn du auch auf das Skandza-Problem eingehen könntest.


Bei dieser Gelegenheit könnten wir dann auch klären, welche Alternativen es für die Interpretation von Jordanes' geographischen Angaben zur Weichsel (lateinischer Name "Vistula"/"Vistla"/"Viscla") gäbe.

Jordanes schrieb:
Haec a fronte posita est Vistulae fluminis, qui Sarmaticis montibus ortus in conspectu Scandzae septentrionali Oceano trisulcus inlabitur, Germaniam Scythiamque disterminans.


Damit haben wir folgende Angaben:

1. Die Vistula (Weichsel) entspringt in den Sarmatischen Bergen.
2. Sie mündet in den nördlichen Ozean.
3. Das Mündungsdelta wird als "Dreizack" (trisulcus) beschrieben.
4. Gegenüber dem Mündungsdelta liegt die Insel Scandza.
5. Die Weichsel bildet die Grenze zwischen Germanien und Skythien.
 
Vistula Viscla

Hyokkose

Du hast natürlich Recht mit Deinen Angaben zur "Vistula", aber das ist (§17) ein geographischer Exkurs, wo zuerst Ptolemaeus und dann Pomponius Mela erwähnt wird: Cassiodors Bücherwissen.

Auch die Erwähnung der Vistula im §31 ist Teil einer grossen geographischen Darstellung, die von §30 bis §34 reicht.

Im Text §§35-36 stehen nahe nebeneinander "Viscla" und "Vistula", und in der ganzen Überlieferung kam anscheinend niemand auf die Idee, das einander anzugleichen. Weil es eben zweierlei ist.
Die Passage ist etwas verworren, wie Du Dich leicht überzeugen kannst.Es handelt sich da um die Slaven, nicht zur Zeit des Ermanarich oder früher, sondern zeitgenössisch zur Text-Redaktion. Da das eigentlich nichts mit der Geschichte der Gothen zu tun hat, vermute ich, dass das einer der Zusätze des Jordanes ist, der hier zwei Gedankenstränge verbindet - zu Unrecht.

Denn § 96 zeigt, dass die Schreibweise "Viscla" eben nicht aus gelehrtem Wissen Cassiodors stammt, sondern aus der gothischen Volksüberlieferung.
Da geht es um die Unverschämtheit der Gepiden, die von König Ostrogotha (Mitte 3. Jh.) Land verlangen.
Sie hausen "...dum Spesis Provincia commanerent in insulam Visclae amnis vadibus circumactam..." die "Gepidoios", Gepideninseln.
Und da dehnt der Gepidenkönig Fastida zuerst seine Herrschaft aus und vernichtet fast die Burgunder.(§97)
Und danach verlangt er Land von den Goten, mit der Begründung, die Gepiden seien " von rauhen Bergen eingeschlossen und von dichten Wäldern beengt" (§98)

" Rauhe Berge" im Umkreis des Weichseldeltas??
Und "flaches Wasser", die Delta-Arme der Weichsel? "amnis vadibus".
("vadum, vadus = Furt, Untiefe" sagt mein Wörterbuch)
Vor Allem aber "Spesis Provincia". Das ist ein römischer Fachausdruck für einen Verwaltungsbezirk des Imperiums, ausserhalb Italiens, nicht eine vage Gegend irgendwo da draussen unter den wilden Germanen.
Und "Spesis", der Apparat zur Monumenta-Ausgabe, der fast immer irgend eine Erklärung hat, selbst für die ausgefallendsten Namen, hier schweigt er.

Kurzum, dieses "Viskla" in "Spesis provincia" mit seinem Flachwasser und seinen rauhen Bergen, das kann nicht die Weichselmündung sein. Die Gepiden sassen andersswo, und da sie als Nachzügler der Gothen beschrieben werden, müssen auch die wo Anders herkommen.
Ich vermute, dass Cassiodor sich noch des Unterschiedes bewusst war, aber mit Jordanes fing das Durcheinander an, als er den Slaven-Exkurs schrieb.

Genug für heute.
Gruss
Boiorix
 
Zuletzt bearbeitet:
Hyokkose

Du hast natürlich Recht mit Deinen Angaben zur "Vistula", aber das ist (§17) ein geographischer Exkurs, wo zuerst Ptolemaeus und dann Pomponius Mela erwähnt wird: Cassiodors Bücherwissen.


Wobei es Cassiodor und/oder Jordanes nicht gestört hat, daß Ptolemaeus "Skandia" schreibt, während bei Jordanes an genau der Stelle, wo er sich auf Ptolemaeus bezieht, "Scandza" steht. Und was die Weichsel betrifft: Ptolemaeus schreibt "Ouistoula", Pomponius Mela "Visula", da sehe ich keinen Anlaß, die Schreibweise "Viscla" zum Anlaß eines Mysteriums zu nehmen.

Da geht es um die Unverschämtheit der Gepiden, die von König Ostrogotha (Mitte 3. Jh.) Land verlangen.
Sie hausen "...dum Spesis Provincia commanerent in insulam Visclae amnis vadibus circumactam..." die "Gepidoios", Gepideninseln.
Und da dehnt der Gepidenkönig Fastida zuerst seine Herrschaft aus und vernichtet fast die Burgunder.(§97)
Und danach verlangt er Land von den Goten, mit der Begründung, die Gepiden seien " von rauhen Bergen eingeschlossen und von dichten Wäldern beengt" (§98)

" Rauhe Berge" im Umkreis des Weichseldeltas??
Und "flaches Wasser", die Delta-Arme der Weichsel? "amnis vadibus".
("vadum, vadus = Furt, Untiefe" sagt mein Wörterbuch)


Mit "Visclae amnis vadibus" habe ich keine erheblichen Probleme, da würde ich auf die flachen Wasserläufe eines Flußdeltas tippen. Wie Jordanes weiter oben ja auch vom "Dreizack" an der Mündung der Weichsel spricht.

"Rauhe Berge und dichte Wälder", das ist ein Topos, den fast kein römischer Schriftsteller ausläßt, wenn er vom fernen Germanien schreibt. Derlei Ausdrücke kommen früher oder später so sicher wie das Amen in der Kirche. Hier braucht er eine Begründung, warum sich die Gepiden in ihrem Flußdelta unwohl fühlten und Land verlangten, da flutscht einem so ein Gemeinplatz nahezu automatisch aus der Feder.


Vor Allem aber "Spesis Provincia". Das ist ein römischer Fachausdruck für einen Verwaltungsbezirk des Imperiums, ausserhalb Italiens, nicht eine vage Gegend irgendwo da draussen unter den wilden Germanen.


Da unterliegst Du m. W. einem Fehlschluß. Im Spätlatein kann "provincia" ganz einfach ein "Gebiet" bedeuten, so bezeichnet etwa Paulus Diaconus das Gebiet der Slawen als "Sclavorum provincia" - damit ist sicher kein Verwaltungsbezirk des Imperiums gemeint.


* * *

Um auf meine Anregung zurückzukommen:

Bei dieser Gelegenheit könnten wir dann auch klären, welche Alternativen es für die Interpretation von Jordanes' geographischen Angaben zur Weichsel (lateinischer Name "Vistula"/"Vistla"/"Viscla") gäbe.


Gibt es denn überhaupt eine diskussionswürdige Alternative?
 
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Antwort an Hyokkose

Hyokkose

1 Zu Deinem Einwand "Skandia-Skandza" äussere ich mich hier nicht, denn das gehört in einen anderen Stellen- Zusammenhang, zu dem ich mich ässern werde wenn wir dahin kommen.
2 Was die Weichsel anbelangt, so haben die verschiedenen Schreibweiszn natürlich kein Gewicht, solange nicht anderswo eine Viscla auftaucht.
3 Mir macht das "amnis vadibus" schon etwas aus. Flachwasser in den Weichselarmen? Schwer vorstellbar.
Was die rauhen Berge und dichten Wälder angeht, so wird das als Aussage des Gepidenkönigs kolportiert, dem es wohl kaum als "Gemeinplatz aus der Feder geflutscht"
sein dürfte. Ich kann mir auch schlecht vorstellen, dass Cassiodor oder Jordanes das an Stelle eines anderen oder nichtvorhandenen Motivs in die Botschaft eingeführt haben. Bleibt im Übrigen immer noch die Frage nach dem angeblichen Kriegszug über 1200 Km.

4. Das verlotterte Spätlatein mag immerhin Alltagsbegriffe verändern, aber einen römischen Verwaltungsbegriff? Der war schliesslich nicht in jedermanns Munde.
Paulus Diaconus ist immerhin zwei Jahrhunderte, und welche Jahrhunderte, jünger als Cassiodor, und kein Römer.
Ausserdem, Dein Zweifel an Provincia erklärt nicht "Spesis".


Beste Grüsse
Boiorix
 
1 Zu Deinem Einwand "Skandia-Skandza" äussere ich mich hier nicht, denn das gehört in einen anderen Stellen- Zusammenhang, zu dem ich mich ässern werde wenn wir dahin kommen.


Was heißt denn "wenn wir dahin kommen"? Sind wir hier in einer Schulstunde oder in einer offenen Diskussion? Die Frage steht seit etlichen Tagen im Raum - soll darüber noch 100 Beiträge lang gegackert werden, bis das Ei endlich gelegt wird?


2 Was die Weichsel anbelangt, so haben die verschiedenen Schreibweiszn natürlich kein Gewicht, solange nicht anderswo eine Viscla auftaucht.


Und taucht anderswo eine Viscla auf? Ich meine, eine Viscla, die sich unterscheiden läßt von dem Fluß, der unter so Schreibweisen wie Vistla, Vistula, Visula, Wizzla, Weichsel, Wysla etc. läuft?


3 Mir macht das "amnis vadibus" schon etwas aus. Flachwasser in den Weichselarmen? Schwer vorstellbar.


Schwer vorstellbar? In einem Mündungsdelta, wo dauernd neue Sandbänke und flache Nebengewässer entstehen?

(Und sogar wenn es nicht so wäre: Welcher Gewährsmann hätte denn Jordanes Meßergebnisse über die Wassertiefen mitteilen sollen?)



Was die rauhen Berge und dichten Wälder angeht, so wird das als Aussage des Gepidenkönigs kolportiert, dem es wohl kaum als "Gemeinplatz aus der Feder geflutscht"
sein dürfte.


Der Einwand zieht nicht. Wir haben hier nicht das Protokoll der Aussagen eines Gepidenkönigs vor uns, auch nicht den wortwörtlichen Mitschnitt eines gotischen Sagenerzählers, sondern ein Stück Geschichtsliteratur aus der Produktion eines lateinischen Schriftstellers.


4. Das verlotterte Spätlatein mag immerhin Alltagsbegriffe verändern, aber einen römischen Verwaltungsbegriff? Der war schliesslich nicht in jedermanns Munde.


Aber gewiß doch, sogar im Deutschen wurde derselbe römische Verwaltungsbegriff zu einem Alltagsbegriff mit etwas veränderter Bedeutung.

http://de.wikipedia.org/wiki/Provinz


Ausserdem, Dein Zweifel an Provincia erklärt nicht "Spesis".


Eine römische Verwaltungseinheit namens "Spesis" ist mir nicht bekannt. Und an der Bedeutungserweiterung des Wortes "provincia" gibt es nichts zu zweifeln.

Was gäbe es weiter zu erklären?
 
Ich habe dazu dann noch eine Frage Boiorix.
Weiter oben bezweifelst du meinen vorschlag das Jordanes von gehobener Stellung, unter Umständen sogar im Staatsdienst tätig, war. Hier führst du nun an dass er von Provinzen im staattechnischen Sinn schreibt, der noch dazu "nicht in jedermanns Munde" war. Woher soll dann also der agrammatus Jordanes, der aus niederer Stellung kommt diesen Begriff kennen?
 
Ihr macht mich ganz krank mit eurem Brückeneinsturz. Einen solchen hat es nie gegeben. Er ist ein Synonym. Nach dem 2. Weltkrieg brachen auch die Brücken zwischen Ost und West ab, ja man findet sogar abgebrochene Brücken und dennoch hat die Trennung nichts mit irgendeinem Brückeneinsturz zu tun. VERGESST DIE BRÜCKE!
Ich habe es bereits erwähnt. Die Gotengeschichte wurde erst Jahrhunderte später verfaßt. Ortsangaben sind daher nicht immer richtig. Die Gepiden (übrigends ein Schimpfname der Goten für andere Goten) saßen im Norden von Cernjachov und Sintana-de-Mures. Sie zogen im 2./3. Jahrhundert südwärts. Die Burgunden sucht man zumeist im Warthe-Netze-Gebiet, doch sind bei Ptolemaios auch Burgunder (wenn der Name richtig gedeutet ist) an der mittlerern/oberen Weichsel oder am Bug bezeugt. Sicher ist nur, daß die Gepiden hinter den Goten herzogen. Der Fastida-Konflikt spiegelt einen gotisch-gepidischen Kampf wieder, der nicht die Weichselmündungsgepiden betrifft, sondern wohl eher die bereits an den Hängen der Karpaten siedelnden Gepiden. Hierin verschwimmt also die Erinnerung an die Weichselmündungsheimat mit den späteren Sitzen.
Noch einmal zur Archäologie. Um 180 leeren sich schlagartig die Bereiche der W-Kultur in Pommern und im nördlichen Großpolen. schon vorher gab es ein Ausgreifen, hauptsächlich aus dem unteren Weichselgebiet nach Masowien und Podlesien. Die massenhafte Auswanderung zog sehr schnell durch den Raum der "Erstexpansion" in Masowien und Podlesien und drang weiter über Podolien bis nach Wolhynien. Dort befindet sich am Bug auch die Maslomec-Kultur, die eindeutige Verbindungen zu Odry im nördlichen Bereich der W-Kultur hat. Somit ist archäologisch eine Abwanderung der Bevölkerung der W-Kultur nach SO bewiesen. Die Sintana-de-Mures-Kultur und die Cernjachov-Kultur lassen sich wiederum mit der W-Kultur in Verbindung setzen. Und eben von dort hören wir wieder von den Goten. Hyokkose hat es zum Thema Kimbern schon gesagt, es ist möglich, daß alle diese Thesen falsch sind, aber um sie zu verwerfen sollte eine besser begründete und mit eindeutigeren Fakten belegte Gegenthese eingebracht werden. Noch besser wäre, du bringst eindeutige Belege, daß die Südwanderung der W-Kultur nichts mit der Sintana-de-Mures oder der Cernjachov zu tun hat. Dies kann ich aber nicht erkennen.
 
Noch eine Anmerkung. Es gibt im Bereich Pommern, Großpolen deutliche Hinweise einer Verbindung mit Skandinavien. Diese erscheinen Ende des 1. Jhds. Sollte man also die Sage damit in Verbindung bringen, dann wäre dies die Landung Berigs.
 
Boiorix schrieb:
Du beschuldigst mich, mit der Sage zu frei umzugehen.
Ich beschuldige dich nicht. Ich stelle nur fest, daß du mit der Sage zu frei umgehst, als daß man dir folgen könnte. Der erdkundliche Ort Skandzia ist beispielsweise eindeutig an der Ostsee zu finden. Du hast bisher keinen weiteren Ort genannt, der von altertümlichen Erdkundlern so benannt wurde.
Boiorix schrieb:
Wenn wir ihn [Jordanes] aber überhaupt benutzen, dann haben wir kein Recht an ihm nach Belieben herumzudeuteln.


Boiorix schrieb:
Alle bisherigen "Analysen" gehen ohne Beweise davon aus, daß da von den Pripjet-Sümpfen die Rede ist, und führen dann wolkige Erklärungs-Reden, warum der Text nicht dazu paßt.
Schlammvulkane sind nicht vulkanischen Ursprungs, sondern an Gasquellen (Methan) gebunden. Methan entsteht auch in Sumpfgebieten. Die Schlammvulkane sind der Grund, weshalb du in die Gegend des Asowschen Meeres gelangst. Jordanes spricht einerseits von schwankenden Mooren und andererseits von verschlingenden Sumpflöchern (unergründlichen Wasserlöchern). Er erzählt noch zu seiner Zeit hätten glaubwürdige Zeugen dort Rindergebrüll und Zeichen menschlicher Siedlung bemerkt. Der Winter kann auch, wie Hyokkose schon richtig sagte, über den Pripjet eine Brücke gebaut haben; ebenso kann es dort Eisgang bei Tauwetter gegeben haben. Beornas Hinweis darauf, daß diese eingestürzte Brücke sinnbildlich für die Trennung der Goten steht, ist für mich glaubhafter. Sie benennt allenfalls den Ort an dem die Trennung stattfand.
Charles Mierow sagt: „the land of Scythia, called Oium in that tongue“ und „the country of Oium“, was nur bedeuten kann, hier, wohl jenseits des wasserreichen Pripjet, war das Land der Skythen (i.e.S.) erreicht. Die Skythen (i.e.S.) lebten einst im nördlichen Schwarzmeergebiet zwischen Donau und Don. Das Land der „Oium“ wäre demnach nicht, wie von dir beabsichtigt, auf die Krim-Skythen beschränkt. Die Krim-Goten waren ja auch nur ein Teil der Ostgoten.

Boiorix schrieb:
Zum Namen "Berig": Du hast da eine glaubwürdige Deutung, aber die "offizielle" ist "Bairika = kleiner Bär".
Die „offizielle“ Deutung ist dann eben nicht glaubwürdig, wie du selbst festgestellt hast.

Boiorix schrieb:
Was die Bastarnen-Peukiner angeht, so sind, laut Tacitus die "Mischheiraten" bei den "Proceres" (Vornehmen) üblich.
In dem Satz spricht Tacitus von Mischheiraten zwischen Sarmaten und Peukinern, die manche auch Bastarner nenen. Von den Vornehmen sagt er nur, sie leben untätig dahin.

Boiorix schrieb:
Die "Hässlichkeit" bezieht sich auf deren künstliche Schädel-Deformation, die auch bei Goten und Burgundern vorkommt.
Das ist eine Annahme, die bisher nicht bewiesen werden konnte. Es mag also sein, daß dem so ist, aber da sie nur manches von deren „Häßlichkeit“ angenommen haben, scheint mir deine Deutung von „Häßlichkeit“ nicht ganz zutreffend zu sein. Im übrigen spricht Tacitus von den sarmatischen Sitten, die sich auch die Venether in reichem Maße zu eigen machten.

Boiorix schrieb:
Im Übrigen ist "Bastarnen" laut Strabo eine Sammelbezeichnung, was ich hier jetzt zum dritten oder vierten Male feststellen muß. Er zählt auch die iranophonen Roxolanen dazu.
Die Behauptung wird nicht dadurch richtiger, indem du sie wiederholst. Strabo zählt die Roxolanen weder zu den Bastarnen noch zu den Germanen. Die Peukinen, die manche auch Bastarner nennen, gleichen in Sprache und Lebensweise, Siedlungsart und Hausbau den Germanen. Diese Bastarner lebten also, wenigstens in der Überzahl, nicht in Karren.

Boiorix schrieb:
"Germanen" ist ein linguistischer Begriff.
Die Germanen wurden, anders als die Slawen, aufgrund ihrer volkstümlichen Eigenheiten zusammengefaßt, die sie von den Kelten und Skythen (i.w.S.) unterschieden.

Boiorix schrieb:
Roxolanen, die nur noch, oder überwiegend, eine germanische Sprache sprechen, sind Germanen, ungeachtet ihrer Herkunft.
Die Roxolanen waren ein Teil der Sarmaten, von denen Tacitus die Germanen unterscheidet. Germanen, die die lateinische Sprache sprachen, wurden nicht zu Römern; es ist bei den Roxolanen wohl in Bezug auf die Germanen auch nicht anders anzunehmen.

Boiorix schrieb:
Das Proto-Germanische hat sich irgendwann vom Proto-Slavischen getrennt, nach und nach, irgendwo zwischen Rhein und Dnjepr.
Man weiß meines Wissens lediglich, daß die germanischen Sprachen und die Slawischen Sprachen aus einer gemeinsamen indoeuropäischen Grundsprache hervorgegangen sind.

Boiorix schrieb:
Zu Odins Herkunft laut Ynglingasaga ...
Der Fluß Tanais galt den Hellenen als Scheide zwischen Europa und Asien, und man glaubte, er würde im Norden mit dem Okeanos verbunden sein. Pytheas glaubte, am Tanais vorbeigefahren zu sein; er kam aber nur in die Nordsee (gemeint ist wohl der Skagerrak). Odin stammte urzeitlich zwar laut der Ynglingasaga aus dem Osten, aber von dem Asowschen Meer wird da nichts berichtet.

Boiorix schrieb:
Natürlich kann man durchschnittliche Regierungszeiten addieren, mit einem gewissen Spielraum natürlich, aber nicht so groß wie du annimmst.
Die Herrschaftszeit Chlodwigs und seiner drei Nachfolger ergibt einen Zeitraum vom Jahr 482 bis zum Jahr 629; insgesamt 147 Jahre. Die Herrschaftszeit der vier dänischen Herrscher nach Göttrik dürfte nicht einmal ein Jahrzehnt umfaßt haben. Der Spielraum ist also sehr weit.

Boiorix schrieb:
Der Jordanes-Text (§96-100) sagt ausdrücklich, daß König Fastida, dessen Volk im Weichseldelta gesessen habe, sein Gebiet durch Kämpfe erweiterte, die Burgunder "fast bis zur Vernichtung" schlug, und danach von König Ostrogotha Land verlangte, weil die Gepiden "ringsum eingeschlossen von rauhen Bergen und von dichten Wäldern beengt" seien.
Die Gepiden saßen einst im Weichseldelta, zogen aber auf der Suche nach besserem Land von dort fort. Unter König Fastida kämpften sie u.a. gegen die Burgunder und verlangten von Ostrogotha Land, mit der Begründung, sie seien ringsum eingeschlossen von rauhen Bergen und von dichten Wäldern beengt.

Boiorix schrieb:
Dein Hinweis auf Tacitus ist berechtigt, aber die Peukiner sassen an der Donaumündung und die Fennen sind wohl die Wolgafinnen. Da bleibt viel Platz fûr die "eingeengten" Gepiden, ohne die Gothen anzugreifen. Allerdings, "Rauhe Berge" sehe ich in diesem Bereich nicht.
Die Fennen, die Tacitus nennt, sind deshalb nicht die Wolgafinnen, denn zwischen den Peukinern und Fennen ziehen sich laut Tacitus Wälder und Berge hin.
 
Zuletzt bearbeitet von einem Moderator:
Bevor hier weitere Spiegelfechtereien ausgetragen werden, ob Jordanes nun tatsächlich ein agramatus war, oder nicht, will ich darauf hinweisen, dass das Understatement, also die bescheidene Untertreibung der eigenen Fähig- und Fertigkeiten in das prooimion, das Vorwort einer antiken Schrift gehört. Diese Bescheidenheit dient dem Schreiber dazu, seinen Rezipienten für sich zu gewinnen. Das agramatus ist also, wie schon andere hier angesprochene Dinge (wie die dichten Wälder [warum erinnert mich diese Diskussion nur an die nie enden wollendenn Varusschlacht-Diskussionen???]) in die Reihe der verwendeten topoi einzugliedern und nicht wörtlich zu nehmen.
Edit: Die Beschränkung durch die Umstände, "ich hatte nur drei Tage zur Einsicht in das Manuskript Cassiodors", kann man getrost mit unter diese vorgeschobenen Widrigkeiten subsummieren.
 
Zuletzt bearbeitet:
Aber ein anderer Autor spricht von den „...blonden Satarchen, stolz auf ihr Milchvieh...“, was nicht nach den überwiegend schwarzhaarigen Kaukasiern aussieht, sondern nach den hellhaarigen Nachkommen der Skythen „Georgoi“ des Herodot, der diese von den „Aratores“ (Pflügern) ebenso unterscheidet wie von den Nomaden…
Nun hat man in der Ukraine zahlreiche halbunterirdische „Grubenhäuser“ entdeckt, die es rechtfertigen würden, ihre Bewohner tatsächlich als „Höhlenbewohner“ zu bezeichnen. Jedoch scheint mir der ausdrückliche Hinweis auf Milchvieh zu zeigen, dass die „Satarchi Spalei“ eine reine Weidewirtschaft betrieben, ...

Ein anderer Autor? Welchen meinst Du damit?

@Grubenhäuser
In Grubenhäusern wurde in der Regel Wolle verarbeitet, gewebt, aber nicht gelebt (viele Funde von Webgewichten, Spindeln). Das darin vorherrschende Raumklima war ideal für die Wolle, aber ungesund. Wenn Du das also mit Milchvieh, Weidewirtschaft in Verbindung bringen willst, müsste man eher an Ziegen/Schafe denken, nicht an Kühe.

... Daraus ergiebt sich aber, dass „Oium“ nicht wie von Wolfram mit „die Auen“ zu übersetzen ist, sondern ganz einfach eine Latinisation des germanischen Neutrum singularis „das Eiland, Ey, Oy, Oi“ ist.

Du magst damit Recht haben (oder auch nicht), aber mit der Möglichkeit widersprichst Du der Antwort, die Du mir gegeben hattest, als ich darauf hinwies, dass evtl. germanisch/gotische Worte lateinisiert sein könnten. Entweder musst Du die Möglichkeit immer in Betracht ziehen oder gar nicht, und nicht nur, wenn es in die Story passt.

Ostrogotha
Mit dem Treibsand bist Du schon auf der richtigen Spur, aber ich bin so bösartig jetzt noch nichts Weiteres zu verraten. Jemand nach dem Phänomen zu fragen brauch ich nicht. Ich hab es auch nicht durch Bodenproben in Russland kennen gelernt, sondern aus alten Reisebeschreibungen.

Du bist davon sehr überzeugt und die Beschreibung wird sicher auch stimmen. Trotzdem halte ich es für gewagt, sich nur auf alte Reisebeschreibungen zu stützen. Im Gegenzug hätte ich an Deiner Stelle wirklich einen Geowissenschaftler zu der allgemein als üblich angenommenen Gegend gefragt.

Die Pripjet-Sümpfe liegen zwischen der Wolynisch-Podolischen und der Mittelrussischen Platte. Und beide Platten bedeuten eine mittelgebirgsartige Landschaft, durch die sich canyonartige Flusstäler ziehen. Die Podolische Platte besteht lt. Wiki aus den Sedimenten des Urmeeres Paratethys (Kalkstein) und ist bekannt für besonders viele Gipskarsthöhlen. Sogen. Kalk-Zwischenmoore (Quell-, Verlandungs, Durchströmungsmoore) fanden Verbreitung in Mittel- und Hochgebirgen mit Kalkstein. Damit hätten wir die Möglichkeit der Existenz eines Moores in Verbindung mit der Möglichkeit der Existenz eines Abgrundes. Vielleicht auch einer einbrechenden Karsthöhle. Dabei lasse ich mal Deine Differenzierung von vorago, gurges und praecipitium außer Acht. Ganz einfach um aufzuzeigen, dass es sehr wohl Moor und normalen Abgrund hätte geben können. Selbst einen „amnis“, einen Sturzbach könnte es in solcher Gegend geben.

Ohne Fachmann würde ich da nicht so einfach alle Möglichkeiten ausschließen in der „herkömmlichen Gegend“ und mich auf den Isthmus von Tiemrouk versteifen, auch wenn „Deine“ Reisebeschreibung an sich logisch klingt für ein solches Phänomen.

Jordanes hat die Insel Skandza in Bezug auf Natur genauer beschrieben und hier hat er es bei einem solchen Phänomen unterlassen und sich auf „Abgrund“ beschränkt?

Leider hat die Theorie einen Schönheitsfehler: Auf dem Festlandsufer nördlich der Krim gibt es nämlich keine „bebenden Sümpfe“ und schon gar keine „Vorago“, wie der Text es verlangt. Die Gegend hiess in der Antike „Hylaia“ das „Holzland, Waldland“ und nicht das Sumpfland.

Dann schau mal im Wiki unter den Link: http://de.wikipedia.org/wiki/Prypjazsümpfe .
Dort steht zu den Pripjet-Sümpfen etwas von ausgedehnter waldreicher Flussniederung und vornehmlicher Holzwirtschaft. Sümpfe und Holzwirtschaft schließen also einander nicht aus.

In der Hinsicht halte ich es für ebenso merkwürdig, dass nichts Näheres über die Brücke bei Jordanes steht. Eine Eisbrücke wäre etwas Ungewöhnliches und das hätte Jordanes wohl erwähnt, genau wie die winterlichen Begebenheiten der Insel Skandza und der Ostsee.

Das hieße auch, Filimer wäre ein sehr großes Risiko eingegangen, den Übergang zu wagen. Er zieht schnurstracks dahin (wir waren uns ja einig, dass es ein sorgfältig geplantes Unternehmen war) und kann doch im Grunde gar nicht wissen, ob die „Eisbrücke“ gerade existiert. Internet „wetter-online.de“ o. ä. gab es noch nicht. Er verliert einen großen Teil seines Heeres/Volkes (ob nun die Hälfte oder sonst einen Teil = im Moment unwichtig), denn nach Deiner Aussage kann ja niemand mehr hinüber, und über den zurückbleibenden Teil verliert die Sage/ verlieren die Lieder kein Wort. Schon seltsam.

Um nur ein Beispiel zu nennen, es existiert bei den Osseten/Alanen ein Heldenlied des „Aydemir Khan“, (dessen Story übrigens eine bemerkenswerte Ähnlichkeit mit dem ersten Gesang des Gudrun-Liedes hat) Der Titel „Khan“ kam erst später auf, aber „Ayde-Mir“ trägt in seinem Namen den iranischen Titel „Prinz“ (Mir), genau so wie „ Fili-Mer“ und die Amaler „ Velemir, Theodemir und Vithimir“. Bei den Letzteren dürfte der ursprüngliche Sinn indessen bereits verloren gegangen sein..

Nach Filimer ist uns aber kein weiterer Königsname mit „mer“ oder „mir“ am Ende bekannt, bis die 3 Namen Theodemer, Walamer und Widimer auftauchen. Wenn Du auch schreibst, bei letzteren dürfte der ursprüngliche Sinn inzwischen verloren gewesen sein, in der Zeit kurz nach Filimer hätten nach meiner Meinung dann weitere Könige diese Namens-Endung tragen müssen, hätte sie die Bedeutung gehabt.
 
Nachtrag zu 18:21 Uhr

Ihr macht mich ganz krank mit eurem Brückeneinsturz. Einen solchen hat es nie gegeben. Er ist ein Synonym. Nach dem 2. Weltkrieg brachen auch die Brücken zwischen Ost und West ab, ja man findet sogar abgebrochene Brücken und dennoch hat die Trennung nichts mit irgendeinem Brückeneinsturz zu tun. VERGESST DIE BRÜCKE!

Vielleicht hast Du gar nicht unrecht mit der symbolischen Sichtweise. Und zwar komme ich darauf aus folgendem Grund:


Jordanes hat von Cassiodor abgeschrieben. Wer die Variae kennt, weiß, dass Cassiodor sich oft in Vergleichen mit der Natur ergangen hat, sei es, dass er Planeten, Bäume, Tiere dabei heranzieht. Und er pflegte einen manieristischen Stil. Ich will Jordanes nicht Begriffsstutzigkeit unterstellen, aber ein Missverstehen einer Ausdrucksweise ist nicht auszuschließen.
 
A propos ungelegte Eier

Hier also meine Antworten auf eure Feststellungen. Manche wären aber einfach zu lang geworden. Zurück zu r Wandersage im nächsten Beitrag.
Und nun:
Wenn mir jemand eine Frage stellt, oder in einer Diskussion mein Gegenüber eine Feststellung macht, mit der ich nicht einverstanden bin, dann antworte ich. Die Höflichkeit oder die Diskussion erfordert es.
Nun seid Ihr wenigsten sechs mit denen ich's zu tun habe, und meist erfordert jede Antwort es, mehrere Punkte zu beantworten. Da muss das, was ich eigentlich selber sagen will, eben warten, weshalb ich an Hyokkose schrieb:
Zitat:
“ Zu Deinem Einwand "Skandia-Skandza" äussere ich mich hier nicht, denn das gehört in einen anderen Stellen- Zusammenhang, zu dem ich mich ässern werde wenn wir dahin kommen.”


Und kriege zur Antwort:

“Was heißt denn "wenn wir dahin kommen"? Sind wir hier in einer Schulstunde oder in einer offenen Diskussion? Die Frage steht seit etlichen Tagen im Raum - soll darüber noch 100 Beiträge lang gegackert werden, bis das Ei endlich gelegt wird?”


Wobei zu bemerken ist, dass die selbe Botschaft eigentlich auch wieder Stellungnamen zu nicht weniger als sieben Punkten erfordern würde.



Sheik schreibt:"Weiter oben bezweifelst du meinen vorschlag das Jordanes von gehobener Stellung, unter Umständen sogar im Staatsdienst tätig, war. Hier führst du nun an dass er von Provinzen im staattechnischen Sinn schreibt, der noch dazu "nicht in jedermanns Munde" war. Woher soll dann also der agrammatus Jordanes, der aus niederer Stellung kommt diesen Begriff kennen"
Antwort: Ich habe nie behauptet, dass Jordanes Stallknecht war. Mit seinen Schreibkenntnissen war er für seinen Herrn so etwas wie ein Privatsekretär, ein wandendes Notizbuch. Dieser Herr aber kam nicht um das richtige Vokabular herum. Die Not.Dign. kennt übrigens einen einzigen Notarius, aber der ist sichtlich ein ganz hoher Beamter, etwa sowas wie ein heutiger Staatssekretär.
Wäre Jordanes das gewesen, würde die Information schwerlich verloren gegangen sein.


Beorna schreibt: “Ihr macht mich ganz krank mit eurem Brückeneinsturz. Einen solchen hat es nie gegeben. Er ist ein Synonym.” Und el Quijote meint dazu: “Das agramatus ist also, wie schon andere hier angesprochene Dinge ....... in die Reihe der verwendeten topoi einzugliedern und nicht wörtlich zu nehmen. “
Antwort: Vielleicht sonst noch was weglassen, als Topos, Metapher oder Synonym? Ihr kommt zu spät mit Eurem philologischen Reduktionismus. Vor einigen Jahren hat schon ein seriöser dänischer Autor (Arne Christensen) nachgewiesen, dass die ganze “Getica” eigentlich ein Flickenteppich von Zitaten sei, und keine “Geschichte”. Braucht man sich also eigentlich auch nicht mehr drum kümmern, nicht wahr? Allerdings kann man auch mit Zitaten eine Gegend oder einen Vorgang beschreiben, und da nun schon seit wenigstens zwei Jahrhunderten über die Frage diskutiert wird, ist es ein bischen spät für Eure oder Christensens Argumente.


Horst schreibt mir: “In dem Satz spricht Tacitus von Mischheiraten zwischen Sarmaten und Peukinern, die manche auch Bastarner nenen. Von den Vornehmen sagt er nur, sie leben untätig dahin. “ und bezweifelt meine Deutung der angeblichen “Hässlichkeit” der Sarmaten als deren künstliche Schädeldeformation. Tacitus schliesst aber diese Bemerkung unmittelbar an die “Mischheiraten” an. Im Übrigen habe ich auch auf Ammian hingewiesen, der die Sarmaten als “Grosse , Dunkelblonde mit Feueraugen” beschreibt.
Des Weiteren zitiert er mich und kommentiert:
Zitat: Boiorix
Im Übrigen ist "Bastarnen" laut Strabo eine Sammelbezeichnung, was ich hier jetzt zum dritten oder vierten Male feststellen muß. Er zählt auch die iranophonen Roxolanen dazu.


Horst: Die Behauptung wird nicht dadurch richtiger, indem du sie wiederholst. Strabo zählt die Roxolanen weder zu den Bastarnen noch zu den Germanen. Die Peukinen, die manche auch Bastarner nennen, gleichen in Sprache und Lebensweise, Siedlungsart und Hausbau den Germanen. Diese Bastarner lebten also, wenigstens in der Überzahl, nicht in Karren.


Sehen wir nach: Strabo (VII.3,17) : «...im Inneren des Landes befinden sich die Bastarnen, die sowohl an die Tyrageten grenzen, wie an die Germanen. Sie sind selbst Germanen, oder fast, und teilen sich in mehrere Stämme.... Atmonen, Sidonen, Peucinen... und die Roxolanen...die zwischen Don und Dnjepr leben...»
Und was die Peukinen angeht, so sind das Bastarnen, die auf die Insel Peuke im Donaudelta übergesiedelt sind. Da brauchten sie natürlich keine Karren mehr.


und weiter Horst: “Die Roxolanen waren ein Teil der Sarmaten, von denen Tacitus die Germanen unterscheidet. Germanen, die die lateinische Sprache sprachen, wurden nicht zu Römern; es ist bei den Roxolanen wohl in Bezug auf die Germanen auch nicht anders anzunehmen.”
Antwort: Genau: “Germanen, die die lateinische Sprache sprachen, wurden nicht zu Römern”, sondern zu Romanen, Franken - Franzosen, Langobarden- Lombarden und Westgoten-Spanier.


Horst: “Odin stammte urzeitlich zwar laut der Ynglingasaga aus dem Osten, aber von dem Asowschen Meer wird da nichts berichtet. “
Antwort: der Rhein fliesst durch den Bodensee, der Tanais (Don) fliesst durch das Asowsche Meer ins Schwarze Meer, und Letzteres sagt die Ynglingasaga.


Ostrogotha. Grubenhäuser! Latinisierte Worte? Pripjet-Gebiet! Tiemrouk! Königs-Namen?
Antworten: Die Grubenhäuser habe ich nur erwähnt und gleich ausgeschlossen, um sie nicht vorgehalten zu bekommen. Näheres war also unnötig.


Ich vermute, dass “Oium” latinisiertes germanisches “Oy” ist. Du hast vermutet dass das lateinische “Vorago” die Verbalhornung oder das Missverständnis eines unbekannten gotischen Wortes unbekannten Sinnes sein könnte. Das ist ein Unterschied. Ich hoffe Du siehst ihn.



Da ich überzeugt bin, dass die Erzählung sich auf die Strasse von Kertsch bezieht, und die Wissenschaft bisher noch keine lokalen Nachforschungen gemacht hat, und schliesslich Beorna überhaupt an keinen Brücken- Einsturz glaubt, sehe ich nicht ein, warum ich mich besonders für den Untergrund Podoliens interessieren sollte.
Zu den Verhältnissen auf der Halbinsel Taman(Tiemrouk) siehe Wikipedia.
Für den Rest argumentierst Du so, als hieltest Du Jordanes fûr einen Zeitgenossen der Ereignisse. Man muss aber unterscheiden zwischen Tradition (Ablabius), gographische Allgemeinbildung (Cassiodor) und den, mehr oder weniger genauen, Excerpten des Jordanes.



Was die Königsnamen auf “-mir” angeht, so sind überhaupt keine zwischen Filimir und Ostrogotha bzw Kniva (um 250) überliefert. Also???

PS: Erwartet bitte von mir nicht, dass ich jetzt noch auf Antworten zu meinen Antworten eingehen werde.
Boiorix
 
Ich habe hier lange interessiert mitgelesen, aber der Schluß verwirrt mich jetzt zunehmend.

Über die Goten auf der Krim bestehen wohl keine unterschiedlichen Meinungen, wenn ich das richtig verstanden habe. Demnach geht es um die Frage, ob der Einfall über die Straße von Kertsch (analog zu den Hunnen?) oder über die Perekop-Meer erfolgt ist. Wenn man ersteres annimmt, wieso steht dem die Annahme eines Gotenzuges von der unteren Weichsel entgegen? Das wäre ein Bogenschlag, der angesichts der Wanderungslänge am Schluß wohl vernachlässigbar ist. Die dann notwendige Donüberquerung kann kaum ein größeres Problem als die Flußüberquerungen zuvor dargestellt haben (wenn es tatsächlich den Bogen über die Nogaische Steppe und rostow gegeben haben sollte).

Wenn also die Straße von Kertsch (ist das nicht schon früher mal untersucht worden?) als interessante Variante in Frage käme, wieso sollte das einen Schluß auf den Ursprung verändern?

Im übrigen kann ich nicht ganz nachvollziehen, wie man bei einer Schrift mit derartigen Ausdeutungsmöglichkeiten
http://gutenberg.spiegel.de/dahn/voelker/voe2301.htm
auf Details setzt. Aber davon verstehe ich ohnehin nichts.

Betrachtet das also als einen laienhaften Zwischenruf.

P.S. Was hat es denn eigentlich mit Jankuhn und seinen Publikationen auf sich?
http://homepages.uni-tuebingen.de/gerd.simon/vorgeschichtsforschung1.htm
 
Zuletzt bearbeitet:
Beorna schreibt: “Ihr macht mich ganz krank mit eurem Brückeneinsturz. Einen solchen hat es nie gegeben. Er ist ein Synonym.” Und el Quijote meint dazu: “Das agramatus ist also, wie schon andere hier angesprochene Dinge ....... in die Reihe der verwendeten topoi einzugliedern und nicht wörtlich zu nehmen. “
Antwort: Vielleicht sonst noch was weglassen, als Topos, Metapher oder Synonym? Ihr kommt zu spät mit Eurem philologischen Reduktionismus. Vor einigen Jahren hat schon ein seriöser dänischer Autor (Arne Christensen) nachgewiesen, dass die ganze “Getica” eigentlich ein Flickenteppich von Zitaten sei, und keine “Geschichte”. Braucht man sich also eigentlich auch nicht mehr drum kümmern, nicht wahr? Allerdings kann man auch mit Zitaten eine Gegend oder einen Vorgang beschreiben, und da nun schon seit wenigstens zwei Jahrhunderten über die Frage diskutiert wird, ist es ein bischen spät für Eure oder Christensens Argumente.

Nun, ich weiß nicht, warum Du meinen Einwand, dass es sich bei dem bescheidenen agramatus um einen Topos handele, dem Einwand Beornas hinzugesellst, aber egal. Allerdings muss man gar nicht soweit gehen, wie das Arne Christensen Deinem Zeugnis zufolge macht, nämlich wegen einer Reihe an Topoi gleich ein ganzes historiographisches Zeugnis als ganzes zurückzuweisen. Ich weise daher Deine Antwort als effektheischende Polemik zurück! Wenn Du mir nicht glaubst, dass es sich bei der Bescheidenheit um einen Topos handelt, vielleicht glaubst Du es ja folgenden Autoren:

Avenarius, Gert: Lukians Schrift zur Geschichtsschreibung, Meisenheim/Glan 1956.
Beumann, Helmut: Topos und Gedankengefüge bei Einhard, zugleich Besprechung von E.R. Curtius: Europäische Literatur und lateinisches Mittelalter, in: Archiv für Kulturgeschichte, 33, 1951.
Brinkmann, Hennig: Der Prolog im Mittelalter als literarische Erscheinung, Bau und Aussage, in: Wirkendes Wort 14, 1964.
Herkommer, Elmar: Die Topoi in den Proömien der römischen Geschichtswerke, Tübingen 1968.
Lausberg, Heinrich: Elemente der literarischen Rhetorik, München/Regensburg 1990.
Pöggeler, Otto: Dichtungstheorie und Toposforschung, in: Jahrbuch für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft 5, 1960.
Simon, Gertrud: Untersuchungen zur Topik der Widmungsbriefe mittelalterlicher Geschichtsschreiber bis zum Ende des 12. Jahrhunderts Teil I, in: Archiv für Diplomatik, Schriftgeschichtliche Siegel- und Wappenkunde, 4, 1958, S. 52-119.

Ich denke, hierin findest Du eine Übersicht zu den Topoi der Historiographen von der klassischen Antike bis ins Hochmittelalter.
 
An el Quijote

Vielen Dank für die Bibliographie.Ich kann sie zwar im Augenblick nicht nutzen, da wo ich zuhause bin, aber es ist immer gut, Referenzen von kompetenter Seite unter der Hand zu haben.
Was die Topoi angeht, so habe ich übersehen Dein zweites Beispiel mitzunehmen, die dichten Wälder Germaniens.
Also nicht den agramatus (mit einem m) wollte ich mit Beornas Idee koppeln. Wenigstens bleiben die Sümpfe. Oder, da ja die Gepiden anscheinend damit kein Problem hatten, sind die auch ein Topos?
Mir brummt der Schädel
Gruss
Boiorix
 
An Silesia

Schönen Mittwoch, Silesia
Mir scheint, Dir ist doch etwas entgangen.Also:
Ich vertrete als Einziger hier die Meinung, dass die Rolle der iranisch sprechenden Reitervölker bei der Entstehung der Goten eine wesentlichere Rolle gespielt haben, als man annimmt, und dass die gotische Wandersage eine Spur davon ist.
Das lässt sich zwar mit den in den letzten zwanzig, dreissig Jahren aus Fachkreisen geäusserten Meinung vereinbaren (nur bin ich da radikaler in meinen Schlüssen), aber für meine Opponenten scheine ich da einen Glaubensartikel zu verletzen.
Im Grunde geht es da eigentlich um verschiedene Auffassungen der Begriffe Ethnie und Ethnogenese, bei denen eben die Meinungen von Historikern und Ethnologen auseinanderklaffen. Du wirst verstehen, dass ich da jetzt nicht weiterschreibe, denn ich habe versprochen, meine Auffassung und Lokalisation zur Wandersage weiter zu entwickeln. Alles Andere kostet nur Zeit
Gruss
Boiorix
 
Danke für die Klarstellung, dennoch eine Nachfrage, die hoffentlich nicht zu viel von Deiner Zeit kostet:

Welche Stellenwert soll damit die Überquerung des Asowschen Meeres bzw. der Straße von Kertsch im Rahmen dieser These haben?
 
Boiorix schrieb:
... der Tanais (Don) fließt durch das Asowsche Meer ins Schwarze Meer, ...
Der Tanais floß eben auch ins Schwarze Meer. Du kannst daraus aber nicht schließen, Odin sei am Asowschen Meer beheimatet gewesen.

Boiorix schrieb:
... und bezweifelt meine Deutung der angeblichen “Hässlichkeit” der Sarmaten als deren künstliche Schädeldeformation. Tacitus schließt aber diese Bemerkung unmittelbar an die “Mischheiraten” an.
Die Schädeldeformationen wurden nicht vererbt.

Boiorix schrieb:
Strabo (VII.3,17) : «...im Inneren des Landes befinden sich die Bastarnen, die sowohl an die Tyrageten grenzen, wie an die Germanen. Sie sind selbst Germanen, oder fast, und teilen sich in mehrere Stämme.... Atmonen, Sidonen, Peucinen... und die Roxolanen...die zwischen Don und Dnjepr leben...»
Strabo unterscheidet zwischen Roxolanen und Bastarnen, die er unterteilt in Atmonen, Sidonen und Peucinen.

Boiorix schrieb:
„Germanen, die die lateinische Sprache sprachen, wurden nicht zu Römern”, sondern zu Romanen, Franken - Franzosen, Langobarden - Lombarden und Westgoten - Spanier.
Sie wurden auch nicht zu Romanen, denn dafür müßte ihre eigene Sprache auf das Lateinische zurückgehen. Latein war aber nur die Lingua Franca. Karl der Große war beispielsweise kein Romane; er war Franke.

beorna schrieb:
Nach dem 2. Weltkrieg brachen auch die Brücken zwischen Ost und West ab, ja man findet sogar abgebrochene Brücken und dennoch hat die Trennung nichts mit irgendeinem Brückeneinsturz zu tun.
Das geht auf den Spruch zurück: alle Brücken hinter sich abbrechen (=sich von allen bisherigen Bindungen lösen). Jordanes spricht aber von einer ganz bestimmten Brücke.

Ostrogotha schrieb:
Die Pripjet-Sümpfe liegen zwischen der Wolynisch-Podolischen und der Mittelrussischen Platte. Und beide Platten bedeuten eine mittelgebirgsartige Landschaft, durch die sich canyonartige Flusstäler ziehen. ... Damit hätten wir die Möglichkeit der Existenz eines Moores in Verbindung mit der Möglichkeit der Existenz eines Abgrundes.
Jordanes berichtet nicht von einer mittelgebirgsartigen Landschaft. Ein Abgrund ist etwas, was in die Tiefe führt, nicht in die Höhe. Charles Mierow übersetzt den Begriff mit dem Wort „abyss“ (=a hole so deep that it appears bottemless). Tatsächlich kann ich mich erinnern, daß der Begriff „vorago“ mir schon einmal im Zusammenhang mit Karl dem Großen und dem Überschreiten der Ruhr begegnet ist. Damals kam mehr als einer dabei um, als er in ein Wasserloch der Ruhr fiel.
 
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