Weiterhin hatte ich nicht vor, mit dem, was ich zur möglichen Verwechslung von Ort und Fluss Amisia geschrieben habe, zu überzeugen. Damit wollte ich eine mögliche Lösung anbieten, die die Heerzüge des Germanicus militärisch etwas sinnvoller macht.
Das ist es ja: Die Annahme eines Ortes Amisia östlich der Weser macht gar nichts sinnvoller: Es macht die Marschwege weiter, es widerspricht dem Text, der die Amisia als flumen bzw. agmen anspricht bzw. von der Anlandung an ihrer Mündung, es schiebt mehr germanische Krieger in den Rücken der Römer. Der einzige Sinn, den es hat, die Amisia als Verwechslung mit dem nur bei Ptolemaios belegbaren Ort zu vertauschen ist, Germanicus von Kalkriese wegzuholen und die Kalkriese=pontes longi-Hypothese entgegen der Trennung an der Amisia nach Tacitus wieder möglich zu machen. Die Motive dafür liegen also nicht im Text sondern in dem Willen, in Kalkriese nicht die Varusschlacht sehen zu wollen. Und das ist ein unwissenschaftliches, das Ergebnis vorwegnehmendes Vorgehen.
Dabei hatte ich dem Text wenige Fehler unterstellt, die ähnlich in unzähligen anderen historischen Texten vorgekommen sind. Überzeugen kann ich jedoch nur, wenn ich handfeste unwiderlegbare Beweise vorweisen kann. Die habe ich nicht.
Für solche Unterstellungen sollte man aber handfeste Gründe haben. Diese Gründe können in textimmanenten Widersprüchen liegen oder aber in Widersprüchen zwischen den Quellen (oder Widersprüche zur erfahrbaren Wirklichkeit). Wenn diese Widersprüche nicht gegeben sind und allein die private Weigerung, etwas anzuerkennen (nämlich dass Kalkriese der wahrscheinliche Ort (eines Teils) der Varusschlacht ist) der Grund ist, den Quellen nicht zu glauben, dann hat das mit Wahrheitssuche nicht mehr das geringste zu tun.
Deine permanenten Wiederholungen, dass dem Germanicus das Verlangen, die Gefallenen aufzusuchen, erst während des Feldzugs kam, machen dies jedoch nicht glaubwürdiger.
Es mir doch völlig gleichgültig, ob Germanicus diesen Wunsch schon vorher hatte oder nicht. Fakt ist, unsere einzige Quelle, die wir zum Sachverhalt haben, berichtet das genau so: Germanicus nimmt Thusnelda gefangen, Arminius stellt daraufhin ein Heer auf, Germanicus sorgt dafür, dass dieser Vorgang gestört wird, indem er über mehrere Wege in das Brukterergebiet einfällt. Dann erst, nachdem die Brukterer geschlagen sind, ergreift der Wille von ihm Besitz, weil man gerade in der Nähe des Höhenzuges ist, in dem die Schlacht stattfand, die Legionen zu bestatten: "cupido Caesarem invadit". Das ist keine Erfindung von El Quijote, Mitglied des Geschichtsforums, sondern von Tacitus, römischer Geschichtsschreiber an der Wende des ersten zum zweiten Jahrhunderts.
Wo man q-kritisch herangehen könnte an dieser Stelle, wäre die Frage, ob Germanicus denn tatsächlich erst, nachdem Arminius ein Heer einberief, den Plan fasste, ins Brukterergebiet einzufallen. Er wäre dann nämlich ziemlich schnell gewesen. Und man könnte feststellen, dass Tacitus genausowenig wie seine Quellen des Gedankenlesens mächtig waren.
Es ist doch eindeutig von Tacitus beschrieben, das Heer ging in einem Zug bis zu den äußersten Brukterern, alles Land zwischen Amisia und Lupia wurde verwüstet. Und dieses verwüstete Land war nicht weit vom teuto burgiensi saltu - und genau DESHALB, weil man erst jetzt in dessen NÄHE war, überkam dem Caesar das Verlangen!
Etwas anderes habe ich nie behauptet. Du warst bisher der Auffassung, Germanicus wäre vom Rhein mit dem Ziel losgezogen, die Varuslegionen zu bestatten. Zu deiner Erinnerung:
Deine permanenten Wiederholungen, dass dem Germanicus das Verlangen, die Gefallenen aufzusuchen, erst während des Feldzugs kam, machen dies jedoch nicht glaubwürdiger.
Was denn nun? Während des Feldzuges oder bereits vorher?
Es gab hier keine ernsthaften Gegner! Die paar Brukterer hatte doch schon Stertinius erledigt! Hatten sich Drusus, Ahenobarbus und Tiberius, ebenso Caesar, in den Jahren vorher auch den Rückweg gesichert? Mitnichten!
Wieso mitnichten?
Heiko Steuer hat mal anhand der bekannten Siedlungen der augusteischen Zeit errechnet, dass die Germanen mehrere zehntausend Krieger hätten aufbringen können.
Nicht mal Germanicus selbst, als er den Marsern an den Kragen ging! Beim Chattenfeldzug hatte er nur Dämme und Brücken anlegen lassen, weil er Sorge wegen dem Hochwasser hatte, nicht wegen der Germanen!
Da musste er ja auch durch das Gebirge bis zur Eder. Das Mittelgebirge war aber weitaus weniger dicht besiedelt als die Fläche.
Und nun willst Du mich oder wen auch immer überzeugen, dass er deswegen mit 100.000 Mann (incl. Hilfstruppen) von der mittleren Ems erstmal eine Riesenschleife Richtung Südosten bis nahe der Lippe- und Emsquellen (so muss ich es ja verstehen, wenn ich die als Flüsse anspreche) zieht, dabei munter alles verwüstet (was eigentlich? Können doch nur unmilitärische Felder und Ansiedlungen gemeint sein!) um dann, nach getaner Arbeit wieder bis fast zum Ausgangspunkt zurückzuziehen. Dabei lässt er noch den Caecina vorgehen, da das Gelände, was man ja grade erst verwüstet hat, nun nochmals nach Verstecken in den Ländereien durchsucht werden muss und über trügerischen Mooren etc.pp. Brücken gebaut werden müssen. Oder zog man nun nordwestwärts um den Osning? Um den Varuszug nachzuempfinden?
DAS soll überzeugen?
Tacitus schreibt, man habe das Brukterergebiet zwischen Ems und Lippe verwüstet. Dann hat man das Varusschlachtfeld aufgesucht, weil der saltus Teutoburgensis, in dem das Schlachtfeld lag, in der Nähe war. Die Ems entspringt im nördlichen Teuto, das Wiehengebirge und der nördliche Teuto sind im Grunde genommen kaum als zwei verschiedene Gebirge wahrzunehmen.
Von Rückkehr durch das bereits verwüstete Gebiet zwischen Ems und Lippe ist keine Rede.
Die Drei- oder Viertages-Marsch-Schlacht ist auch so ein Thema. Konkret schreibt das nur C.Dio so, das ist richtig. Ob unser Tacitus das auch so mit seiner Kurzbeschreibung gemeint hat, ist Ansichtssache. Eigentlich beschreibt er die Stätten recht unkompliziert. ich formuliere das mal so: Zuerst (von weitem?) sah man das intakte Lager, dann (beim Näherkommen) das Halbfertige und mitten im Feld die bleichen Gebeine.
Du übersiehst wieder ein wichtigs Wort: Prima. Das erste Lager oder, da eigentlich primum castrum zu erwarten wäre, vielleicht sogar die ersten Lager. Wo ein erstes Lager ist, ist auch mindestens ein zweites. Und du unterschlägst, dass das erste Lager (bzw. die ersten Lager) eindeutig als eines (solche) beschrieben ist (sind), welches (welche) lege artis für drei Legionen gebaut worden war (waren) (dimensis principiis trium legionum manus ostentabant). Dann – dein – sah man kein halbfertiges sondern ein halbverfallenes mit einem niedrigen Graben, also eines, welches eben nicht lege artis errichtet wurde. Hier fand man auch menschliche Überreste. Wie viele Lager zwischen dem ausdrücklich als ersten Lager bezeichneten und dem halbverfallenen mit den Leichenfunden lagen, verrät Tacitus schlicht nicht.
Ich weiß, nicht ganz korrekt, aber eine Lagerschlacht wie von Florus (den hattest Du vergessen zu erwähnen!) berichtet, lässt diese Beschreibung auch zu. Nun kann man natürlich in den Text viel hineininterpretieren: Tacitus schreibt literarisch gerafft, er baut das Geschehen klimakterisch überhöht auf - und viele andere schöne Formulierungen mehr. Alles nur, damit seine Beschreibung mit Dio konform geht.
So ein Blödsinn. Ich werde doch ständig kritisiert, gerade weil ich Dios Quellenwert für die Varusschlacht nicht so recht sehe. Wieso sollte also ausgerechnet ich Tacitus mit Dio harmonisieren wollen?!
Florus hat Epitome der Bücher des Titus Livius verfasst. Aber es sind auch einige Bücher des Titus Livius erhalten. Also kann man Florus mit Titus Livius vergleichen. Und da hat sich Florus als unzuverlässiger Wiedergeber des livianischen Geschichtswerkes herausgestellt, der mehr Wert auf Rhetorik (er war ja auch Rhetoriklehrer in Spanien) als auf Inhalt legte. Und Tacitus spricht, ich erinnere an das prima, von 2+n Lagern, wobei n alle natürlichen Zahlen einschließlich der 0 umfasst.Letzterer wird ansonsten als maßloser Übertreiber bei der Beschreibung des Geländes, des Wetters und was weiß ich nicht, gesehen. Da ist es legitim, was anderes zu verstehen, als der gute Mann schreibt, ebenso bei Florus - da ist "man" sich einig, nicht wahr?
Überzeugend ist das für mich nicht.
Das ist mir, wie eben angeführt, zu einfach. Er spricht nur von zwei Lagern, nämlich dem oder den ersten und dem letzten.Und Tacitus: 2 Lager, 2 Tage.