Nuklearer Winter..(nochmal)
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Der Begriff ist insofern ein geschichtlicher, als er Geschichte hat.
Mei, das hört sich jetzt trivial an, und ist es auch.
Es ist nämlich so, dass er, der Begriff, in einer Zeit entstand als die Welt durchaus noch, mindestens in kultureller und organisatorischer Hinsicht, eine andere Gestalt hatte als heute.
(Bei der Gelegenheit scheint mir ein Hinweis auf die fortschreitende zeitliche Verdichtung von Geschichte erwähnenswert.)
Die Vorstellung, die sich mit dem Nuklearen Winter in ihrer Entstehung verbindet, besteht darin, dass ein nuklearer Schlagabtausch zwischen einzelnen Widersachern, sofern diese über Arsenale von Nuklearwaffen verfügten, auch unbeteiligte Regionen, ja sogar den gesamten Planeten, negativ beeinflussen könnten, oder müssten.
Und dies mit einer ausreichenden Wirksamkeit um ein globales Massensterben, auch anderer vorhandenen Lebensformen, zu bewirken.
Das ist die Kernthese.
Der Gedanke tritt spätestens in den frühen 1980ern auf.
1982 Crutzen und Birks, 1983 medienwirksam TTAPS. Letztere Gruppe verankert den Begriff „Nuklearer Winter“ in die allgemeine Wahrnehmung. Hier ist die Rolle von Carl Sagan hervorzuheben. Sagan ist nicht nur ein geachteter Wissenschaftler, sondern auch ein PR-Talent, und noch schillernder ist sein russisches Gegenstück der wissenschaftlichen Forschung, Vladimir Aleksandrov.
A Scientific Thaw During the Cold War | Pulitzer Center
In diesem Zusammenhang stellt sich bei dem Thema „Kalter Krieg und nukleare Strategie“ unvermeidlich die Frage: ob dieses Szenario einen wesentlichen Einfluss auf die Entscheider der politischen Machtbühnen hatte.
(Das Szenario selbst durfte ja bezweifelt werden. Immerhin war keine experimentelle Überprüfung der These vorhanden (wie auch ohne nuklearen Schlagabtausch?) und das physikalische Experiment steht offenkundig bis heute aus.)
Eine bereits verlinkte Studie der CIA von 1984 beschäftigt mit der Frage, wie die Einschätzung hierzu auf sovietischer Seite sei, und ob es Anzeichen einer entsprechenden Strategieänderung gäbe.
Hervorgehoben wird: zwar werde in vorhandenen sovietischen Publikationen die Gefahr noch intensiver benannt, indes seien keine erheblichen Anzeichen für eine daraus folgende Veränderung der militärischen Ausrichtung erkennbar.
Vielmehr sei eher von einer propagandistischen Kampagne auszugehen, welche das Ziel habe die Nachteile der eigenen technologischen Unterlegenheit abzumildern.
https://www.cia.gov/library/readingroom/docs/DOC_0000284025.pdf
Dabei wäre es interessant herauszufinden, ob sich derartige Überlegungen hier etwa im Forschungsbudget niederschlugen.
Immerhin für die amerikanische Seite findet sich 1986 eine Quelle mit exakten Zahlen.
Es handelt sich hier um eine Art amerikanischer „Bundesrechnunghof“.
https://en.wikipedia.org/wiki/Comptroller_General_of_the_United_States.
Also um eine Behörde deren Aufgabe es ist Ausgaben der öffentlichen Hand zu überprüfen und transparent zu gestalten.
Charles Bowsher | The University of Chicago Booth School of Business
„U.S. research is now trying to reduce these uncertainties [die These Nukleare Winter, Anmerkung durch mich]. Approximately $3.6 million was devoted to nuclear winter studies in fiscal year
1986, principally through the Departments of Defense and Energy and
the National Science Foundation. Fiscal year 1986 funding will be $6.6
million, and the research will be guided by an interagency plan developed at the request of the President’s Science Advisor.'“
http://archive.gao.gov/d13t3/129445.pdf
Wie war das gleich? Es ist ja nicht einfach hier eine sinnvolle Aussage zu erkennen.
Oder bin ich grad ein bisserl blöd?
Aber angenommen, der Chef des amerikanischen „Bundesrechnungshofes“ schreibt nicht grad einen Unsinn,
so waren es wohl nur ein paar Millionen Dollar an Ausgaben für die Erhellung eines Aspekts, der ja strategisch nicht weniger bedeutsam sein konnte, als etwa der Bau eines Flugzeugträgers, dessen Preis bereits zu dieser Zeit das rund tausendfache der angegebenen 'Anstrengungen' betrug.
https://de.wikipedia.org/wiki/Nimitz-Klasse
Kurz gesagt: Zumindest auf amerikanischer Seite fand im betrachteten Zeitraum keine angemessene strategische Würdigung der Gefahr durch den „Nuklearen Winter“ statt, und es darf bezweifelt werden, dass die damalige Gegenseite eine solche in der praktischen Handlungsweise wahrnahm.
(Spannend bleibt die Frage wie so etwas geht,
und ob Aleksandrov, Crutze, Birks und Sagan durch jüngere Forschung bestätigt wurden.)
…
ich hab mich schon gefragt in welchem Thread (Atombombe, Kalter Krieg, .. oder gar Kolumne in Smalltalk) das am besten aufgehoben wäre;
... und mach halt hier weiter, weil es viele Leser hat, wofür ich mich bedanke.
hatl