Karikatur Barras - Talleyrand

Wenn ich mal kurz abschweifen darf:
Gerne!

Das Gemälde mit C.M. de Talleyrand in Stiefeln am Schreibtisch finde ich ganz interessant, auch weil er eben wahrscheinlich Schwierigkeiten gehabt haben dürfte überhaupt in die Stiefel rein zu kommen.
Und auch, weil dieses Outfit ja, so wie Du weiter oben geschrieben hast, "einen sportlichen und fidelen Charakter" unterstreichen sollte - jetzt war Talleyrand natuerlich nicht gerade eine Sportskanone, und das war ihm auch ganz sicher bewusst. Obwohl er sich 1795, in Amerika, bei seiner Landerkundungsreise, ja durchaus in gewisser Weise sportlich betaetigt hat. Wenn das Bild kurz nach seiner Rueckkehr aus Amerika gemalt wurde, dann soll es vielleicht seine neuentdeckte Abenteuerlust unterstreichen. 1796, bei seiner Ankunft in Paris, hatte er nur sehr wenig Geld - das wuerde auch die doch eher schlichte Einrichtung erklaeren. (Schick auch der merkwuerdige Blumentopf in der Ecke...)

Was die Lederhose und die Stiefel angeht: Man weiss natuerlich nicht, wie das wirklich ausgesehen hat - es gibt kein einziges (ernstgemeintes) Portrait, das Talleyrands Beine/Fuesse so darstellt, wie sie offensichtlich ausgesehen haben. Beschreibungen gibt es allerdings, ebenso wie ein Paar seiner Schuhe (siehe Bilder im Anhang). Er brauchte eine Schiene/Orthese, um nicht seitlich wegzuknicken und ueberhaupt halbwegs auftreten zu koennen, und auch in dem rechten Schuh befand sich anscheinend allerhand Metall, das dazu diente, den Fuss ein wenig gerader zu biegen und zu stuetzen (das Ding duerfte eine ziemliche Folter gewesen sein). Jean-François Rewbell: "Er ist ein Hinkefuss, ein Krueppel, ein Mensch, der nur ueber einen Teil seiner Gliedmassen verfuegt und sich kaum auf zwei ausgezehrten Knochen zu halten vermag..." Rewbell hasste Talleyrand wie die Pest, und man muss hier sicher Abstriche machen, aber auch Charles de Remusat, der einmal einem von Talleyrands Levers (inklusive Fussbad) beiwohnte, berichtet davon, dass er unterentwickelte Unterschenkelmuskulatur hatte - das ist auch nicht weiter ueberraschend, das ist bei Klumpfuessen eben (fast immer) so.
Also, man darf wohl davon ausgehen, dass Talleyrand ziemlich duenne Beine hatte, und so wie auf dem Bild sah er in Lederhosen sicher nicht aus. Und wenn er wirklich Stiefel hatte, dann waren die wohl recht speziell... Trotzdem wollte er sich offensichtlich in eher sportlich-legerer Kleidung gemalt sehen, warum auch immer.

Viele Gruesse,
Gnlwth


P.S. excideuil, das: "Den neusten Hinweis fand ich in einem Auktionskatalog von 2008 der Firma Musikantiquariat Dr. Ulrich Drüner:" aus Deinem Post vom 1.12. meinte ich - das ist doch der Katalog mit der Sammlung von Auguste de Talleyrand (beziehungsweise seiner Mutter). Aber trotzdem Danke fuer Deine Nachsicht!

 

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Nachtrag:

Doch, es gibt ein Bild, das Talleyrand mit Klumpfuss darstellt und nicht als Karrikatur gemeint ist:
 

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Also, man darf wohl davon ausgehen, dass Talleyrand ziemlich duenne Beine hatte, und so wie auf dem Bild sah er in Lederhosen sicher nicht aus. Und wenn er wirklich Stiefel hatte, dann waren die wohl recht speziell... Trotzdem wollte er sich offensichtlich in eher sportlich-legerer Kleidung gemalt sehen, warum auch immer.
Durch die falschen Waden wurde sowas damals aber auch generell ausgeglichen. Angesichts der Mode der Kniebundhosen war die Imitation "schöner" Waden nur natürlich.
Wenn ich mich recht entsinne, war Talleyrand schöne Kleidung wichtig. Von daher denke ich, dass er in der Regel versucht hat, dass die Ungleichmäßigkeit seiner Füße etc. nicht so auffiel.
Das mit den Stiefeln ist mir dennoch ein Rätsel. Normalerweise waren die ja hauteng. Hm, vielleicht ließ er sich auch nur so malen.

Zum Blumentopf: So einen sah ich auch schon auf einem Genregemälde aus dem ganz späten 18.Jh.. Eigentlich sind Blumen generell selten auf Bildern, v.a. Porträts, zu sehen. Die Umgebung von Talleyrand wirkt sehr schlecht und er erscheint eher wie ein Geschäftsmann bei der Arbeit. Das würde freilich gut zu seinen Verhältnissen in den USA passen, wo er ja versuchte als eine Art Mittelsmann Geschäfte von Franzosen in der Gegend abzuwickeln. Für ein Bildnis eines Staatsmannes, was er dann im Direktorium war, fehlen mir die Attribute, worauf sicherlich gerade er als Aristokrat durch und durch Wert gelegt hatte.
 
Durch die falschen Waden wurde sowas damals aber auch generell ausgeglichen. Angesichts der Mode der Kniebundhosen war die Imitation "schöner" Waden nur natürlich.

Hast Du irgendwo eine Abbildung von falschen Waden? Oder kannst mehr darueber erzaehlen, wie/was das genau war?

Wenn ich mich recht entsinne, war Talleyrand schöne Kleidung wichtig. Von daher denke ich, dass er in der Regel versucht hat, dass die Ungleichmäßigkeit seiner Füße etc. nicht so auffiel.

Das ist richtig, er legte sehr grossen Wert auf seine Kleidung und sein Aussehen im Allgemeinen - nicht umsonst brauchte er jeden Morgen drei Stunden fuer seine Toillette. Und ich weiss, dass er immer dicke Wollstruempfe unter seinen Seidenstruempfen getragen hat. Dafuer kommen drei Gruende in Frage: Es traegt auf und laesst die Waden etwas dicker erscheinen, es polstert ein wenig, denn seine Beinschiene duerfte erhebliche Druckstellen verursacht haben (sicher aber auch mit Wollstruempfen), und ausserdem war Talleyrand anscheinend unglaublich verfroren und haeufig erkaeltet - da helfen dicke Struempfe natuerlich. Aber dicke Struempfe zu tragen war auch sonst nicht sooo unueblich, oder? So richtig gut heizen liess es sich ja damals nicht, und nur Seide ist bei Minusgraden ja irgendwie nicht wirklich eine Option, wenn man nicht an der Lungenentzuendung sterben will.
 
1.
Hast Du irgendwo eine Abbildung von falschen Waden? Oder kannst mehr darueber erzaehlen, wie/was das genau war?

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Aber dicke Struempfe zu tragen war auch sonst nicht sooo unueblich, oder? So richtig gut heizen liess es sich ja damals nicht, und nur Seide ist bei Minusgraden ja irgendwie nicht wirklich eine Option, wenn man nicht an der Lungenentzuendung sterben will.
1. Wie das mir ausschaut waren die falschen Waden an die Innenseite der Strümpfe genäht. Ein Paar Originale sieht man in:
Pauline Rushton: "18th Century Costume in the National Museums and Galleries of Merseyside" 1999.

2. Ich glaube schonmal von Fußsocken gelesen zu haben, wobei das wohl kurze Socken waren, die man wahrscheinlich nicht sah, weil sie in den Stiefeln oder Schuhen verschwanden.
Ob man dicke Strümpfe wirklich braucht, wäre eine gute Frage. Es kommt wohl darauf an wie abgehärtet man ist. Im Grunde braucht der Mensch ja keine Kleidung.:still:
In Schriftquellen ist mir noch nicht untergekommen, dass es die Regel gewesen wäre, mehrere Strümpfe übereinander zu tragen.
 
Wie das mir ausschaut waren die falschen Waden an die Innenseite der Strümpfe genäht.
Und dann wattiert? Mit Baumwolle? Ein Wonderbra fuer die Waden! Haelt natuerlich auch warm, wenn man das moechte, sieht aber vermutlich eher albern als eindrucksvoll aus, vor allem, wenn es verrutscht...

In Schriftquellen ist mir noch nicht untergekommen, dass es die Regel gewesen wäre, mehrere Strümpfe übereinander zu tragen.
Tja - es passt dann wohl zu seinen "Gesundheitsschrullen", von denen er im Laufe seines Lebens so einige entwickelte.

Und ja, stimmt, das Kaelteempfinden ist etwas ausgesprochen Subjektives (und zum grossen Teil Gewohnheitssache), und frueher waren die Leute (im Schnitt) sicher abgehearteter als heute. Aber wenn man sich nicht viel bewegt/bewegen kann, friert man auch schneller, da kann es objektiv so warm sein, wie es will.
 
Zuletzt bearbeitet:
Guten Tag,

Das mit den Stiefeln ist mir dennoch ein Rätsel. Normalerweise waren die ja hauteng. Hm, vielleicht ließ er sich auch nur so malen.

Man weiß es nicht. Aber selbst hautenge Stiefel sind sicher machbar - wenn sie z.B. hinten offen/schnürbar waren, wie seine "normalen" Schuhe ja auch. Ein geschickter Schuhmacher - und an denen hat Talleyrand sicher nie gespart - kann sowas bestimmt.

Was auch immer ihn bewogen hat, sich in dieser Umgebung und in derart sportlichem Outfit darstellen zu lassen, bleibt mystisch, aber irgend einen Grund wird er wohl gehabt haben - Talleyrand tat selten etwas ohne Grund, und zu dieser Zeit hatte er es auch sicher im Griff, wie man ihn malte. Das war später anders, was man gut an den drei Portraits von Prud'hon sehen kann - dazu mehr weiter unten.


Die Umgebung von Talleyrand wirkt sehr schlecht und er erscheint eher wie ein Geschäftsmann bei der Arbeit. Das würde freilich gut zu seinen Verhältnissen in den USA passen, wo er ja versuchte als eine Art Mittelsmann Geschäfte von Franzosen in der Gegend abzuwickeln. Für ein Bildnis eines Staatsmannes, was er dann im Direktorium war, fehlen mir die Attribute, worauf sicherlich gerade er als Aristokrat durch und durch Wert gelegt hatte.

War Jean François Garneray jemals in Amerika, und könnte sich dort mit dem Portraitieren prominenter Exilanten verdingt haben? Es ist auf die Schnelle nicht viel über ihn zu erfahren. Ich halte es aber erstmal für unwahrscheinlich. Am ehesten passt das Portrait dann noch in die Zeit zwischen September 1796 und Juli 1797 - da saß Talleyrand in Paris und tat im Wesentlichen nichts, außer die Gesellschaft, die ihm fremd geworden war, zu beobachten und sein Comeback vorzubereiten. In dieser Zeit hatte er, wie gesagt, sehr wenig Geld (er versuchte tatsächlich, Germaine de Staël mit einer Selbstmorddrohung unter Druck zu setzen, damit sie ihm Geld lieh) - vielleicht sah es bei ihm daheim damals tatsächlich so aus. Dass er ein bescheidenes Auftreten für opportun hielt, wage ich zu bezweifeln, das widerspräche seiner Art und auch seinem Handeln, als er dann im Juli 1797 endlich das Außenministerium übernahm: Da gab er dann im ersten Monat seiner Amtszeit das Fünfundzwanzigfache (!) des Jahresetats (!!) seines Vorgängers (Charles-François Delacroix) aus (Respekt!). Und geschämt hat er sich für seinen Umgang mit dem Finanzhaushalt des Ministeriums keineswegs, ganz im Gegenteil. Bescheidenheit und Demut in finanziellen Angelegenheiten waren nicht sein Ding, und das hätte er auch nie bestritten.

Aber: Geschmack war sein Ding. Und gegen Ende seiner Zeit als Minister Napoleons hatte er es leider nicht mehr im Griff, wie man ihn malte - jetzt komme ich auf die drei Bilder von Prud'hon zurück, siehe Anhang. Napoleon "zwang" seine Würdenträger, sich in ihren albernen Würdenträgeruniformen malen zu lassen, die er ihnen aufzwang. Talleyrand fand die Uniform hässlich und geschmacklos, aber er sah ein, dass es dem Zweck diente, die angebliche Bescheidenheit des Kaisers dem Volk zu verdeutlichen (wenn alle seine Minister in solchen Pfauenkostümen rumspringen, der Herrscher aber im grauen Filzmantel: Was für ein Herrscher!). Außerdem bin ich nicht sicher, ob Talleyrand sich zu diesem Zeitpunkt gegen diese Order hätte wehren können. Also hat er sich malen lassen; es gibt zwei Versionen. Sein Verhältnis zu Napoleon war getrübt, die Klamotten fand er nicht nur scheußlich, sondern sie waren auch tonnenschwer - vor allem der blaue, mit sehr viel Silber bestickte Umhang, Talleyrand konnte kaum darin stehen - alles nicht gerade ein Garant für gute Stimmung im Atelier. Und entsprechend angepisst sieht Talleyrand auf den beiden Bildern (vor allem eben auf dem "blauen") auch aus. Ich mag Prud'hon, weil er es trotz aller akademischer Formalität immer noch schafft, irgendwie die "echten" Emotionen durchscheinen zu lassen - Talleyrand war alles andere als begeistert von den Bildern (beziehungsweise dem Motiv), und ich finde, das sieht man. Um seinen tatsächlichen Standpunkt dann aber mal klar zu rücken (und ein Bild von sich zu haben, das ihm auch selbst gefiel), hat er bei Prud'hon dann später privat noch ein drittes Portrait in Auftrag gegeben, das ihn so zeigt, wie er es wollte und nicht sein Chef - das ist das rechte, das ihn in dem schlichten, dunkelgrünen Anzug und schwarzen Hosen zeigt. Dafür hat er Prud'hon nicht gesessen, sondern der hat es von dem "roten" Portrait abgemalt (daher auch die exakt gleiche Pose, und die ohne überdehnbare Sehnen unmögliche Handhaltung). Das rote Portrait hängt heute im Musée Carnavalet in Paris, das blaue in Valençay, und das im Anzug im Metropolitan Museum in New York.

Viele Grüße,
Gnlwth
 

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Ich weiß recht wenig zu Talleyrand und finde diesen Thread daher sehr spannend. Interessant sind auch die Details, wie man damals mit dem Klumpfuss leben konnte/musste und welche Hilfsmittel es gab.

Im letzten Beitrag verstehe ich aber nicht, weshalb es "Respekt!" abringt, wenn Talleyrand Unmengen von Geld ausgibt? Hat er es gegen großen Widerstand und mit großer positiver Wirkung getan?

Auch interessant für mich, da man sich an dieser Stelle tolle Informationen zum Leben um 1800 erhoffen kann, die nicht nur Allgemein gehalten sind, ist die Quellenlage, wenn wir heute zum Beispiel wissen können, dass Talleyrand nicht von den Bildern begeistert war, aber ihre Wirkung anerkannte.
Gibt es ein Tagebuch oder kennen wir das meiste über Briefe?
 
Gibt es ein Tagebuch oder kennen wir das meiste über Briefe?
Wichtig sind seine Memoiren, auf welche er sich längere Zeit vorbereitet hatte. Wenn ich mich recht entsinne, machte er immer wieder Notizen. Einmal ließ er sich welche nachschicken, ich glaube aus England, stellte dann aber fest, dass er daraus seiner Erinnerung nicht genügend über den Teil seines Lebens auf die Sprünge helfen konnte.
Daneben verfassten auch zeitweilige Wegbegleiter wie Barras Memoiren. Wobei diese, gerade wenn sie von späteren Gegnern stammen, die Aussagen von Talleyrand relativieren können.
 
Dankeschön für die Informationen! Damit sind ja sehr spannende Quellen gegeben; es scheint leider, so nach meinen ersten Recherchen, aber schwierig zu sein, an deutsche Texte zu kommen.
 
Und dann wattiert? Mit Baumwolle? Ein Wonderbra fuer die Waden! Haelt natuerlich auch warm, wenn man das moechte, sieht aber vermutlich eher albern als eindrucksvoll aus, vor allem, wenn es verrutscht...
Ich muss nochmal schauen. Es ist wohl sowas wie die Auspolsterung im Bereich der Schulterpartie, die damals aber keine breiten Schultern sondern eine prominente Brust bei den Herren andeuten sollte.

Das ist eine Art Watte. Ich kann das aber nicht so gut erklären wie Cécile.
 
Aber: Geschmack war sein Ding. Und gegen Ende seiner Zeit als Minister Napoleons hatte er es leider nicht mehr im Griff, wie man ihn malte - jetzt komme ich auf die drei Bilder von Prud'hon zurück, siehe Anhang. Napoleon "zwang" seine Würdenträger, sich in ihren albernen Würdenträgeruniformen malen zu lassen, die er ihnen aufzwang. Talleyrand fand die Uniform hässlich und geschmacklos, aber er sah ein, dass es dem Zweck diente, die angebliche Bescheidenheit des Kaisers dem Volk zu verdeutlichen (wenn alle seine Minister in solchen Pfauenkostümen rumspringen, der Herrscher aber im grauen Filzmantel: Was für ein Herrscher!). Außerdem bin ich nicht sicher, ob Talleyrand sich zu diesem Zeitpunkt gegen diese Order hätte wehren können. Also hat er sich malen lassen; es gibt zwei Versionen. Sein Verhältnis zu Napoleon war getrübt, die Klamotten fand er nicht nur scheußlich, sondern sie waren auch tonnenschwer - vor allem der blaue, mit sehr viel Silber bestickte Umhang, Talleyrand konnte kaum darin stehen - alles nicht gerade ein Garant für gute Stimmung im Atelier. Und entsprechend angepisst sieht Talleyrand auf den beiden Bildern (vor allem eben auf dem "blauen") auch aus. Ich mag Prud'hon, weil er es trotz aller akademischer Formalität immer noch schafft, irgendwie die "echten" Emotionen durchscheinen zu lassen - Talleyrand war alles andere als begeistert von den Bildern (beziehungsweise dem Motiv), und ich finde, das sieht man. Um seinen tatsächlichen Standpunkt dann aber mal klar zu rücken (und ein Bild von sich zu haben, das ihm auch selbst gefiel), hat er bei Prud'hon dann später privat noch ein drittes Portrait in Auftrag gegeben, das ihn so zeigt, wie er es wollte und nicht sein Chef - das ist das rechte, das ihn in dem schlichten, dunkelgrünen Anzug und schwarzen Hosen zeigt. Dafür hat er Prud'hon nicht gesessen, sondern der hat es von dem "roten" Portrait abgemalt (daher auch die exakt gleiche Pose, und die ohne überdehnbare Sehnen unmögliche Handhaltung). Das rote Portrait hängt heute im Musée Carnavalet in Paris, das blaue in Valençay, und das im Anzug im Metropolitan Museum in New York.
Das finde ich sehr interessant.

Durch die Porträts von Talleyrand, die sich erhalten haben, hatte ich immer den Eindruck, dass er bestickte Anzüge mochte, weil diese ja quasi zu der angestammten Rolle seiner Familie als Hofadel passten.

Die Uniformen der Hofbeamten und Minister habe ich genauso bei Bonaparte wie schon in der Republik gedeutet. Das sehe ich ganz anders als Du. Für mich sieht es so aus, als ob die Uniformen zweierlei andeuten sollten:
A) Die Funktion des Trägers. Man sieht das auch schon bei den Kostümentwürfen von David für die Kleidung der Repräsentanten der Republik, dass anhand der Verzierungen eine Abstufung innerhalb der Ränge erkennbar ist. Obendrein soll die Kleidung eine repräsentative Würde ausdrücken. Allerdings orientierte sich diese dann modisch nicht mehr an antiken (oder vielmer pseudoantiken) Vorbildern, sondern an welchen aus der Renaissance (kurze Mäntelchen, teilweise Barette etc.).

B) Was unterstreicht eine Uniform? Sie unterstreicht in wessen Diensten man steht und DASS man in den Diensten von jemanden steht. Man ist jemanden unterworfen.
Nicht zuletzt aus dem Grund hat der Hofadel des Absolutismus es in aller Regel gehasst solche Uniformen zu tragen und die Monarchen mochten es oftmals ihnen diese aufzudrücken. (Vgl. mit den Streitigkeiten um die Uniformierung des sächs. Adels anlässlich der Vermählung von Kurprinz Friedrich August 1718!) Man sah schlicht aus wie ein Bedienter in einer Livree.
Mit der zunehmenden staatlichen Durchdringung setzten sich aber Hofuniformen und Beamtenuniformen in Europa erfolgreich durch. Die Aussage, dass die Träger Staatsdiener waren, scheint mir aber die selbe gewesen zu sein.
(Kann es nicht auch sein, dass auch dieser Aspekt Talleyrand gestunken hat?)

PS: Die drei Porträts sind von wann genau?
 
Zuletzt bearbeitet:
Hallo Rafael,

1.)Ich weiß recht wenig zu Talleyrand und finde diesen Thread daher sehr spannend. Interessant sind auch die Details, wie man damals mit dem Klumpfuss leben konnte/musste und welche Hilfsmittel es gab.

2.) Im letzten Beitrag verstehe ich aber nicht, weshalb es "Respekt!" abringt, wenn Talleyrand Unmengen von Geld ausgibt? Hat er es gegen großen Widerstand und mit großer positiver Wirkung getan?

3.) Auch interessant für mich, da man sich an dieser Stelle tolle Informationen zum Leben um 1800 erhoffen kann, die nicht nur Allgemein gehalten sind, ist die Quellenlage, wenn wir heute zum Beispiel wissen können, dass Talleyrand nicht von den Bildern begeistert war, aber ihre Wirkung anerkannte.
Gibt es ein Tagebuch oder kennen wir das meiste über Briefe?



Zu 1.) Da habe ich eine Menge recherchiert, über unbehandelte Klumpfüße damals und heute, und über Behandlungsmethoden, die damals zum Teil sehr rabiat waren und meistens zu keinen besonders beeindruckenden Ergebnissen führten. Bei Talleyrand hat man darüber hinaus offensichtlich viel zu spät mit der Behandlung angefangen, als er nämlich etwa vier Jahre alt war - da sind die Knochen dann schon so hart, dass mit Korrekturschienen nichts mehr zu erreichen ist (außer dem Kind erhebliche Schmerzen zuzufügen). Auch hat man versucht, ihm "Nerven auszubrennen", was auch immer man sich genau darunter vorzustellen hat - Kauterisation war damals schon eine gängige Heilmethode, aber bei Klumpfüßen doch eher unangebracht. Ich könnte da noch sehr viel schreiben und Bilder zeigen, aber das wäre wohl eher ein anderer Thread.

Zu 2.) Bis zu einem gewissen Grad meinte ich das ironisch - ich bin keineswegs ein Fan von Politikern, die Steuergelder verprassen, und meine Begeisterung hielte sich durchaus in Grenzen, wenn ich heute läse, dass etwa der Herr Westerwelle im ersten Monat seiner Amtszeit bereits das Fünfundzwanzigfache des Jahresetats des Herrn Steinmeier ausgegeben hätte. Nur: Ich glaube, hier ist die Lage etwas anders. Als Talleyrand das Außenministerium übernahm, war es in einem ziemlich desolaten Zustand. Leider weiß ich die absoluten Zahlen nicht, aber ich könnte mir vorstellen, dass dieser Betrag gar nicht so wahnsinnig hoch war. Delacroix hat eben offensichtlich gar nichts ausgegeben - er mag ein Sparbrötchen gewesen sein, aber sicher hatte er währen der Jahre 1795 bis '97 auch gar nicht so viel zum Ausgeben. Und jeder, der ein Budget verwaltet, weiß, wie das ist: Wenn man es nicht ordentlich überzieht, bekommt man in der nächsten Antragsperiode bestenfalls das Gleiche. Wenn man mehr haben will, muss man vorher mehr ausgeben. Ich kenne einen solchen Fall, in dem ein Institutsdirektor durch jahrzehntelange Sparsamkeit den Etat soweit runtergefahren hat, dass das Institut bei seiner Pensionierung kurz vor dem Dichtmachen stand. Sein Nachfolger hat sich die Haare gerauft ob der veralteten Computer und der Büromöbel aus den Sechzigern, und vermutlich sehr hart um eine erhebliche Budgeterhöhung verhandeln müssen, um den Karren aus dem Dreck ziehen zu können. Insofern: Respekt für alle, die in einer solchen Situation so verhandeln können - und diese Zahl, das Fünfundzwanzigfache ... das ist einfach so wahnwitzig viel mehr (auch, wenn es absolut vielleicht gar nicht so viel war), dass es mir tatsächlich einigen Respekt abnötigt. Selbst, wenn Talleyrand es für Sèvres-Porzellan ausgegeben haben mag.

Zu 3.) Brissotin hat es ja bereits gesagt, Talleyrand hat seine Memoiren verfasst, allerdings in den Jahren ab 1815, so dass sie mit einiger Vorsicht zu genießen sind. Wenn er auch nicht - so wie Barras - lügt, so haben sie doch einen Adressaten, und bei allem, was man liest, sollte man sich darüber klar sein, für wen und aus welchem Grund er was geschrieben hat. Die Memoiren gibt es auf Deutsch (Erschienen 1891), aber sie sind sehr schwer zu bekommen und daher auch nicht ganz billig. Auf Englisch gibt es einen erheblich billigeren Nachdruck aller fünf Bände.
Wenn ich mich recht erinnere, steht das mit Talleyrands Reaktion auf die Anordnung Napoleons, sich in seinem Pfauenkostüm von Prud'hon malen zu lassen, auf jeden Fall in der Biographie von Jean Orieux - wo der Herr Orieux seine Information her hat, müsste ich nochmal nachschauen. Da Talleyrand ja schon recht früh recht bekannt war, gibt es auch jede Menge Leute, die sein Tun und Lassen in ihren Briefen und Memoiren kommentiert haben (z.B. auch die Frau Rémusat). Die allererste Erwähnung Talleyrands stammt übrigens aus dem Jahr 1769 - da war er 15 Jahre alt und wurde von Madame de Genlis als ein sehr stiller, blasser Junge beschrieben, der sich am Hof seines Onkels (Alexandre-Angélique de Talleyrand-Périgord, damals Koadjutor des Erzbischofs von Reims) aufhielt.

Gleich geht's weiter, aber damit es übersichtlicher wird, antworte ich auf Brissotins Post lieber getrennt von diesem.

Viele Grüße,
Gnlwth
 
Hallo Brissotin,

Durch die Porträts von Talleyrand, die sich erhalten haben, hatte ich immer den Eindruck, dass er bestickte Anzüge mochte, weil diese ja quasi zu der angestammten Rolle seiner Familie als Hofadel passten.

Ja, mag sein, dass er Besticktes mochte. Bekannt ist ja, dass er Samt und Seide und Spitzen mochte. Aber es kommt wohl auch ein bisschen auf die Zeit an - ja, er war altmodisch und hielt bis zu einem gewissen Grad an der Mode seiner Jugend fest: Langes, gepudertes Haar, Culotten (Talleyrand hat sehr spät erst angefangen, lange Hosen zu tragen, alle Bilder/Karrikaturen, die ich kenne, die ihn mit langen Hosen zeigen, stammen aus seiner Zeit als Botschafter in London, 1830-34 - für zwei Beispiele siehe Anhang). Aber dass man sofort Besticktes mit ihm assoziiert, liegt vielleicht auch daran, dass das eben die "Uniform" war, die er unter Napoleon trug, und dass in dieser Zeit die heute bekanntesten Portraits entstanden. Ich kenne jedenfalls auch massig Bilder, die ihn in zwar elegantem, aber wenig bis gar nicht verziertem Tuch zeigen.


Die Uniformen der Hofbeamten und Minister habe ich genauso bei Bonaparte wie schon in der Republik gedeutet. Das sehe ich ganz anders als Du. Für mich sieht es so aus, als ob die Uniformen zweierlei andeuten sollten:
A) Die Funktion des Trägers. Man sieht das auch schon bei den Kostümentwürfen von David für die Kleidung der Repräsentanten der Republik, dass anhand der Verzierungen eine Abstufung innerhalb der Ränge erkennbar ist. Obendrein soll die Kleidung eine repräsentative Würde ausdrücken. Allerdings orientierte sich diese dann modisch nicht mehr an antiken (oder vielmer pseudoantiken) Vorbildern, sondern an welchen aus der Renaissance (kurze Mäntelchen, teilweise Barette etc.).

B) Was unterstreicht eine Uniform? Sie unterstreicht in wessen Diensten man steht und DASS man in den Diensten von jemanden steht. Man ist jemanden unterworfen.
Nicht zuletzt aus dem Grund hat der Hofadel des Absolutismus es in aller Regel gehasst solche Uniformen zu tragen und die Monarchen mochten es oftmals ihnen diese aufzudrücken. (Vgl. mit den Streitigkeiten um die Uniformierung des sächs. Adels anlässlich der Vermählung von Kurprinz Friedrich August 1718!) Man sah schlicht aus wie ein Bedienter in einer Livree.
Mit der zunehmenden staatlichen Durchdringung setzten sich aber Hofuniformen und Beamtenuniformen in Europa erfolgreich durch. Die Aussage, dass die Träger Staatsdiener waren, scheint mir aber die selbe gewesen zu sein.
(Kann es nicht auch sein, dass auch dieser Aspekt Talleyrand gestunken hat?)


Das ist ein sehr interessanter Aspekt! Ich kann mir gut vorstellen, dass das auch reingespielt hat. Unabhängigkeit war Talleyrand sehr wichtig, und sich - auch noch äußerlich - zum Diener eines Herren zu machen, dessen Handeln er nicht mehr guthieß, war ihm sicher nicht sehr angenehm.

PS: Die drei Porträts sind von wann genau?

Das blaue von 1806, das rote von 1807, und das im Anzug von 1817.

Viele Grüße,
Gnlwth


P.S. Wer ist Cécile?
 

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Salut gnlwth! (Lustig wenn ich mir vorstelle, wie ich das aussprechen würde.)

1.
Ja, mag sein, dass er Besticktes mochte. Bekannt ist ja, dass er Samt und Seide und Spitzen mochte. Aber es kommt wohl auch ein bisschen auf die Zeit an - ja, er war altmodisch und hielt bis zu einem gewissen Grad an der Mode seiner Jugend fest: Langes, gepudertes Haar, Culotten (Talleyrand hat sehr spät erst angefangen, lange Hosen zu tragen, alle Bilder/Karrikaturen, die ich kenne, die ihn mit langen Hosen zeigen, stammen aus seiner Zeit als Botschafter in London, 1830-34 - für zwei Beispiele siehe Anhang).
2.
Das blaue von 1806, das rote von 1807, und das im Anzug von 1817.



3.
P.S. Wer ist Cécile?
1.
Samt, Seide und Spitze war ja bei der Hofkleidung noch weit ins 19.Jh. hinein genauso wie die Culotte obligatorisch. Kniebundhosen blieben bis in die 1820er nicht so unüblich. Dass er mit um die 80 dann überhaupt nochmal modisch einschwenkte ist dann eher das erstaunliche.

Zöpfe und gepudertes Haar sieht man in Modejournalen noch bis ca. 1807 (soweit ist es mir zumindest bis jetzt aufgefallen) zum "Evening Dress" (z.B. in "Le beau monde" 1806) als topmodisch(!). Mit dem Evening Dress meine ich nun keine Hofmode, sondern gewöhnliche Mode zu Bällen etc..

2.
Merci.
Schade dass das letzte Bild von nach 1815 ist.

3.
Wirst Du schon sehen.
Ich schreibe zur Überichtlichkeit Forumsnamen fast immer kursiv. (V.a. da sich viele historische Namen genommen haben wie Lukrezia Borgia.)
 
Im letzten Beitrag verstehe ich aber nicht, weshalb es "Respekt!" abringt, wenn Talleyrand Unmengen von Geld ausgibt? Hat er es gegen großen Widerstand und mit großer positiver Wirkung getan?
QUOTE]

Zu gnlwth Ausführungen noch ein paar Ergänzungen:
Talleyrands Geldbedarf war legendär. Er beschaffte es sich neben den Dotationen eines Ministers oder später eines "vice grand electeurs" vor allem durch Korruption und an der Börse. Aber Geld war für ihn nie Selbstzweck. Es war für ihn völlig in Ordnung, reich zu sein, sich mit schönen Dingen zu umgeben, aber so wie er es einnahm, gab er es auch mit vollen Händen wieder aus. Und es war auch recht schwierig zu trennen, ob das Geld privat oder beruflich verwendet wurde. Als Beispiel sei sein Ball vom 3. Januar 1798 zu Ehren Josephines erwähnt, der Hunderttausende gekostet hat und vom Gehalt eines Ministers des Drectoire nicht zu bestreiten gewesen wäre, zudem man wissen muss, dass es zu der Zeit nicht unüblich war, in Naturalien bezahlt zu werden.
Und so ist es nicht verwunderlich, dass er trotz riesigen Einnahmen durchaus mehrmals vor der Pleite stand und nicht nur einmal seine Bibliothek verkaufen musste.

Der Umstand, dass privates Geld auch in dienstliche Anlässe einfloss, ist für die Zeit nicht ungewöhnlich, auch Caulaincourt hatte trotz großzügiger Geldmittel Napoleons dennoch viel eigenes Kapital als Botschafter in St. Petersburg verwenden müssen, um standesgemäß auftreten zu können.

Geld war anderen wichtiger. So wichtig, dass sie in ihren Memoiren darüber reden. Barras zum Beispiel entblödete sich nicht, ein Pamphlet zu veröffentlichen, in dem die Einkünfte Talleyrands aufgelistet sind. In der Summe ergeben sich 117,690 Millionen Franc, [1] im heutigen Goldwert gegengerechnet 1,1 Mrd. Euro. Das klingt fantastisch, ich persönlich halte diese Summe nicht unbedingt für sehr übertrieben, zumal man wohl auch konstatieren kann, dass sich die damaligen Preise für Luxusgüter kaum wirklich von den heutigen unterscheiden.

Was die Korruption selbst angeht, war sie zu der Zeit völlig üblich:

„Im 18. Jahrhundert war, so hat man festgestellt, die Korruption sogar ein wichtiger Wirtschaftsfaktor. Viele Fürsten sparten damals an der Bezahlung ihrer Minister und Beamten, weil sie es für normal hielten, dass diese von allen möglichen Seiten, auch von auswärtigen Mächten, Geld erhielten, was ihre Politik nicht einseitig vom Geber abhängig machen musste, zumal sie oft von mehreren, auch entgegengesetzten Parteien Geld nahmen.“ [2]

Der einzige Unterschied zu seinen Zeitgenossen war, dass sie Tausende bekamen, wo Talleyrand Millionen forderte und auch bekam. Natürlich blieb dies nicht verborgen und hat dazu geführt, dass die moralische Beurteilung seiner Person äußerst negativ war. Erst im Laufe der Zeit hat sich dieses Bild relativiert.

Grüße
excideuil

[1] Barras: „Memoiren von Paul Barras Mitglied des Direktoriums“, herausgegeben von George Duruy, Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart, Leipzig, Berlin, Wien, 1895-1896, 4. Bd. Seiten 250-257
[2] Weis, Eberhard: Montgelas, München, 2005, Bd. 2, Seite 137
 
Dankeschön für die Informationen! Damit sind ja sehr spannende Quellen gegeben; es scheint leider, so nach meinen ersten Recherchen, aber schwierig zu sein, an deutsche Texte zu kommen.

In der Tat.
Seine Memoiren sind deutsch nur in der Ausgabe von 1891-93 in geringer Auflage erschienen. Mir ist z.Z. nur ein Angebot bekannt, indem stolze 1500 € verlangt werden. [1]
Selbst für die unechten Memoiren werden 800 € verlangt. (Lohnen aber nicht, sie sind nur eine Zusammenfassung von damals gängigen Pamphleten.
Auf deutsch ist der Briefwechsel zwischen ihm und Ludwig XVIII. während des Wiener Kongress erschienen, auch nur eine Ausgabe von 1881.[2]
Bei Rudolf Rahn [3] findet man einige Dokumente, bei Buwler [4] seine beiden berühmten Denkschriften vor dem Nationalinstitut.

Dann wird es dünn. Bei Freksa [5] Auszüge vom Briefwechsel zum Wiener Kongress. Das war es dann (meines Wissens). Hin und wieder ein Brief, ein paar Zitate in einem Buch, aber die Briefwechsel mit Napoleon, mit der Herzogin von Kurland, mit Dorothea von Dino ... nur auf französisch.

Aber bei Interesse bietet Google Books ein paar Leckerbissen, wofür im Original viel Geld bezahlt werden müsste: Die Biografie von Sallé [6] und die Beschreibungen von Colmache (ehem. Privatsekretär Talleyrands).

Grüße
excideuil

[1] Talleyrand: „Memoiren des Fürsten Talleyrand“, herausgegeben mit einer Vorrede und Anmerkungen von Herzog de Broglie, Original Ausgabe von Adolf Ebeling, Köln und Leipzig, 1891-1893, 5 Bd.
[2] Talleyrand: „Talleyrand’s Briefwechsel mit König Ludwig XVIII. während des Wiener Kongresses. Herausgegeben von G. Pallain, F.A. Brockhaus, Leipzig, 1881
[3] Rahn, Rudolf: „Talleyrand – Portrait und Dokumente“, H. Laupp’sche Buchhandlung, Tübingen, 1949
[4] Bulwer, Sir Henry Lytton: Geschichtliche Charaktere, Band 1: Talleyrand; Band 2: Mackintosh, Cobbett, Canning; Winter’sche Verlagsbuchhandlung; Leipzig und Heidelberg, 1871
[5] Freksa, Friedrich (Hrsg.): Der Wiener Kongress Nach Aufzeichnungen von Teilnehmern und Mitarbeitern, Verlag Robert Lutz, Stuttgart, o.J.
[6] Sallé, Alexander: „Talleyrand-Perigord’s politisches Leben“, Fr. Brodhag’sche Buchhandlung, Stuttgart, 1834
[7] Colmache, Édouard.: „Aus dem Leben des Fürsten von Talleyrand“, Erster und zweiter Teil, Grimma und Leipzig, 1851

 
Hallo excideuil,

1.) Aber Geld war für ihn nie Selbstzweck. Es war für ihn völlig in Ordnung, reich zu sein, sich mit schönen Dingen zu umgeben,

2.) aber so wie er es einnahm, gab er es auch mit vollen Händen wieder aus.

Zu 1.) Das kann man zum Beispiel schön an Talleyrands Einschätzung der Amerikaner erkennen, und hier zitiere ich mich der Einfachkeit halber mal selbst, aus meinem Artikel über Talleyrands Zeit im Exil:

Die Verehrung des Reichtums hat etwas Widerwärtiges an sich, wenn sich die meisten Menschen nicht einmal die einfachsten Dinge leisten können, schreibt Talleyrand. Nun mag man einwenden, dass diese Worte etwas merkwürdig klingen aus dem Munde eines Mannes, zu dessen weniger rühmlichen Eigenschaften eine recht ausgeprägte Geldgier zählt.

Aber es ist nicht das Geld, nicht der Reichtum, dem die Bewunderung Talleyrands gilt. Geld hat man eben, wenn man jemand ist. Man braucht es, um stilvoll zu leben und das ist ihm wichtig, aber er versteht nicht, wie es ein Statussymbol sein kann. Der Status eines Menschen leitet sich für ihn aus seiner Stellung in der Gesellschaft ab, Macht und Erfog sind, was zählt – und Geld geht gemeinhin damit einher, es ist ein Symptom des Erfolges.



Zu 2.) Ja, Talleyrand war sicher ebenso freigiebig, wie er geldgierig war. Zum gut (und stilvoll) Leben gehört es eben auch, nicht kleinlich und knausrig zu sein, Geschenke zu machen und Freunde zu unterstützen. Bei Talleyrand wohnten immer sehr viele Leute, die er teils monatelang durchfütterte und auch sonst ihre Rechnungen bezahlte, ohne mit der Wimper zu zucken - in England unterstützte er die neuangekommenen Emigranten und ließ sie bei sich wohnen, obwohl er schließlich weder Geld noch Platz dazu hatte (das zweite Haus, das am Kensington Square, habe ich dieses Jahr mal selbst gesehen (siehe Foto im Anhang) - nicht gerade ein Palast. Aber Knausrigkeit ist wohl das Letzte, was man Talleyrand vorwerfen kann.
Seinen jüngsten Bruder Boson hat er übrigens auch sein halbes Leben lang unterstützt und seine Rechnungen bezahlt, weil Boson ein Spieler und Schürzenjäger war, der das Geld ebenso mit vollen Händen ausgab wie sein ältester Bruder, gleichzeitig aber leider nicht in der Lage, ebenso geschickt wieder welches zu verdienen.


Der einzige Unterschied zu seinen Zeitgenossen war, dass sie Tausende bekamen, wo Talleyrand Millionen forderte und auch bekam. Natürlich blieb dies nicht verborgen und hat dazu geführt, dass die moralische Beurteilung seiner Person äußerst negativ war. Erst im Laufe der Zeit hat sich dieses Bild relativiert.

Es war aber nicht nur die Menge des Geldes, die Talleyrand auf diese Art und Weise angesammelt hat, es war auch die Dreistigkeit, mit der er es eingefordert hat. Und es blieb eben auch deshalb nicht verborgen, weil er selten irgendwelche Anstalten gemacht hat, es zu verbergen, wenn er "Douceurs" erhielt - ganz im Gegenteil. Als die Amerikaner sich im Laufe der XYZ-Affaire aufregten, dass er bereits Geld verlangte, um überhaupt in Verhandlungen zu treten, war er völlig konsterniert, dass sie ernsthaft von ihm erwarteten, da irgendwas ohne Bezahlung zu machen - so nach dem Motto, "für wie dämlich halten die mich eigentlich, zu glauben, dass ich mir hier so eine Arbeit mache, ohne die Gelegenheit zu nutzen, irgendwie davon zu profitieren" - wer sich nicht bereicherte, war in seinen Augen eben ungeschickt in Finanzdingen. Mit völligem Unverständnis begegnete er zum Beispiel auch der Entscheidung Alexander Hamiltons (der in Amerika ein guter Freund von Talleyand wurde), die Politik aufzugeben und in Zukunft als Rechtsanwalt in New York zu arbeiten. Wie und wo kann man mehr Geld verdienen, als in der Politik, fragte er sich (und Hamilton) - wenn man es geschickt anstellt. Hamilton sah das anders (so wie die amerikanischen Unterhändler in der XYZ-Affaire später dann ja auch). Offensichtlich war Korruption in Amerika keine so hoch angesehe Einnahmequelle wie in Europa...

Und um alle Missverständnisse auszuräumen: Ich finde Talleyrands Haltung bezüglich Korruption durchaus nicht sehr bewundernswert. Aber es stimmt schon, man darf das auf keinen Fall aus unserer heutigen Sicht beurteilen.

Viele Grüße,
Gnlwth
 

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Selbst für die unechten Memoiren werden 800 € verlangt. (Lohnen aber nicht, sie sind nur eine Zusammenfassung von damals gängigen Pamphleten.

Huch? Was meinst Du denn? Da ist mir offensichtlich etwas entgangen! (Wie spannend!!!)

Ich weiß nur von dem mysteriösen Album perdu, das ja aber sozusagen apokryph sein soll; das habe ich aber nie selbst gesehen.

Aber bei Interesse bietet Google Books ein paar Leckerbissen, wofür im Original viel Geld bezahlt werden müsste: Die Biografie von Sallé [6] und die Beschreibungen von Colmache (ehem. Privatsekretär Talleyrands).

Na ja, aber im Colmache (den ich in einer englischen Übersetzung von 1860 besitze) steht auch ganz schön viel Mist, den sich der Herr Colmache (oder seine Frau?!) aus den Fingern gesogen hat. Großartig (wenn auch vermutlich falsch) ist natürlich die Geschichte vom Zusammentreffen von Talleyand mit dem Magier Cagliostro!
Mit dem Sallé hatte ich allerdings ein unglaubliches Glück, den habe ich für 15 Euro gekauft, wunderbar erhalten (mein Colmache, für den ich damals glaube ich 60 Pfund bezahlt habe, fällt leider auseinander).

Und mit den ersten beiden Bänden der Memoiren hatte ich ja auch Glück... gell?


Übrigens lohnt es sich sicher für alle, die Französisch können und sich für Talleyrand (und Napoleon) interessieren, mal bei den geradezu unglaublichen Seiten von Pierre Combaluzier vorbei zu schauen, denn dort gibt es im wahrsten Sinne des Wortes Tausende Quellen von und über Talleyrand, z.B.

Transkriptionen von Memoranden, Dossiers, Aufsätzen etc, die Talleyrand verfasst hat

komplette Bücher und Texte über ihn

Transkriptionen von Verträgen

Transkriptionen von Briefen von Talleyrand

Transkriptionen von Briefen von Napoleon an ihn

seine Memoiren

Artikel aus dem Moniteur Universel, die sich auf Talleyrand beziehen

und vieles, vieles mehr. Eine richtige Goldgrube.


Viele Grüße,
Gnlwth
 
Unabhängigkeit war Talleyrand sehr wichtig, und sich - auch noch äußerlich - zum Diener eines Herren zu machen, dessen Handeln er nicht mehr guthieß, war ihm sicher nicht sehr angenehm.
Viele Grüße,
Gnlwth

Vielen Dank für deine Ausführungen. Es ist sehr interessant, deiner Unterhaltung mit Brissotin zu folgen. Ich habe es immer gesagt, du weißt so viel mehr über den Fürsten und Brissotin über Bekleidung ...

liebe Grüße
excideuil
 
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