Kolonialismus in der neusten Forschung

Nein, das Kastratentum geht auf die Forderung der Kirche zurück, Frauen haben in der Gemeinde/Kirche zu schweigen – siehe Paulus.
Unfug.

Im Ursprung geht es in diesem Thread um Geschlechtslosigkeit, Zweigeschlechtlichkeit oder Mehrgeschlechtlichkeit, allem, was wir heute als nicht-binär identifizieren würden, in Opposition zum binären Geschlechtersystem.

Wobei ich sagen muss, dass ich das für eine Sackgasse halte.
Mein Problem dabei wäre dass mir absolut die Vorstellung fehlt, wie das in vorschriftlichen Kulturen zu belegen wäre.

Ohne überlieferte, authentische Selbstzeugnisse der vorkolonialen Gesellschaften, sind wir doch mehr oder weniger auf Berichte von Reisenden aus anderen Regionen angewiesen, die verschiedene Dinge missverstanden haben können oder auf in irgendeiner Form bildliche Darstellungen, bei denen aber dann enorm viel Interpretationsspielraum bestehen würde, so dass man dort möglicherweise Dinge hinein liest, die damit eigentlich nicht intendiert waren.

Bevor man das weiter ausführt, sollte man hier vielleicht die Frag nach der Methode in den Fokus rücken, woraus Vostellungen nichtbinärer Identitäten als gesellschaftlicher Normalität denn abzuleiten wären?

Wie ich das sehe, wäre wir was den momentanen Stand betrifft wahrscheinlich auf Kulturen mit Traditionen schriftlicher Überlieferung verwiesen um so etwas überhaupt einigermaßen sicher feststellen zu können, was aber bedeutet, dass man einen großen Teil der Welt und das hauptsächliche Aktionsfeld des europäischen Kolonialismus/Imperialismus ausklammern müsste.

Ich halte die These nach einigem Nachdenken darüber für schlicht nicht beweisbar.
 
Nein, das Kastratentum geht auf die Forderung der Kirche zurück, Frauen haben in der Gemeinde/Kirche zu schweigen – siehe Paulus. Aber in der Musik werden alle Oktaven genutzt, d.h. auch hohe Stimmen, die gewöhnlich nur Kinder und Frauen haben. Aus diesem Grund ist man dazu übergegangen, Knaben vor dem Stimmbruch zu kastrieren: Sie hatten eine hohe Stimme und waren dem Geschlecht nach männlich, also konnten sie in der Kirche singen – nicht umsonst ist der letzte Kastrat im Jahr 1922 gestorben; als Mitglied der päpstlichen Kapelle.

Die Frage ist hier, ob du nicht die Kausalitäten umkehrst, nämlich dass die Päpste, die ja spätestens seit dem ausgehenden Mittelalter sich nicht mehr aus dem echten Klerus rekrutierten, sondern eher aus dem Adel (dessen nachgeborene Söhne oft in Kirchenämter (Äbte, Bischöfe...) gehievt wurden, ohne, dass sie theologisch besonders bewandert waren) sich nicht dem Geschmack des Adels anpassten. Die Schutzpatronin der Musik ist jedenfalls die Hl. Caecilia.
Du wirst jetzt sicher mit den byzantinischen Kastraten ankommen, aber davon sind gar nicht so viele belegt. De facto wissen wir nur von Brison, dem Chorleiter der Kaiserin Aelia, sicher, dass er Eunuch war. Ob sein Chor aus Eunuchen bestand, ist daraus deduziert worden, ohne aber, dass es dazu verlässliche Quellen gäbe. Und ohne das wird's relativ dünn, bis im 16. Jhdt. dann vermehrt v.a. in Italien Castrati auftreten.
 
Nebenbei. Es gibt beginnend bei Isidor von Sevilla durchaus eine Bevorzugung männlicher Sänger für den Gottestdienst, die fast wortgleich bei Hrabanus Maurus wiederholt wird, auch für klare (liquida) hohe (acuta) Stimme, dies wird allerdings nicht fragwürdig theologisch (mit der Autorität des Paulus) begründet, sondern mit der nicht minder fragwürdigen Vorstellung*, dass Kranke, Frauen und Kinder eine Atemtechnik verwendeten, die für den Gesang nicht gut geeignet sei, anders als eben gesunde Männer. Isidor in seinen Etymologien:

Suaves voces sunt subtiles, et spissae, clarae, atque acutae. Perspicuae voces sunt quae longius protrahuntur, ita ut omnem impleant continuum locum, sicut clangor tubarum. Subtiles voces sunt quibus non est spiritus, qualis est infantium, vel mulierum, vel aegrotantium, sicut in nervis.
Quae enim subtilissimae chordae sunt, subtiles ac tenues sonos emittunt. Pingues sunt voces, quando spiritus multus simul egreditur, sicut virorum. Acuta vox est tenuis, et alta, sicut in chordis videmus.
Dura vox est, quae violenter emittit sonos, sicut tonitruum, sicut incudis sonus, quoties in durum malleus percutitur ferrum. Aspera vox est rauca, et quae dispergitur per minutos et in dissimiles pulsus. Caeca vox est quae mox ut emissa fuerit conticescit, atque suffocata nequaquam longius producitur, sicut est in fictilibus. Vinnola vox, est mollis atque flexibilis. Et vinnola dicta a vinno, hoc est cincinno molliter flexo. Perfecta autem vox est alta, suavis et clara. Alta, ut in sublimi sufficiat; clara, ut aures impleat;suavis, ut animis audientium blandiatur. Si ex his aliquid defuerit, vox perfecta non erit.​

*aber eben nicht theologisch und einem deiner wahlweisen Joker für alles Böse, Paulus, Luther oder die Zentrumspartei.
 
Um mal von dem Nebenstrang "Kastraten sind doch auch nur Transfrauen" zurück zur im Eingangsthread zitierten, durchaus interessanten These zu kommen: Hat die Historikerin und Aktivistin, deren Alias und Namen wir nicht nennen wollen, ihre These irgendwo belegt? Auf ihrer eigenen Homepage habe ich dazu nichts gefunden und auch nicht weiter gesucht.

(Das DUbahnvideo, aus dem der Ausschnitt ist, ähm, nunja, zeigt ja trotz über zwei Stunden Dauer (die ich nicht komplett durchgehalten habe) absolut nichts mehr in diese Richtung (außer, dass die Aussage anscheinend dazu dienen soll, eine Transfrau zu canceln, die genderfluide Personen canceln möchte, falls ich das jemals richtig verstehen sollte.)

Mein Sohn, der in solchen Sachen teilbewandert ist, sagte auf kurze Frage dazu: " ja klar, Hawaii", konnte das auf meine Rückfrage aber auch null belegen und meine eigenen heteronormativen Quellen erzählen mir auch nur von Vielweiberei, Vielmännerei, Libertinage (vor allem der Oberschichten) und (Unterschichten-)Prostitution in den polynesischen Gesellschaften, aber wenig bis nichts von Sodomie, anderen Bestialitäten, hawai'ianischen Transgendern, nichts von Frauen in Männerkleidern, die in Wahrheit den armen Jakob Koch erschlugen. Oder ist das alles schon rausgefiltert in der Propaganda von Charles Clerke und Robert FitzRoy? ...Oder am Ende gar ein selbstgeschaffener Aktivistenmythos wie ggf. "das Matriarchat " in güldenen Vorzeiten seeligen Angedenkens?
 
Zum Thema Kastraten:
Weil man singende Frauen unanständig fand, aber trotzdem ganz hohe Stimmen haben wollte, setzte man in Europa Kastraten ein. In der weltlichen Musik traten Kastraten teilweise in Frauenkleidung auf und spielten Frauen (Travestie).
Im 18. Jahrhundert wurde jedoch in Opern und in der weltlichen Musik zunehmend Sängerinnen eingesetzt. Kastraten kamen dadurch aus der Mode.
Die Kirchenmusik im Kirchenstaat blieb das letzte Refugium der Kastraten. Dort wurden die Kastraten durch Knabenchöre ersetzt.

Im Lexikon Adelung von 1793 ist notiert, die Castraten seien "Halbmänner". Meines Erachtens ist in der Formulierung bereits intendiert, dass sie eben keine richtigen Männer seien.

Man braucht schon einen starken Glauben, um in Eunuchen und Kastraten nicht ein Drittes Geschlecht zu sehen - zumal es ja hier sogar eine biologische Wirklichkeit gibt.

"ja klar, Hawaii"
Māhū
 
Man braucht schon einen starken Glauben, um in Eunuchen und Kastraten nicht ein Drittes Geschlecht zu sehen - zumal es ja hier sogar eine biologische Wirklichkeit gibt.

Das überzeugt mich ehrlich gesagt nicht.
Im Besonderen dann, wenn das Darsein als Eunuch nicht freiwillig gewählt wurde.

Die Vorstellung, dass Jemand z.B. auf Grund einer ihm zugefügten Verstümmelung automatisch sein Geschlecht und idealerweise auch noch gleich seine Geschlechtsidentität ändert wirkt auf mich persönlich etwas seltsam (und makaber) um ehrlich zu sein.


Davon ab, geht die ganze Diskussion um Eunuchen/Kastraten meines Erachtens am Problem vorbei und das aus 2 Gründen:


1. Wenn wir über nicht-binäre Kategorien reden, dann reden wir in der Regel weniger von anatomischen Merkmalen (sofern wir intergeschlechtliche Personen* für den Moment außen vor lassen), als von Geschlechtsidentitäten.
Und damit in erster Linie von abstrakten Kategorien und inneren Einstellungen.
Vielleicht mag es auf den ersten Blick sinnvoll erscheinen Eunuchenn/Kastraten auf Grund ihrer anatomischen Verfassung, als irgendwie außerhalb der binären Kategorien stehend zu betrachten.
Ob das aber Allgemeingut war das so zu sehen und ob dass realitier zu irgendeiner Form nichtbinärer Selbstdefinition der betroffenen PErsonen geführt haben mag (ich wage das zu bezweifeln), steht auf einem anderen Blatt.

2. Der gewichtigere Einwand, den ich gegen die Diskussion um Eunuchen/Kastraten vorzubringen hätte, wäre, dass es sich dabei um Randfiguren abseits der gesellschaftlichen Normalität handelte.
Das Phänomen mag man an irgendwelchen Herrscherhöfen, wichtigen sakralen Orten oder später in den Metropolen des öffteren angetroffen haben, aber der Großteil der Bevölkerung hatte doch kaum einen realen Bezug dazu.

Die Diskussion geht ja am Ende nicht darum, ob vereinzelt und weitghend auf bestimmte Kreise beschränkt nicht-binäre Geschlechtermodelle existiert haben mögen, sondern das Postulat um das es geht, unterstelt ja mehr oder weniger, dass es in von Europäern kolonisierten Gegenden Gesellschaften gab, die nicht-binäre Geschlechtermodelle, mehr oder weniger als soziale Normalität akzeptiert und gegebenenfalls gelebt hätten, bevor die Kolonisatoren kamen.

Und im Bezug darauf, kommen wir ehrlich gesagt mit dem rauf und runterdiskutieren von Randphänomenen, die sich auch als Ausnahme von der Normalität begreifen ließen nicht weiter.
Das ist, nach meinem Dafürhalten, sicher nicht uninteressant zu wissen, geht für mich aber an der Ausgangsthese vorbei.




* die, wenn man sie in dem Begriff inkludieren möchte in meinen Augen im Übrigen die weit interessanteren Kandidaten als Aufhänger für nicht binäre Geschlechtermodelle darstellen würden, als Eunuchen/Kastraten.
 
Im Lexikon Adelung von 1793 ist notiert, die Castraten seien "Halbmänner". Meines Erachtens ist in der Formulierung bereits intendiert, dass sie eben keine richtigen Männer seien.

Man braucht schon einen starken Glauben, um in Eunuchen und Kastraten nicht ein Drittes Geschlecht zu sehen - zumal es ja hier sogar eine biologische Wirklichkeit gibt.

Warum hat man Hengste und Bullen kastriert? Weil der Wallach an Wildheit einbüßt (insbesondere wenn Stuten in der Nähe sind - die Spanier haben damit nach dem Bericht des Bernal Díaz die Maya eingeschüchtert, indem sie einen schwarzen Hengst präsentierten und zwei Stuten in einem Zwelt versteckten) und weil der Bulle dann mehr Wachstumsenergie in den Msukelaufbau anstatt in die Hoden steckt (und leichter zu führen ist, also das Risiko etwa beim Pflügen sinkt). Genauso im Übrigen, wie der Kapaun, der dann mehr Fleisch ansetzte, als der Hahn.
Im Adelung ist das mit den Halbmännern ja nur ein Teil des Textes:

eine verschnittene Mannsperson, dergleichen in Italien sehr gebräuchlich sind, und von daher als künstliche Sänger nach Deutschland geschickt werden. S. das folgende. Ehe man diese Benennung aus dem Italiänischen annahm, nannte man solche Halbmänner im Deutschen Ohngeile, Maden, von dem alten meiden, schneiden, (S. Mähen,) Kapaune, Logener u.s.f. In dem zu Augsburg 1483 gedruckten Buche der Natur heißt es: Ein Maden oder Kapaun, ist ein Mann der seines gezeugs nit hat.
 
Die Vorstellung, dass Jemand z.B. auf Grund einer ihm zugefügten Verstümmelung automatisch sein Geschlecht und idealerweise auch noch gleich seine Geschlechtsidentität ändert, wirkt auf mich persönlich etwas seltsam (und makaber) um ehrlich zu sein.
Zumindest der Charakter ändert sich, das ist ja der Grund, warum man Hengste und der halbe Grund, warum man Stiere kastriert. Wallach und Ochse lassen sich eben führen und der Ochse bildet mehr Kraft aus, die man vom Zugtier benötigt. Ich glaube auch Wallache wachsen größer als der Hengst.
 
Man braucht schon einen starken Glauben, um in Eunuchen und Kastraten nicht ein Drittes Geschlecht zu sehen - zumal es ja hier sogar eine biologische Wirklichkeit gibt.
Welchen "Glauben" benötigt man dazu? Womöglich den an Thesen aus "guten Büchern", die in wunderlichen Verlagen erscheinen? ;)
...allerdings wenn ich so Revue passieren lasse, was bislang an Quellenbelegen für die "These" der Historikerin/Aktivistin vorgelegt wurde (nämlich nichts), dann neige ich dazu, das alles unter Glaubensfragen einzuordnen...
 
Die Frage ist hier, ob du nicht die Kausalitäten umkehrst, nämlich dass die Päpste, die ja spätestens seit dem ausgehenden Mittelalter sich nicht mehr aus dem echten Klerus rekrutierten, sondern eher aus dem Adel (dessen nachgeborene Söhne oft in Kirchenämter (Äbte, Bischöfe...) gehievt wurden, ohne, dass sie theologisch besonders bewandert waren) sich nicht dem Geschmack des Adels anpassten.
Eine abenteuerliche Begründung für etwas, das nur einen Sinn ergibt, wenn man weiß, was Paulus in Bezug auf Frauen gesagt hatte und wie Kirche ihm dabei im Vielen folgte. Bis heute.

Im 18. Jahrhundert wurde jedoch in Opern und in der weltlichen Musik zunehmend Sängerinnen eingesetzt. Kastraten kamen dadurch aus der Mode.
Die Kirchenmusik im Kirchenstaat blieb das letzte Refugium der Kastraten.
Das wird @El Quijote nicht überzeugen – wer so verzweifelt nach Entlastungsgründen sucht, dass er in Päpsten nur noch den weltlichen Adel sieht, kann auch so einen Fakt, wie du ihn hier gebracht hast, nicht von der Überzeugung abbringen, Kirche war an allem, was sie tat, unschuldig, und wenn doch schuldig, dann weil sie tun musste, was die weltliche Macht von ihr verlangte, ja weil sie selbst weltlich geworden war. :D

Und zu der Aussage des Isidor von Sevilla könnte man bemerken: Er stammte aus byzantinischem Spanien wo er ev. die Eunuchen singen hörte; dann brauchte er auch Paulus nicht zu bemühen, wie späteren Kleriker nach ihm.
 
Und zu der Aussage des Isidor von Sevilla könnte man bemerken: Er stammte aus byzantinischem Spanien wo er ev. die Eunuchen singen hörte; dann brauchte er auch Paulus nicht zu bemühen, wie späteren Kleriker nach ihm
Isidor stammte aus "byzantinischem Spanien"?
Und Isidor hörte byz.-span. Eunuchen singen?
Das sind spektakuläre Neuigkeiten!...
 
Eine abenteuerliche Begründung für etwas, das nur einen Sinn ergibt, wenn man weiß, was Paulus in Bezug auf Frauen gesagt hatte und wie Kirche ihm dabei im Vielen folgte. Bis heute.
Mittelalterliche Theologen haben gerne mal biblische Stellen entkontextualisiert, um bestimmte Ideen durchzudrücken oder ihnen zu widersprechen. Aber der Beleg, dass diese Stelle dafür missbraucht worden wäre, der steht aus. Bislang behauptest du nur.

Das wird @El Quijote nicht überzeugen – wer so verzweifelt nach Entlastungsgründen sucht,
Du hast immer noch nicht begriffen, dass du mit deiner völlig überzogenen Religions- und Kirchenfeindlichkeit hier im Forum regelmäßig gestandene Atheisten und Agnostiker dazu bringst, gegen ihre persönlichen Überzeugungen Religion oder Kirche gegen deine ahistorischen und aus dem Kontext gerissenen Anwürfe zu verteidigen. Nicht ich suche - und schon gar nicht verzweifelt - nach Entlastungsgründen, sondern du bist es, der in wirklich JEDEN Thread unbedingt Anwürfe an Kirche und Vertreter von Religion hineinmogeln muss.

Fakt ist: Selbst in "der" Kirche (wovon man bei den ganzen Schismen eigentlich, wenn man nicht einer Agenda folgt, sondern ernsthaft historisches Interesse hegt eigentlich gar nicht sprechen kann) ist nicht alles aus einem monolithischen Block heraus vertreten worden. Es hat immer weiblichen Gesang in der Kirche gegeben. Isidor von Sevilla hat sich für Männer ausgesprochen. Obwohl Isidors Schriften nach der Bibel das in der westlichen Christenheit meistverbreitetste Buch gewesen ist, haben sich andere kirchliche Autoren gegen den Falsettgesang bei Männern ausgesprochen (z.B. Roger Bacon oder Konrad von Zabern [die Männer sollten nicht weibisch durch die naßen ... sundern mennlich, als got wirdig ist singen]). Wiederum andere haben sich gegen Frauengesang in der Kirche ausgesprochen, etwa Gerbert, dem offensichtlich dann besonders bewusst wurde, dass er unter seinem Zölibat ziemlich litt, er verglich den Gesang der Frauen in der Kirche nämlich mit den Sirenen in der Odyssee, sie würden die Männer verführen. Aus diesem Grund wollte wohl auch John of Salisbury den süßlichen Gesang der Frauen in der Kirche verbieten. Ergo sangen die Frauen. Aber damit nicht genug. Ein anderer englischer Bischof (John Longland) tadelte die Nonnen eines Klosters - völlig im Gegensatz zu John of Canterbury - dass sie zu hastig sängen und gebot ihnen, dass sie wieder mit mehr Ernst und Andacht singen sollten. Also... alles andere als eine einheitliche Brühe, sondern ein ziemliches ideologisches Durcheinander und as allein in der katholischen Kirche.
 
Ja, aber wir waren ja konkret beim Kastratensänger, und wenn man den nach dem Stimmbruch kastriert, bringt das exakt gar nichts.
Ich zitiere hier noch mal den Absatz auf den hatl sich bezogen hat. "Erhielten diese Kastraten einen Posten im Palast, egal ob beabsichtigt oder nicht, bedeutete das für die ganze Familie Lebensunterhalt und Sozialprestige." (aus wiki) In welchem Palast sollten denn die Katastratensänger singen? Der Abschnitt findet sich im Chinateil des wiki-Artikels. Kannst du gerne selbst noch mal nachlesen.
Eunuch – Wikipedia
 
Man braucht schon einen starken Glauben, um in Eunuchen und Kastraten nicht ein Drittes Geschlecht zu sehen - zumal es ja hier sogar eine biologische Wirklichkeit gibt.

Biologisch gesehen sind Eunuchen und Kastraten mitnichten ein drittes Geschlecht, sondern es sind und bleiben Männer (bzw. Jungen), die nur aufgrund eines gewaltsamen Eingriffes nicht mehr über alle primären Geschlechtsorgane verfügen und die deshalb zeugungsunfähig sind und bei denen teilweise als Folge des Eingriffs auch die sekundären Geschlechtsmerkmale nicht oder untypisch ausgeprägt sind.

Genauso wie Frauen nach der Menopause oder wenn z. B. wegen Brustkrebs die Brüste amputiert werden mussten, immer noch Frauen sind und kein drittes oder viertes Geschlecht.
 
Eine abenteuerliche Begründung für etwas, das nur einen Sinn ergibt, wenn man weiß, was Paulus in Bezug auf Frauen gesagt hatte und wie Kirche ihm dabei im Vielen folgte.

Abenteuerlich ist viel mehr die Vorstellung am Anfang sei Paulus gewesen.
Paulus reagierte auf ein Phänomen, mit dem er sich beschäftigen musste, weil es das bereits vor ihm gab.

wer so verzweifelt nach Entlastungsgründen sucht, dass er in Päpsten nur noch den weltlichen Adel sieht

Du wirst schwerlich bestreiten können, dass sich die Liste der Päpste von ausgehenden Mittelalter bis ins 20. Jahrhundert mehr oder weniger wie ein "who is who" der großen Familien Italiens liest. Mit ein paar Ausnahmen (die beiden Borgia-Päpste hatten ihre Machtbasis in der Tat eher auf der iberischen Halbinsel, mindestens bis sich Caesare Borgia in der Toscana und der Romagna einen eigenen Herrschaftskomplex aufzubauen versuchte).

Und bei diversen großen adeligen Namen unter den Päspsten, Borgia, della Rovere, de Medici, Orsini etc. könnte man in der Tat fragen, was eigentlich deren theologische Leistungen waren, die sie für das Amt qualifizierten und ob sie sich in ihrem Leben eigentlich überhaupt mal mit theologischen Fragen beschäftigt hatten.

Für diverse Bischofsstühle mag ähnliches Gelten.
Das Erzbistum Köln, z.b. ist von der frühen Neuzeit bis zum Ende des des Heiligenn römischen Reiches z.B. mit kurzen Ausnahmen mehr oder minder permanent mit Sprossen der Wittelsbacher und Habsburger besetzt.
Die behandelten den Kölner Bischofsstuhl mehr oder weniger als ihr hauseigenes Eigentum.

Das mag anderswo nicht ganz so extrem gewesen sein, aber sehr oft nachgeborene Söhne von Adligen ohne besondere theologische Bewanderung zu Kirchenfürsten wurden, das ist kaum abzustreiten.
Mitunter kamen dabei auch absurde Ämterhäufungen zustande.

Luther hat sich seinerzeit z.B. fürchterlich über Albrecht v. Brandenburg aufgeregt, der ohne besondere klerikale Ausbildung erst Erzbischof von Magdeburg, dann Administrator von Halberstadt und am Ende zu allem Überfluss noch Erzbischof von Mainz wurde.
Alles in Personalunion (er konnt also in mindestens 2 von 3 von ihm verwalteten (Erz-)Bistümern nicht einmal anwesend sein) und unter Zuhilfenahme von allerhand Bestechungsgeld.

Wenn @El Quijote hier einwendet, dass sich der Lebenswandel dieser Personen oder ihre Entscheidungen wahrscheinlich eher weniger nach theologischen Meinungen von Paulus richtete, wird er damit nicht ganz unrecht haben.
 
Dann wollen wir nochmal mit der ursprünglichen Behauptung arbeiten: (Da man es nicht sieht: Anmerkungen von mir direkt in Zitat in eckigen Klammern und mindestens Teilsätzen.)
"Also, Darstellungen von Geschlechtslosigkeit, Zweigeschlechtlichkeit oder Mehrgeschlechtlichkeit, allem, was wir heute als nicht-binär identifizieren würden, finden wir eigentlich in allen antiken Kulturen bis hin ins alte Mesopotamien [prinzipiell eiverstanden bis auf das "allen" fände ich in einer (bekannten) Kultur keine (bekannten) Darstellungen, so wäre das Argument in seiner Absolutheit widerlegt. Ich fange mal an, zu fragen: Mongolen? Japaner? First Nations in Nordamerika? Finden wir? (Ich kann und will die Behauptung nicht aus der Hand widerlegen, daher die Frage: Finden wir?)] und auch in einigen Weltreligionen. [Also mindestens zwei der fünf; "einige" sagt meinem Sprachgefühl "mindestens drei", damit wären Judentum und/oder Islam und/oder Christentum mit drin. Wo sind silche Darstellungen zu finden? Da sie explizit von Religionen spricht, nicht von Gesellsschaften, würde ich meine Quellenerwartung auf Talmud/Thora, Bibel und Koran richten. (Nur halb-sarkastisch: die Obsession der vorchristlichen Texte mit abgeschnittenen Vorhäuten würde ich in diesem Zusammenhang nicht als Beleg sehen.)] Im Judentum gibt es ein ganz anderes Verständnis von Geschlecht, das [wir] in diesem binären System kennen.
[Das steht hier auch erstmal als Behauptung ohne Beleg. Wenn ich jetzt besonders in Richtung orthodoxes Judentum blicke, hege ich Zweifel.]
[Zwischenfazit: Bislang oberflächliche Behauptungen, gänzlich ohne Beleg. Darüberhinaus: Sie nennt nichtmal im Ansatz Zahlen, sie spricht lediglich über Darstellungen, sie verliert kein Wort über die soziale Rolle der Personen. Damit wäre ihre Behauptung wahr, wenn sie für zwei Weltreligionen und "alle" antiken Kulturen jeweils eine Darstellung fände, in der die Widernatürlichkeit und Perversion solcher Monstrositäten dargestellt wäre. Ganz sicher nicht ihre Absicht, das belegt allein, dass dieser ganze erste Absatz, pardon, Geschwafel ist.]

Dass wir [wer ist "wir"? Ich kenne persönlich mindestens vier nonbinäre Personen und deutlich über zehn Homosexuelle (das sind allein diejenigen, von denen ich das weiß, da sie alle offen damit umgehen, dazu kommt eine Dunkelziffer. Was genau ist daran "festgefahren"? Und sie sagt das in einem öffentlich zugänglichen Video, in dem mindestens sechs nonbinäre Personen aufeinander losgehen. Keine staatliche Zensur, keine Inquisition...]
heute in diesem festgefahrenen, binären Geschlechtersystem leben, das haben wir dem Kolonialismus zu verdanken. [Also dass "wir" in dieser verbiesterten Welt leben, haben "wir" dem Kolonialismus zu verdanken? Wer hat "uns" denn kolonialisiert? Uns hier in Deutschland? Die Römer? Portugiesen? Spanier? Die Aussage ist unlogisch! ] Denn als die europäischen Kolonialisten in die Welt gegangen sind, haben sie all diese jahrtausendealten Kulturen ausgelöscht [kann das sein, dass das hier eine missglückte Eindeutschung von "gecancelt" ist? Das würde eher Sinn ergeben. Was "ausgelöscht ist, ist nach meinem Verständnis "weg", so wie die Gesellschaft von Atlantis oder Rungholt z. B.. "Die Kolonialisten" haben nicht "alle" und vermutlich auch nicht die meisten kolonialistisierten Kulturen "ausgelöscht"] und damit auch das damit einhergehende Geschlechterbild. [These meinerseits: den meisten Handel und Ausbeutung betreibenden Kolonialisten dürfte das Geschlechterbild ihrer Gegenüber herzlich wurscht gewesen sein (solange der interessierte Teil von ihnen an sexualpartnernde Personen/Objekte rankam.) Plötzlich wurde Mehrgeschlechtlichkeit oder auch gleichgeschlechtliche Liebe kriminalisiert und als Perversion abgestempelt. Das wiederum dürfte nichts mit Kolonialismus zu tun haben, Homophobie (im alten Europa) dürfte durchaus unabhängig vom Kolonialismus gewesen sein, oder gibt es Belege für einen kausalen Zusammenhang im Sinne von: Kolumbus kam aus Cipangu zurück und brachte von dort die Homophobie mit?]

[Ihren dritten Absatz können wir uns schenken, den halte ich für relativ unstrittig, da schon auf Terra-X nachschaubar. Allerdings geht es hier auch nur um Rollenzuordnung für Mann und Frau, also durchaus binär.]

Gesamtfazit: Insgesamt äußert die "Historikerin" eine Menge diffuser unbelegter Behauptungen, die ich in ihrer Summe für wohlfeil und durchaus bar jeglicher wissenschaftlicher Standards halte. Damit stammen sie m. E. deutlich von ihrer aktivistischen Seite, nicht von ihrer wissenschaftlichen. Zur Ausgangsfrage also: ich persönlich halte ihre Aussagen aus den ersten beiden zitierten Absätzen für unwissenschaftlich und sie sind nicht geeignet, den Forschungsstand oder einen herrschenden wissenschaftlichen Konsens darzustellen. Der dritte Absatz von ihr tut das m. E., allerdings über Genderrollen, nicht über vorherrschende nonbinäre Genderidentitäten. (Falls die fragestellende Person überhaupt hier zuliest.)]

@Maglor :
Danke für den Hinweis auf die
Māhū. Die waren mit bislang tatsächlich nicht bekannt und auch ihre Erwähnung durch Bligh habe ich überlesen.

@ "Man braucht schon einen starken Glauben, um in Eunuchen und Kastraten nicht ein Drittes Geschlecht zu sehen - zumal es ja hier sogar eine biologische Wirklichkeit gibt." [Kleine Gemeinheit zuvor vom Neddy: Nach der Logik wird ein Salamander, dem ich vier Beine abhacke, zur Schlange. Und das ist nicht mal der Blindschleiche gelungen. Diesem Argument kann ich nicht folgen.

Zitat von Neddy: ↑ "ja klar, Hawaii" Māhū

Gekauft, es gab also Personen "in der Mitte". Sie waren auf Hawai'i scheinbar auch in ihrer "Nicht der Normalität" [!] entsprechenden Rolle nicht nur toleriert sondern auch mindestens akzeptiert, wenn nicht sogar anerkannt. Wenn nun christliche Missionierende kommen (den Seeleuten war die Geschlechtsidentität der Mahu wahrscheinlich über ihren Status einer exotischen Kuriosität hinaus weitgehend egal, solange ... Sexualpartnernde... - meine Behauptung) und den armen Leuten ihre Moralvostellungen aufdrängten, (die von Theorie und Praxis anderer "Kolonialisten" durchaus abgewichen sein dürften): haben wir dann den Kolonialismus als ursächlich identifiziert, oder nicht vielmehr die Mission? Und dann hätten wir noch den Umstand, dass der Wikipädiaartikel zwar suggeriert, dass das nicht wenige gewesen sind, womit wir es mit einer immerhin sichtbaren, aber dennoch Minderheit zu tun hatten. Frage: wenn z. B. 85% der Population sich als Weiblein/Männlein sehen und (freiwillig!) weitgehend heterosexuellen Nahkampf betreiben, und andere Spielarten für sich selbst ablehnen, auch wenn sie diese bei anderen akzeptieren, ist das im Sinne einer Definition nicht die vorherrschende Norm? Damit hätten die Missionierenden eine Verschärfung von Sanktionen für von der Norm abweichendes Verhalten gebracht, aber keine völlig revolutionäre Norm. (Das ist nun meine These und damit frei zu Widerspruch und Widerlegung.)
 
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Zumindest der Charakter ändert sich, das ist ja der Grund, warum man Hengste und der halbe Grund, warum man Stiere kastriert. Wallach und Ochse lassen sich eben führen und der Ochse bildet mehr Kraft aus, die man vom Zugtier benötigt. Ich glaube auch Wallache wachsen größer als der Hengst.

Ich meine (!), dass die Kastration nicht zu mehr Kraft führt, sondern bei Ochs und Edelesel in erster Linie dazu führen soll, a) beherrschbarer, da sanfter im Gemüt zu werden und b) den Reparaturaufwand an Geschlechtsgenossen, Stuten, Zäunen und Pflegepersonal wegen akuter Riemigkeit und Anwesenheit von Stuten niedrig zu halten. Spätestens Züchter wollen dann ja auch noch kontrollieren, welcher seiner Jungs sich verewigt und das machte man, wie am chinesischen Kauserhof durch operative Eliminierung (potentieller) Konkurrenz.

Meines Halbwissens wurden bei Ritterns und schwerer Kavallerie Hengste eher bevorzugt, weil sie mehr Wumms haben. Einerseits.

Andererseits verblüfft mich bis heute: im Menschensport wird ein Riesenbohei um Trennung der Geschlechter gemacht wird, von wegen unterschiedliche körperliche Leistungsfähigkeit mitsamt der durch Transfrauen eingebrachten Verungerechtifizierung des Frauensports (inzwischen amscheinend mit Diskussion/Regelung eines Grenzwertes für den Testosteronspiegel - wann bei Männern?).

Im Pferdesport hingegen wird weder bei Reitern noch bei Pferden ein Unterschied bei den Geschlechtern gemacht und es scheint (!) auch keinen Grund dafür zu geben - Hengste und Wallache und Stuten scheinen hier keine so gravierenden Unterschiede in der Leistungsfähigkeit zu zeigen, dass eine Trennung nach Geschlechtern ernsthaft thematisiert würde. Oder doch und ich bin schlichtweg schlecht informiert?
 
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