Hegemonieansprüche des HRR

Alexander von Roes war stolz darauf, daß das Reich auf die Deutschen übergegangen war...
Vgl. Geschichte der politischen Theorien ... - Google Books, insb. S. 25 unten.

Man findet eigentlich viele mittelalterliche Quellen, in denen der Stolz darüber zum Ausdruck kommt...
Der zunächst gewählte Bezug auf "Die Deutschen" schlechthin bzw. auf ihre kollektive "Identität" hat die Erwartungen natürlich recht hoch geschraubt. Ich bin gespannt, was Du zutage förderst.

Aber heutigen Deutschen ist ja jeder Stolz fremd.
Nein, nein! Ich bin stolz, mit Dir hier diskutieren zu können! :winke:
 
Der zunächst gewählte Bezug auf "Die Deutschen" schlechthin bzw. auf ihre kollektive "Identität" hat die Erwartungen natürlich recht hoch geschraubt. Ich bin gespannt, was Du zutage förderst.

Da bin ich auch einmal gespannt.

Das Thema ist für mich, dem das Mittelalter doch recht fremd ist, dennoch interessant: Ich tue mich schon schwer, mit/nach den "Befreiungskriegen 1813/14 ein nationales "Aufwachen" zu sehen. Betrachte ich die heutige Zeit, ist es immer noch mit einer gewissen Brisanz verbunden, einen Nürnberger als Bayern zu bezeichnen ... (bitte als Bsp. nicht als Vorwurf werten!)
Daher bin ich, was eine nationale deutsche Identität angeht, sehr vorsichtig.

Grüße
excideuil
 
Friedrich Barbarossa hielt den Römern vor, ihr alter Glanz sei verblaßt und auf sein Volk, die Deutschen, übergegangen


"Wollt ihr wissen, wo der alte Ruhm eures Rom geblieben ist, der würdevolle Ernst des Senats, die tapfere Zucht der Ritterschaft und der unbezwingliche Schlachtenmut? Bei uns Deutschen sind sie geblieben. Auf uns gingen jene Tugenden über mit der Krone der Cäsaren: Hier sind eure Konsuln, hier euer Senat, hier eure Legionen! Unserer Weisheit und unserem Schwert seid ihr euer Dasein schuldig."

von Repo
Der Kaiser war meist, keineswegs immer, unter vielem anderem deutscher König.
So? Ich war der Meinung, dass seit Otto dem Großen jeder (römisch-deutsche) Kaiser zunächst zum deutschen König gewählt und gekrönt wurde. Bei wem traf dies nicht zu?

Genau das ist der "blanke Unsinn" sorry.
Die Kaiseridee des Mittelalters ist universell.
Das Kaisertum war universell. Allerdings lag sie nach Verständnis der Zeit in den Händen der Deutschen, und darüber war man stolz.

Noch ein paar Zitate, die das illustrieren könnten:

Barbarossa 1167 in einem Brief an seine Fürsten


"Diese Rebellion fällt nicht nur auf uns selbst, da sie, nun da sie das Joch unserer Herrschaft abgeworfen haben, versuchen dem Kaiserreich der Deutschen zu widerstehen und es zerstören wollen, welches uns bis jetzt durch große Anstrengungen und Kosten und mit dem Blute vieler Fürsten und berühmter Männer erkauft und erhalten geblieben ist."
Otto von Freising, Chronik (übers. Von Adolf Schmidt, hg. Von Walther Lammers, Ausgewählte Quellen zur deutschen Geschichte 16, Darmstadt 1972) 456f.
"Als nun im Ostreich, welches Reich der Deutschen heißt, Karls Geschlecht ausstarb, während im westfränkischen Reich mit Karl [dem Einfältigen] noch ein Nachkomme Karls regierte, folgte dort als erster aus dem Stamme der Sachsen Heinrich. Dessen Sohn Otto, der das von den Langobarden usurpierte Kaisertum wieder an die Franken, nämlich die deutschen Ostfranken, brachte, ist vielleicht der erste König der Deutschen genannt worden, nicht weil er als erster über die Deutschen regiert hat, sondern weil er nach den Herrschern, die nach Karl Karoler oder Karolinger genannt wurden wie die Merowinger nach Merowech, als ein aus anderem, nämlich sächsischem Blut stammender die Kaiserwürde an die deutschen Franken zurückgebracht hat."
Kaiserchronik 1150 Regensburg
"Karl der Pippînes sun, der aeligen Perhtun, der gwan den namen scône, daz er der erste kaiser wart ze Rome von Diutisken landen..."
 
Zuletzt bearbeitet:
"Wollt ihr wissen, wo der alte Ruhm eures Rom geblieben ist, der würdevolle Ernst des Senats, die tapfere Zucht der Ritterschaft und der unbezwingliche Schlachtenmut? Bei uns Deutschen sind sie geblieben. Auf uns gingen jene Tugenden über mit der Krone der Cäsaren: Hier sind eure Konsuln, hier euer Senat, hier eure Legionen! Unserer Weisheit und unserem Schwert seid ihr euer Dasein schuldig."

So? Ich war der Meinung, dass seit Otto dem Großen jeder (römisch-deutsche) Kaiser zunächst zum deutschen König gewählt und gekrönt wurde. Bei wem traf dies nicht zu?

Das Kaisertum war universell. Allerdings lag sie nach Verständnis der Zeit in den Händen der Deutschen, und darüber war man stolz.

Noch ein paar Zitate, die das illustrieren könnten:




Ach was denn aber auch.

Die römisch/teutschen Kaiser des Hochmittelalters waren allesamt Schwaben.
Die Staufer sowieso die Welfen aber auch. (Und die Habsburger und ....

Also, was sagt das dem Laien? (Der Fachmann weiß es sowieso)

Das erste schwäbische Weltreich.

Alles andere sind infame Geschichtsverfälschungen über deren Protagonisten der schwäbische Kreuzritter mit seinem langen Säbel kommen soll.... "sieht man zur rechten und zur linken, einen halben Ungläubigen heruntersinken..."


Nachdem dies auch geklärt ist:
die römischen Kaiser haben oftmals das Amt des deutschen Königs an Söhne, Brüder und so weitergereicht.
Kannst gelegentlich nachlesen.
 
Nachdem dies auch geklärt ist:
die römischen Kaiser haben oftmals das Amt des deutschen Königs an Söhne, Brüder und so weitergereicht.
Kannst gelegentlich nachlesen.

Das widerspricht ja nicht dem Fakt, dass das Kaisertum nur über jenes vorherige Königtum erreichbar war.
 
Das war ab dem 10. Jhdt. in der Realität so, nicht aber in der Theorie. Theoretisch konnte der Papst jede beliebige Person zum Kaiser krönen. Die Wahl und Krönung zum deutschen König war keine Voraussetzung dafür. Man darf auch nicht vergessen, dass die meisten Könige, die zu Kaisern gekrönt wurden, den Papst entweder dazu zwangen oder sie dem Papst eine für diesen wichtige Gegenleistung boten, zum Beispiel Hilfe gegen jemanden. Zu beidem hatten die deutschen Könige einfach am ehesten die Mittel.
 
Fakten sind immer gut.

Das widerspricht ja nicht dem Fakt, dass das Kaisertum nur über jenes vorherige Königtum erreichbar war.

was dem Fakt nicht widerspricht, dass beileibe nicht jeder Kaiser gleichzeitig deutscher König war.
Aber das ist doch alles Korinthenkackerei.

Um was geht es denn?
Verschiedene Potentaten des Hochmittelalters außerhalb des eigentlichen Kaiserreiches anerkannten die Oberhoheit des Kaisers als höchstem Fürsten der Christenheit.
Aber eben keineswegs die des deutschen Königs.
Da ein Super-GroßdeutschesReich konstruieren wollen ist halt ein größeres Stück daneben.
 
Das war ab dem 10. Jhdt. in der Realität so, nicht aber in der Theorie. Theoretisch konnte der Papst jede beliebige Person zum Kaiser krönen. Die Wahl und Krönung zum deutschen König war keine Voraussetzung dafür. Man darf auch nicht vergessen, dass die meisten Könige, die zu Kaisern gekrönt wurden, den Papst entweder dazu zwangen oder sie dem Papst eine für diesen wichtige Gegenleistung boten, zum Beispiel Hilfe gegen jemanden. Zu beidem hatten die deutschen Könige einfach am ehesten die Mittel.

Richtig und ebenfalls nicht vergessen darf man, dass das Reformpapsttum seit Gregor VII. die deutschen Könige eben bloß als solche ("rex teutonicorum") angesehen haben, um damit deren Anspruch auf die römische Kaiserwürde entgegen zu treten.

Übrigens war seit Otto dem Großen tatsächlich jeder römische Kaiser deutscher König - aber nicht umgekehrt. Konrad III., Philipp von Schwaben und eine ganze Reihe ab Konrad IV. blieben Könige ohne Kaiserwürde, auch wenn sie Ansprüche gestellt haben (Philipp bezeichnete sich gelegentlich gar als "Philipp II." - in Anlehnung an den antiken Kaiser Philippus Arabs).

Und zu guter Letzt: vereinzelte Aussagen sollte man nicht verallgemeinern. Ob es eine nationale deutsche Identität im Mittelalter gegeben hat, lässt sich leicht bestreiten, da nur vereinzelte Aussagen darüber vorhanden sind (und die meist noch aus dem Zusammenhang gerissen werden). "Deutsch" im Hochmittelalter ist meistens eher eine geographische oder politische Bezeichnung, so auch in den hier genannten Zitaten. Hierbei auf irgendeinen Stolz oder irgendein nationales Selbstbewusstsein zu schließen, erscheint mir ein wenig konstruiert.
 
Wie gesagt, ich werde erst morgen wieder die ganzen Dateien durchforsten können, die ich habe, aber MacX hat eigentlich das Wesentliche, Roes und Barbarossa, schon zitiert. Hoffentlich finde ich noch was Interessantes. Bis dahin: Gerade eben habe ich im Buch "Germania und ihre Söhne" gelesen, wie Maximilian I. (freilich nicht mehr im Mittelalter) in seinem berühmten "Triumphzug" das Verhältnis Deutschlands zum Reich betrachtete: "Der von Maximilian vorgesehenen Bilderläuterung entsprechend repräsentieren die römische und die germanische Frau die Zusammengehörigkeit von Heiligem Römischen Reich und dem 'Reich Germanie'." Leider findet man den "Triumphzug" nirgendwo ganz abgebildet. Kotzt mich an. ;)

Hierbei auf irgendeinen Stolz oder irgendein nationales Selbstbewusstsein zu schließen, erscheint mir ein wenig konstruiert.

Im Jahr 3011 werden bestimmt zwei Leute eine Diskussion darüber führen, ob es im 20. Jahrhundert schon ein deutsches Nationalgefühl gegeben habe. Einer wird einen Kaiser Wilhelm II., einen Adolf Hitler und einen Fritz Haber zitieren, während der andere sagen wird, diese aus dem zusammenhang gerissenen Zitate würden keineswegs belegen, daß es schon ein deutsches Zusammengehörigkeitsgefühl gegeben habe. Wie alle wüßten, gab es das erst seit dem 29. Jahrhundert, als Deutschland in den Befreiungskriegen gegen die Frankohawaiianer siegte. :D
 
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Im Jahr 3011 werden bestimmt zwei Leute eine Diskussion darüber führen, ob es im 20. Jahrhundert schon ein deutsches Nationalgefühl gegeben habe. Einer wird einen Kaiser Wilhelm II., einen Adolf Hitler und einen Fritz Haber zitieren, während der andere sagen wird, diese aus dem zusammenhang gerissenen Zitate würden keineswegs belegen, daß es schon ein deutsches Zusammengehörigkeitsgefühl gegeben habe. Wie alle wüßten, gab es das erst seit dem 29. Jahrhundert, als Deutschland in den Befreiungskriegen gegen die Frankohawaiianer siegte. :D

Das wäre spannend, schade, dass wir nicht dabei sind. :D

Mal im Ernst, lässt sich aus ein paar rhetorischen immer machtpolitisch zu wertenden "Aussagen" ein deutsches Nationalgefühl im Mittelalter konstatieren?
Ich frage deshalb, weil ich noch Gebiete im "eigenen Saft" schmorend erlebt habe, in denen erst moderne Industrialisierung für "neues Blut" gesorgt hat.
Wenn dies noch im letzten Jahrhundert ein Thema war, in dem schon Bahn, Autos eine Rolle gespielt haben, wie soll der Mensch des Mittelalters über den "Tellerrand" geschaut haben? Wie bitte sollte sich aus dem Dorf xyz, dem Markt abc ein deutsches Nationalgefühl entwickeln?

Grüße
excideuil
 
Wenn dies noch im letzten Jahrhundert ein Thema war, in dem schon Bahn, Autos eine Rolle gespielt haben, wie soll der Mensch des Mittelalters über den "Tellerrand" geschaut haben? Wie bitte sollte sich aus dem Dorf xyz, dem Markt abc ein deutsches Nationalgefühl entwickeln?

Man muß hier unterscheiden. Bei der gebildeten Schicht, dem Klerus, den "Politikern", den Dichtern, gab es ein solches Nationalgefühl mit Sicherheit, denn von denen haben wir genaue Quellen (wie eben die bereits zitierten). Inwieweit ein Zusammengehörigkeitsgefühl bei der ungebildeten Schicht vorhanden war, läßt sich anhand von Untertanenbefragungen immerhin seit dem 14. Jahrhundert belegen. Das können Sie u.a. in "Lesebuch Altes Reich" sehr detailliert nachlesen. So wußten auch einfache Bauern, die kaum aus ihren eigenen Dörfern kamen, daß Sie einem deutschen Volk und einem riesigen politischen Verband angehörten, dem der Kaiser vorstand, was auf sie natürlich einen bleibenden Eindruck hinterließ, denn daß jemand noch über ihren eigenen Grund- und Landesherren stand, machte schon was her.

In der Kirche wurde für den Kaiser gebetet, das Reich erhob (wenn auch sporadisch und wenig erfolgreich) Steuern, der Reichsadler war allgegenwärtig, so heißt es weiter im Buch. Einfache Leute, die sich den Kreuzzugsheeren anschlossen und unter dem rot-weißen Reichsbanner kämpften, werden vermutlich auch gemerkt haben, daß Franzosen und Deutsche unterschiedlich sind. Die Leute damals waren nicht so ahnungslos und dumm, wie wir heute gerne glauben. Für die genauen politischen Zusammenhänge interessierten sie sich nicht, aber das tut heute auch kein Schwein. Um zu wissen, daß man Deutscher ist, ist das auch gar nicht nötig. Dazu reichen gemeinsame Mythen, ähnliche Dialekte und ein gemeinsames Oberhaubt. Ich war auch noch nie in einem anderen Bundesland, trotzdem weiß ich von anderen Leuten und aus Schriftquellen, daß ich Deutscher bin und daß es sogar so was wie eine Europäische Union gibt -- und das nur vom Hörensagen. ;-)

(Spätestens ab dem späten 15. Jh. ist ein Nationalgefühl so weit fortgeschritten, daß Priester in der Kirche patriotische Reden hielten, einfache Bürgermeister dem Kaiser ihre Treue zur "hochedlen teutschen Nation" versicherten und Dichter den Söldnern in fremden Kriegsdiensten vorwarfen, Vaterlandsverräter zu sein.)

Die Menschen damals fühlten sich nicht weniger als Deutsche, als die meisten Deutschen das heutzutage tun. Nur Döner hatten sie noch keinen.
 
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Die Menschen damals fühlten sich nicht weniger als Deutsche, als die meisten Deutschen das heutzutage tun.

Kannst du das wissenschaftlich beweisen?


Wenn ja dann, bitte mit unterschiedliche Quellen aus unterschiedlichen Regionen und Ländern. Dazu auch Quellen, ob sich ein Bauer nun wirklich als Deutscher fühlte und auch hier aus den verschiedenen Regionen bitte. Aber keine Sekundärliteratur, sondern Quellen.

Ich denke, du konstruierst hier was zusammen.
 
Ich kann die Skepsis von Ursi absolut nachvollziehen. Die Argumentationslinien beider Bücher würden Dir nicht ohne weiteres folgen.

Die Erfindung der Deutschen: wie wir ... - Google Bücher


Staat und Nation in der europäischen ... - Google Bücher

Nicht umsonst spricht man von der "inneren Staatsgründung" nach 1870/71 und verweist auf die mangelhafte kollektive Identität der Bevölkerung, die plötzlich "Deutsch" waren und nicht ganz genau, im positiven Sinne, wußten, was das denn nun sei.
 
So wußten auch einfache Bauern, die kaum aus ihren eigenen Dörfern kamen, daß Sie einem deutschen Volk und einem riesigen politischen Verband angehörten, dem der Kaiser vorstand, was auf sie natürlich einen bleibenden Eindruck hinterließ, denn daß jemand noch über ihren eigenen Grund- und Landesherren stand, machte schon was her.

Salopp gesagt glaube ich eher, dass ein Lehensherr einen bleibenden Eindruck hinterließ, wenn er das Volk überleben ließ.

In der Kirche wurde für den Kaiser gebetet

Und für den Papst, Gottes Stellvertreter auf Erden. Welcher "Ungebildete" mag da eine deutsche Nation herauslesen?

Grüße
excideuil
 
...Für die genauen politischen Zusammenhänge interessierten sie sich nicht, aber das tut heute auch kein Schwein. Um zu wissen, daß man Deutscher ist, ist das auch gar nicht nötig. Dazu reichen gemeinsame Mythen, ähnliche Dialekte und ein gemeinsames Oberhaubt. Ich war auch noch nie in einem anderen Bundesland, trotzdem weiß ich von anderen Leuten und aus Schriftquellen, daß ich Deutscher bin und daß es sogar so was wie eine Europäische Union gibt -- und das nur vom Hörensagen. ;-)
Ja, aber du warst auch in der Schule und hast eine dem entsprechende Bildung. Die Bauern im Mittelalter und der frühen Neuzeit kannten keine Schulen. Was sie über das Land wußten, in dem sie lebten, weiß ich jetzt nicht wirklich. Gibt es denn darüber Aufzeichnungen aus dieser Zeit?

Beim Adel stimme ich dir jedoch zu, da gab es spätstens ab der Zeit um 1500 ein ausgeprägtes deutsches Nationalbewußsein. Allerdings befürchte ich hier, daß das eher eine vorübergehende Modeerscheinung war.
 
Zuletzt bearbeitet:
Mich würde vor allem interessieren, was genau mit Nationalgefühl im MA gemeint und wie sich dieses Gefühl im Umgang mit "Fremden" konkret ausgewirkt haben soll.

Wenn schon im MA "die Deutschen" das Gefühl einer "Schicksalsgemeinschaft" verbunden haben soll, müsste sich dieses Gefühl in Solidarität gegenüber "den Eigenen" und in Ablehnung gegenüber "den Fremden" gezeigt haben. Gerade das MA zeichnet sich aber durch eine hohe Mobilität aus: Hochzeiten in Adelskreisen sowie Ansiedlung von Kaufleuten und Handwerkern über "Nationengrenzen" hinweg, Durchzug fahrender Völker (Zigeuner), etc.

Typsich für das MA dürfte das Denken in Familien- und Personenverbänden gewesen sein. Als Ausländer wurde häufig bezeichnet, wer aus einer fremden Region kam.
 
Zuletzt bearbeitet:
Beim Adel stimme ich dir jedoch zu, da gab es spätstens ab der Zeit um 1500 ein ausgeprägtes deutsches Nationalbewußsein. Allerdings befürchte ich hier, daß das eher eine vorübergehende Modeerscheinung war.

Die Sache mit dem "Nationalgefühl" bzw. der einer werdenden Nationalstaatlichkeit im Mittelalter ist so ein Sache. Ich stimme Simplicius durchaus zu, wenn er behauptet, dass bereits im Mittelalter (und nicht in der Neuzeit) die Völker eine Art Nationalidentität besaßen, in der sie sich von anderen Völkern unterschieden haben. Sei es durch unterschiedliche Sprache, Kultur, Religion oder Reichszugehörigkeit. Auch im Bezug auf die Deutschen.

Gerade und vor allem im 13. Jahrhundert began sich zumindest in den Völkern der Königreiche Westeuropas ein Zusammengehörigkeitsgefühl herauszubilden (das man als Nationalgefühl beschreiben mag), das sich immer wieder in den historischen Entwicklungen dieser Zeit bemerkbar machte.

Ich denke da zum Beispiel an die Franzosen und ihrem Sieg in der Schlacht von Bouvines (1214), der bereits unmittelbar danach als Sieg des fränkisch/französischen Volkes über die Teutonen/Deutschen stilisiert wurde. Oder die Kämpfe des Papstes gegen die deutschen Gefolgmänner Heinrichs VI. in Unteritalien währned der Unmündigkeit Friedrichs II., oder die allgemeine Ablehung der Lombarden (Norditalien) gegen die (deutsche) Reichsgewalt. In England gerieten die Barone regelmäßig mit ihrem König Heinrich III. aneinander weil dieser ausländische Favoriten ("Poitevins" von Poitou/Frankreich) förderte, oder die Einmischungen des Papstes in englische Angelegenheiten. Die Herrschaft Karls von Anjou in Sizilien (1266-1285) wurde von der Lokalbevölkerung als eine französische Fremdherrschaft wahrgenommen. Seine Siege gegen die Staufer wurde von französischen Chronisten (Guillaume de Nangis) als Siege ihres Volkes verherrlicht. Philipp IV. wollte noch nicht mal den Papst als welten Oberherrn anerkennten.

ABER: worauf ich hinaus wollte war das mit dem Anspruch der Deutschen sich als herrschendes Volk eines übernationalen Reichs zu betrachten. Ich denke hier verwechselte Simplicius den Anspruch eines Volkes mit dem seines Herrschers. Mag ja sein das die römisch-deutschen Kaiser sich als Herrscher der Christenheit betrachteten und das sie von ihren Chronisten (Otto von Freising war mit dem Kaiserhaus verwandt) oder Sängern als solche gefeiert wurden, mit der Realpolitik hatte das nichts zu tun.

Die französischen Könige hatten nie einen Lehnseid gegenüber dem Kaiser abgelegt. Und seit dem 13. Jahrhundert wiesen sie nicht nur dessen richterliche Oberherrschaft auf Frankreich zurück sondern betrachteten sich in ihrem Königreich selbst als Kaisergleich. Karl von Anjou schacherte am Ende um die deutsche Krone für seinen Neffen Philipp III. Die Engländer wie schon gesagt hatten bis auf die Episode um Löwenherz nicht viel mit dem Reich am Hut, außer das sie es (bzw. dessen Fürsten) als potentiellen Bündnispartner gegen Frankreich gebrauchten. Die Spanier waren ganz weit weg, einer von ihnen hatte sich gar selbst zum Kaiser gekrönt.


Schlacht bei Bouvines ? Wikipedia
Dekretale Per Venerabilem ? Wikipedia
Ludwig IX. (Frankreich) ? Wikipedia
Philipp IV. (Frankreich) ? Wikipedia
 
ABER: worauf ich hinaus wollte war das mit dem Anspruch der Deutschen sich als herrschendes Volk eines übernationalen Reichs zu betrachten. Ich denke hier verwechselte Simplicius den Anspruch eines Volkes mit dem seines Herrschers. Mag ja sein das die römisch-deutschen Kaiser sich als Herrscher der Christenheit betrachteten und das sie von ihren Chronisten (Otto von Freising war mit dem Kaiserhaus verwandt) oder Sängern als solche gefeiert wurden, mit der Realpolitik hatte das nichts zu tun.

Zustimmung

Die Sache mit dem "Nationalgefühl" bzw. der einer werdenden Nationalstaatlichkeit im Mittelalter ist so ein Sache. Ich stimme Simplicius durchaus zu, wenn er behauptet, dass bereits im Mittelalter (und nicht in der Neuzeit) die Völker eine Art Nationalidentität besaßen, in der sie sich von anderen Völkern unterschieden haben. Sei es durch unterschiedliche Sprache, Kultur, Religion oder Reichszugehörigkeit. Auch im Bezug auf die Deutschen.

Aber auch damit ist es so eine Sache.
Der letzte Papst vor dem aktuellen, der sich als "Deutscher" bezeichnete, war nach heutigem Verständnis Niederländer/Holländer (da gehts schon wieder los)
 
Repo
was dem Fakt nicht widerspricht, dass beileibe nicht jeder Kaiser gleichzeitig deutscher König war.
Aber das ist doch alles Korinthenkackerei.
Der Königstitel lautete bekanntermaßen offiziell "König der Römer". Wenn jemand "Kaiser der Römer" war, und den römischen Königstitel als Voraussetzung für eben erreichtes Kaisertum betrachtet, entbehrt es nicht einer gewissen Logik, dass dieser Königstitel weitergereicht werden kann. Ab Maximilian I. verblieb das deutsche Königstitel allerdings ein fester Bestandteil der Titulatur des regierenden Kaisers, während der "römische Königstitel" schon dem Nachwuchs zufallen konnte.
Um was geht es denn?
Verschiedene Potentaten des Hochmittelalters außerhalb des eigentlichen Kaiserreiches anerkannten die Oberhoheit des Kaisers als höchstem Fürsten der Christenheit.
Aber eben keineswegs die des deutschen Königs.
Da ein Super-GroßdeutschesReich konstruieren wollen ist halt ein größeres Stück daneben.
Da beides miteinander verwoben war, macht es keinen entscheidenen Unterschied, ob die Oberhoheit einem römischen Kaiser, oder einem deutschen König mit der Authorität eines römischen Kaisers zukommt. Wäre das Kaisertum ein Wanderpokal geblieben, wie es Ravenik richtig eingeräumt hat, dann wäre der deutsche König auch nur einer unter vielen gewesen.
Imperator
Und zu guter Letzt: vereinzelte Aussagen sollte man nicht verallgemeinern. Ob es eine nationale deutsche Identität im Mittelalter gegeben hat, lässt sich leicht bestreiten, da nur vereinzelte Aussagen darüber vorhanden sind (und die meist noch aus dem Zusammenhang gerissen werden). "Deutsch" im Hochmittelalter ist meistens eher eine geographische oder politische Bezeichnung, so auch in den hier genannten Zitaten. Hierbei auf irgendeinen Stolz oder irgendein nationales Selbstbewusstsein zu schließen, erscheint mir ein wenig konstruiert.
Ich halte fest: es gibt vielfach belegte Zitate von höchsten Authoritäten der damaligen Zeit, die sich selbst bzw. eine unbestimmte Gruppe, der sie sich selbst zurechnen, als Deutsche klassifizieren, um sich gegen andere Gruppen von Menschen abzuspalten, und damit politisch argumentieren. Ich kann mir schwer vorstellen, was man sonst noch anführen könnte, um ein nationales Bewusstsein zu belegen.
Der Zusammenhang, in dem die Zitate auftauchen, mag natürlich den Inhalt der Botschaft beeinflussen, nicht aber die Erkenntnis, dass man sich (unter vielen anderen Identitäten) auch als Deutsche sah.
excideuil
Ich frage deshalb, weil ich noch Gebiete im "eigenen Saft" schmorend erlebt habe, in denen erst moderne Industrialisierung für "neues Blut" gesorgt hat.
Wenn dies noch im letzten Jahrhundert ein Thema war, in dem schon Bahn, Autos eine Rolle gespielt haben, wie soll der Mensch des Mittelalters über den "Tellerrand" geschaut haben? Wie bitte sollte sich aus dem Dorf xyz, dem Markt abc ein deutsches Nationalgefühl entwickeln?
Schwer zu sagen, wie es der einfache Bauer sah, denn da liegen ja nun nicht viele Zeugnisse vor. Vielleicht kann Simplicius noch ein paar Belege finden...
Möglicherweise kann man hier Lieder als Referenz anführen. Ich vermute, sie waren eher an breitere Massen gerichtet, als es irgendwelche lateinischen Schriften waren. Wenn man zB. das Annolied hört oder Lieder Walthers von der Vogelweide, wird mit einer Selbstverständlichkeit von "deutschen Landen" und "deutschen Leuten" gesprochen, dass man annehmen muss, dass es eine übliche Selbstadressierung war. Das Wort "deutsch" bedeutet in seiner althochdeutschen Variante ja so viel wie "aus dem gemeinen Volk". Also war man selbst immer "deutsch" und Fremde immer "welsch".
Gandolf
Wenn schon im MA "die Deutschen" das Gefühl einer "Schicksalsgemeinschaft" verbunden haben soll, müsste sich dieses Gefühl in Solidarität gegenüber "den Eigenen" und in Ablehnung gegenüber "den Fremden" gezeigt haben. Gerade das MA zeichnet sich aber durch eine hohe Mobilität aus: Hochzeiten in Adelskreisen sowie Ansiedlung von Kaufleuten und Handwerkern über "Nationengrenzen" hinweg, Durchzug fahrender Völker (Zigeuner), etc.
Wer sagt denn, dass Nationalbewusstsein direkt in Xenophobie ausarten muss? In meinem Bekanntenkreis leben auch sehr viele im Ausland zum Studieren oder wegen der Jobchancen...
Repo
Aber auch damit ist es so eine Sache.
Der letzte Papst vor dem aktuellen, der sich als "Deutscher" bezeichnete, war nach heutigem Verständnis Niederländer/Holländer (da gehts schon wieder los)
Und nach dem Verständnis der Zeit war er eben Deutscher :p
 
Der Königstitel lautete bekanntermaßen offiziell "König der Römer". Wenn jemand "Kaiser der Römer" war, und den römischen Königstitel als Voraussetzung für eben erreichtes Kaisertum betrachtet, entbehrt es nicht einer gewissen Logik, dass dieser Königstitel weitergereicht werden kann. Ab Maximilian I. verblieb das deutsche Königstitel allerdings ein fester Bestandteil der Titulatur des regierenden Kaisers, während der "römische Königstitel" schon dem Nachwuchs zufallen konnte.
Da beides miteinander verwoben war, macht es keinen entscheidenen Unterschied, ob die Oberhoheit einem römischen Kaiser, oder einem deutschen König mit der Authorität eines römischen Kaisers zukommt. Wäre das Kaisertum ein Wanderpokal geblieben, wie es Ravenik richtig eingeräumt hat, dann wäre der deutsche König auch nur einer unter vielen gewesen.
Ich halte fest: es gibt vielfach belegte Zitate von höchsten Authoritäten der damaligen Zeit, die sich selbst bzw. eine unbestimmte Gruppe, der sie sich selbst zurechnen, als Deutsche klassifizieren, um sich gegen andere Gruppen von Menschen abzuspalten, und damit politisch argumentieren. Ich kann mir schwer vorstellen, was man sonst noch anführen könnte, um ein nationales Bewusstsein zu belegen.
Der Zusammenhang, in dem die Zitate auftauchen, mag natürlich den Inhalt der Botschaft beeinflussen, nicht aber die Erkenntnis, dass man sich (unter vielen anderen Identitäten) auch als Deutsche sah.
Schwer zu sagen, wie es der einfache Bauer sah, denn da liegen ja nun nicht viele Zeugnisse vor. Vielleicht kann Simplicius noch ein paar Belege finden...
Möglicherweise kann man hier Lieder als Referenz anführen. Ich vermute, sie waren eher an breitere Massen gerichtet, als es irgendwelche lateinischen Schriften waren. Wenn man zB. das Annolied hört oder Lieder Walthers von der Vogelweide, wird mit einer Selbstverständlichkeit von "deutschen Landen" und "deutschen Leuten" gesprochen, dass man annehmen muss, dass es eine übliche Selbstadressierung war. Das Wort "deutsch" bedeutet in seiner althochdeutschen Variante ja so viel wie "aus dem gemeinen Volk". Also war man selbst immer "deutsch" und Fremde immer "welsch".
Wer sagt denn, dass Nationalbewusstsein direkt in Xenophobie ausarten muss? In meinem Bekanntenkreis leben auch sehr viele im Ausland zum Studieren oder wegen der Jobchancen...
Und nach dem Verständnis der Zeit war er eben Deutscher :p



Viele Worte......

Es geht mir aber lediglich darum:

Die Konstruktion des Super-Großdeutschen-Reiches ist und bleibt Kakophonie.
 
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