Kalkriese als Ort der Varusschlacht zweifelhaft

Etwas läßt mich nicht schlafen. Salvus hat in Post #3787 die typisch Germansche Bewaffnung geschildert, wie sie immer wieder beschrieben wurde. Doch dabei handelt es sich um eine Zusammenstellung aus der Germania (6) und der Rede die Tacitus für die Ansprache des Germanicus vor der Schlacht bei Idistaviso (II, 14) entwarf. Es ist ein Beispiel dafür, wie hartnäckig sich veralteter Wissensstand halten kann.

Schon die eine Stelle beschreibt etwas anderes als die üblicherweise genannte Kombination von Frame und Schild. Germanicus redet davon, dass die erste Reihe lange Stoßspeere trug, die beim Kampf im Wald behinderten. Die hinteren Reihen sollen kleine Wurfspeere mit Spitzen aus gehärtetem Holz genutzt haben. Die Frame hingegen war ein kürzerer Speer, der als Stoßlanze genutzt oder geworfen werden konnte und im Normalfall eine kleinere Eisenspitze als die längeren Stoßlanzen trug. Dies sind auch die drei Speertypen, die die Archäologie nachgewiesen hat. Allerdings gibt es ein Problem. Im Bereich der Rhein-Weser-Germanen sind nur sehr wenige Waffengräber gefunden worden. Somit bleibt eine gewisse Unsicherheit. Aber insgesamt ergibt sich doch das Bild, dass in der Vorrömischen Eisenzeit lange Stoßlanzen mit großen Eisenspitzen und Eisenschuhen getragen wurden. Daneben sind Speere mit Knochenspitzen belegt. Mit dem Erscheinen der Römer änderte sich allmählich das Bild. Die Eisenschuhe verschwanden, und die Frame sowie kleinere Wurfspeere , ebenfalls mit Eisenspitzen, entwickelten sich. Funde gänzlich hölzerner Waffen gibt es nicht. Es wurde vermutet, dass Gräber, bei denen der Speer fehlte, dieser keine Eisenspitze hatte und das organische Material verottet war. (Erhaltene Schäfte zeigen, dass diese aus Eschenholz gefertigt wurden.) Aber zum Einen waren das wenig Gräber, zum Anderen sind die Grabbeigaben so uneinheitlich, dass im Artikel zu den Waffengräbern im Katalog Imperium -Konflikt - Mythos dargelegt wird, dass man hieraus nicht auf die Verteilung der Waffen schließen kann. Es wird aber vermutet, dass die kleineren Wurfspeere mitunter eine improvisierte Spitze aus gehärtetem Holz hatten. Schließlich setzte sich die Frame immer mehr durch und zur Entstehungszeit der Germania war sie tatsächlich der typisch Germanische Speer. Und die Schriften des Tacitus zeigen, wie oben gezeigt, auch, dass er sich der unterschiedlichen Bewaffnung bewusst war. Hinzu kommt, dass, wenn überhaupt, nur eine Minderheit der Waffen keine Metallspitzen hatten.

Ich habe geschrieben, dass keine hölzernen Waffen der Zeitstellung gefunden wurde. Das ist nicht ganz korrekt. Bei dem Bohlenweg von Hunteburg hat man Holzschwerter und Keulen gefunden. Trotz angeblicher Kampfspuren, sind doch Holzschwerter keine Kriegswaffen. Darauf kann ich mir keinen Reim machen. Vielleicht sind es ja römische Übungswaffen? Oder Germanische Übungswaffen?

Die zweite typisch Germanische Waffe war der Schild. In Bezug auf die Größe und das Metall irrt Germanicus, bzw. Tacitus sich wiederum. Der Schildbuckel soll zumeist größer und besser gewesen sein, als Römische Exemplare. Im Vergleich zum Scutum waren die Schilde allerdings dünn und zerbrechlich, denn sie waren nur aus Brettern zusammengesetzt und mit Leder überzogen. Einige Exemplare hatten Metallene Randbeschläge. Größe und Form waren unterschiedlich. Einige Exemplare waren tatsächlich klein, andere konnten von der Größe her betrachtet mit dem Scutum konkurrieren. Geflochtene Schilde sind archäologisch nicht nachgewiesen. Bezüglich fehlender Schilder in Gräbern gelten dieselben Überlegungen wie zu den Speerspitzen.

In 20 bis 30% der Gräber fanden sich Schwerter. Gräber mit Sporen beinhalten regelmäßig zweischneidige Schwerter nach dem Vorbild des Latène-Schwerts. Fußgänger trugen hingegen einschneidige Schwerter Germanischen Typus. Auch hier stellt sich die Frage, ob man die Fundstatistik wirklich in eine Statistik der Bewaffnung umwandeln kann. Zum einen sind da die oben geschilderten Bedenken wegen der im Ganzen doch unregelmäßigen Grabausstattung und der fehlenden Waffengräber im Rhein-Weser-Bereich. Zum anderen Schildert Tacitus als entscheidenden Vorgang beim Mannbarkeitsritual die Übergabe von Schild und Speer. (Germania 13,4) Wahrscheinlich hatten Schwerter also auch einfach eine geringere rituelle Bedeutung. Laut der angegebenen Stelle haben Schild und Speer die Bedeutung der Toga der Römer.

Spezielle Streitäxte wurden nur wenige gefunden, der Bogen soll nur zur Jagd eingesetzt worden sein, aber jeder Germanische Krieger trug ein Messer. Zumindest die größeren Exemplare konnten als improvisiertes Seitengewehr genutzt werden.

Ich habe hier insbesondere die Angaben aus Strassmeier, Gagelmann, Das Heer des Arminius-Germanische Krieger zu Beginn des 1. Nachchristlichen Jahrhunderts, Berlin 2009 zusammengefasst. Eher in der Bibliothek kann man, insbesondere auch zu dem Thema der Chronologie Germanischer Waffen auch in Wolfgang Adler, Studien zur germanischen Bewaffnung - Waffenmitgabe und Kampfesweise im Niederelbegebiet und im übrigen Freien Germanien um Christi Geburt; Diss. Saarbrücken 1989 nachschlagen.

Auch der Germanische Eisenmangel ist zu großen Teilen ein Mythos. Denn nachdem der Import aus keltischen Gebieten ab 50 v.Chr. wegfiel, wurde in Germanien genügend vorkommendes Raseneisenerz verhüttet, bzw. stärker verhüttet. Der Mangel wird vorübergehend gewesen sein und von Tacitus vielleicht wegen des dennoch höheren Werts des Eisens bei den Germanen noch immer als typisch angegeben worden sein. Das findet sich z.B. auch in Bruno Krüger (Hrsg.), Die Germanen, Bd.1, Berlin 1983.

(Off Topic: Die Ubier begannen sogar Münzen zu prägen, als der Nachschub aus Gallien ausblieb. Einige bezeichnen sie deshalb als Kelten. Ich finde die Vorstellung freundlicher, dass sie einen geflüchteten keltischen Münzmeister aufgenommen haben, egal ob Kelten oder Germanen oder Anderes. Irgendwer muss es ihnen ja gezeigt haben.)

Zunächst einmal: Moment!
Ich weiß nicht. ob man die entsprechende Literatur aus den 2000er Jahren als "veralteten Wissenstand" bezeichnen kann.

Ich stimme bei der Sache mit den Speeren (länger/kürzer) durchaus mit Dir überein. Der Speer, ob als Stoß- oder auch Wurfwaffe, war sicherlich eine der Hauptwaffen der Germanen zu dieser Zeit. Er bestand aber auch zum größten Teil aus organischem Material, nämlich Holz. Die Spitze war eisern. Der Speer war durchaus eine Waffe, die auch mit relativ wenig Eisen herzustellen war - insbesondere verglichen mit einem Schwert. Daher würde ich die Sache mit dem Eisenmangel, welchen Tacitus erwähnt auch nicht einfach als Mythos bezeichnen. Und wenn ich jetzt den Bogen zu Kalkriese spanne, dann fällt auf, daß man dort keinerlei Schwerter gefunden hat. Ich denke, daß ein Schwert bei den Plünderungen nach der Varusschlacht und zwar unabhängig vom Schlachtort ein begehrtes Beutegut war und sicherlich nicht, um es anschliessend einzuschmelzen. Ein Schwert war in spätaugusteischer/frühtiberischer Zeit für den normalen germanischen Stammeskrieger sicherlich nahezu unerreichbar. So etwas "konnte man sich nicht leisten."
Ein Schwert war den Stammesoberen wohl eher vorbehalten. Ich denke, daß hat nichts mit irgenwelchen Riten zu tun. Das hat rein praktische Gründe.

Rudolf Simek (Die Germanen, Reclam Universal 2006) gibt an, daß die Art der Bewaffnung der Germanen eine ständische Pyramide repräsentieren.
Dies erscheint mir durchaus logischer als die immer wieder vorgeschobenen rituellen bzw. religiösen Gründe, denn diese kann man im Zweifel immer heranführen.

Simek erwänt das Waffenbeuteopfer von Ejsbol aus dem 4. Jahrhundert n.Chr. Von den 200 (Fuß-) Kriegern waren nur 60 mit einem Schwert ausgerüstet und 140 mit Speer, Lanze und Schild. Und ich denke, daß das 300 Jahre vorher ähnlich war - wenn nicht noch gravierender.

Auch der Fundplatz Kalkriese (unäbhängig von der Varusfrage) bestägt durch den archäologischen Befund durchaus die germanische Gier nach Metall. Gefunden werden i. d. R. nur noch kleinere metalische "Überbleibsel" wie Scharniere, Nägel etc.
Schwerter, Dolche, Speerspitzen, Schildrandbeschläge, etc. sind in Kalkriese offensichtlich geplünert und tw. vor Ort noch verschrottet worden. Die spricht durchaus für Tacitus (germ. 6).
Auch Moosbauer (Die Varusschlacht, C.H. Beck 2009) erwähnt, dass Speer und Schild die Hauptwaffen waren. Schwerter waren zwar vorhanden, aber eher seltener (Verältnis evt 1:3).

Wenn man von Eisenmangel spricht, so ist das schlussendlich schwer zu definieren. Wann kann man von einem Mangel sprechen? Ein Schwert war sicherlich eine wirksame Nahkampfwaffe und somit wohl auch für die Germanen erstrebenswert. Für den "normalen" Stammeskrieger aber wohl unerschwinglich. Es sei denn man erbeutete ein solches Schwert.
 
Zuletzt bearbeitet:
Nachreichen muss ich doch noch die möglicherweise bearbeiteten Baumstämme ("künstlich" war natürlich ein in der Eile erfolgter Missgriff, für den mich dekumatland, auch zu meiner Freude, schön durch den Kakao gezogen hat. Strafe muss sein!)

Aber hier ein kleiner Artikel aus der Wiki zu Pfahlgöttern:

"Anthropomorphe Pfahlgötter (anthropomorph = menschengestaltig; auch als Moorpfähle oder Pfahlgötzen, Idole bezeichnet) sind mehr oder minder grob figürlich bearbeitete Holzstämme, die vermutlich Gottheiten darstellten. Primär ist die zahlenmäßige Verbreitung nach dem archäologischen Befund im germanischen Kultur- beziehungsweise Siedlungsraum Nordwesteuropas verortbar, jedoch gleichfalls den keltischen Bereich und für westslawische Kulturen. Der Fundniederschlag lässt sich seit dem Mesolithikum bis zum Frühmittelalter zeitlich nachweisen.

Darüber hinaus ist der Begriff ein Sammelbegriff, unter dem ebenfalls schlicht ausgeformte nicht menschengestaltige Kultpfähle geführt werden. Fundorte der Pfahlidole sind neben den Mooren, beziehungsweise Opfermooren, andere Opferplätze in prähistorischen, römerzeitlichen und völkerwanderungszeitlichen germanischen, keltischen und slawischen Siedlungsbereichen."

Aber wenn da im Saltus ein paar Bäume standen, an die die Köpfe genagelt wurden, kann ich auch damit leben.
 
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Auch der Fundplatz Kalkriese (unäbhängig von der Varusfrage) bestägt durch den archäologischen Befund durchaus die germanische Gier nach Metall. Gefunden werden i. d. R. nur noch kleinere metalische "Überbleibsel" wie Scharniere, Nägel etc. ....

Um so verwunderlicher finde ich die Tatsache, dass der recht auffällige eiserne Rest des Gesichtshelmes verschmäht wurde!? :grübel:

Aber wer weiß, unter welchen Umständen die Maske, nachdem der Silberbeschlag entfernt wurde, der Aufmerksamkeit entzogen wurde?
 
Aber hier ein kleiner Artikel aus der Wiki zu Pfahlgöttern:

"Anthropomorphe Pfahlgötter (...)Darüber hinaus ist der Begriff ein Sammelbegriff, unter dem ebenfalls schlicht ausgeformte nicht menschengestaltige Kultpfähle geführt werden. Fundorte der Pfahlidole
wenn tatsächlich Pfahlgötzen, ob anthropomorph oder nicht, zum annageln der Köpfe der geschlachteten Varusoffiziere verwendet worden wären: meinst du, dass Tacitus oder ein anderer römischer Autor sich diese grausige Sensation hätte entgehen lassen?
 
Zu Raseneisenerz und Eisenmangel: MWn ist die Eisengewinnung mittels Raseneisenerz aufwendig; es bedarf sehr viel Arbeitskraft und große mMengen Holz, und die Ausbeute ist recht gering. Auch ist die Qualität nur schwer sicherzustellen. Auch wenn es nicht direkt einen mangel gegeben hat, ist es doch realistisch anzunehmen, dass Eisen (gerade von hoher Qualität, bspw um daraus Schwerter zu schmieden) ein wertvoller Werkstoff war, an dem ein Mangel empfunden (und bspw durch Importe behoben) wurde.
 
Da bin ich selbst im Zweifel. Tacitus stellt sich ja eigentlich als Kenner der germanischen Verhältnisse (Germania) dar, sicher auch zu recht. Möglich ist aber, dass der Verfasser der Quelle, aus der Tacitus für seinen Bericht über den Germanicuszug schöpfte, diese (vielleicht möglichen) Pfahlgötzen nicht als solche erkannte und daher schlicht von Baumstämmen/Bäumen schrieb, was Tacitus dann so übernahm. Ich bestehe ja nun auch nicht auf diese Dinger, das können durchaus nur zufällig dastehende Bäume gewesen sein, die für dieses schlimme Geschehen genutzt wurden. Mir kam nur dieser Gedanke, weil es ja auch heißt, die Germanen opferten immer mit rituellem Zusammenhang.
Letztlich ist es aber nicht so entscheidend. Es ging ja um die Frage, ob der Endkampf des Varus in relativ freiem Gelände oder mitten in Sumpf, Waldgebirge und sonstiger Wildnis stattgefunden hatte. Ich tendiere da eher zur ersten Variante.
 
Da bin ich selbst im Zweifel.
welche Varianten sind denn denkbar?
a) ein wohlweislich vorbereiteter "heiliger Hain", der freilich in der Nähe des Hinterhalts liegen muss (d.h. der Hinterhalt muss sich am Hain orientieren...)
b) mobile Pfahlgötzen zum rituellen Annagelopfer, welche von den Truppen eigens mitgezerrt werden
c) ohnehin vorhandene, also rumstehende Bäume (im Wald und am Waldrand gar nicht mal selten anzutreffen)
also mir erscheint da c) am einfachsten, wohingegen a) und b) reichlich exotisch wirken :grübel::D
 
Das war auch sicher so, also c)
Variante d) als Ergänzung. Einige fleißige Germanen nieten während der Folterungen ein paar Jungbäume um, Äste ab und dann in den Boden, Priester oder Priesterinnen schnitzen schnell noch ein paar Göttersymbole rein und dann ran mit den Nischeln.
Aber c) ist am einfachsten und liegt vorn.
 
Um so verwunderlicher finde ich die Tatsache, dass der recht auffällige eiserne Rest des Gesichtshelmes verschmäht wurde!? :grübel:...

Das wäre mit großer Eile und vollen Händen zu erklären. Immerhin herrschte vermutlich an diesem Ort in diesem Moment wahrlich kein Eisenmangel.
Der eiserne Rest wurde dann eben nachher übersehen, weil er in den Schlamm gelatscht wurde oder warum auch immer. Oder weil der Finder ihn zur späteren Bergung versteckte, dann aber keine Gelegenheit oder Interesse mehr hatte.
 
Naja, oder weil man mit dem durch Buntmetall verunreinigten , doch recht dünnen Blech nun wirklich nichts mehr machen kann, als es Mutter Erde zur Verwertung zu überlassen...
Spich, aus einer stählernen Blechmaske läßt sich wegen des recht hohen Kohlenstofgehalts unbekannter Höhe nichts gescheites mehr anfangen. Das verbrennt im Schmiederfeuer zu EisenII Oxid
 
Die Waffengräber - wie gesagt, solche gibt es kaum bei den Rhein-Weser-Germanen - teilt man in Reitergräber (Sporen) mit Speer, Schild und Quasi-Latène-Schwert, Fußgänger mit Speer, Schild und einschneidigem Schwert, sowie Gräber mit lediglich Speer und Schild ein. Luxusgut dürften also die Kopien der Latène-Schwerter sein. Aber im Vergleich zu einem Pferd dürften sie auch nicht zu teuer gewesen sein. Auch sind ca. 25% etwas viel für die "Stammesoberen". Dann ist bekannt, dass regelmäßig Bestandteile der üblichen Grabausstattung fehlen. Die Schwerter-Statistik muss also schon einmal als 'nach oben offen' bezeichnet werden. Und sie lässt keinen Raum für "Ich denke, ...", zumal die 60 von 200 dazu passen. Allerdings hatten sich um 400 die Gesellschaftlichen Verhältnisse geändert. Für Jütland ist das im Ausstellungskatalog Imperium-Konflikt-Mythos recht überzeugend anhand der archäologischen Daten vorgeführt worden. Die rituelle Bedeutung von Speer und Schild ist hingegen -wie dargelegt- bezeugt.

Ich will gar nicht sagen, dass sich alle ein Schwert leisten können, sondern dass sich deutlich mehr ein Schwert leisten konnten als die angegebenen 30%. Statt die alten Argumente zu wiederholen, weise ich hier darauf hin, dass auch die Nachfrage für den Preis Bedeutung hat: Schildbuckel, Schwerter, Speerspitzen, Äxte, Messer, Beschläge für Holzspaten, Kleinteile. Habe ich etwas vergessen?

Wäre Eisen Luxusgut gewesen, wären auch die Schildbuckel knapper ausgefallen.

Es ist eine weite Spanne von "Das kein sich kein Normalo leisten." bis zu "Das hat jeder." Die erste Aussage ist durch die 20 bis 30% der herkömmlichen Angaben schon widerlegt. Die Unregelmäßigkeit der Beigaben zeigt die Notwendigkeit der Korrektur nach oben. Der Rest ist Spekulation, Einschätzungsfrage.

Es fällt dabei auch auf, dass, zumindest m.W., in dieser Zeit kein römisches Schwert für Germanen nachgewiesen ist. Das dürfte aber lediglich an der anderen Grabsitte der Rhein-Weser-Germanen liegen. Römerschwerter sind sicher wesentlich seltener zu den Elbgermanen gelangt. Die 'typisch germanische' Bewaffnung soll hingegen durch einzelne Funde auch bei den Rhein-Weser-Germanen belegt sein. Hier dürfte allerdings mehr Raum für Zweifel sein. "Hatten diese teilweise so romanisierte Waffen und Ausrüstung, dass man sie in Kalkriese nicht unterscheiden kann?" wäre eine Frage, deren Antwort sicherlich schwer fiele.

Und ja, wenn die Literatur neue Erkenntnisse oder Meinungen nicht berücksichtigt, ist sie veraltet. Simek hingegen gibt einen knappen, also auch vereinfachten Überblick. Moosbauer bezieht sich - in seinem ähnlich knappen Überblick zur Bewaffnung - auf die genannte Schwertstatistik.
 
@Riothamus:

Du wirfst eigentlich immer neue Fragen auf.

In deinem von mir zitierten Beitrag erwähnst Du wie selbstverständlich, daß geflochtene Schilde archäologisch nicht nachgewiesen sind.

Also zumindest mich wundert das überhaupt nicht. Sie waren aus Holz geflochten. Also aus organischem Material. Wie sollten solche Schilde nach 2000 Jahren archäologisch nachweisbar sein?

Was erwartest Du da eigentlich?

Und bitte genauere Quellenangaben.
Meinst du den Artikel "Der Krieger im Grab" im Band "Varusschlacht Konflikt" ?

Und auch:
Wie soll ein römisches Schwert für germanische Krieger nachweisbar sein?
Da findet sich ein solches Schwert.
Wer hat es benutzt?
Römer oder Germanen?
Wie will man das beantworten?
Speziell für die Okkupationszeit und somit für die Rhein-Weser-Germanen?

Die "Waffengräber" waren für die erwähnte Zeit wohl eher typisch für die "ostgermanischen" Gruppen (Przeworsk und Wielbark Kultur).
 
Zuletzt bearbeitet:
"Wie soll ein römisches Schwert für germanische Krieger nachweisbar sein?
Da findet sich ein solches Schwert.
Wer hat es benutzt?
Römer oder Germanen?
Wie will man das beantworten?"
Salvus, man kann es nur im Befund beantworten. Germanische Urne mit zusammengefaltetem (germanischem) Schwert und Schildbuckel war üblich. Selten ist die Beigabe eines römischen Militärmessers, unverbogen, zu einer hermundurischen Brandbestattung. Allerdings etwas jüngeren Datums.
 
Stoffe hat man auch gefunden. Ich hoffe, ich habe nicht geschrieben, dass es die geflochtenen Schilde nicht gab. Denn aus mangelnden Funden kann man natürlich nicht darauf schließen.

Ja, 'Der Krieger im Grab' ist gemeint. Die Problematik der Verbreitung der Waffengräber habe ich mehrfach betont. Aber wenn wir die Gräber nicht berücksichtigen können wir keine Aussage über die Bewaffnung der Rhein-Weser-Germanen treffen, die sich auf Funde stützt. Und es gibt ja durchaus Funde, die mit den Waffen-Verhältnissen bei Elb- und Ostgermanen korrelieren.

Was das Schwert angeht, hat Opteryx schon gut geantwortet.
 
Vieleicht etwas grundsätzliches:

Mir geht es in erster Linie darum, daß die Aussage des Tacitus in seiner Germania hinsichtlich des Eisenmangels deutlich angezweifelt wird.
Ich zweifle die Aussage des Tacitus in dieser Sache nämlich keinesfalls an. Ich denke, daß an der grundsätzlichen Aussage, daß zur Okkupationszeit, die wenigsten germanischen Krieger ein Schwert hatten nicht zu zweifeln ist. Das die Germanen Schwerter in Gebrauch hatten ist dabei unzweifelhaft. Aber es kommt auf die Anzahl an. Und das von mir erwähnte Verhältnis 1:3 halte ich für durchaus realistisch. Vieleicht sogar für die vorrömische Eisenzeit eher noch ein bischen weniger. Aber dies ist Spekulation.

Nimmt man den entsprechenden Artikel (Der Krieger im Grab) einmal heran, so zeigt die Abbildung auf Seite 91 einen signifikanten Anstieg der Waffengräber für die Zeit zwischen 10 v.Chr. und 20 n.Chr.
Das wird aber auch wohl daran liegen, daß in dieser Zeit die kriegerischen Auseinandersetzungen (zu den innergermanischen Konflikten kamen jetzt auch die Römer dazu) zunahmen.

Im Übrigen kommt dieser Artikel aber auch zu dem Schluß, daß die Waffengräber in der Zusammensetzung unterschiedlich und keinesfalls ein Indikator für den realen Gebrauch der Waffen darstellen.

Der Befund des Schlachtfeldes in Kalkriese unterstreicht eher einen Eisenmangel. Ein vollständiges Schwert ist bis heute nicht gefunden. Die Germanen werden sich sicherlich auf Schwerter, Dolche etc. gestürzt haben. Für den "normalen" Stammeskrieger eine Möglichkeit seine persönliche Bewaffnung deutlich zu verbessern. Alles metallische war offensichtlich wertvoll. Dies unterstreicht der Befund der Verschrottung direkt vor Ort. Auffindbar sind heute nur noch kleinteilige Reste. Das kann auch an einem möglichen Überangebot liegen. Da achtet man nicht mehr auf jeden kleinen Nagel. Alles metallische wurde verwendet und tw. auch "zweckentfremdet" wie z.B. eine Schiene aus einer römischen Rüstung, welche als Wandhaken umfunktioniert sich ganz in der Nähe des Schlachtfeldes in einer germanischen Siedlung fand.

Die grundsätzliche Aussage des Tacitus über einen Eisenmagel in dieser Zeit ist wohl im Kern absolut richtig.
 
Zuletzt bearbeitet:
Wenn der Teil der Männer, die ein Schwert besaßen, etwa ein Drittel, oder leicht darunter war, könnte es sich doch um die Mitglieder der Gefolgschaften der Fürsten handeln. Das erscheint mir logisch. Tacitus schreibt ja (Germania), dass allein ihr Vorhandensein oft einen Konflikt unterbindet. Das wird sicher nicht nur an ihren guten Kampfeigenschaften gelegen haben, sondern auch an ihrer, der Ausrüstung des normalen Landmanns weit überlegenen Bewaffnung geschuldet gewesen sein.
Da ist mit Sicherheit davon auszugehen, dass nach Schlachten, besonders wenn man gewonnen hatte, bzw. der Gegner unverzüglich abzog, alles brauchbare Eisen verwertet wurde. Dass die Quote, grade im Gelände, nicht bei 100% liegen kann, ist auch klar
 
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