Kalkriese als Ort der Varusschlacht zweifelhaft

Ave Zusammen,

ich habe mich ja hier einige Zeit nicht mehr blicken lassen. Der Thread hier hat es in kurzer Zeit wieder auf sagenhafte mehr als 500 Beiträge gebracht. Kaum zu glauben, wirklich eine "Unendliche Geschichte".

Ich will mich da aber jetzt nicht mehr tiefer einbringen, erstens weil praktisch nichts handfest Neues eingebracht wird und zweitens mir auch die Zeit fehlt. Trotzdem meinen Respekt für Jeden, der hier fleissig tippt und substantielle Artikel erstellt.

Die Meinungsumfrage zum Thema die hier gestartet wurde finde ich eine ganz nette Idee. Die könnte man ja alle 6 Monate wiederholen um zu sehen was sich da tut auf 2009 hin und danach. Genau wie Wahlumfragen besagen sie zwar nichts zu wahr oder falsch, gut oder schlecht, aber das Stimmungsbild ist schon interessant. Vielleicht kann man die nächste Umfrage mal anonym machen, um dem einen oder anderen das Umsteigen zu erleichtern.

Das ich Kalkriese als Teil der Varusschlacht sehe ist natürlich kein Geheimnis. Und zwar nur als Teil, wenn auch der wichtigste, der Schlussakt eben.

Denn wie in dieser Diskussion dazu ja auch schon von einigen mit Zitaten eingebracht, ist es ja so dass auch die Kalkrieser Archäologen einräumen, dass in Kalkriese alleine keine 20.000 bis 30.000 Menschen, Legionen, ziviler und militärischer Tross etc pp., aufgerieben worden sind. Das gesamte Schlachtgeschehen, nach Dio über 4 Tage, erstreckte sich über ein sehr viel weiteres Gebiet.

Das zu klären ist durch eine theoretische Diskussion alleine aber garnicht möglich. Das muss endlich mal archäologisch in Angriff genommen werden. Dass man das bisher nie ernsthaft unternommen hat, ist meines Erachtens der einzigste wirklich schlimme Mangel der Archäologie von Kalkriese.

Beste Grüsse, Trajan.
 
Das zu klären ist durch eine theoretische Diskussion alleine aber gar nicht möglich. Das muss endlich mal archäologisch in Angriff genommen werden. Dass man das bisher nie ernsthaft unternommen hat, ist meines Erachtens der einzige wirklich schlimme Mangel der Archäologie von Kalkriese.

Und genau dies kann man den Archäologen eben nicht vorwerfen. Die können auch nicht, wo es ihnen gerade passt, den Spaten in die Erde stechen.
 
Und genau dies kann man den Archäologen eben nicht vorwerfen. Die können auch nicht, wo es ihnen gerade passt, den Spaten in die Erde stechen.

Ave El Quijote,

yep, genau da liegt der Hase im Pfeffer. Die deutsche Archäologie ist nämlich ausgesprochen kleinskalig organisiert. Archäologie ist auf Kreisebene organisiert, mit übergreifendem Landesamt. Dazu kommt die notorische Knappheit an Geld und Personal, dass dann in der Regel alleine mit den allfälligen Notgrabungen beschäftigt ist, wann immer irgendwo ein Bagger eine alte Grundmauer erwischt. Proaktives Vorgehen ohne Baggernot ist die absolute Ausnahme.

Deswegen laste ich es definitiv nicht den Archäologen in persona an, sondern nur der Archäologie als öffentliche Institution. Die müsste nämlich wesentlich flexibler und besser ausgestattet sein, um sowas länderübergreifendes wie die Varus/Arminiusgeschichte zu stemmen. Der Einzelne kann dafür nichts.

So kommt es dann regelmässig zustande, dass ein so interessantes Objekt wie Kalkriese quasi frei in der Luft hängt, ohne dass die notwendigen Schnittstellen, also etwa die Marschlager, bekannt wären. Das lässt dann erst diese (fast) Beliebigkeit in der Kalkriese-Diskussion zu.

Über die Vielzahl der Theorien kann letztlich nur die Archäologie Klärung herbeiführen. Und dass ist der Mangel, den ich meine. Denn auch die Landesämter könnten durchaus etwas kreativer sein. Es hängt aber in der Praxis immer an einzelnen Fachleuten, die bereit sind, sich ggf. in ein spezielles Thema tief herein zu hängen.

Beste Grüsse, Trajan.
 
Du vergisst einen ganz wichtigen Punkt: den Steuerzahler. Die Archäologie in Deutschland ist so organisiert, dass sie den Steuerzahler nicht tangiert - öffentliche Baumaßnahmen, bei denen Grabungen nötig werden, mal ausgeschlossen. Würde die Bodendenkmalpflege so umorganisiert werden, wie Du es forderst, müsste sie entweder zu einem gewinnbringenden Prestigeunternehmen werden (Arqueonautas, Odyssey Marine Exploration), worunter die wissenschaftliche Auswertung womöglich litte, oder aber die Kosten der Archäologie müssten auf den Steuerzahler abgewälzt werden. Oder Du müsstest Mäzene finden, die bereit sind, einige zehn- bis hundertausend €uro für eine Grabung auszugeben. Nun ist die Archäologie aber aus staatswirtschaftlicher Sicht sicher kein notwendiges Unternehmen. Das war sie mal, als man noch alte Kulturen zwanghaft in den eigenen nationalistischen Kontext zu pressen versuchte, aber auch hier war die Wissenschaft leider interessengeleitet, wobei nicht der Gewinn, sondern die Erfüllung politischer Vorgaben im Mittelpunkt standen.
Dass die Landesämter, Universitäten und lokalen Beauftragten nicht zusammenarbeiten würden, kann man auch nicht behaupten.
 
Hallo, Cherusker!
Da hast Du aber ein schlechtes Beispiel erwähnt. Bei Alesia hatte sich Cäsar durch 2 Verteidigungsanlagen eingeigelt. Und wenn Du die Zahlen schon glaubst, dann waren von den 200.000 Galliern nur 60.000 Krieger dabei.
...
Gerettet wurden die Römer durch die germanische Reiterei! Diese erschien im Rücken der Gallier und löste dann eine Panik aus.
Es war deshalb eine besondere Situation, weil die Römer einerseits Alesia belagert haben und andererseits wiederum selbst belagert wurden. Unzweifelhaft waren sie deutlich in der Unterzahl und haben trotzdem gewonnen, gleichgültig durch wen. Die germanischen Reiter haben den Sieg ja nicht allein erringen können. Übrigens erscheint mir die Unterscheidung Krieger/Zivilisten zweifelhaft. Weder in den germanischen noch in den keltischen Gebieten dürfte es viele "ausgebildete Krieger" gegeben haben. Die Leute waren alle Krieger - mehr oder weniger.

Man muß nicht der römischen "Propaganda" glauben, in dem man solche Sätze wie "Von der fünften Stunde des Tages bis zur Nacht dauerte das Morden, und auf einer Strecke von 10Meilen war der Boden mit erschlagenen Feinden und Waffen bedeckt." (Tac.II.Buch 18) glauben schenken.
...
Und wenn man sich allein auch nur die heldenhaften Siege der Römer gegen die Marser und Brukterer durchliest, dann stellt sich doch die Frage, warum die Marser und Brukterer überhaupt noch existierten?
Ich gehe auch davon aus, dass dabei nicht jeweils der ganze Stamm besiegt wurde sondern nur ein Aufgebot. Genau da lag ja das Problem der Römer. Sie konnten kleinere Heere schlagen - und sahen sich im Jahr darauf erneut dem gleichen Gegner gegenüber. Ich habe hier oder im Germanenthread schon mal darauf hingewiesen, dass Rom in Germanien große Mühe hatte, weil es dort keine zentralen Strukturen gab, die man hätte zerschlagen können. Die Stämme waren wie Wasser, das den Legionen "durch die Hände floss" und nicht "greifbar" war.

Hier sehe ich auch den Grund, warum Tiberius letztlich den Rückzug auf die Rheingrenze befohlen hat. Die Alternative wäre ein endloser Abnutzungskrieg gewesen, bei dem Rom kaum materielle Vorteile hätte gewinnen können. In Germanien gab es ja kaum Güter, die Rom wirklich gebraucht oder nur durch eine Eroberung des ganzen Landes hätte erringen können.

Über den Wall wurde hier schon gehörig gestritten. Die Enden zeigen gen Moorseite. Wenn man die Römer in so einem Engpaß aufhalten wollte, dann hätte man mit einem Wall den Engpaß abgesperrt und nicht parallel zum Weg gebaut. Es ist wenig glaubhaft, daß sich tausende Germanen hinter so einem kurzen Wall versteckt hielten und die Römer wie die Lemminge daran vorbeizogen.
Hier spielen wieder Kleinkriegstaktiken eine Rolle. Um das kurz anzureißen: Wenn Partisanen eine Straßensperre anlegen, sind sie gut beraten, das an einer Stelle zu tun, an der Regierungstruppen diese Sperre mit etwas Mühe noch umfahren können. Es muss etwas weniger Mühe machen, sie zu umfahren als sie abzureißen. Dann stellt die Sperre über längere Zeit eine Behinderung dar. Kann sie dagegen nicht umfahren werden, wird sie sofort abgeräumt (auch wenn das z.B. wegen Sprengfallen "teuer" wird) und ist keine Behinderung mehr. Also: Besser fünf umfahrbare Sperren als eine nicht umfahrbare. Gleiches trifft auf den Wall bei Kalkriese zu: Hätte der den Marschweg blockiert, wäre den Römern gar keine Alternative geblieben. Sie hätten ihn stürmen und beseitigen müssen. Der Rest der Truppen, insbesondere der Tross!!, hätte anschließend ungehindert durchziehen können. Da der Wall aber parallel zum Weg lag, war es "billiger" für die Römer, daran vorbeizuziehen, anstatt gegen den Druck der von hinten nachrückenden (flüchtenden) eigenen Einheiten "mit aller Gewalt zu stoppen", sich zu formieren und eine 400 Meter lange Befestigung erobern zu wollen.

Wie viele Menschen kann man hinter 400 Metern Wall sammeln? Wenn sie nur in zehn Reihen stehen, schonmal locker 4000. Dahinter nochmal eine Zehnerreihe... etc. Dass die Enden des Walls gen Moorseite zeigten und dort offenbar Spitzgräben hatten, lässt sich dadurch erklären, dass es den Römern erschwert werden sollte, die Wallenden zu umgehen. Vor dem Wall selbst waren dann keine Spitzgräben, weil die ganze Anlage keine Verteidigungs- sondern eine Angriffsstellung war und die Gräben auch eigene Ausfälle (und Rückzüge) behindert hätten.

Die Zahl der gefallenen Römer an der Stelle ist übrigens zweitrangig. Der wichtigste Effekt des Walls war der, dass die Legionen dort einen großen Teil ihres Trosses verloren haben. Den brauchten sie aber unbedingt, um auf ihren Märschen das weglose Gelände passierbar zu machen. Von der Lebensmittelversorgung mal ganz zu schweigen.

Und Klinsmann fällt dann wohl ganz weg....
Ich vermute, der zieht sich demnächst wieder in sein kalifornisches Winterlager zurück :rofl:

MfG
 
Das zu klären ist durch eine theoretische Diskussion alleine aber garnicht möglich. Das muss endlich mal archäologisch in Angriff genommen werden. Dass man das bisher nie ernsthaft unternommen hat, ist meines Erachtens der einzigste wirklich schlimme Mangel der Archäologie von Kalkriese.

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Das stimmt so ja auch nicht. In der Umgebung von Kalkriese wurde schon gesucht und auch Probegrabungen unternommen. Auch vermutliche Erdwälle in der Umgebung wurden untersucht. Selbst Wallanlagen (z.B. Schnippenburg) kamen wieder in den Blickpunkt.
Aber außer ein paar "Kleinigkeiten", z.B. Gräber (Keltengrab) und keltisches Zeugs (in der Nähe von Venne wurde ein Metallgegenstand aus Bronzeblech für Pferdegeschirr gefunden), wurde nichts gefunden.
 
Du vergisst einen ganz wichtigen Punkt: den Steuerzahler. Die Archäologie in Deutschland ist so organisiert, dass sie den Steuerzahler nicht tangiert - öffentliche Baumaßnahmen, bei denen Grabungen nötig werden, mal ausgeschlossen. Würde die Bodendenkmalpflege so umorganisiert werden, wie Du es forderst, müsste sie entweder zu einem gewinnbringenden Prestigeunternehmen werden (Arqueonautas, Odyssey Marine Exploration), worunter die wissenschaftliche Auswertung womöglich litte, oder aber die Kosten der Archäologie müssten auf den Steuerzahler abgewälzt werden.

Kleiner Exkurs: Kennt sich jemand mit der Situation in der Schweiz aus? Ich hörte mal, dort würde bei allen Bauvorhaben ein festgelegter Prozentsatz der Bausumme pauschal für archäologische Zwecke abgeführt. Stimmt das? Und sind in der Schweiz die Arbeitsbedingungen für Vor- und Frühgeschichtler besser?

MfG
 
.... Übrigens erscheint mir die Unterscheidung Krieger/Zivilisten zweifelhaft. Weder in den germanischen noch in den keltischen Gebieten dürfte es viele "ausgebildete Krieger" gegeben haben. Die Leute waren alle Krieger - mehr oder weniger.

DR. G. ROSENFELDT hat 2006 einen Versuch zu Rekonstruktion der Ereignisse der Varusschlacht veröffentlicht. Dort schreibt er: "Archäologen gehen davon aus, daß eine agrairsche Gesellschaft nur etwa 4% der Gesamtbevölkerung für kriegerische Unternehmungen abstellen kann."
Und darin liegt wieder der Fehler....jetzt kommen wir wieder zu meinem Lieblingsthema: die Germanen waren keine agrarische Gesellschaft! Sie waren keine Bauern, Händler oder sonst was....DELBRÜCK (Geschichte der Kriegskunst: Die Germanen) schrieb: "Nur darf man, indem man diese Wildlinge Berufskrieger nennt, die anderen Germanen deshalb nicht zu Bauern machen: es ist nur ein Gradunterschied, Krieger sind sie alle."
D.h. ein Germane war zuerst ein Krieger und im "Zweitberuf" dann Schmied, Händler, usw..
Ganz anders sah das bei den Kelten aus. Dort gab es Kriegerkasten, die auch Kopfjägerei betrieben und sich mit Ruhm, Tapferkeit und Ehre auszeichnen wollten. Meist waren es Adlige, die durch besondere Rüstungen (Kettenhemd, Helme, ...) und Bewaffnungen sich deutlich vom Rest unterschieden und den Römern ebenbürtig waren (schließlich haben die Römer sich dort auch ein paar Sachen abgesehen). Die Kelten hatten eine agrarische Gesellschaft. Hatte man sich der ca. 4% Krieger entledigt, so kam es zu keinem nennenswertem Widerstand mehr. Siehe auch Tacitus Annalen III.Buch (46): "Denn schon rückten die Legionen in Kampflinie heran, und das ungeschulte, mit dem Kriegsdienst nicht vertraute Stadtvolk zeigte, als es diese sah und hörte, nicht die erforderliche Fassung."

Also zwischen Kelten und Germanen gab es auch im militärischen Dingen deutliche Unterschiede.



Ich gehe auch davon aus, dass dabei nicht jeweils der ganze Stamm besiegt wurde sondern nur ein Aufgebot. Genau da lag ja das Problem der Römer. Sie konnten kleinere Heere schlagen - und sahen sich im Jahr darauf erneut dem gleichen Gegner gegenüber. Ich habe hier oder im Germanenthread schon mal darauf hingewiesen, dass Rom in Germanien große Mühe hatte, weil es dort keine zentralen Strukturen gab, die man hätte zerschlagen können. Die Stämme waren wie Wasser, das den Legionen "durch die Hände floss" und nicht "greifbar" war.

Na ja...ein toter Germane wurde auch nicht wieder lebendig. Kleine Stämme , wie die Marser, konnten nicht schnell ihr Kontingent wieder erneuern. Das war doch der Vorteil der Römer. Wurde eine Legion besiegt, so erschien sofort eine neue Legion. Siehe Tacitus II.Buch (25): "Denn sie (die Marser sind gemeint) erklärten, unbesiegbar und durch keine Schicksalsschläge bezwingbar seien die Römer, die nach Vernichtung der Flotte, nach dem Verlust der Waffen, nachdem die Gestade mit den Leichen von Pferden und Mannschaften bedeckt gewesen seien, mit dem gleichen Angriffsgeist und scheinbar mit vermehrter Truppenmacht in das Land eingebrochen seien."


Hier sehe ich auch den Grund, warum Tiberius letztlich den Rückzug auf die Rheingrenze befohlen hat. Die Alternative wäre ein endloser Abnutzungskrieg gewesen, bei dem Rom kaum materielle Vorteile hätte gewinnen können. In Germanien gab es ja kaum Güter, die Rom wirklich gebraucht oder nur durch eine Eroberung des ganzen Landes hätte erringen können.

Und ob... u.a. wurde im Sauerland Erz abgebaut. Auch wäre durch ein Sieg über die Germanen eine potentielle Gefahr für die römische Provinz Gallien ausgeschaltet gewesen. Selbst Augustus hatte v. Chr. Tiberius und Drusus gegen die Kelten in Süddeutschland geschickt, da er die keltischen Überfälle und Plünderungen somit in Norditalien unterbinden konnte und diese Gefahr ein für allemal beseitigt war.

Hier spielen wieder Kleinkriegstaktiken eine Rolle. Um das kurz anzureißen: Wenn Partisanen eine Straßensperre anlegen, sind sie gut beraten, das an einer Stelle zu tun, an der Regierungstruppen diese Sperre mit etwas Mühe noch umfahren können. Es muss etwas weniger Mühe machen, sie zu umfahren als sie abzureißen. Dann stellt die Sperre über längere Zeit eine Behinderung dar. Kann sie dagegen nicht umfahren werden, wird sie sofort abgeräumt (auch wenn das z.B. wegen Sprengfallen "teuer" wird) und ist keine Behinderung mehr. Also: Besser fünf umfahrbare Sperren als eine nicht umfahrbare. Gleiches trifft auf den Wall bei Kalkriese zu: Hätte der den Marschweg blockiert, wäre den Römern gar keine Alternative geblieben. Sie hätten ihn stürmen und beseitigen müssen. Der Rest der Truppen, insbesondere der Tross!!, hätte anschließend ungehindert durchziehen können. Da der Wall aber parallel zum Weg lag, war es "billiger" für die Römer, daran vorbeizuziehen, anstatt gegen den Druck der von hinten nachrückenden (flüchtenden) eigenen Einheiten "mit aller Gewalt zu stoppen", sich zu formieren und eine 400 Meter lange Befestigung erobern zu wollen.

Wie viele Menschen kann man hinter 400 Metern Wall sammeln? Wenn sie nur in zehn Reihen stehen, schonmal locker 4000. Dahinter nochmal eine Zehnerreihe... etc. Dass die Enden des Walls gen Moorseite zeigten und dort offenbar Spitzgräben hatten, lässt sich dadurch erklären, dass es den Römern erschwert werden sollte, die Wallenden zu umgehen. Vor dem Wall selbst waren dann keine Spitzgräben, weil die ganze Anlage keine Verteidigungs- sondern eine Angriffsstellung war und die Gräben auch eigene Ausfälle (und Rückzüge) behindert hätten.


Es stimmt...selbst eine gut organisierte und vorbereitete Armee ist auf dem Marsch verwundbar. Allerdings gibt es auch Maßnahmen, die diese Gefahr beseitigen können.
Richtig ist auch, daß man die Marschkolonne nicht von vorn angreift, sondern von hinten. Das ist keine Erfindung der Germanen. Als Beispiel kann man hier auch Cäsars Marsch durch Afrika während des Bürgerkrieges nennen. Dort hatte Labienus die Cäsar Truppen während des Marsches mit beweglichen und leicht bewaffneten Truppen von hinten angegriffen. Ziel war es, die Marschgeschwindigkeit zu verringern, sodaß Cäsar nicht den bestimmten Lagerplatz mit Wasservorkommen erreichen kann. Die ständigen Angriffe haben eine Verzögerung des Marsches bewirkt, aber Cäsar schickte eine Reserve von 300 Legionären und die Reiterei zur Nachhut, die nur die Angreifer abwehren sollten....und schon war der Spuk beendet.

Die Disziplin ist dafür entscheidend. Auch als die Parther den Antoniuszug angriffen, ordneten sich die Legionäre ohne Befehl zu einer schützenden "testudo". Gut ausgebildete Truppen konnten halt mitdenken. Und Varus hat nicht über Idioten verfügt. Selbst wenn er unfähig gewesen sein sollte, so hatte er immer noch Offiziere, die die richtigen Befehle hätten geben können. Und kein Römer läuft wie ein Lemming an einem Wall entlang und läßt sich je nach Belieben abschlachten. Nach dem Motto: "Jeder 10. Römer wird angegriffen".

P.S.
Und warum mußten die Germanen durch den Graben steigen, um auf den Wall zu gelangen? Warum fand man Reste eines Bettgestells am Wall? Wollten die Römer so auf den 1,5m hohen Wall gelangen? Wieso lagen dort soviele Kisten? Fragen über Fragen...
 
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@Cherusker: Sie waren keine Bauern, Händler oder sonst was....DELBRÜCK (Geschichte der Kriegskunst: Die Germanen) schrieb: "Nur darf man, indem man diese Wildlinge Berufskrieger nennt, die anderen Germanen deshalb nicht zu Bauern machen: es ist nur ein Gradunterschied, Krieger sind sie alle."
Das ist so als würdest du den Volkssturm des 2. Weltkrieges oder irgendwelche Stammeskrieger in Somalia als vollwertige Soldaten bezeichnen. Und die Masse der Germanen ging schon, wenn nicht gerade Krieg war, einer geregelten Arbeit nach.

Man sollte sich beim heutigen Germanenbild nicht unbedingt am Klischee des metsaufenden Nichtstuers auf dem Bärenfell orientieren. Das traf vielleicht auf die Gefolgschaften der Stammesadligen zu. Diese bildeten im Kampf sicher auch die Elite, den Kern der germanischen Verbände und sie waren es vermutlich, die die schnellen Raubzüge unternahmen. Die Masse der Bewaffneten bildeten sie bestimmt nicht, schon gar nicht bei Abwehrkämpfen im eigenen Land.
 
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Kleiner Exkurs: Kennt sich jemand mit der Situation in der Schweiz aus? Ich hörte mal, dort würde bei allen Bauvorhaben ein festgelegter Prozentsatz der Bausumme pauschal für archäologische Zwecke abgeführt. Stimmt das? Und sind in der Schweiz die Arbeitsbedingungen für Vor- und Frühgeschichtler besser?

MfG

Die jeweiligen Kantonsarchäologien werden dann tätig, wenn auf archäologischen Zonen gebaut wird. Hier einen Auszug aus der Kantonsarchäologie von Zürich und einer aus der des Aargaus:

Zürich schrieb:
Bauen in archäologischen Zonen
Die zuständige Behörde der Standortgemeinde prüft die Baugesuche und leitet sie an den Kanton weiter. Die Kantonsarchäologie entscheidet, ob eine Parzelle freigegeben wird, ob Sondierungen oder ein begleiteter Aushub nötig sind oder ob eine umfangreiche Untersuchung durchgeführt wird.

Aargau schrieb:
Die der Kantonsarchäologie bekannten archäologischen Fundstellen sind in den Nutzungs- und Zonenplänen der Gemeinden vermerkt.
Bei Bauvorhaben im Bereich oder in der näheren Umgebung einer bekannten Fundstelle muss die Gemeinde in der Baubewilligung eine archäologische Auflage verfügen.
Da je nach Situation unterschiedliche archäologische Massnahmen angebracht sind, ist die Gemeinde gebeten, unmittelbar nach Eingang des Baugesuches mit der Kantonsarchäologie Kontakt aufzunehmen.
Die Kantonsarchäologie ist befugt, bei grossflächigen Bodeneingriffen auch in bislang fundleeren Gebieten oder bei Bauprojekten in archäologischen Verdachtsflächen archäologische Vorabklärungen durchzuführen oder andere Massnahmen (zum Beispiel Baubegleitung) aufzuerlegen.

Gesetzliche Grundlagen findet man im ZGB §§ 723 und 724

In den jeweiligen Verfassungen der Kantone und in den Gesetzen der Kantone.

Hier findest du die jeweiligen Links zu den Kantonen

Das Schweizer Archäologie-Portal | archaeologie.ch

Was meinst du mit Arbeitsbedingungen? Von wann bis wann und wieviel Lohn? Oder meinst du ob es genügend Stellen hat?

Hier findest du den Berufsverband:

Arbeitsgemeinschaft für die Urgeschichtsforschung in der Schweiz AGUS
 
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Ganz anders sah das bei den Kelten aus. Dort gab es Kriegerkasten, die auch Kopfjägerei betrieben
...
Hatte man sich der ca. 4% Krieger entledigt, so kam es zu keinem nennenswertem Widerstand mehr. Siehe auch Tacitus Annalen III.Buch (46): "Denn schon rückten die Legionen in Kampflinie heran, und das ungeschulte, mit dem Kriegsdienst nicht vertraute Stadtvolk zeigte, als es diese sah und hörte, nicht die erforderliche Fassung."

Also zwischen Kelten und Germanen gab es auch im militärischen Dingen deutliche Unterschiede.
Okay, das mag so gewesen sein. Trotzdem befanden sich (wenn man Caesars Angaben trauen will) in der Stadt 70.000 Gegner, die Caesar weiter belagern musste, während er außerhalb von 110.000 Gegnern, vorwiegend Reiter, bedrängt wurde. Das war sicher nicht alles "ungeschultes Stadtvolk". Caesar indes hatte meiner Erinnerung nach zehn Legionen zur Verfügung. Demnach war er zahlenmäßig nicht mal dem Stadtvolk gewachsen. Zumal er in dieser Situation in der "Angreiferrolle" war, die - militärischen Grundsätzen zufolge - eigentlich eine zahlenmäßige Überlegenheit (man sagt: 3:1) erfordert.

Na ja...ein toter Germane wurde auch nicht wieder lebendig. Kleine Stämme , wie die Marser, konnten nicht schnell ihr Kontingent wieder erneuern. Das war doch der Vorteil der Römer. Wurde eine Legion besiegt, so erschien sofort eine neue Legion.
Naja, aus dem Boden gewachsen sind diese Legionen auch nicht. Ein Vorteil Roms war sicher seine Integrationskraft. Sprich: Sie haben besiegte Völker in das Reich eingegliedert - und die Angehörigen dieser Völker gleich in die Legionen gesteckt. Was in spätaugusteischer Zeit in Germanien passierte, konnten aber auch die Römer nicht so leicht wegstecken. Mit Varus hatten sie annähernd die Hälfte ihrer Truppen an der Nordgrenze eingebüßt. Die mussten ersetzt werden. Dies schwächte die Truppen, die ursprünglich mal für den Zug gegen Marobod vorgesehen waren. Gegen Germanen und gegen Marbod konnte auch Rom nicht vorgehen. Die Verluste der Germanicus-Feldzüge haben diese Situation nicht besser gemacht. Dass die Marser über die plötzlich neu auftauchenden Truppen schockiert waren, will ich glauben. Aber die Marser waren nur einer der feindlichen Stämme. Tacitus berichtet aber auch, dass Gallien zu dem Zeitpunkt kaum noch in der Lage war, die Legionen mit Waffen und Nachschub zu versorgen.

Übrigend muss man zweifeln, ob die Tacitus-Berichte gerade an dieser Stelle stimmig sind. Woher wussten die Stämme im Lipperaum eigentlich, dass die Germanicus-Flotte gesunken war? Und wenn sie auf dem Meer zerstreut wurde, wie konnte dann Germanicus bei den Chauken landen? Wie konnten Angrivarier römische Gefangene von Stämmen "im Binnenland" freikaufen? Wieso waren die Gestrandeten von Feinden umgeben, wo doch Friesen, Bataver und Chauken römische Verbündete waren. Diese Passage der Annalen ist irgendwie dubios. Die nährt eher den Verdacht, dass die Verluste in den Gefechten größer als zugegeben waren und dass der Sturm nur "erfunden" war, um das zu tarnen. Aber das nur am Rande.

Und ob... u.a. wurde im Sauerland Erz abgebaut. Auch wäre durch ein Sieg über die Germanen eine potentielle Gefahr für die römische Provinz Gallien ausgeschaltet gewesen.
Der Erzabbau ging auch nach der Varusniederlage und den Germanicus-Zügen weiter. Erz muss man nicht eroberen. Man kann es auch kaufen. Überdies war die Entscheidung von Tiberius, sich auf die Rheinlinie zurückzuziehen, keine Kapitulation. Er ist im Grunde nur zu der alten Caesar-Strategie zurückgekehrt: Den Rhein sichern, notfalls auch mit Präventivschlägen gegen Stämme in Germanien, ansonsten Ruhe halten und zum Beispiel Handel treiben. Übrigens scheinen schon die Germanicus-Züge solche Präventivschläge gewesen zu sein. Tacitus berichtet, dass angesichts der Meuterei der Rhein-Legionen der Feind Anstalten gemacht habe, nach Gallien einzufallen. Aber auch das nur am Rande.

Es stimmt...selbst eine gut organisierte und vorbereitete Armee ist auf dem Marsch verwundbar. Allerdings gibt es auch Maßnahmen, die diese Gefahr beseitigen können.
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...aber Cäsar schickte eine Reserve von 300 Legionären und die Reiterei zur Nachhut, die nur die Angreifer abwehren sollten....und schon war der Spuk beendet.

Die Disziplin ist dafür entscheidend. Auch als die Parther den Antoniuszug angriffen, ordneten sich die Legionäre ohne Befehl zu einer schützenden "testudo". Gut ausgebildete Truppen konnten halt mitdenken. Und Varus hat nicht über Idioten verfügt.
Das passierte in Situationen, in denen die Römer in Gefechtsformation marschiert sind und Platz zum Manövrieren hatten. Beides war bei Kalkriese nicht der Fall. Da befand sich der mit dem Tross durchmischte Zug in der Engstelle zwischen Kalkrieser Berg und Sumpf. Und ich vertraue Frau Wilbers-Rost, wenn sie schreibt, dass diese Engstelle sechs Kilometer lang und zumindest am schmalsten Punkt nur am unteren Rand des Berges passierbar war.

Und kein Römer läuft wie ein Lemming an einem Wall entlang und läßt sich je nach Belieben abschlachten. Nach dem Motto: "Jeder 10. Römer wird angegriffen".
Nun, den archäologischen Spuren nach haben sie genau das gemacht. Sie sind dran vorbeigezogen. Gekämpft wurde dabei nur auf der Sumpfseite, nicht auf der Hangseite des Walls. Die Römer haben also offenbar nicht versucht, den Wall zu nehmen, oder es ist ihnen nicht gelungen. Beides wäre plausibel. Dort war nun definitiv eine Engstelle, durch die sich der Zug hindurchpressen musste. An der Stelle konnten die Römer nicht einfach so genug Truppen sammeln, um erfolgreich gegen eine von mehreren tausend Gegnern gehaltene Befestigung vorzugehen. Dazu hätte der ganze Zug erstmal zum Stehen gebracht werden müssen, was wegen der (meiner Ansicht nach andauernden) Angriffe auf die Nachhut und die Flanken zumindes schwer durchsetzbar war. Ein bisschen hingen diese Legionäre ja schließlich auch am Leben. Die wollten in erster Linie aus dieser beengten Situation, in der sie nahezu schutzlos waren, raus. Die Germannen hatten bei dem Wall also immer eine punktuelle zahlenmäßige Überlegenheit. Hätte der Wall den Weg blockiert, wäre das anders gewesen. Dann hätten sich zwangsläufig römische Truppen vor der Befestigung gestaut. Es wäre dabei laufend "Verstärkung" von hinten eingetroffen.

Und warum mußten die Germanen durch den Graben steigen, um auf den Wall zu gelangen? Warum fand man Reste eines Bettgestells am Wall? Wollten die Römer so auf den 1,5m hohen Wall gelangen? Wieso lagen dort soviele Kisten? Fragen über Fragen...
Der Graben hinter dem Wall war meines Wissens ein Entwässerungsgraben. So ein Ding muss nicht zwei Meter breit und 1,50 Meter tief sein. Der ist vielleicht 40 cm breit und tief. Da steigt man mit einem Schritt drüber.
Warum das Bettgestell und die Kisten? Vielleicht sind an der Stelle die Zugochsen eines Karrens niedergemacht worden und die kämpfenden Legionäre hatten keine Lust, das Luxusbett von Varus auf dem Buckel über das Schlachtfeld zu schleppen? Wer auch immer an der Stelle zugange war: Dort ist eine Schlacht ausgetragen worden (und keine kleine, angesichts 30 Quadratkilometer Fundgebiet). Da geht es angeblich drunter und drüber und die Leute haben andere Sorgen als Kisten und Bettgestelle.

MfG
 
Was meinst du mit Arbeitsbedingungen? Von wann bis wann und wieviel Lohn? Oder meinst du ob es genügend Stellen hat?
Hallo, Ursi!
Danke für die Infos. Meine Frage bezog sich mehr auf die finanzielle Ausstattung für archäologische Forschung insgesamt. Ein Bekannter hat mir mal gesagt, dass in der Schweiz (wie erwähnt) jeder Bauherr einen bestimmten Prozentsatz seiner Investitionen für archäologische Forschungen abführen müsse. Deshalb sei in der Schweiz die Archäologie insgesamt besser finanziert und könne unabhängiger arbeiten als hierzulande, wo solche Arbeiten nicht selten aus Hochschuletats, Sondertöpfen etc. (also durchaus aus Steuermitteln) erstmal finanziert werden müssen, ehe sie beginnen können. Wäre es so, wäre das schweizerische Finanzierungssystem erheblich besser als das deutsche... "Arbeitsbedingungen" war ein falsches Wort. Als Gewerkschafter definiere ich den Begriff auch ganz anders. Mir fällt nur grad kein besserer ein.
MfG
 
Das ist so als würdest du den Volkssturm des 2. Weltkrieges oder irgendwelche Stammeskrieger in Somalia als vollwertige Soldaten bezeichnen. Und die Masse der Germanen ging schon, wenn nicht gerade Krieg war, einer geregelten Arbeit nach.

Man sollte sich beim heutigen Germanenbild nicht unbedingt am Klischee des metsaufenden Nichtstuers auf dem Bärenfell orientieren. Das traf vielleicht auf die Gefolgschaften der Stammesadligen zu. Diese bildeten im Kampf sicher auch die Elite, den Kern der germanischen Verbände und sie waren es vermutlich, die die schnellen Raubzüge unternahmen. Die Masse der Bewaffneten bildeten sie bestimmt nicht, schon gar nicht bei Abwehrkämpfen im eigenen Land.

Deine Einschätzung trifft auf eine keltische Gesellschaft zu. Aber nicht auf die Germanen. Was für eine geregelte Arbeit sollten sie denn auf ihren einzelnen Gehöften nachgehen? Für die Arbeit auf den wenigen Feldern waren Sklaven, Frauen und nicht kriegstaugliche Männer zuständig. Es gab keine Städte oder Dörfer, in denen eine Arbeitsteilung erforderlich war.

Und von Archäologen hört man folgende Aussagen:
Die Barbaren führten Krieg und Raub und ansonsten nur Jagen, Essen und Schlafen. (sinngemäße Aussage von Dr. MÖLLERS über antike Quellen).
Eine harte Zeit mit Gewalt. (Aussage von Prof. Dr. EBEL-ZEPEZAUER).

Auf ihren einzelnen Gehöften konnte sich keine große wirtschaftliche Struktur entwickeln. Auch berichtet eine Archäologengruppe aus Nordeuropa darüber, daß die Germanen in den ersten Jahrhunderten nach der Zeitenwende sich mit Kampf, Krieg und militärischer Organisation befaßten. Das umfangreiche Material aus Kriegsbeuteopferplätzen in Mooren besteht zum größten Teil aus Waffen, militärischen und persönlichen Ausrüstungsgegenständen und Pferdezaumzeug. Siehe auch die Funde aus dem Thorsberger Moor. Diese Kriegsbeuteopfer spiegeln eine einzigartige Verbindung zwischen Krieg und germanischer Religion wieder. Kampf und Krieg müssen daher für einen Germanen eine besondere Bedeutung gehabt haben.
Fazit: das waren keine friedlich grasende pazifistische Ökos. grins
 
Übrigens gibt´s morgen in Osnabrück, Bergstraße 8 von Sebastian Möllers um 19.00 h einen Vortrag "Weder Kelten noch Germanen – Nordwestdeutschland in den letzten Jahrhunderten vor der Zeitenwende."

Hallo ihr Lieben :winke:

bin auch gestern auf dem Vortrag gewesen. Das war wirklich interessant! Denke, ich müsste die ganze Sache noch mal überdenken. Da ist soviel gesagt worden, dass ich nun ziemlich ins Zweifeln gekommen bin. Na ja, werde das erstmal verarbeiten müssen.....

Wer war denn noch alles da? Vielleicht haben wir uns ja gesehen?

LG Nicole ;)
 
Hallo ihr Lieben :winke:

bin auch gestern auf dem Vortrag gewesen. Das war wirklich interessant! Denke, ich müsste die ganze Sache noch mal überdenken. Da ist soviel gesagt worden, dass ich nun ziemlich ins Zweifeln gekommen bin. Na ja, werde das erstmal verarbeiten müssen.....

Wer war denn noch alles da? Vielleicht haben wir uns ja gesehen?

LG Nicole ;)
Hallo, Nicole!
Umreiß doch mal grob, worum es ging. Meinte er, es habe eine dritte ethnische Gruppe gegeben? Oder dass sich germanische und keltische Elemente zu etwas Neuem vermischt haben?
MfG
 
Hallo, Nicole!
Umreiß doch mal grob, worum es ging. Meinte er, es habe eine dritte ethnische Gruppe gegeben? Oder dass sich germanische und keltische Elemente zu etwas Neuem vermischt haben?
MfG

Hallo Maelonn,

es handelte sich um einen wissenschaftlichen Vortrag von eineinhalb Stunden Dauer. Man würde der Leistung von Dr. Möllers nicht gerecht werden, wenn man versuche, seine Ausführungen hier stark verkürzt wieder zu geben.
Dennoch werde ich der Bitte nachkommen:

Betreffend der Population, die in den Jahrhunderten bis zur Zeitenwende das Gebiet Nordwestdeutschlands besiedelten, lässt sich keine eindeutige Zuweisung zu einer der beiden Volksgruppen, Kelten oder Germanen, treffen. Aus quellenkritischer und besonders archäologischer Sicht sei diese Differenzierung grundsätzlich zur Diskussion zu stellen. Wie auch Wolters in seinem jüngsten Buch erkenne man eher ein kulturelles Gefälle in süd-nördlicher als in west-östlicher Richtung.
Aus diesem zivilisatorischen Gefälle zwei Ethnien zu bilden, sieht Möllers nicht als zwingend an. Die Klassifizierung in Kelten und Germanen sei eine Definition aus römischer Sicht, während es vor Ort keineswegs eine Unterscheidung gegeben haben muss. Die Theorie einer dritten Gruppe, des sog. „Nordwestvolks“ hält Möllers für nicht mehr tragfähig.

Verschiedene Fundstellen, die in den vergangenen zehn Jahren für eine neue Diskussion zur Bewertung dieser Jahrhunderte im Norden führten, wurden im Verlauf des Vortrages vorgestellt. Den üblichen schlichten Fundbildern aus Siedlungs-und Grabfunden stehen inzwischen regelrechte Prestigeobjekte gegenüber, die sich an bestimmten Orten auffällig häufen. Besondere Beachtung findet hierbei die Schnippenburg, der nach intensiver Erforschung eine Schlüsselrolle bei der Bewertung der sozialen Strukturen der dortigen Population zukommt. Entgegen der bisherigen Meinung handelt es sich nicht um eine militärische Anlage, sondern um einen Gemeinplatz, d.h. einen Identifikationsort für eine regionale Volksgruppe, der durch einen flachen Wall mit Palisade eingefriedet wurde. Die vermeintliche Burg war wahrscheinlich lediglich ein Aufstellungsort von Trophäen, dem eine besondere kultische Bedeutung zukam. Neben den bisher angenommenen (aber meist fundarmen) Naturheiligtümern ist nun auch die Existenz von künstlich angelegten Kultplätzen belegt. Rituell motivierte Deponierungen von Objekten besiegter Gegner sind z.B. auch vom Opferplatz im Thoorsberger Moor (Schleswig-Holstein) bekannt.
Zusammenfassend sei festzustellen, wie umfassend die bisherigen Vorstellungen aufgrund der archäologischen Neufunde überarbeitet werden müssen und wie viele neue Fragen in diesem Kontext gleichzeitig auftauchen.


Im Zuge dessen könnte man auch den Fundkomplex Oberesch bei Kalkriese neu beleuchten. Handelte es sich beim Wall überhaupt um eine Verteidigungsanlage? Warum tauchen die in hoher Zahl zu erwartenden Pfeilspitzen und Schleuderbleie im Wallmaterial nicht auf? Sind die Funde überhaupt der Niederschlag aus einer Schlacht oder etwa bewusste Deponierungen aus kultischen Gründen? Irgendjemand hatte hier im Forum bereits geschrieben, dass Prof. Carnap-Bornheim diese Möglichkeit in Erwägung gezogen hat.
Geprägt durch die schriftlichen Quellen römischer Herkunft sollten wir uns keiner Illusion hingeben. In Wahrheit wissen wir sehr wenig über die Kulte und religiösen Bräuche der „Germanen“.


LG Nicole
 
Im Zuge dessen könnte man auch den Fundkomplex Oberesch bei Kalkriese neu beleuchten. Handelte es sich beim Wall überhaupt um eine Verteidigungsanlage? Warum tauchen die in hoher Zahl zu erwartenden Pfeilspitzen und Schleuderbleie im Wallmaterial nicht auf?

Weil sie bei Bau noch nicht da waren. Die Funde aus dem Wallmaterial sind vorwiegend solche aus dem Gehöft, dass vor dem Bau des Walls sich dort befunden hat. Dort, wo der Wall wohl noch während der Schlacht zusammengerutscht ist (das berühmte halbe Maultier), bzw. wo römische Soldaten ihr Gepäck (Kisten möglicherweise) zur leichteren Überwindung des Wall in den vorgelagerten V-Graben geworfen haben, hat man römische Reste gefunden.
 
Weil sie bei Bau noch nicht da waren. Die Funde aus dem Wallmaterial sind vorwiegend solche aus dem Gehöft, dass vor dem Bau des Walls sich dort befunden hat.
Du hast mich falsch verstanden. Es ist anzunehmen, dass die Römer den Wall mit Pfeilen, Schleuderbleien und anderen Wurfgeschossen eingedeckt haben. Diese zum Teil kleinen Metallobjekte drangen wahrscheinlich tief in die Grassoden ein und wären in relativ großer Stückzahl zu erwarten gewesen. Sie stellen allerdings nur einen sehr geringen Anteil der Gesamtfunde dar.

Dort, wo der Wall wohl noch während der Schlacht zusammengerutscht ist (das berühmte halbe Maultier), bzw. wo römische Soldaten ihr Gepäck (Kisten möglicherweise) zur leichteren Überwindung des Wall in den vorgelagerten V-Graben geworfen haben, hat man römische Reste gefunden
Ob der Wall während der "Schlacht" eingerutscht ist, bleibt umstritten. Schließlich rutschte er in Richtung Norden, d.h. in Richtung der "Römer" ein.
Und ob Kisten "zur leichteren Überwindung des Grabens", der übrigens nur auf wenigen Metern an den äußersten Flanken vorhanden war, dienten, ist ebenfalls höchst umstritten.
Das insgesamt bunte Sortiment an Funden und besonders ihre merkwürdige Verteilung werfen immer wieder neue Fragen auf. Auch die seltsame Form des Walles zwingt nicht unbedingt zu der Annahme, dass es sich um eine militärische Anlage gehandelt haben muss.
Auch die Schnippenburg (nicht weit entfernt von Kalkriese) hat sich letztendlich als Gemeinplatz und nicht als Fortifikation herausgestellt, obwohl ein flacher Wall und eine Palisade nachweisbar sind.

LG Nicole
 
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Es ist anzunehmen, dass die Römer den Wall mit Pfeilen, Schleuderbleien und anderen Wurfgeschossen eingedeckt haben. Diese zum Teil kleinen Metallobjekte drangen wahrscheinlich tief in die Grassoden ein und wären in relativ großer Stückzahl zu erwarten gewesen. Sie stellen allerdings nur einen sehr geringen Anteil der Gesamtfunde dar.

Hmm, ich kann mich an eine ganze Menge Pfeilspitzen im Museum Kalkriese erinnern.
Zumindest dafür, dass Bogenschützen eigentlich eine untergeordnete Waffengattung der römischen Armee war – im verhältnismäßig kleinen Geländeausschnitt der untersuchten Fläche ist das verhältnismäßige Fehlen von Pfeilspitzen nicht unbedingt verwunderlich, eher umgekehrt die Tatsache dass man Schleuderbleie gefunden hat, eine noch seltenere Waffengattung.

Dass man im Esch bei Kalkriese tatsächlich auf eine Kultanlage á la Schnippenburg gestoßen sein soll halte ich für äußerst zufallsgebunden; zum einen ist das Gelände dafür zu untypisch (abschüssig und halb im Sumpf) zum anderen ist die den "Kultbezirk" abgrenzende Wallanlage sehr unregelmäßig und irgendwie nur halb. Prinzipiell sträube ich mich aber dagegen, hinter irgendwas, was ich nicht verstehe, gleich irgendwelche religiösen Riten zu sehen, nur weil die uns nur sporadisch überliefert sind – eigentlich kann die Archäologie heute sehr gut zwischen Opfergruben und Abfallgruben trennen.

Trotzdem lohnt es sich, mal darüber nachzudenken. Wenn wir etwas haben, dann ist das Zeit – Zeit, das Feld zu erforschen, Zeit zu vergleichen, Zeit drüber nachzudenken. Also herzlich willkommen, These #751 – bitte ziehen Sie eine Nummer und nehmen Sie im Wartezimmer Platz, bis irgendeine Evidenz gefunden wird.
 
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