Die junge Königin musste in ihre Rolle finden und das heißt jemanden finden der mehr versteht als sie selbst und dem sie vertrauen kann.
Auch war ja wohl die Institution Monarchie selbst in Frage gestellt, nicht zuletzt durch eine aggressive Presse.
Eine öffentliche Positionierung der Queen zur Krise in Kanton wär für sie ein schwerer Fehler gewesen. (Sie wurde auch zu einer überzeugten Imperialistin.)
Nicht nur das, sie war auch schlicht und ergreifend eine Frau und dass in einer Gesellschaft, die immer stärker dahin tendierte das zu idealisieren (weit stärker als im 18. Jahrhundert), was man heute "toxische Männlichkeit" nennen würde.
Eine öffentliche Positionierung in der Kanton-Angelegenheit wäe wahrscheinlich als Affront gegen die politische Etikette verstanden worden und die Regierungsmitglieder und Parlametarier (in GB kann man da, denke ich durchaus schon von Berufspolitikern sprechen), wären sicherlich nicht auf die Idee gekommen irgendwas auf Ratschläge einer völlig unerfahrenen Monarchin zu geben, zumal die "Freiheit des Handels" und ihre Durchsetzung ja durchaus zunehmend als nationales Anliegen verstanden wurde.
Außerdem bündelte die East-India Company durch ihr Monopol ja die die Handelsinteressen in Indien und im fernen Osten (hing ja durch die Opium-Fabrikation in Bengalen miteinander zusammen), dadurch bündelte sie aber natürlich auch Lobby-Interessen, zumal ja nicht selten auch Mitglieder des Parlaments bei der East-India Company inverstiert waren, da lief einiges an politischer Schlagkraft zusammen und natürlich auch ein erhebliches Betriebskapital, dass sich zusätzlich für Meinungsbeeinflussung aufwenden ließ.
Verglichen damit waren die Mittel, der Queen begrenzt. Ich weiß aus dem Stand auch gar nicht, ob die Krone damals selbst bei der East-India-Company investiert war (in früheren Zeiten war sie das durchaus). Wenn ja, hätte das natürlich auch ihre Spielräume eingeschränkt, weil sie sich dann als Profiteurin des Opiumhandels und der britischen Freihandelsdoktrin kaum glaubhaft dagegen hätte positionieren können.
Das Victoria selbst dem Imperialismus jedenfalls nicht abgeneigt gegenüberstand kommt ja bereits darin zum Ausdruck, dass sie sich später den Titel der "Empress of India" zulegte.
Eine Nachricht von Kanton nach London benötigt ca. vier Monate würd ich sagen. Sollen es es drei sein.
Drei Monate hin, drei her. Unter sechs Monaten ist eine Kommunikation überhaupt nicht möglich.
Das Informations-Ping-Pong kann vielleicht dreimal hin und her gegangen sein, mehr nicht.
Es gab ja keinen Telegrafen.
Naja, zummindest gab es vor Ort noch keine elektrischen Telegraphen (in Europa kam das ja gerade auf und optitsche Telegraphie zur Informationsweitergabe gab es bereits), geschweigedenn, dass man annähernd technisch in der Lage gewesen wäre schon Seekabel im großen Stil zu produzieren und zu verlegen (Problem vor allem auch mit der Isolierung).
Das erste Seekabel in Europa wurde 1850 zwischen Dover und Cap Gris-Nez verlegt.
Für Reisezeiten mit dem Segler dürften 3-4 Monate noch eher niedirg angesetzt sein, das kam Bei Fahrten nach Indien oder darüber hinaus und zurück darauf an, ob man Jahreszeitlich bedingt die Monsunwinde nutzen konnte.
Falls nicht, oder falls man jahreszeitlich bedingt gar gegen die Monsunwinde irgendwie ankämpfen musste, sollte das deutlich länger gedauert haben.
Und beim Informations-Ping-Pong sind natürlich Zeiten für politische Entscheidungsfindung und Reaktionen noch nicht drinn.
Wenn sich ein System wie das Britische einen regen Parlamentsbetrieb leistete konnte die natürlich auch nochmal Monate dauern.
Und was die Thematik Krieg in den Kolonien angeht, war es natürlich wesentlich kostengünstiger, den Gouverneuren und Repräsentanten oder der Company als juristischer Person vor Ort zu erlauben Söldner auszuheben, oder Kandidaten dafür aus Europa auf eigene Rechnung auf Schiffen der Company mitzunehmen, als selbst als Staat im großen Stil Truppen nach Übersee zu verschiffen und sie dort zu unterhalten.
Zumal das ja erstmal ein großes, stehendes Landheer benötigt hätte und dass ist, im Besonderen den Briten noch nie geheuer gewesen, einmal wegen der Kosten und einmal, weil ein großes königliches Heer in der angelsächsischen politischen Kultur ja schon immer als bedrohlich für die Freiheit galt, da sowas vorwiegend als absolutistisches Repressionsinstrument nach innen wahrgenommen wurde.
Faktisch hatten bei Zwischenfällen und Krisen so weit von Europa weg, die lokalen Akteure im Dienst der Kolonialmächte ganz gute Chancen ihre eigenen kleinen Kriege durchzusetzen, wenn sie das für sinnvoll hielten.