Herkunft der Kurden

Das nächste Mal genauer lesen und nichts hineininterpretieren wäre ganz nett. Von meinem Standpunkt war in dem Satz nichts enthalten.




Es gibt innerhalb der alevitischen Gemeinde durchaus Streitpunkte, was die Zugehörigkeit zum Islam angeht. Bei jenen, die sich distanzieren, ist die Ursache möglicherweise die (aus ihrer Sicht gerechtfertigte) Reaktion auf die jahrhundertelange Verfolgung (und bis heute andauernde) Ausgrenzung sowie Dskriminierung durch selbsternannte "wahre Gläubige", sprich große Teile der sunnitischen Bevölkerung. Das hat rein gar nichts mit armenischem Einfluss zu tun. Abgesehen davon wird im Islam die Glaubenszugehörigkeit recht einfach definiert: wer die Schahada ausspricht und sich zu ihr bekennt, ist Muslim - fertig. Der Rest sind, vereinfacht gesagt, Auslegungsstreitigkeiten und macht einen im Extremfall allerhöchstens zu einem "schlechten Muslim", aber noch lange keinen Häretiker.

Das hängt allerdings auch von den unterschiedlichen Rechtsschulen des sunnitischen Islams ab, der hanbalitisch geprägte Gelehrte Ibn Taymiyyah hat eben den Alawiten (damals aber Nusairiyun) die Zugehörigkeit zur Umma abgesprochen, hat sie sogar als Häretiker bezeichnet hatte und eine Fatwa aussprach.
http://books.google.de/books?id=JHI...result&redir_esc=y#v=onepage&q=fatwa &f=false

Was noch interessant zu erwähnen wäre, im Buch "Le choc colonial et l'islam" kann man Teile des Reiseberichtes von Henri Lammens zu den Alawiten zu Zeiten der Osmanischen Herrschaft lesen.Lammens schlug einem Geistlichen vor, sich als Christen zu bezeichnen, damit Frankreich im Namen der Christenheit eingreifen könne, um sie vom Leid der osmanischen Herrschaft zu befreien,da viele Alawiten Lammens deutlich machten, dass es ihnen alles andere als gut ergeht.
 
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In einer 124 seitigen Veröffentlichung von Herrn Hennerbichler (die leider nicht mehr online verfügbar ist) werden folgende Völker als die frühen Vorfahren der heutigen Kurden postuliert:

- in erster Linie Nachkommen der autochtonen Urbevölkerung
- Hurriter, (3. und 2. Jts. BC)
- Lullu (erste Hälfte des 3. Jts. BC)
- Guti (2.250-2.120 BC)
- Nairi-Urartu-Konföderationen (~2.000-585 BC)
- Mitanni-Völker (~1.500-13. Jh. BC)
- Skythen,
- Meder,
- Parther,

Da Ferdinand Hennerbichler von Kurden immer wieder zitiert wird, habe ich mir seine letzte Publikation

Ferdinand Hennerbichler, Die Herkunft der Kurden, Frankfurt/M. 2010, Peter Lang Verlag, 270 S., ISBN 978-3-631-59327-1

gekauft.

Hennerbichler hat Geschichte und Sprachwissenschaften studiert und mit einem Thema zur Gegenreformation promoviert. Er ist also weder Ethnologe oder Archäologe noch Spezialist für die alte Geschichte Vorderasiens. Man könnte ihn bei dieser Thematik als interessierten Laien bezeichnen, der sich durch Reisen nach Kurdistan und Selbststudien ein bestimmtes Wissen erworben hat. C V

Hennerbichlers Werk über die Ethnogenese der Kurden ist dementsprechend fragwürdig, wissenschaftlich angreifbar und vor allem deshalb ärgerlich, weil er unbewiesene Hypothesen und Spekulationen als abgesicherte Wahrheit verkauft.

Der Autor betrachtet die Kurden als unmittelbare Nachfahren der ersten vorderasiatischen Ackerbauern und spricht ihnen die Leistung zu, als ältestes Zivilisationsvolk die Tradition des Ackerbaus im neolithischen Europa begründet zu haben. Antike Bezeichnungen für Kurden wie z.B. "Kardu" u.ä. sieht er bereits seit der sumerischen und babylonischen Kultur als gesichert an - wovon keine Rede sein kann - und postuliert demzufolge ein uraltes kurdisches Volk, das lediglich wegen unzureichender schriftlicher Quellen nicht als solches gilt.

Eine iranische Herkunft der Kurden verneint Hennerbichler kategorisch und behauptet lediglich einen Sprachwechsel, der die uralte Kontinutät der Kurden nicht sonderlich tangiert habe.

Es gibt noch viele Punkte, an denen man sich stoßen kann, vor allem weil nicht belegbare Dinge als wissenschaftlich bewiesen dargestellt werden. Dass es in Vorderasien vor 10 000 Jahren eine ethnisch nicht bestimmbare Bevölkerung gab, ist unbestritten. Die Kurden allerdings als deren unmittelbare Nachfahren zu bezeichnen, nur weil sich angeblich Gene dieser Urbevölkerung in heutigen Kurden finden, ist mehr als fragwürdig. Diese uralte Bevölkerungsschicht wurde von allen ihr folögenden Völkern und Kulturen assimiliert und ist kein Kennzeichnen allein der Kurden.
 
Sehr interessant, da kann ich mir die Lektüre sparen.

Die Erforschung der kurdischen Ethnie hat leider auch eine politische Komponente: die Staaten, auf die Kurdistan verteilt ist, haben aus Paranoia und Nationalismus nicht das geringste Interesse daran. Geld reinpumpen will man da erst recht nicht (betrifft aber auch alle anderen wissenschaftlichen Zweige). Vor allem in der Türkei begnügt man sich mit unkritischer Glorifizierung des Osmanischen Reichs - so sieht Geschichtswissenschaft dort aus.

Möglich wäre vielleicht etwas im "irakischen" Kurdistan, jedoch haben die dort verständlicherweise andere Sorgen.
 
Ob Ferdinand Hennerbichler, der Verfasser des oben genannten Buchs, sein Machwerk nun aus einer Kurdenfreundschaft heraus oder lediglich aus vermeintlicher historsicher Erkenntnis geschrieben hat, weiß ich nicht.

Auf jeden Fall wird es seither von zahlteichen kurdischen Organisationen dazu benutzt, einen historisch und auch ethnisch (!) begründeten territorialen Anspruch auf Kurdistan zu untermauern, der glatt zehntausend Jahre zurückreicht - bis an die Anfänge der Neolithisierung im Fruchtbaren Halbmomd Vorderasiens.
 
Was eigentlich nicht nötig wäre, da man ohnehin vor Türken und Arabern "da war". Auch ich wurde schon schief angesehen, wenn ich es gewagt habe, solche Konstruktionen als falsch zu entlarven. Ich fürchte glatt, das wird noch Jahrzehnte dauern. Ehrlich gesagt habe ich keine Lust, so lange zu warten.
 
Was eigentlich nicht nötig wäre, da man ohnehin vor Türken und Arabern "da war". Auch ich wurde schon schief angesehen, wenn ich es gewagt habe, solche Konstruktionen als falsch zu entlarven. Ich fürchte glatt, das wird noch Jahrzehnte dauern. Ehrlich gesagt habe ich keine Lust, so lange zu warten.

In diesem Thread habe ich mehrfach gesagt, dass die in Quellen untsrittig belegte erstmalige Erwähnung von Kurden im 7./8. Jh. erfolgt und zwar im Zusammenhang mit der Eroberung kurdischer Siedlungsgebiete durch die muslimischen Araber. In welche Zeit man die Ethnogenese der Kurden verlegt, ist Kaffeesatzleserei.
 
Naja, dass die Araber auf die Kurden stoßen, setzt eine fertige Ethnogese bereits voraus, Streitthema ist einzig der genaue Zeitpunkt. Sehe also keinen Widerspruch zu deiner Aussage.
 
Naja, dass die Araber auf die Kurden stoßen, setzt eine fertige Ethnogese bereits voraus, Streitthema ist einzig der genaue Zeitpunkt. Sehe also keinen Widerspruch zu deiner Aussage.

Über den Zeitpunkt - oder besser Zeitraum - der kurdischen Etrhnogenese haben wir in diesem Thread bereits ausführlich diskutiert. Deshalb nur so viel: Wenn die erste unzweifelhafte urkundliche Erwähnung der Kurden im 6./7. Jh. n. Chr. erfolgte, muss die Entstehung dieses Volks vermutlich Jahrhunderte zuvor angesetzt werden.

Mangels archäologischer und schriftlicher Quellen lässt sich allerdings kein auch nur annähernd exakter Zeitraum bestimmen. Vermutlich hat sich dieser ethnogenetiche Prozess im 1. Jahrtausend v. Chr. vollzogen; mehr lässt sich dazu nicht sagen, ohne in spekulative Vermutungen zu verfallen. Die von kurdischen Nationalisten gern bemühten Wortsilben "kardu", "kurta", "kurti" oder "karda" (vgl. auch Hennerbichlers Publikation oben), die sich in vorderasiatischen Schriftquellen finden, stellen jedenfalls keine hinreichenden Belege zur Existenz oder chronologischen Einordnung der kurdischen Ethnogenese dar.
 
Jahrhunderte? Bei Alemannen und Co sollen doch schon die 1-2 Generationen, die meist angenommen wurden jetzt "zu viel" oder "unbelegt" sein und damit zu verwerfen. ;)

Im Ernst: Entweder muss man sagen: Wir wissen nicht wann die Ethnogenese stattfand, oder man muss begründen, dass eine vor der Islamisierung erwähnte Ethnie mit der in den Arabischen Quellen auftauchenden identisch ist.
 
Im Ernst: Entweder muss man sagen: Wir wissen nicht wann die Ethnogenese stattfand, oder man muss begründen, dass eine vor der Islamisierung erwähnte Ethnie mit der in den Arabischen Quellen auftauchenden identisch ist.

Wir wissen tatsächlich nicht, wann diese Ethnogenese stattfand. Sicher jedoch nicht exakt zum Zeitpunkt der ersten Erwähnung der Kurden im 7./8. Jh.

Alles andere ist der Hypothese oder Kaffeesatzleserei überlassen.
 
Falls ein Missverständnis vorliegt: mir sind die genannten Fakten durchaus alle bekannt.

Gerade deswegen meinte ich ja, dass Jahrtausende zurückreichende Territorialkonstruktionen völlig unnötig wären, da man in jedem Fall auf eine längere Siedlungsgeschichte in diesem Gebiet zurückblicken kann als Araber und Türken. Nur gibt es eben Kurden, die dem Fehler verfallen, sich "rechtfertigen" zu müssen, wenn ihnen insbesondere Nationalisten genannter Gruppen immer wieder vorhalten, die Kurden hätten es nie zu einem Staat/Reich gebracht (was für die Frage auf Anspruch eines Staates völlig irrelevant, ja schwachsinnig ist - siehe den leidenschaftlichen Beistand für die Palästinenser, die noch nicht einmal eine Ethnie sind).

Natürlich würden mich die maßgeblichen Gruppen für die kurdische Ethnogese sehr interessieren, aber das ist momentan leider noch völlig unerforscht (und wird es wohl auch bleiben).
 
Gerade deswegen meinte ich ja, dass Jahrtausende zurückreichende Territorialkonstruktionen völlig unnötig wären, da man in jedem Fall auf eine längere Siedlungsgeschichte in diesem Gebiet zurückblicken kann als Araber und Türken.

Da sind wir uns ja einig.

Natürlich würden mich die maßgeblichen Gruppen für die kurdische Ethnogese sehr interessieren, aber das ist momentan leider noch völlig unerforscht (und wird es wohl auch bleiben).

Wie du siehst, hat der oben von mir zitierte Ferdinand Hennerbichler (# 325) die Ethnogenese der Kurden zu klären versucht.

Allerdings mit zweifelhaftem Ergebnis.
 
Neulich entdeckt:

Kurdish people - Wikipedia, the free encyclopedia

Und zwar konkret der Abschnitt, der eine Verbindung zu Ardashir I. postuliert. Die hierzu verwendete und angegebene Literatur scheint mir allerdings völlig veraltet (zB ein Buch von 1896). Mich überrascht, so etwas auf einer recht seriösen Seite wie Wikipedia gefunden zu haben.

Es ist offensichtlich, dass bei dieser Seite kurdische Nationalisten ihre Hand im Spiel haben, die territoriale Ansprüche untermauern wollen, indem sie am liebsten schon den Neandertaler zum Kurden erklären. Erneut wird der Schwachsinn von einer kurdischen Identität bereits zur Zeit der Sumerer :autsch: zum besten gegeben und - wie kann es anders sein - auf den oben von mir zitierten Hennerbichler verwiesen.

The common root of Kurd and Qardu is first mentioned in a Sumerian tablet from the third millennium BC as the "land of Kar-da."[30] Similarly, Hennerbichler believes the term Kurd and similar ethnic labels to have been derived from the Sumerian word stem “kur”, meaning mountain.[31]
 
Von einer Verbindung zu Ardashir habe ich auch einmal vor langer Zeit auf einem kurdischen Forum gelesen und hab nochmal nachgesehen. Als Quelle gab der User die beiden folgenden Links an

http://www.kavehfarrokh.com/wp-content/uploads/2009/07/origins-of-kurds-in-preislamic-iran.pdf

Pahlavi Texts: Kârnâmag î Ardashîr î Babagân ('Book of the Deeds of Ardashir Babakan')

Keine Ahnung ob man diese Seiten für voll nehmen kann, dennoch erwähnenswert.

Zu Hennerbichler kann ich eigentlich nur sagen, das dieser mit Karda kein bestimmtes Volk oder Ethnie gemeint hat. Ich glaube da wird er oft missverstanden. Karda übersetzt er als sumerisches Wort sinngemäß mit Bergbewohner (verschiedenster Herkunft mit Schwerpunkt im Zagros-Gebirge) wovon das spätere kurdische Volk seinen Namen bekommen haben könnte/oder seiner Meinung nach hat.

Alle modernen Völker sind nur ein Misch Masch verschiedenster Urvölker, Stämme und sonstige Zusammenschlüsse, ich persönlich denke ja das man nur die kulturelle und sprachliche Ursprünge auf einen bestimmten Vorfahren zurückführen kann, Assimilation hat es auch auf natürlicher Weise zu jeder Zeit und überall gegeben, deshalb muss Hennerbichler mit seiner These nicht falsch liegen, wenn er behauptet das Kurden nicht schon immer iranigsprachig waren, zumindest diejenigen die von den eingesiedelten Uriraner aufgeschluckt und friedlich oder unter Zwwang in die neue Kultur integriert wurden. Es gibt genügend bekannte Beispiele wie eine herrschende Minderheit die Kultur und Sprache eines ganzen Herrschaftsgebietes geprägt und bestimmt hat. Nehmen wir die Römer mit der Verbreitung der romanischen Sprachen in Teilen Europa als ein Beispiel. Oder die Araber, welche zu einem Grossteil erst im Zuge der Islamisierung arabisert wurden
 
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Zu Hennerbichler kann ich eigentlich nur sagen, das dieser mit Karda kein bestimmtes Volk oder Ethnie gemeint hat. Ich glaube da wird er oft missverstanden. Karda übersetzt er als sumerisches Wort sinngemäß mit Bergbewohner (verschiedenster Herkunft mit Schwerpunkt im Zagros-Gebirge) wovon das spätere kurdische Volk seinen Namen bekommen haben könnte/oder seiner Meinung nach hat.

Ob "karda", "kurti" oder "kurd" überhaupt "Bergbewohner" bedeutet, geht aus den von Hennerbichler zusammngesuchten assyrischen und babylonischen Quellen nicht hervor. Es ist lediglich seine ureigene Interpretation, die man sonst bei keinem seriösen Forscher findet. Im Zagros saß vor 10 000 Jahren eine Bevölkerung, die ethnisch nicht näher bestimmbar ist. Sie bildete die Grundlage für zahlreiche Völker - Assyrer, Babylonier, Guttäer, Sumerer, Hurriter, Urartäer u.a. - und ist nicht allein auf die Kurden zu beziehen. Die tauchen urkundlich unbestritten belegt erst im 6./7. Jh. n. Chr. auf und aus welchen ethischen Komponenten sie als Volk zusammenwuchsen, emtzieht sich unserer Kenntnis.

Hennerbichler hingegen erweckt in seiner Publikation ständig den Eindruck, die Kurden seien unmittelbare Nachfolger einer zehntausend Jahre alten Bevölkerungsschicht.

... deshalb muss Hennerbichler mit seiner These nicht falsch liegen, wenn er behauptet das Kurden nicht schon immer iranigsprachig waren,

Was Hennerbichler da erzählt, ist pure Spekulation. Ob eine altansässige nichtiranische Bevölkerung lediglich einen Sprachwechsel vollzog, oder eine iranische Bevölkerungsgruppe die ethnische Basis der Kurden bildet, vermag niemand zu sagen. Dass es im Vorfeld der kurdischen Ethnogenese zu multiethnischen Assimilationen und Überschichtungen kam, darf man getrost voraussetzen.

... zumindest diejenigen die von den eingesiedelten Uriraner aufgeschluckt und friedlich oder unter Zwwang in die neue Kultur integriert wurden.

Dass die Kurden Bevölkerungsreste vorangegangener antiker Kulturen assimilierten, die einst geografisch an gleicher Stelle siedelten, ist eine wahrscheinliche Annahme. Dazu zählen besonders die Hurriter, die im 3. und 2. Jahrtausend v. Chr. zunächst den Zagros um Van - und Urmiasee und später die vorgelagerten Ebenen bewohnten, wo sie ihre Reiche gründeten. http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/c/c8/Orientmitja2300aC.png . Ihre Erben waren die sprach- und vermutlich auch ethnisch verwandten Urartäer, die vom 13. bis 7. Jahrhundert v. Chr. in Ostanatolien zwischen Van- und Urmiasee saßen und dort ihr Reich gründeten. http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/a/ad/Urartu715-713.png Diese Völker haben sich nach Untergang ihrer Staaten natürlich nicht in Luft aufgelöst, sondern mit nachfolgenden Populationen vermischt.
 
es gibt mehr als genug zu der Herkunft :)

Nach dem Ende der letzten Eiszeit um 10.000 v.u.Z. (vor unserer Zeitrechnung) entstanden im so genannten "fruchtbaren Halbmond", der sich von der Westseite des Zagrosgebirge über die Südseite des Osttaurusgebirges bis nach Syien-Palästina erstreckt, die Grundlagen der ersten menschlichen Zivilisationen. Dieser als neolithische Revolution genannter Prozess vollzog sich hier wegen den günstigen geographischen, klimatischen und pflanzlichen Bedingungen. Aber auch das Verschwinden von Großfauna trug dazu bei. Dieser Prozess ist durch das Aufkommen produzierender Wirtschaftsweisen und zwar des Ackerbaus und der Viehzucht gekennzeichnet und damit durch einen der Übergang vom nomadischen Leben als Jäger und Sammler zum sesshaften Leben als Bauer und Viehzüchter.
Zunächst waren die Menschen saisonal sesshaft, kannten anfangs allerdings weder systematische Viehzucht noch Getreideanbau. So entstanden erste feste Orte mit Gebäuden, die von den in der Region lebenden Menschen als religiöse Stätten (Tempel) aber auch zur Nahrungsversorgung (Jagd von Gazellen und anderen Tieren) genutzt wurden. Mit der direkt sich anschließenden Kultivierung der Wildweize, Wildgerste und anderer Pflanzen (tausende Jahre früher wurden schon Pflanzen vereinzelt genutzt) entstanden erste dauerhafte Siedlungsorte. Die ersten fanden sich vor allem im heutigen Nordkurdistan (Südosten der Türkischen Republik, auch Ober- bzw- Nordmesopotamien genannt). Die Sesshaftigkeit wurde mit der Zeit typisch für die Wohn- und Siedlungsweise. Mit der Zeit entwickelten sich aus kleinen Dörfern größere Orte und schließlich kleinere Städte. Damit einhergehend wurden aus den kleinen Dorfgemeinschaften Gemeinschaften mit bis zu vielen hunderten Menschen.
Diese sich entwickelnden Gemeinschaften waren durch kollektive (gemeinsamer Kornspeicher) und matriarchale Strukturen gekennzeichnet. Die Stellung der Frau im frühen Ackerbau als wesentliche Kraft stieg analog der Rolle weiblicher Fruchtbarkeitsgottheiten in der Religion. Es gab einen Übergang zu soliden Bauwerke aus Holz, später aus Stein, bis hin zu Monumentalbauten. Die arbeitsteilige Gesellschaft führte zunächst noch nicht zu herrschenden und beherrschten Klassen. Durch die damit einhergehende gesteigerte Nahrungsproduktion schuf der Mensch die Voraussetzung für ein verstärktes Bevölkerungswachstum.
Durch die Entwicklung von Pflanzenbau und Tierzucht kam der Idee der Fruchtbarkeit in der Vorstellung des Menschen eine noch größere Bedeutung zu. Analog zum Säen-Reifen-Ernten wurde die Abfolge Geburt-Leben-Tod in der Glaubenswelt bedeutend.
Die Religionen der Jungsteinzeit, des nomadischen oder frühbäuerlichen Neolithikums orientierten sich an den jahreszeitlichen Rhythmen der Natur. Die Menschen waren auf eine Fokussierung auf die Erde als Ernährerin fokussiert, begannen von kultivierten Pflanzen zu leben und erfuhren dabei den Himmel als die Ordnung gebende Kraft. Die lebensweltlichen Erfahrungen aus dem Umgang mit der Erde und ihren Vegetationszyklen ließen religiöse Vorstellungen entstehen, die einem ganz anderen Muster folgten, als die modernen monotheistischen. Sie waren auf eine von schöpferischen Kräften durchwirkte Natur voller Geistwesen und Magie bezogen und stellten noch nicht den Menschen in den Mittelpunkt. Die schriftlosen, mythischen Religionen kannten keinen allmächtigen Schöpfergott und kein endzeitliches Gericht, das den Einzelnen zur Rechenschaft zog.
10.000 v.u.Z.
Aus dieser Zeit stammte der bisher älteste nachgewiesene menschliche feste Ort in der Provinz Riha (türkisch: Urfa, Nordkurdistan) ab: Göbekli Tepe. Hier - nicht sehr weit vom Euphrat entfernt - wurden religiös genutzte Tempelanlagen entdeckt, was auf erste frühere Glaubenstrukturen zurück schließen lässt. Weiterhin befinden sich hier die Knochen von unzähligen Gazellen, woraus eine weitgehende Jagdkultur abzuleiten ist.
Ab 9.500 v.u.Z.: Fast um die gleiche Zeit entstand die bisher älteste gefundene menschliche Siedlung im Norden von Batman (Nordkurdistan): Hallan Çemi. In dem an einem Nebenfluss des Tigris liegenden Ort wurden Spuren einer Landwirtschaft und Wohnhäuser nachgewiesen.
In dieser Zeit bestanden große Siedlungen aus Rundhäusern (Trockenmauerwerk). Manche dieser Siedlungen liegen in der untersten Schicht späterer Tells (historische Siedlungsorte). Die Kunst dieser Zeit beschränkte sich hauptsächlich auf Idole, kleine Steinskulpturen, die meist Frauen, seltener Männer oder Tiere darstellten. Getreideanbau war zu dieser Zeit neu bekannt, nicht aber die Viehzucht, es wurden weiterhin Gazellen gejagt.
8500 bis 7000 v.u.Z.
Die Häuser dieser Zeit waren rechteckig oder quadratisch. In dieser Zeit fand eine Ausbreitung nach Westen statt, mit Floss und Einbaum auch über Wasser (Zypern). Die Domestikation von Tieren wie Schaf, Ziege und Hund begann. Die meist weiblichen Idole waren aus Stein oder Ton, die Gesichter waren kaum angedeutet, Geschlechtsteile dafür umso deutlicher zu erkennen. Vorherrschend in der Werkzeugherstellung war nun die geschliffene Steinindustrie. Erste ungebrannte Keramik ist bekannt.
Ab 8. Jt. v.u.Z.
Die im Fruchtbaren Halbmond entwickelte Ackerbaukultur weitete sich in verschiedene Richtungen durch Migration der Bauern mit den von ihnen domestizierten Pflanzen und Tieren aus der Levante sowie dem Wissen um deren Pflege, Aufzucht und Vermehrung im Gepäck aus. So zeigen Vergleiche der mitochondrialen DNA (mtDNA), dass die frühen indischen Bauern näher mit den Bauern der Levante verwandt waren als mit den Jägern und Sammlern in ihrer Nachbarschaft. Von hier aus ist anzunehmen, dass diese Kultur sich bis nach China ausweitete. Ähnliches gilt für Europa, welches die Ackerbauern vor etwa 9.000 Jahren über die noch existierende Landbrücke am Bosporus kultivierten. Von Südosteuropa verbreiteten sie sich zunächst entlang der Mittelmeerküste sowie entlang der großen Flussläufe nach Ost- und Mitteleuropa. Über die Levante erreicht diese Kultur am frühesten jedoch Ägypten, das relativ nahe liegt. In den verschiedenen Regionen werden lokal verbreitete Pflanzen zu den bekannten hinzu domestiziert.
Eine andere bis vor kurzem sehr verbreitete These besagt, dass weltweit in mindestens drei Regionen (Mittlerer Osten, Chine und Amerika) unabhängig voneinander die Landwirtschaft sich entwickelt. Zumindest für Amerika ist diese These noch stark vertreten.
 
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