kurdish-power
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Warum sollten man denn ob Deiner Auführungen ausflippen? Nach dem Ersten Weltkrieg haben die Sieger das Osmanische Reich zerschlagen und daraus Einzelstaaten gebildet, die im Großen und Ganzen den geschichtlich gewachsenen und ethnischen Abgrenzungen folgen.
Eben nicht! Das ist ja gerade das Problem warum der Nahe Osten ein Krisenherd ist. Eben nicht "geschichtlich gewachsene" Verhältnisse sondern politische, koloniale Interessen die Aufteilung bestimmten. Von "ethnischen Grenzen" kann eben überhaupt nicht die Rede sein.
Die Türken waren das beherrschende Volks im Osmanischen Reich und sind nach dem verlorenen Krieg auf einen Kernbereich beschränkt worden.
Eben auch nicht! Die Osmanen sprachen am Hofe nur "Persisch" (Iranisch). Die Verwaltungssprache war eine Mischung aus "Persisch" und Arabisch.
Erst zum Ende des Osmanischen Reiches, im 19. Jhdt. setzte sich eine neue bürgerliche Bewegung politisch durch. Diese Gruppe der "Jungtürken" später der "Kemalisten" transformierte nachträglich, im Zeitraffer und als Staatsakt die gewachsene anatolische multiethnische Bevölkerung und Kultur.
Die jungtürkische Periode währte bloß ein Jahrzehnt, und dennoch gilt diese Zeit hinsichtlich der Nationalitätenpolitik als "dunkles Kapitel", charakterisiert durch eine konsequent und brutal durchgeführte Türkifizierungspolitik
...
Die "symbolische Säkularisierung" zielte zum ersten auf die Transformation der Identität und Psyche der breitesten Bevölkerungsschichten. Eine zentrale Rolle spielte dabei die Sprachreform. Zu allererst wurde 1928 das lateinische Alphabet eingeführt, im Anschluß daran ging die kemalistische "Sprachpolizei" dazu über, eine Türkifizierung der Sprache in Angriff zu nehmen, wobei arabische und persische [Anm. iranischsprachige] Begriffe und Worte durch türkische ersetzt werden sollten. Eine Nation der Vergesser wurde angepeilt. Die sprachliche Türkifizierung dauert bis heute an;
HSK 4: Melinz - Nationalismus im mittleren Osten
Persien/Iran war nicht Teil des Osmanischen Reiches.
Iran ? Wikipedia
Irak und Syrien waren Teil des Osmanischen Reiches. Irak und Syrien sind wohl in der Antike und bis zum Ende des Osmanischen Reiches zusammen zu betrachten. Zum Iran besteht eine signifikante kulturelle Grenze.
Die Grenzen sind nicht so leicht zu ziehen. Oft waren sie eher abhängig von politischen, religiösen oder Machtinteressen der Herrscher. Eher weniger abhängig von kulturellen oder ethnischen Verhältnissen. Das osmanische Verständnis war hauptsächlich auf religiöser Identität aufgebaut (sunnitisch islamischer). Die Gegenspieler, die safavidische Dynastie im Osten ebenso
aber auf schiitisch islamischer Identität aufgebaut.
Wie gesagt kann weder von "kulturellen Grenzen" die Rede sein, noch von sprachlichen.
Ich finde die Diskussion um die Kurden wichtig, zumal sie wirklich schlecht behandelt worden sind. Ich weiß nicht, ob hier jemand aus tieferer Kenntnis etwa von Protokollen etc. der entsprechenden Verhandlungen der Sieger des Ersten Weltkrieges etwas dazu besteuern kann, warum dieses Volk damals bei der Neuaufteilung der Territorien übergangen wurde. Ich meine, die Kurden und der Umstand, daß es dort ein Problem gibt, war auch damals schon gelegentlich Thema in der Presse und Literatur, kann also nicht aus purer Ignoranz außen vor geblieben sein.
Der Völkerbund als auch die einzelnen Mitglieder wie die Briten und Franzosen hatten kein Interesse daran, Rücksicht auf "gewachsene" ethnische oder gewachsene kulturelle Strukturen zu nehmen. Im Vordergrund ihrer Interessen stand einmal die Kontrolle über wichtige militärische und wirtschaftliche Wasserstraßen wie den Bosporus
und Suez-Kanal. Kontrolle der Ölfelder in Südkurdistan (Nordirak). Der wichtigste Grund warum sie Abstand von der ethnischen Aufteilung Anatoliens und Mesopotamiens nahmen (Vertrag von Sevres) waren schlicht die Macht Russlands. Angefangen von der napoleonischen Zeit bis zum kalten Krieg bestand in Westeuropa immer Angst vor der Macht Russlands. Wir Kurden können ein Lied davon singen, wie die Militärdiktatur in der Türkei über fast das gesamte letzte Jahrhundert hinweg militärisch, finanziell, politisch vom Westen und Nato unterstützt und gestützt wurde. Wir Kurden, mit useren Interessen für Selbstbestimmung, Unabhängigkeit, Autonomie, mehr Rechte usw. standen immer den Plänen der europäischen und transatlantischen Interessen im Weg. Man hat bestenfalls weggeschaut wenn Kurden massenhaft massakriert wurden. Waffenlieferungen und Schenkungen an die jeweiligen Staaten, Aufbau von Diktaturen (Saddam Hussein usw.) waren auch kein Problem, der massenhafte Tod von Kurden, massive Menschenrechtverletzungen usw. wurden alle ignoriert, von Anfang an hingenommen um den wirtschaftlichen, militärischen und außenpolitischen Zielen immer geopfert.
Grundsätzlich sollte man sich aber von der Denkweise lösen, derzufolge Völker und Territorien fest miteinander verwachsen wären. Es ist nun einmal so, daß Völker wandern , sich verdrängen, vermischen, mitunter auch ausrotten. Wenn es hier und da mal eine längere Kontinuität gibt, ist der Zeitraum halt länger aber nichts bleibt wie es ist.
Die größten "Ausrottungen" fanden (wenn ich micht nicht täusche) erst in den letzten hundert Jahren statt. Jedoch waren Grenzen (wenn es denn welche gab) immer Wandlungen unterworfen, nie so fest und starr wie heute, immer schwimmend da gebe ich dir Recht.